NUMMER 202
FREITAG, 2 8. DEZEMBER 1951
Papst Pius XII.: Neutralität der Kirche
Adenauer bezeichnet Verteidigungsgemeinschaft als „Werk des Friedens"
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VATIKANSTADT. Papst Pius XII. setzte sich in seiner am Heiligen Abend über den Vatikansender übertragenen Weihnachtsbotschaft für die politische Neutralität der katholischen Kirche ein und rief die Welt zu neuen Friedensbemühungen auf. Der Papst sagte, wer — zu Unrecht — die Kirche als eine Art Weltreich betrachte, lasse sich leicht dazu verleiten, von ihr den Verzicht auf Neutralität und die endgültige Entsdieidung für die eine oder die andere Seite zu verlangen. „Für die Kirche kann es sich überhaupt nicht darum handeln, auf politische Neutralität zu verzichten -- aus dem einfachen Grunde, weil sie sich nicht in den Dienst rein politischer Interessen stellen kann.“
Weiter führte der Papst aus, daß die Abrüstung eine wenig zuverlässige Gewähr für einen dauerhaften Frieden sei. Sie müsse von der Abschaffung der Waffen des Hasses, der Begehrlichkeit und der maßlosen Geltungssucht begleitet sein. Darauf seien jetzt die Bemühungen der Kirche gerichtet. Zur Unterdrückung der Kirche in den kommunistischen Ländern sagte der Papst, sein Ruf zum Frieden erreiche in we'ten Teilen der Welt nur ohnmächtig eine „Kirche des Schweigens“. Pius XII. schloß mit den Worten „Gib Frieden, o Herr, in unseren Tagen“.
Bundeskanzler Adenauer drückte in seiner Weihnachtsbotschaft an das deutsche Volk die feste Hoffnung aus, daß die gute Entwicklung des Jahres 1951 auch im kommenden Jahre sich fortsetzen werde. In den letzten Tagen des alten Jahres bringe man in Paris ein „Werk des Friedens“, die europäische Verteidigungsgemeinschaft, zum Abschluß, deren Zustandekommen die „erste Voraussetzung für die Befriedung der Welt sei“. Der Bundeskanzler gedachte in seiner Weihnachtsbotschaft besonders der aus ihrer Heimat vertriebenen Deutschen, der „Brüder und Schwestern im Osten“ und der Witwen und Waisen des letzten Krieges. Der Kanzler rief zur Besinnung auf in der Hast und Hetze der Ge-
Rtihi°e Weihnaditsfeier?a«e
FRANKFURT. Das Weihnachtsfest wurde im ganzen Bundesgebiet auch in diesem Jahr in der ihm eigenen Stille begangen. Aus den einzelnen Landesteilen werden keine besonderen Ereignisse berichtet. Im Norden Deutschlands herrschte an den Feiertagen vorfrühlingshaft mildes Wetter, das jedoch durch Regenfälle getrübt wurde. Polizei und Feuerwehr hatten einen ruhigen Dienst. Nur ein einziger Tannenbaumbrand wurde gemeldet, und zwar aus Düsseldorf. Hier häuften sich auch an den Feiertagen die Unfälle, bei denen es zusammen acht Tote und vier Schwerverletzte gab.
An den Weihnachtsfeiertagen waren die Kirchen in fast allen Orten des Bundesgebiets und in ganz besonderem Maße in der Sowjetzone außergewöhnlich stark besucht. Tausende versammelten sich zu Messen, Prozessionen und Festgottesdiensten. Die Binnenschiffer unterbrachen meistens ihre Fahrt, und viele Schiffe in den Seehäfen hatten einen Tannenbaum an der Mastspitze. Der Hafenbetrieb ruhte jedoch nicht vollständig, da manche Ladungen keine lange Wartezeit vertragen.
Viele deutsche Familien hatten an den Feiertagen alliierte Soldaten zu Gast. Eine Anregung, die von der Presse ausging und lebhaftes Echo im ganzen Bundesgebiet gefunden hatte.
779 Verkehrstote in den USA. New York. — Während der Weihnachtsfeiertage kamen in den USA 779 Personen durch Verkehrsunfälle ums Leben. Das ist ein neuer Rekord. Der bisherige lag bei 761 im Jahre 1936. Die Anzahl der Todesopfer, die auf den Straßen der Vereinigten Staaten seit der Einführung des Kraftwagens gezählt wurden, erreichten am Samstag eine Million. Der erste Mensch, der in den USA von einem Auto überfahren wurde, war Mister Bliss, der am 13. September 1899 beim Aussteigen aus der Straßenbahn unter die Räder eines Kraftwagens kam.
genwart. „Ich fürchte, es wird keinen Frieden, keine Ruhe, keine Freude für die Menschheit geben, wenn wir nicht zurück finden zu den ewigen, unvergänglichen Gütern, auf denen allein das Glück der Menschen aufgerichtet werden kann.“
Bundespräsident Prof. Dr. H e u ß hat den alliierten Hohen Kommissaren für ihre Weih- nachts- und Neujahrsbotschaft gedankt und gleichzeitig die Hoffnung ausgesprochen, daß
im kommenden Jahr allen Völkern eine gesicherte und friedliche Zukunft beschieden sein möge. Die Hohen Kommissare hatten ln ihrer Botschaft die Schaffung eines Vereinten Europas aus wirtschaftlichen, politischen, militärischen und moralischen Gründen als eine „Notwendigkeit“ bezeichnet.
Zum erstenmal nach seiner schweren Lun- genoperation sprach König Georg VI. am ersten Weihnachtsfeiertag wieder über den britischen Rundfunk. Präsident Tr u m an erklärte in seiner Weihnachtsbotschaft, der Sieg, den die freien Nationen mit allen ihren Kräften zu erringen suchten, müsse ein Sieg des Friedens sein.
Wende im Aegyptenkonflikt?
Englandfreundliche Politiker zur Beratung König Faruks ernannt
LONDON. Die Ernennung von zwei englandfreundlichen ägyptischen Politikern zu engsten Beratern König Faruks von Ägypten läßt in politischen Kreisen Londons die Hoffnung aulkommen, daß die durch dauernde Überfälle auf englische Truppen in der Suezkanalzone gespannte Lage doch noch auf diplomatischer Ebene gelöst werden kann. Die britische Regierung enthielt sich bisher jeder amtlichen Stellungnahme.
In London glaubt man, daß die Ernennung von Hafez Afifi Pascha zum Chef des königlichen Kabinetts und des abberufenen Londoner Botschafters Abd-delFattah Amr Pascha zum außenpolitischen.Berater des Königs auf private Warnungen britischer Staatsmänner zurückzuführen sind, die Faruk auf die Folgen einer Fortsetzung der ägyptischen
Terrorpolitik in der Kanalzone aufmerksam gemacht haben.
Politische Beobachter in Kairo gehen so weit, ein Übereinkommen mit dem Westen über das Nahost-Kommando für möglich zu halten, wenn Großbritannien die ägyptischen Ansprüche auf den Sudan anerkennt.
Seit der Kündigung des anglo-ägyptischen Vertrages sind nach ägyptischen und britischen Darstellungen bis zum Weihnachtstag mindestens 96 Ägypter und 23 Engländer in der Suezkanalzone bei Zusammenstößen umgekommen.
Über die Weihnachtstage kam es zu schweren Zusammenstößen zwischen ägyptischer Polizei und Studenten in Alexandria, die gegen die „neue Politik“ demonstrierten.
Kleine Weltchronik
Lorelei wieder in deutschen Händen. Mainz. — Das bisher von den alliierten Besatzungstruppen beschlagnahmte Loreleiplateau bei St. Goarshausen, das bisher zu militärischen Übungen verwendet wurde, ist nunmehr wieder in deutsche Hände zurückgegeben worden.
Niemöller reist nach Moskau. Wiesbaden. — Der Leiter des Außenamtes der Evangelischen Kirchen in Deutschland und hessische Kirchenpräsident, Dr. Martin Niemöller, will in den nächsten Tagen nach Moskau reisen, um — wie er gestern erklärte — Fragen der ökumenischen Beziehungen zur Christenheit in der Sowjetunion zu besprechen. „Da die Dinge jetzt aufgelockert zu sein scheinen“, sagte Niemöller, wolle man Kontakt bekommen.
Franksche Eisenwerke beteiligen Belegschaft am Gewinn. Dillenburg. — Die Frankschen Eisenwerke in Niederschelt in Hessen werden am 1. Januar 1952 an ihre Belegschaft ebenso Gewinnbeteiligung zahlen wie an die Aktionäre. Der Gewinnanteil soll nach dem Bruttolohn des Jahres errechnet werden. Die Summe, die damit an die Belegschaft ausgeschüttet wird, ist doppelt so hoch als die Gewinnausschüttung an die Aktionäre. Die Frankschen Eisenwerke, die Heiz- und Kochgeräte hersteilen, beschäftigen T000 Arbeiter und Angestellte,
Amnestie für Sportwaffenbesitz. Bonn. — Die alliierte Hohe Kommission hat eine Amnestie für den Besitz von Sportwaffen erlassen. Jeder, der bisher nichtangemeldete Waffen fristgemäß anmeldet und zur Registrierung angibt, soll straffrei bleiben. Die Bundesregierung wird die notwendigen Durchführungsverordnungen erlassen und die Behörden bestimmen, bei denen die Waffen gemeldet werden müssen.
Dr. Schumachers Befinden unverändert. Bonn. — Der behandelnde Arzt des SPD-Vorsitzenden Dr. Kurt Schumacher, Prof, Dr. Tiemann, erklärte gestern, daß im Befinden seines Patienten keine Änderung eingetreten sei. Dr. Schumacher war am Freitag der Vorwoche an Kreislaufstörungen erkrankt. Am Montag hatte Prof. Tiemann festgestelit, daß eine Besserung im Krankheitsbild zu verzeichnen sei.
Großkreuz des Verdienstordens. Bonn. — Bundespräsident Prof. Heuß hat dem Münchner Erzbischof Prof. Dr. Michael v. Faulhaber, dem früheren Reichstagspräsidenten und jetzigen Alterspräsidenten des Bundestags, Paul Lobe, Berlin, und dem preußischen Kultusminister und Präsidenten der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft, Dr. Friedrich Schmidt-Ott, Berlin.
das Großkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen. Damit ist die höchste Stufe des Verdienstordens drei Männern verliehen worden, deren jahrzehntelanges öffentliches Wirken der geistigen Vertiefung des Volkes galt.
Gestiegener Verbrauch in der Bundesrepublik. Bonn. — Der Pro-Kopf-Verbrauch von Zucker, Fleisch, Vollmilch und Fett ist in der Bundesrepublik in den letzten zwei Jahren rapide angestiegen, stellt das Bundesernährungsministerium in seinem Jahresbericht fest Bei Zucker stieg der Verbrauch von 22,9 kg pro Kopf im Jahre 1949/50 auf 27,4 kg im Jahre 1950/51, bei Fleisch von 31,4 auf 36,6, bei Fett von 16,2 auf 20,5, bei Vollmilch von 96,2 auf 108,3 und bei Fisch von 11 auf 13 kg.
Gesamtdeutsche Wahlen. Bonn. — Die alliierte Hohe Kommission hat dem Bundeskanzler und dem Senat der Stadt Berlin am 25. Dezember den Wortlaut der Entschließung der UN zur Frage gesamtdeutscher Wahlen übersandt, auf Grund deren eine neutrale Kommission gebildet wird, die die Voraussetzungen für freie Wahlen in ganz Deutschland prüfen und Vorschläge zu deren Durchführung einbringen soll, teilte die Pressestelle der Hohen Kommission am Donnerstag mit.
Daladiers spätes Glück. Paris. — Edouard Da- ladier, der 67jährige ehemalige französische Ministerpräsident, hat am Samstag in aller Stille Mlle. Jeanne Boucairon geheiratet. Madame Daladier entstammt einer Familie, die bekannte radikalsozialistische Politiker hervorgebracht hat.
Erst Ende Januar. Paris. — Der Außenpolitische Ausschuß des französischen Rats der Republik vertagte am Donnerstag die Behandlung desRa- tifizlerungsgesetzes für den Schumanplan bis nach der Debatte im Bonner Bundestag über das gleiche Thema. Somit wird der Montanunion- Vertrag voraussichtlich erst Ende Januar im Rat der Republik verabschiedet werden können.
„Spione" ln Rumänien hingerichtet. London. — Die sowjetische Nachrichtenagentur Tass meldete am Donnerstag aus Rumänien, daß dort vier von amerikanischen Flugzeugen mit Fallschirmen abgesetzte Spione hingerichtet worden seien. Ein fünfter habe mit Gift Selbstmord verübt.
119 Opfer bei amerikanischer Bergwerkskatastrophe. West-Frankfort (Illinois). — Die Gesamtzahl der Toten bei der amerikanischen Bergwerkskatastrophe ln West-Frankfort hat sich auf 119 erhöht. Das Unglück ist damit das schwerste, das sich seit 23 Jahren im amerikanischen Bergbau ereignet hat.
Truman ernennt Kennan
zum Botschafter in Moskau
KANSAS CITY. Präsident Truman hat am Mittwochabend den 47jährigen ehemaligen Leiter des Planungsamtes im amerikanischen Außenministerium, George F.Kennan, zum amerikanischen Botschafter in Moskau ernannt- Kennan gilt als einer der besten amerikanischen Kenner der Sowjetunion. Nach einer Mitteilung des Weißen Hauses hat die Sowjetunion die Ernennung Kennans bereits akzeptiert. Allerdings griff erst am Mittwochmorgen die sowjetamtliche „Prawda" Kennan scharf an und bezeichnete ihn als eine der leitenden amerikanischen Persönlichkeiten, die Sich „mit der Unterstützung umstürzlerischer Tätigkeit gegen die Sowjetunion beschäftigten“.
Kennan ist seit 1926 im diplomatischen Dienst tätig. Seine im Laufe der Jahre durch mehrmalige Aufgaben in Moskau gewonnenen Kenntnisse verhalten ihm nach dem Kriege zum Posten des Leiters der Planungsabteilung im Außenministerium. Im September 1950 wurde er beurlaubt und war seitdem historischer Mitarbeiter der Princeton-Universität und Leiter des Osteuropafonds der Fordstiftung, die Exilrussen in den Staaten unterstützt, in welchem Zusammenhang er auch von der „Prawda" angegriffen wurde.
Die Ernennung Kennans muß noch vom amerikanischen Senat bestätigt werden, der voraussichtlich Ende Januar darüber abstimmen solL Er tritt die Nachfolge von Admiral Alan Kirk an.
Washington bezahlt
Flieger noch nicht freigelassen
WASHINGTON. Das amerikanische Außenministerium gab am Mittwoch bekannt, daß die USA sich erboten haben, für jeden der in Ungarn verurteilten und zurückgehaltenen vier amerikanischen Flieger die Geldstrafe in Höhe von je 860000 Forints (30 000 Dollar) zu bezahlen. Zur Bedingung wurde gemacht, daß die Flieger sofort freigelassen würden. Bi» jetzt Ist jedoch nichts über ihre Freilassung bekannt geworden. Das ungarische Außenministerium. das sich mit der Entlassung der Flieger gegen Bezahlung der Geldstrafe einverstanden erklärte, war „wegen der Feiertage“ nicht in der Lage, eine offizielle Abschrift des Urteils oder irgendeine Erklärung über Zeit und Ort der Freilassung der Flieger herauszugeben.
Die vier Amerikaner waren, wie bereits gemeldet, zu Geldstrafen oder ersatzweise zu Gefängnis verurteilt worden, weil sie mit einem Transportflugzeug die ungarische Lufthoheit verletzt hatten.
Libyen se ! bständ ! g
Antrag auf Aufnahme in die UN
TRIPOLIS. Das Königreich Libyen ist am Heiligen Abend als unabhängiger und freier Staat in die Reihe der souveränen Nationen getreten. Der neu gewählte König Mohammed el Senussi proklamierte in Ben»> ghasi feierlich die Unabhängigkeit. In seiner Proklamation sagte der König: „In diesem feierlichen Augenblick der Geschichte unsere» Landes verpflichten wir uns vor Gott und der Nation, alle unsere Bemühungen auf die Interessen und das Gedeihen unseres edlen Volkes zu richten, so daß unser Land den Platz erhält, den es inmitten der freien Nationen verdient.“
In Tripolis, Benghasi und Sebha, den Hauptstädten der drei Bundesländer Tripoll- tanien, Cyrenaika und Fessan, übertrugen die beiden britischen und der französische Resident den libyschen Behörden die Leitung der Außenpolitik und der Verteidigung. Damit endet für das Land Libyen eine jahrhundertelange Herrschaft, die zunächst von der Türkei, dann von Italien und seit 1943 von Großbritannien und Frankreich ausgeübt wurde.
Libyen ist der erste Staat, der seine Selbständigkeit unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen erhält. Es hat am Tag seiner Unabhängigkeitserklärung in Paris um dia Aufnahme in die Vereinten Nationen nachgesucht.
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AüQtuhe in New Orleans
ROMAN VON PETER HILTEN
19] Copyright J95! by Wilhelm Goldman Vertag
Von der Stadtseite her hörte man dann und wann das Gröhlen trunkener Matrosen, Takte eines Liedes oder mit einem Windhauch einen Fetzen Melodie. Da und dort sah man Sterne. Kein Zweifel, der Himmel bedeckte sich. Es würde am Morgen Wind geben. Auf den Schiffen der Nachbarschaft schien alles zu ruhen. Die Gig schabte noch auf der Stromseite an den Flanken der „Espiritu Santo“, man würde das Boot, wenn man auf dem Strome war und der Lotse seinen Gebrauch nicht mehr für wahrscheinlich hielt, aufhalsen. Das Wasser plätscherte leise um Bug und Heck, die Landtaue reben dann und wann ...
Ein Schrei durchschnitt die Nacht.
Man hörte etwas ins Wasser klatschen Dann war alles wieder so still wie zuvor. Es schien, daß es noch stiller sei.
Ten Brink und Pietro war der Schrei wie ein Blitz in die müden Glieder gefahren. Es war der Schrei einer Frauenstimme gewesen.
Ein ergreifender Schrei in der Nacht.
M<nuten vergingen.
Ten Brink. Smulders und Pierto, der Sizilianer. leicht erreebare. aber auch sich leicht wieder beruhigende Naturen, lauschten über den River
Nichts. . es war alles wieder still.
Schließlich zündete sich ten Brink eine Pfc'fe an.
Da begann Tapagot wütend durch ein Spel- gatt zu bellen £
Die Gig bewegte sich. E'ne Gestalt versuchte, sich, anscheinend am Ende ihrer Kräfte, über den Rand des Bootes zu ziehen. Im
Augenblick war ten Brink im Boot und zog ein Mädchen oder eine noch junge Frau aus dem Wasser.
Pietro sprang hinzu und wollte helfen.
Ten Brink brachte die leichte, von Nässe triefende Gestalt hinunter in den Salon und legte sie auf das Sofa. Pietro wagte nicht sich zu rühren.
Als ten Brink endlich Licht gemacht hatte, sah er, daß die Gerettete über der Brust aus Kratzwunden blutete. Es waren keine tiefen Kratzer, aber sie waren breit und lang und mußten von einer furchtbaren Hand gerissen worden sein. Sie bluteten nicht stark, aber ten Br'nk war davon ergriffen. Was hatte sie erlebt? Wer hatte sie verwundet? Warum war sie ins Wasser gesprungen, oder hatte man sie über Bord gestoßen?
Pietro wagte nicht, den Salon zu betreten. Ten Brink suchte nach Verbandzeug und brachte aus einer Verbandkiste etliche Binden und einen Topf mit Salbe für tausend Übel zum Vorschein. Mit aus Überzartheit zittrigen Fingern legte er, als gälte es einen Lungendurchschuß zu verarzten, einen Verband an. Dann suchte er trockene Kleider. Er brachte ihr eines seiner groben weiten Hemden, seine beste blau» Hose und ein neues, erst am Tage gekauftes Seidenhalstuch als Schal.
Das Mädchen hatte sich nicht im geringsten geschämt, vor diesem fremden Mann ihre Brust zu entblößen und sich den Verband an- legen zu lassen, sie hatte nur einmal die Augen auf geschlagen, in das freundliche Licht der Lamoe mit rotem „Salonöl“ geblickt, ein ganz klein wenig gelächelt und geschwiegen.
Ten Brink fragte n’chts.
Nur bevor er wieder an Deck ging, wollte ' er w ; ssen, wie sie heiße.
„Donoga.“
Pietro hatte „Donoga“ gehört. Aufgeregt trat er näher, es war Donoga, er sah, daß es Donoga war, Donoga war an Bord — „Donoga ...“
Ten Brink blickte erstaunt auf den Sizilia
ner, was hatte denn der... kannte er denn das Mädchen, wohl ein Girl aus dem italienischen Viertel, wo es immer ein wenig mes- serte, oder aus der Gegend von Congo Park, wo die Nigger ihren Tummelplatz haben? Er blickte prüfend auf die Gestalt auf dem Sofa — ah, sie war schön! Sie hatte die Augen geschlossen. Armes Ding!
Ten Brink schraubte die Lampe etwas klei- er und ging mit Pietro an Deck.
Die Geschichte, die Kapitän ten Brink in Pietros verzweifeltem Sprachgemisch vom Englisch und Italienisch erzählt bekam, ließ sein Gesicht erstarren. Es wurde ihm sonderbar zumute. Sie war schön. Und jung, ach so jung . . .
Plötzlich hielt Pietro mit Erzählen inne.
Man hörte den Ruderschlag eines Bootes. Ein. Mann ruderte, und ein anderer leuchtete mit einer Laterne das Wasser ab. Ten Brink und Pietro folgten den Bewegungen des Bootes.
„Er sucht sie“, flüsterte Pietro.
Das Fahrzeug kam ganz nahe an der „Espiritu Santo“ vorbei. Es war noch zu dunkel, als daß man die Insassen hätte erkennen können.
Allmählich kamen auch die Leute der Besatzung der „Espiritu Santo“ aus ihren Kneipen an Bord und verschwanden im Logis.
Es begann zu regnen.
Das Boot suchte weiter stromab. Langsam graute der Tag. Nach einer Stunde hörte es zu regnen auf. Das Wasser des Rivers kräuselte sich, die Morgenbrise kündigte sich an. Ten Brink und Pietro sahen immer noch über den jetzt trübmilchig werdenden Strom, da kam das Boot zurück. Die Laterne brannte immer noch.
Es war ein Boot der „Dei Gracias“. Ten Brink und Pietro erkannten in dem Mann, der am Tiller saß — Dekker. Der Mulatte pullte. Dekker saß vorgebeugt und beobachtete die „Espiritu Santo“. Er sah die beiden Männer nicht, die flach auf Deck liegend durch ein Speigatt seinen Bewegungen folgten. Es schien,
als wolle er noch einmal umkehren, der Mulatte konnte fast nicht mehr.
Ten Brink und Pietro sahen Dekker an Bord seines Schiffes klettern, dort nach vorn gehen und mit einem Glas herüberspähen. Er schien durch den Morgendunst, den dia immer kräftiger aufkommende Morgenprise zu zerstreuen versuchte, die „Espiritu Santo“ abzuwracken.
Ten Brink war nachdenklich geworden. Sie war wirklich schön . . .
Hatte sie Pietro nicht bei Madame Grandjean gewöhnt? Wie war sie an Bord der „Del Gracias“ gekommen? Ten Brink verstand. Der Mann, der selten eine Faust machte, richtete sich langsam auf. Er stand breit auf festen Beinen, seine Hände in den Jackentaschen rollten sich zu Fäusten, deren Knöchel weiß schimmerten. Neben ihm stand der kleine Sizilianer und biß sich auf die gerollte Zunge.
Plötzlich und unbemerkt war der winzig« Schlepper längsseit gekommen. Seine Maschine drehte in leisem Wipp-dich-wupp-dich-wupp* dich gegen den schwachlaufenden Strom. Er brachte eine Luft nach frischem Kaffee, Frühstück, warmem Maschinenöl und Betriebsamkeit mit.
Oh, nun war Kapitän Jan ten Brink alle» klar. Er würde einen Passagier an Bord haben, den Passagier, der im Salon lag und schlief. Es war ihm gleich, ob Dekker immer noch herüberspähte — er hatte das Glück an Bord.
Steuermann Smulders Trillerpfeife schrillte über das Deck. Er brüllte:
„Risel rise!“
Pietro schlüpfte von Bord. Er fühlte, er war in dieser Nacht der Freund seines Retters ge - worden.
„Trossen frei achtem und vorwärts!“
„Ruder hart zu Port!“
Der Schlepper räusperte seine Dampfpfeif«i Fffschshiuuuuuhuuuhuuuu...
Die „Espiritu Santo“ schwang in den Strom.
(Fortsetzung folgt)