NUMMER 202

FREITAG, 2 8. DEZEMBER 1951

Papst Pius XII.: Neutralität der Kirche

Adenauer bezeichnet Verteidigungsgemeinschaft alsWerk des Friedens"

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VATIKANSTADT. Papst Pius XII. setzte sich in seiner am Heiligen Abend über den Vatikansender übertragenen Weihnachtsbot­schaft für die politische Neutralität der ka­tholischen Kirche ein und rief die Welt zu neuen Friedensbemühungen auf. Der Papst sagte, wer zu Unrecht die Kirche als eine Art Weltreich betrachte, lasse sich leicht dazu verleiten, von ihr den Verzicht auf Neu­tralität und die endgültige Entsdieidung für die eine oder die andere Seite zu verlangen. Für die Kirche kann es sich überhaupt nicht darum handeln, auf politische Neutralität zu verzichten -- aus dem einfachen Grunde, weil sie sich nicht in den Dienst rein politischer Interessen stellen kann.

Weiter führte der Papst aus, daß die Ab­rüstung eine wenig zuverlässige Gewähr für einen dauerhaften Frieden sei. Sie müsse von der Abschaffung der Waffen des Hasses, der Begehrlichkeit und der maßlosen Geltungs­sucht begleitet sein. Darauf seien jetzt die Be­mühungen der Kirche gerichtet. Zur Unter­drückung der Kirche in den kommunistischen Ländern sagte der Papst, sein Ruf zum Frie­den erreiche in we'ten Teilen der Welt nur ohnmächtig eineKirche des Schweigens. Pius XII. schloß mit den WortenGib Frie­den, o Herr, in unseren Tagen.

Bundeskanzler Adenauer drückte in sei­ner Weihnachtsbotschaft an das deutsche Volk die feste Hoffnung aus, daß die gute Ent­wicklung des Jahres 1951 auch im kommen­den Jahre sich fortsetzen werde. In den letz­ten Tagen des alten Jahres bringe man in Pa­ris einWerk des Friedens, die europäische Verteidigungsgemeinschaft, zum Abschluß, de­ren Zustandekommen dieerste Vorausset­zung für die Befriedung der Welt sei. Der Bundeskanzler gedachte in seiner Weihnachts­botschaft besonders der aus ihrer Heimat ver­triebenen Deutschen, derBrüder und Schwe­stern im Osten und der Witwen und Waisen des letzten Krieges. Der Kanzler rief zur Be­sinnung auf in der Hast und Hetze der Ge-

Rtihi°e Weihnaditsfeier?a«e

FRANKFURT. Das Weihnachtsfest wurde im ganzen Bundesgebiet auch in diesem Jahr in der ihm eigenen Stille begangen. Aus den einzelnen Landesteilen werden keine beson­deren Ereignisse berichtet. Im Norden Deutsch­lands herrschte an den Feiertagen vorfrüh­lingshaft mildes Wetter, das jedoch durch Re­genfälle getrübt wurde. Polizei und Feuerwehr hatten einen ruhigen Dienst. Nur ein einziger Tannenbaumbrand wurde gemeldet, und zwar aus Düsseldorf. Hier häuften sich auch an den Feiertagen die Unfälle, bei denen es zusam­men acht Tote und vier Schwerverletzte gab.

An den Weihnachtsfeiertagen waren die Kir­chen in fast allen Orten des Bundesgebiets und in ganz besonderem Maße in der Sowjetzone außergewöhnlich stark besucht. Tausende ver­sammelten sich zu Messen, Prozessionen und Festgottesdiensten. Die Binnenschiffer unter­brachen meistens ihre Fahrt, und viele Schiffe in den Seehäfen hatten einen Tannenbaum an der Mastspitze. Der Hafenbetrieb ruhte jedoch nicht vollständig, da manche Ladungen keine lange Wartezeit vertragen.

Viele deutsche Familien hatten an den Feier­tagen alliierte Soldaten zu Gast. Eine Anre­gung, die von der Presse ausging und lebhaf­tes Echo im ganzen Bundesgebiet gefunden hatte.

779 Verkehrstote in den USA. New York. Während der Weihnachtsfeiertage kamen in den USA 779 Personen durch Verkehrsunfälle ums Leben. Das ist ein neuer Rekord. Der bisherige lag bei 761 im Jahre 1936. Die Anzahl der Todes­opfer, die auf den Straßen der Vereinigten Staa­ten seit der Einführung des Kraftwagens gezählt wurden, erreichten am Samstag eine Million. Der erste Mensch, der in den USA von einem Auto überfahren wurde, war Mister Bliss, der am 13. September 1899 beim Aussteigen aus der Straßenbahn unter die Räder eines Kraftwagens kam.

genwart.Ich fürchte, es wird keinen Frieden, keine Ruhe, keine Freude für die Menschheit geben, wenn wir nicht zurück finden zu den ewigen, unvergänglichen Gütern, auf denen allein das Glück der Menschen aufgerichtet werden kann.

Bundespräsident Prof. Dr. H e u ß hat den alliierten Hohen Kommissaren für ihre Weih- nachts- und Neujahrsbotschaft gedankt und gleichzeitig die Hoffnung ausgesprochen, daß

im kommenden Jahr allen Völkern eine ge­sicherte und friedliche Zukunft beschieden sein möge. Die Hohen Kommissare hatten ln ihrer Botschaft die Schaffung eines Vereinten Eu­ropas aus wirtschaftlichen, politischen, militä­rischen und moralischen Gründen als eine Notwendigkeit bezeichnet.

Zum erstenmal nach seiner schweren Lun- genoperation sprach König Georg VI. am ersten Weihnachtsfeiertag wieder über den britischen Rundfunk. Präsident Tr u m an erklärte in seiner Weihnachtsbotschaft, der Sieg, den die freien Nationen mit allen ihren Kräften zu erringen suchten, müsse ein Sieg des Friedens sein.

Wende im Aegyptenkonflikt?

Englandfreundliche Politiker zur Beratung König Faruks ernannt

LONDON. Die Ernennung von zwei england­freundlichen ägyptischen Politikern zu engsten Beratern König Faruks von Ägypten läßt in politischen Kreisen Londons die Hoffnung aul­kommen, daß die durch dauernde Überfälle auf englische Truppen in der Suezkanalzone gespannte Lage doch noch auf diplomatischer Ebene gelöst werden kann. Die britische Re­gierung enthielt sich bisher jeder amtlichen Stellungnahme.

In London glaubt man, daß die Ernennung von Hafez Afifi Pascha zum Chef des kö­niglichen Kabinetts und des abberufenen Lon­doner Botschafters Abd-delFattah Amr Pascha zum außenpolitischen.Berater des Kö­nigs auf private Warnungen britischer Staats­männer zurückzuführen sind, die Faruk auf die Folgen einer Fortsetzung der ägyptischen

Terrorpolitik in der Kanalzone aufmerksam gemacht haben.

Politische Beobachter in Kairo gehen so weit, ein Übereinkommen mit dem Westen über das Nahost-Kommando für möglich zu halten, wenn Großbritannien die ägyptischen An­sprüche auf den Sudan anerkennt.

Seit der Kündigung des anglo-ägyptischen Vertrages sind nach ägyptischen und briti­schen Darstellungen bis zum Weihnachtstag mindestens 96 Ägypter und 23 Engländer in der Suezkanalzone bei Zusammenstößen um­gekommen.

Über die Weihnachtstage kam es zu schwe­ren Zusammenstößen zwischen ägyptischer Polizei und Studenten in Alexandria, die ge­gen dieneue Politik demonstrierten.

Kleine Weltchronik

Lorelei wieder in deutschen Händen. Mainz. Das bisher von den alliierten Besatzungstruppen beschlagnahmte Loreleiplateau bei St. Goars­hausen, das bisher zu militärischen Übungen ver­wendet wurde, ist nunmehr wieder in deutsche Hände zurückgegeben worden.

Niemöller reist nach Moskau. Wiesbaden. Der Leiter des Außenamtes der Evangelischen Kirchen in Deutschland und hessische Kirchen­präsident, Dr. Martin Niemöller, will in den nächsten Tagen nach Moskau reisen, um wie er gestern erklärte Fragen der ökumenischen Beziehungen zur Christenheit in der Sowjetunion zu besprechen.Da die Dinge jetzt aufgelockert zu sein scheinen, sagte Niemöller, wolle man Kontakt bekommen.

Franksche Eisenwerke beteiligen Belegschaft am Gewinn. Dillenburg. Die Frankschen Ei­senwerke in Niederschelt in Hessen werden am 1. Januar 1952 an ihre Belegschaft ebenso Ge­winnbeteiligung zahlen wie an die Aktionäre. Der Gewinnanteil soll nach dem Bruttolohn des Jahres errechnet werden. Die Summe, die damit an die Belegschaft ausgeschüttet wird, ist dop­pelt so hoch als die Gewinnausschüttung an die Aktionäre. Die Frankschen Eisenwerke, die Heiz- und Kochgeräte hersteilen, beschäftigen T000 Ar­beiter und Angestellte,

Amnestie für Sportwaffenbesitz. Bonn. Die alliierte Hohe Kommission hat eine Amnestie für den Besitz von Sportwaffen erlassen. Jeder, der bisher nichtangemeldete Waffen fristgemäß anmeldet und zur Registrierung angibt, soll straf­frei bleiben. Die Bundesregierung wird die not­wendigen Durchführungsverordnungen erlassen und die Behörden bestimmen, bei denen die Waffen gemeldet werden müssen.

Dr. Schumachers Befinden unverändert. Bonn. Der behandelnde Arzt des SPD-Vorsitzenden Dr. Kurt Schumacher, Prof, Dr. Tiemann, er­klärte gestern, daß im Befinden seines Patienten keine Änderung eingetreten sei. Dr. Schumacher war am Freitag der Vorwoche an Kreislaufstö­rungen erkrankt. Am Montag hatte Prof. Tie­mann festgestelit, daß eine Besserung im Krank­heitsbild zu verzeichnen sei.

Großkreuz des Verdienstordens. Bonn. Bun­despräsident Prof. Heuß hat dem Münchner Erz­bischof Prof. Dr. Michael v. Faulhaber, dem früheren Reichstagspräsidenten und jetzigen Alterspräsidenten des Bundestags, Paul Lobe, Berlin, und dem preußischen Kultusminister und Präsidenten der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft, Dr. Friedrich Schmidt-Ott, Berlin.

das Großkreuz des Verdienstordens der Bundes­republik Deutschland verliehen. Damit ist die höchste Stufe des Verdienstordens drei Männern verliehen worden, deren jahrzehntelanges öffent­liches Wirken der geistigen Vertiefung des Vol­kes galt.

Gestiegener Verbrauch in der Bundesrepublik. Bonn. Der Pro-Kopf-Verbrauch von Zucker, Fleisch, Vollmilch und Fett ist in der Bundes­republik in den letzten zwei Jahren rapide an­gestiegen, stellt das Bundesernährungsministe­rium in seinem Jahresbericht fest Bei Zucker stieg der Verbrauch von 22,9 kg pro Kopf im Jahre 1949/50 auf 27,4 kg im Jahre 1950/51, bei Fleisch von 31,4 auf 36,6, bei Fett von 16,2 auf 20,5, bei Vollmilch von 96,2 auf 108,3 und bei Fisch von 11 auf 13 kg.

Gesamtdeutsche Wahlen. Bonn. Die alliierte Hohe Kommission hat dem Bundeskanzler und dem Senat der Stadt Berlin am 25. Dezember den Wortlaut der Entschließung der UN zur Frage gesamtdeutscher Wahlen übersandt, auf Grund deren eine neutrale Kommission gebildet wird, die die Voraussetzungen für freie Wahlen in ganz Deutschland prüfen und Vorschläge zu deren Durchführung einbringen soll, teilte die Presse­stelle der Hohen Kommission am Donnerstag mit.

Daladiers spätes Glück. Paris. Edouard Da- ladier, der 67jährige ehemalige französische Mi­nisterpräsident, hat am Samstag in aller Stille Mlle. Jeanne Boucairon geheiratet. Madame Daladier entstammt einer Familie, die bekannte radikalsozialistische Politiker hervorgebracht hat.

Erst Ende Januar. Paris. Der Außenpolitische Ausschuß des französischen Rats der Republik vertagte am Donnerstag die Behandlung desRa- tifizlerungsgesetzes für den Schumanplan bis nach der Debatte im Bonner Bundestag über das gleiche Thema. Somit wird der Montanunion- Vertrag voraussichtlich erst Ende Januar im Rat der Republik verabschiedet werden können.

Spione" ln Rumänien hingerichtet. London. Die sowjetische Nachrichtenagentur Tass meldete am Donnerstag aus Rumänien, daß dort vier von amerikanischen Flugzeugen mit Fallschirmen abgesetzte Spione hingerichtet worden seien. Ein fünfter habe mit Gift Selbstmord verübt.

119 Opfer bei amerikanischer Bergwerkskata­strophe. West-Frankfort (Illinois). Die Ge­samtzahl der Toten bei der amerikanischen Berg­werkskatastrophe ln West-Frankfort hat sich auf 119 erhöht. Das Unglück ist damit das schwerste, das sich seit 23 Jahren im amerikanischen Berg­bau ereignet hat.

Truman ernennt Kennan

zum Botschafter in Moskau

KANSAS CITY. Präsident Truman hat am Mittwochabend den 47jährigen ehemaligen Leiter des Planungsamtes im amerikanischen Außenministerium, George F.Kennan, zum amerikanischen Botschafter in Moskau er­nannt- Kennan gilt als einer der besten ameri­kanischen Kenner der Sowjetunion. Nach einer Mitteilung des Weißen Hauses hat die Sowjet­union die Ernennung Kennans bereits akzep­tiert. Allerdings griff erst am Mittwochmor­gen die sowjetamtlichePrawda" Kennan scharf an und bezeichnete ihn als eine der lei­tenden amerikanischen Persönlichkeiten, die Sichmit der Unterstützung umstürzlerischer Tätigkeit gegen die Sowjetunion beschäftig­ten.

Kennan ist seit 1926 im diplomatischen Dienst tätig. Seine im Laufe der Jahre durch mehrmalige Aufgaben in Moskau gewonnenen Kenntnisse verhalten ihm nach dem Kriege zum Posten des Leiters der Planungsabteilung im Außenministerium. Im September 1950 wurde er beurlaubt und war seitdem histo­rischer Mitarbeiter der Princeton-Universität und Leiter des Osteuropafonds der Fordstif­tung, die Exilrussen in den Staaten unter­stützt, in welchem Zusammenhang er auch von derPrawda" angegriffen wurde.

Die Ernennung Kennans muß noch vom amerikanischen Senat bestätigt werden, der voraussichtlich Ende Januar darüber abstim­men solL Er tritt die Nachfolge von Admiral Alan Kirk an.

Washington bezahlt

Flieger noch nicht freigelassen

WASHINGTON. Das amerikanische Außen­ministerium gab am Mittwoch bekannt, daß die USA sich erboten haben, für jeden der in Ungarn verurteilten und zurückgehaltenen vier amerikanischen Flieger die Geldstrafe in Höhe von je 860000 Forints (30 000 Dollar) zu bezahlen. Zur Bedingung wurde gemacht, daß die Flieger sofort freigelassen würden. Bi» jetzt Ist jedoch nichts über ihre Freilassung bekannt geworden. Das ungarische Außenmi­nisterium. das sich mit der Entlassung der Flieger gegen Bezahlung der Geldstrafe ein­verstanden erklärte, warwegen der Feier­tage nicht in der Lage, eine offizielle Ab­schrift des Urteils oder irgendeine Erklärung über Zeit und Ort der Freilassung der Flieger herauszugeben.

Die vier Amerikaner waren, wie bereits ge­meldet, zu Geldstrafen oder ersatzweise zu Gefängnis verurteilt worden, weil sie mit ei­nem Transportflugzeug die ungarische Luft­hoheit verletzt hatten.

Libyen se ! bständ ! g

Antrag auf Aufnahme in die UN

TRIPOLIS. Das Königreich Libyen ist am Heiligen Abend als unabhängiger und freier Staat in die Reihe der souveränen Nationen getreten. Der neu gewählte König Moham­med el Senussi proklamierte in Ben»> ghasi feierlich die Unabhängigkeit. In seiner Proklamation sagte der König:In diesem feierlichen Augenblick der Geschichte unsere» Landes verpflichten wir uns vor Gott und der Nation, alle unsere Bemühungen auf die In­teressen und das Gedeihen unseres edlen Volkes zu richten, so daß unser Land den Platz erhält, den es inmitten der freien Na­tionen verdient.

In Tripolis, Benghasi und Sebha, den Hauptstädten der drei Bundesländer Tripoll- tanien, Cyrenaika und Fessan, übertrugen die beiden britischen und der französische Resi­dent den libyschen Behörden die Leitung der Außenpolitik und der Verteidigung. Damit endet für das Land Libyen eine jahrhunderte­lange Herrschaft, die zunächst von der Tür­kei, dann von Italien und seit 1943 von Groß­britannien und Frankreich ausgeübt wurde.

Libyen ist der erste Staat, der seine Selb­ständigkeit unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen erhält. Es hat am Tag sei­ner Unabhängigkeitserklärung in Paris um dia Aufnahme in die Vereinten Nationen nachge­sucht.

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AüQtuhe in New Orleans

ROMAN VON PETER HILTEN

19] Copyright J95! by Wilhelm Goldman Vertag

Von der Stadtseite her hörte man dann und wann das Gröhlen trunkener Matrosen, Takte eines Liedes oder mit einem Windhauch einen Fetzen Melodie. Da und dort sah man Sterne. Kein Zweifel, der Himmel bedeckte sich. Es würde am Morgen Wind geben. Auf den Schif­fen der Nachbarschaft schien alles zu ruhen. Die Gig schabte noch auf der Stromseite an den Flanken derEspiritu Santo, man würde das Boot, wenn man auf dem Strome war und der Lotse seinen Gebrauch nicht mehr für wahrscheinlich hielt, aufhalsen. Das Wasser plätscherte leise um Bug und Heck, die Land­taue reben dann und wann ...

Ein Schrei durchschnitt die Nacht.

Man hörte etwas ins Wasser klatschen Dann war alles wieder so still wie zuvor. Es schien, daß es noch stiller sei.

Ten Brink und Pietro war der Schrei wie ein Blitz in die müden Glieder gefahren. Es war der Schrei einer Frauenstimme gewesen.

Ein ergreifender Schrei in der Nacht.

M<nuten vergingen.

Ten Brink. Smulders und Pierto, der Sizi­lianer. leicht erreebare. aber auch sich leicht wieder beruhigende Naturen, lauschten über den River

Nichts. . es war alles wieder still.

Schließlich zündete sich ten Brink eine Pfc'fe an.

Da begann Tapagot wütend durch ein Spel- gatt zu bellen £

Die Gig bewegte sich. E'ne Gestalt ver­suchte, sich, anscheinend am Ende ihrer Kräf­te, über den Rand des Bootes zu ziehen. Im

Augenblick war ten Brink im Boot und zog ein Mädchen oder eine noch junge Frau aus dem Wasser.

Pietro sprang hinzu und wollte helfen.

Ten Brink brachte die leichte, von Nässe triefende Gestalt hinunter in den Salon und legte sie auf das Sofa. Pietro wagte nicht sich zu rühren.

Als ten Brink endlich Licht gemacht hatte, sah er, daß die Gerettete über der Brust aus Kratzwunden blutete. Es waren keine tiefen Kratzer, aber sie waren breit und lang und mußten von einer furchtbaren Hand gerissen worden sein. Sie bluteten nicht stark, aber ten Br'nk war davon ergriffen. Was hatte sie er­lebt? Wer hatte sie verwundet? Warum war sie ins Wasser gesprungen, oder hatte man sie über Bord gestoßen?

Pietro wagte nicht, den Salon zu betreten. Ten Brink suchte nach Verbandzeug und brachte aus einer Verbandkiste etliche Binden und einen Topf mit Salbe für tausend Übel zum Vorschein. Mit aus Überzartheit zittrigen Fingern legte er, als gälte es einen Lungen­durchschuß zu verarzten, einen Verband an. Dann suchte er trockene Kleider. Er brachte ihr eines seiner groben weiten Hemden, seine beste blau» Hose und ein neues, erst am Tage gekauftes Seidenhalstuch als Schal.

Das Mädchen hatte sich nicht im geringsten geschämt, vor diesem fremden Mann ihre Brust zu entblößen und sich den Verband an- legen zu lassen, sie hatte nur einmal die Au­gen auf geschlagen, in das freundliche Licht der Lamoe mit rotemSalonöl geblickt, ein ganz klein wenig gelächelt und geschwiegen.

Ten Brink fragte nchts.

Nur bevor er wieder an Deck ging, wollte ' er w ; ssen, wie sie heiße.

Donoga.

Pietro hatteDonoga gehört. Aufgeregt trat er näher, es war Donoga, er sah, daß es Donoga war, Donoga war an BordDo­noga ...

Ten Brink blickte erstaunt auf den Sizilia­

ner, was hatte denn der... kannte er denn das Mädchen, wohl ein Girl aus dem italieni­schen Viertel, wo es immer ein wenig mes- serte, oder aus der Gegend von Congo Park, wo die Nigger ihren Tummelplatz haben? Er blickte prüfend auf die Gestalt auf dem Sofa ah, sie war schön! Sie hatte die Augen ge­schlossen. Armes Ding!

Ten Brink schraubte die Lampe etwas klei- er und ging mit Pietro an Deck.

Die Geschichte, die Kapitän ten Brink in Pietros verzweifeltem Sprachgemisch vom Eng­lisch und Italienisch erzählt bekam, ließ sein Gesicht erstarren. Es wurde ihm sonderbar zumute. Sie war schön. Und jung, ach so jung . . .

Plötzlich hielt Pietro mit Erzählen inne.

Man hörte den Ruderschlag eines Bootes. Ein. Mann ruderte, und ein anderer leuchtete mit einer Laterne das Wasser ab. Ten Brink und Pietro folgten den Bewegungen des Boo­tes.

Er sucht sie, flüsterte Pietro.

Das Fahrzeug kam ganz nahe an derEspi­ritu Santo vorbei. Es war noch zu dunkel, als daß man die Insassen hätte erkennen können.

Allmählich kamen auch die Leute der Be­satzung derEspiritu Santo aus ihren Knei­pen an Bord und verschwanden im Logis.

Es begann zu regnen.

Das Boot suchte weiter stromab. Langsam graute der Tag. Nach einer Stunde hörte es zu regnen auf. Das Wasser des Rivers kräu­selte sich, die Morgenbrise kündigte sich an. Ten Brink und Pietro sahen immer noch über den jetzt trübmilchig werdenden Strom, da kam das Boot zurück. Die Laterne brannte immer noch.

Es war ein Boot derDei Gracias. Ten Brink und Pietro erkannten in dem Mann, der am Tiller saß Dekker. Der Mulatte pullte. Dekker saß vorgebeugt und beobachtete die Espiritu Santo. Er sah die beiden Männer nicht, die flach auf Deck liegend durch ein Speigatt seinen Bewegungen folgten. Es schien,

als wolle er noch einmal umkehren, der Mu­latte konnte fast nicht mehr.

Ten Brink und Pietro sahen Dekker an Bord seines Schiffes klettern, dort nach vorn gehen und mit einem Glas herüberspähen. Er schien durch den Morgendunst, den dia immer kräftiger aufkommende Morgenprise zu zerstreuen versuchte, dieEspiritu Santo abzuwracken.

Ten Brink war nachdenklich geworden. Sie war wirklich schön . . .

Hatte sie Pietro nicht bei Madame Grand­jean gewöhnt? Wie war sie an Bord derDel Gracias gekommen? Ten Brink verstand. Der Mann, der selten eine Faust machte, richtete sich langsam auf. Er stand breit auf festen Beinen, seine Hände in den Jackentaschen roll­ten sich zu Fäusten, deren Knöchel weiß schim­merten. Neben ihm stand der kleine Sizilianer und biß sich auf die gerollte Zunge.

Plötzlich und unbemerkt war der winzig« Schlepper längsseit gekommen. Seine Maschine drehte in leisem Wipp-dich-wupp-dich-wupp* dich gegen den schwachlaufenden Strom. Er brachte eine Luft nach frischem Kaffee, Früh­stück, warmem Maschinenöl und Betriebsam­keit mit.

Oh, nun war Kapitän Jan ten Brink alle» klar. Er würde einen Passagier an Bord ha­ben, den Passagier, der im Salon lag und schlief. Es war ihm gleich, ob Dekker immer noch herüberspähte er hatte das Glück an Bord.

Steuermann Smulders Trillerpfeife schrillte über das Deck. Er brüllte:

Risel rise!

Pietro schlüpfte von Bord. Er fühlte, er war in dieser Nacht der Freund seines Retters ge - worden.

Trossen frei achtem und vorwärts!

Ruder hart zu Port!

Der Schlepper räusperte seine Dampfpfeif«i Fffschshiuuuuuhuuuhuuuu...

DieEspiritu Santo schwang in den Strom.

(Fortsetzung folgt)