NUMMER 200

SAMSTAG, 83. DEZEMBER 1951

48100 Doller für UN-Kommission

Letzte Sitzung der Vollversammlung in diesem Jahr / Haushalt 1952 angenommen

PARIS. Mit einer kurzen Weihnachtsansprä­che Ihres Präsidenten Padilla Nervo wurde am Freitagmittag die letzte Sitzung der UN- Vollversammlung in diesem Jahr abgeschlos­sen. Vorher nahm die Vollversammlung mit 52:5 Stimmen die gesamten Haushaltsvoran­schläge für 1952 in Höhe von 48 096 780 Dol­lar an.

Nervo erklärte auf einer Pressekonferenz, daß im ersten Teil der Tagung der UN-Voll- versammlung der allgemeine Wunsch nach einer Beendigung oder zumindest nach einer Milderung des kalten Krieges stark zum Aus­druck gekommen sei Man habe genug von den erregten Auseinandersetzungen und suche nach einer wirklichen Versöhnung. Die Frie­denschancen hätten sich gebessert. Als beson­ders bedeutungsvoll bezeichnete Nervo die Bildung der Abrüstungskommission. Auf Grund der schon weit vorgeschrittenen Ar­beit der Hauntaussdiüsse sei damit zu rech­nen, daß die UN in etwa 30 weiteren Arbeits­tagen das für diese Sitzungsperiode vorgese­hene Pensum bewältigt haben werde.

Am Donnerstag fand ein Vorschlag des Ge­neralsekretärs Trygve Lie Zustimmung, 48100 Dollar (202 020 DM) für die geplante

Volle Beleuchtung

TÜBINGEN. Das Wirtschaftsministerium von Württemberg-Hohenzollern bat die Auf­hebung aller Einschränkungen der Schaufen­ster-, Reklame- und AuBenbeleuchtung ab so­fort angeordnet.

Untersuchungskommission bereitzustellen, die in Deutschland die Voraussetzung zur Abhal­tung freier Wahlen prüfen soll. Den fünf Mit­gliedern der Kommission sollen zur Unter­stützung ihrer Arbeit ein Hauptsekretär, drei Sekretäre, zwei politische Berater, zwei Dol­metscher und ein Verwaltungsfachmann zuge­teilt werden. Von dem Gesamtbetrag sind 21 500 Dollar (90 030 DM) für Reisen und Un­terhaltskosten der Kommissionsmitglieder, 21 600 Dollar (19 720 DM) für das UN-Begleit- personal und 5000 (21 000 DM) für sonstige Kosten vorgesehen.

Wenn der Kommission sogleich die Einreise in allen Besatzungszonen Deutschlands gestat­tet werden sollte, würde sie sofort für einen

Erzbischof Bornewasser f

TRIER. Der Erzbischof Franz Rudolf Bor­newasser von Trier ist am Donnerstag­abend um 22 Uhr im 86. Lebensjahr acn Al­tersschwäche gestorben.

Seit 1922 hatte Erzbischof Bornewasser das Amt des Bischofs von Trier inne. In der Zeit der Separatistenkämpfe und Besatzung nach dem ersten Weltkrieg erwies er sich als ein wahrer Helfer aller Verfolgten ohne Unter­schied des Bekenntnisses. Während des Drit­ten Reiches hat er wiederholt seine Stimme in Freimut gegen christenfeindliche Tenden­zen erhoben. Aus Anlaß seines goldenen Prie- sterjubiläums erhielt er im März 1944 vom Papst den Titel eines Erzbischofs.

Erzbischof Bomewasser ist am 12. März 1861 in Radevormwald (Kreis Lennep) geboren und wandte sich nach dem Besuch des Gym­nasiums zuerst dem Berufe eines Volksschul­lehrers zu. Erst später studierte er Theologie. 1894 empfing er die Priesterweihe und wirkte anschließend in mehreren westdeutschen Städten. 1916 kam er nach Köln als Subregens an das erzbischöfliche Priesterseminar, wo er zugleich Professor der Pastoraltheologie war. Nach seiner Tätigkeit als Stiftsprobst an dem Liebfrauenmünster zu Aachen, während der er die Würde eines zweiten Weihbischofs von Köln erhielt, wurde Bomewasser zum Bischof von Trier gewählt.

Bundespräsident H e u ß hat dem Domkapi­tel von Trier zum Tode des Erzbischofs in einem Telegramm sein Beileid ausgesprochen.

Monat nach Deutschland abreisen und an­schließend dem Generalsekretär einen Vor­bericht über ihre Arbeiten geben, bevor die Vollversammlung ihre Sitzungsperiode been­det Auf der Grundlage dieses Vorberichts soll dann die Kommission weitere dreimonatige Untersuchungen anstellen, deren Ergebnisse in einem zusammenfassenden Schlußbericht Trygve Lie in New York zu unterbreiten wä­ren, der dann den Bericht an die vier Besat­zungsmächte zur Kenntnisnahme welterzulei- ten hat.

Die für die Deutschland-Kommission vor­gesehenen Nationen erwarten in aller Kürze die amtliche Aufforderung, ihre Delegierten zu benennen. Der polnische Vertreter wies be­reits erneut darauf hin, daß Polen nicht beab-

We ; tere Vo machten

WASHINGTON. Der Leiter des amerikani­schen Sicherheitsprogramms auf Gegenseitig­keit, Averell H a r r i m a n, führte auf einer Pressekonferenz aus, der atlantische Ober­kommandierende, General Eisenhower, werde nach den gegenwärtigen Plänen für dje europäische Wiederaufrüstung im Januar 1952 erhöhte Machtbefugnisse erhalten. Eisenhower seigegenwärtig ein lebenswichtiger Faktor für die europäischen Wiederaufrüstungspläne, aber er werde nicht immer für diese Aufgabe zur Verfügung stehen. Der atlantische Koor­dinierungsausschuß in Paris habe beschlossen, daß sich die erhöhten Machtbefugnisse Eisen- howers vor allem auf die Entwicklung eines Systems vonVorrängen für die Verteilung der Ausrüstung und der Bauvorhaben der at­lantischen Armee beziehen sollten. Dazu ver­lautet in Washington, Eisenhower werde dar­über zu befinden haben, welchen Bedarf die atlantischen Streitkräfte in Europa an Waren, Ausrüstung und Neubauten haben.

Prof. Dr. Heuß wünscht keine Weihnachtsge­schenke. Bonn. Der Bundespräsident und Frau Heuß haben die deutsche Öffentlichkeit darum gebeten, von Glückwünschen und Geschenken zu Weihnachten und Neujahr abzusehen. Es sei bes­ser, während der Feiertage der vielen Notlei­denden zu gedenken und ihnen zu helfen.

Besichtigungsfahrt nach Helgoland. Cuxhaven. Über 200 Architekten, Städtebauer und In­genieure, die sich am Wettbewerb für den Wie­deraufbau Helgolands beteiligen, haben am Frei­tag eine zweitägige Besichtigungsfahrt nach der Insel angetreten

Kriegsgräberkommission in Afrika. Kassel. Die Anfang November nach Nordafrika gereiste Kommission der deutschen Kriegsgräberfür; orge hat nunmehr ihre Arbeit aufgenommen. Sie ist damit beschäftigt, die über 6000 verstreut liegen­den deutschen Soldatengräber autzusuchen, die Leichen zu exhumieren und Unbekannte zu iden­tifizieren. Alle Gefallenen sollen auf einem Fried­hof oder auf zwei großen Anlagen in Küsten- nähe zusammengebettet werden.

Japanische Verwaltungshoheit über Rln-Kiu- Inseln. Tokio. Das alliierte Hauptquartier in Japan hat der japanischen Regierung die Ver­waltungshoheit über die sieben nördlich des 29. Breitengrades gelegenen Riu-Ktu-Inseln vor ei­niger Zeit zurückgegeben.

Scharfe USA-Note an Ungarn. Budapest. Die USA haben der ungarischen Regierung eine scharfgehaltene Note zugeleitet, in der die Be­hauptungen zurückgewiesen werden, daß das in Ungarn vor einigen Wochen niedergegangene amerikanische Transportflugzeug Spionageauf­träge gehabt hätte Die vierköpflge Besatzung ist immer noch in Ungarn in Haft.

Lotte Adenauer bestand ihr Doktorexamen. Bonn. Die jüngste Tochter des Bundeskanz­lers, Lotte Adenauer, bestand am Donnerstag das Doktorexamen der Philosophischen Fakultät der Bonner Universität mit der Auszeichnung gut.

Koibenheyer: Heil Sudetenland! München. Der Vorstand der sudetendeutschen Landsmann­schaft überreichte dem Schriftsteller Erwin Guido Koibenheyer bei einem Presseempfang in Mün-

sichtige, einen Delegierten in den Ausschuß za entsenden, da die Ostzonenregierung ihre ab­lehnende Haltung gegenüber dem Projekt noch nicht geändert habe.

Nach Meldungen aus Stockholm verteidigte der schwedische Außenminister U n d e n den umstrittenen und inzwischen abgelehnten Vor­schlag Schwedens in der UN, gesamtdeutsche Wahlen zunächst durch neue Verhandlungen der vier Besatzungsmächte vorzubereiten, ln einer Rundfunkansprache führte er aus:Ich bin überzeugt, daß unser Vor­schlag als richtig erkannt weiden wird, so­bald die Propagandagesichtspunkte zurücktre­ten. Er war nämlich, am ehesten geeignet, freie Wahlen und die Wiedervereinigung Deutschlands zu fördern.

Der politische Ausschuß wies am Freitag die sowjetische Beschwerde über das amerika­nische Gesetz für gemeinsame Sicherheit (Aus­landshilfe) mit 39:5 Stimmen bei 11 Enthal­tungen ab.

Voib^reitung der Wah'breise

STUTTGART. Der ständige Ausschuß des württemberg-badischen Landtags diskutierte am Freitag im Beisein von Innenminister U 1 - rieh die Wahlkreiseinteilung für die Wahl zur verfassunggebenden Landesversammlung für den Südweststaat. Württemberg-Baden wird nach einem Entwurf des Innenministe­riums wahrscheinlich 44 oder 45 Wahlkreise bilden. Anfang Januar wird sich der Ausschuß erneut mit der Materie befassen.

Die Wablkreiseinteilung wird von den drei südwestdeutschen Ländern gesondert vorge­nommen. Gewählt wird nach dem Bundes­wahlgesetz. Danach werden also 60 Prozent der Abgeordneten in je einem Wahlkreis und 40 Prozent über eine Landesergänzungsliste gewählt. Nach dem zweiten Neugliederungs­gesetz fallen von den mindestens 120 Abgeord­neten der verfassunggebenden Versammlung mindestens 73 auf Württemberg-Baden, min­destens 25 auf^baden und mindestens 22 auf Württemberg-Hohenzollern.

chen einen dervier Ehrenbriefe, die all­jährlich von der Landsmannschaft verliehen wer­den. Koibenheyer antwortete:Ich werde Euch die Treue halten, wie Ihr mir die Treue gehalten habt zu einer Zeit, da jeder Beliebige mich In den Kot treten durfte. Ich gelobe Treue zur Hei­mat, Heil Sudetenland!''

Fünf Jahre Zuchthaus für Kameradenschinder. Hannover. Der 32jährige Vertreter Paul Lind­berg aus Hessisch-Oldendorf wurde wegen Bei­hilfe zum Totschlag, gefährlicher Körperverlet­zung und Unterschlagung zu fünf Jahren Zucht­haus verurteilt. 1945 hatte Lindberg als Stuben­kommandant in einem polnischen Internierungs­lager zwei Mithäftlinge der polnischen Lynchju­stiz ausgeliefert und außerdem Mithäftlinge mit Stöcken und Gummiknüppeln mißhandelt sowie Liebesgabenpakete unterschlag^

Elf Tote bei Schiffskatastropne. San Franzisko,

Elf Todesopfer forderte ein Brand, der auf einem dänischen 8000-t-Dampfer vor der ameri­kanischen Westküste ausbrach. Das Schiff ist völ­lig ausgebrannt.

Lastzug reißt Straßenbahnwagen auf. Bochum.

Zwei Tote, fünf Schwerverletzte und mehrere Leichtverletzte forderte ein Verkehrsunfall in Bo­chum-Linden. Ein ins Schleudern geratener An­hänger eines Lastzuges riß einen Straßenbahn­wagen der ganzen Länge nach auf.

Strafanträge im Ghetto-Mordprozeß. Hamburg,

Im Rigaer Ghetto-Mordprozeß vor dem Ham­burger Schwurgericht forderte der Staatsanwalt für die beiden Hauptangeklagten früheren SS- Angehörigen Rudolf Seck und Kurt Mlgge wegen Mordes in 53 Fällen zusammen 53mal lebensläng­lich Zuchthaus; für weitere Angeklagte wegen Mißhandlungen Gefängnisstrafen bis zu 7V« Jah­ren.

Polen lehnt kleinen Grenzverkehr ab. Berlin.

Die Bitte der Sowjetzonenregierung, ln den durch die Oder-Neiße-Linie geteilten Städten Frankfurt/Oder und Guben einen kleinen Grenz­verkehr zuzulassen, ist von der polnischen Re­gierung abgelehnt worden. Auch der Hinweis auf diedeutsch-polnische Freundschaft fruchtete nichts.

Bemerkungen zum Tage

Gute Botschaft

jk. Wir haben die Befreiung von dieser drückenden Fessel lange herbeigesehnt. Nun soll sie also fallen, die problematische Ruhr­behörde, dieser kantige Stein des Anstoßes in der Entwicklung der Beziehungen zwischen der westlichen Welt und der Bundesrepublik. Wenn der Schumanplan unterzeichnet ist, nicht früher. Auch die Vollmachten des alliierten Sicherheitsamtes, das uns letzthin durch die Remontageverbote soviel Kummer bereitete, sollen dann eingeschränkt werden, die Pro­duktion von Stahl keinen Beschränkungen nach Menge und Sorten mehr unterworfen

Erscheinungsweise über Weihnachten und Neujahr

Unsere nächsten Ausgaben erscheinen am Montag. 24. Dezember; Freitag, 28. Dezember; Samstag, 29. Dezember; Montag, 31. Dezem- zember; Donnerstag, 3. Januar und Samstag, 6. Januar. VERLAG UND REDAKTION

sein. Eine gute Botschaft für so manchen In­dustriezweig, der bisher in »den Stahl- und Blechengpaß (denken wir nur an die deutsche Automobilindustrie!) eingezwängt war. Keine äußeren Hindernisse mehr auch für Investi­tionen in die Grundstoffindustrien.

Ein großer Schritt weiter zur politischen und wirtschaftlichen Souveränität also Be­schlossen schon im Oktober in Paris, aber just eben in diesen Vorfesttagen uns offiziell zur Kenntnis gebracht. Wir haben die Wahl, die erfreuliche Eröffnung entweder als freund­liche Geste zum Fest zu nehmen, oder als be­wußte Stützung der Schumanplan-Debattea im Parlament am 9. und 10. Januar je nach Standpunkt, Temperament und Neigung Wer dem Gedanken des Schumanplans aus über­geordneten Erwägungen zustimmt, wird sich kaum von der naheliegenden Verbindung bei­der Anlässe stören lassen. Ein handgreifliche­res Argument für den Schumanplan läßt sich jedenfalls schwer finden, und ein günstigerer Zeitpunkt für seine Publikation konnte kaum gewählt werden.

Slalin 72 Jahie

Heiße Grüße

MOSKAU. Der Staatschef der Sowjetunion, Generalissimus Stalin, ist gestern 72 Jahre alt geworden. Soweit bekannt, ist sein Gesund­heitszustand für sein Alter befriedigend und hat sich seit dem vergangenen Jahr nicht ver­ändert.

Das Zentralkomitee der Ostzonen-SED übermittelte am Donnerstag in einem Glück­wunschtelegrammheiße Grüße demteuren Genossen Josef Wissarionowitsch Stalin. Das Zentralkomitee gelobte,die Föhne des natio­nalen Kampfes gegen amerikanischen und deutschen Imperialismus breit zu entfalten und sich dazu eineseindringlichen Studiums des Marxismus-Leninismus zu befleißigen. Der Vorsitzende der westdeutschen KP. Max Reimann, entbot Stalinbrüderliche Grü­ße und behauptete, Stalins konsequentes Ein­treten für den Frieden und das Selbstbestim­mungsrecht hätte in der westdeutschen Be­völkerungdie Liebe zu Ihnen, zu den Völ­kern der Sowjetunion und zur glorreichen Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewiki) gesteigert.

Anläßlich des Geburtstags Stalins wurden in Moskau am Freitag sechs neue Träger des Stalinpreises (Urkunde und 100 000 Rubel) für die Förderung des Friedens unter den Völ­kern bekanntgegeben. Unter ihnen befinde sich die in der Sowjetzonenrepublik wirkende deutsche Schriftstellerin Anna Seghers, be­kannt geworden durch ihr BuchDas siebte Kreuz.

Nebel legt Berliner Flugverkehr still. Berlin. Eine dichte Nebeldecke hat am Freitag den Flugverkehr von und nach Berlin stillgelegt.

Kleine Weltchronik

in New Orleans

ROMAN VON PETER HILTEN

17] Copyright 19$) by Wllholcn Goldman Verlag

Nachdem Reverend Johnson gegangen war, hatte Kapitän Hendrek Dekker mit Madame Grandjean eine Unterredung. Sie betraf so­zusagen den zweiten Teil des vorhin abge­schlossenen Geschäftes. Und einen höchst mo­ralischen dazu. Es wurde Einigung erzielt.

Kapitän Dekker fand es nicht angängig, daß seine Braut nun noch länger bei Madame Grandjean verweile. Das beste wäre, er nähme sie gleich heute abend, selbstverständlich mit allen Rücksichten, an Bord. Das könne er aber nicht tun, denn wahrscheinlich sei das Mäd­chen noch etwas scheu eine Eigenschaft, die sich an Bord bald verlöre, sie würde ihm schwerlich folgen, er bitte daher, dear Mrs. wollte sagen, Madame, Madame Grand­jean möge nach all den Schwierigkeiten sich doch noch einmal opfern und Donoga in etwa einer guten Stunde nach dem Hafen bringen. Dort, bei der steinernen Treppe, mit der stromwärts rot brennenden Laterne, wo die Boote anzulegen pflegen, am French Market, würde dann ein Boot derDei Gracias mit einem Mann, einem Mulatten, warten, Ma­dame Grandjean könne das Mädchen seelen­ruhig an Bord bringen und werde dann so­fort wieder sicher und rasch an Land gebracht werden. Es solle auch ncht umsonst sein, bloody Christ, nein, da seien nochmals zehn Dollar.

Madame Grandjean hatte vorzüglich ver­standen. Sie hatte eingesehen, daß mit Dono­ga kein Geschäft zu betreiben war, im Ge­geilte'', es konnte sein, daß Reverend John­son von nun an ausblieb, und dann wußte man nie. wann, wo und wie man seinen Einfluß

oder seine Rache zu fühlen bekäme. (Hatte er nicht, es war noch kein Jahr her, alle Damen vonChez Lucie in einem Sittlichkeitsfeldzug nach Moresby House gebracht, nur weil Lucie einer Sünderin die Freiheit gegeben hatte? Ah!)

Moresby House wäre eine fragwürdige Lö­sung, es Starben neuerlich so viele Mädchen dort die frische Seeluft aber würde Donoga gut tun.

Oh, naturellement war sie bereit, Monsieur le Captaine Dekker den kleinen Gefallen zu tun. Es war ja wirklich zum Besten des Kin­des, sie nahm die zehn Dollar an sich, merci.

Kapitän Dekker ging, er würde in einer gu­ten Stunde einen Wagen schicken.

*

Während Kapitän Dekker unter den dunk­len altspanischen Arkaden der Canal Street nach dem River bummelte und dabei leise La Paloma pfiff, fühlte er Verlangen nach einem anständigen Drink und nach Roxys Belle, bloody Christ, nach Roxys Belle...

Bei diesem Gedanken brach sein Pfeifen ab.

Er erschien in Roxys männer- und rauch­erfüllten Mexico Bar, benahm sich merkwür­dig ruhig, suchte mit einem Seitenblick den dreckigen Italiener, entdeckte ihn, spuckte auf vier Yards in einen der riesigen Spucknäpfe, das war das, und begann, während er sich an der Bar einen Platz erdrängte, mit einem mausäugigen Frachtmakler ein Gespräch über die Möglichkeit, in Galveston Fracht zu 15/ Commision nach England zu erhalten.

Yes, 15*/o!

Er stand lang und schlaksig, mit lässig ge­kreuzten Beinen, mit dem Ellbogen an die armdicke Barstange gelehnt, hielt in einer Hand das Glas, das seine großen Hände nicht zu fühlen schienen, und betrachtete mit ver­kniffenen Augen zwischen häufigen kleinen, lange und langsam auf der Zunge gerollten Schlücken Roxys Belle.

Roxy mit einer dicken Zigarre zwischen den Lippen unterhielt sich mit einem Gast über die Aussichten eines Renngauls mit dem Na­

men Gazeba, der neuen Wunderstute des Me- tarie Race Tracks und streifte Dekker mit einem ausdruckslos scheinenden Blick.

16 Prozent Maklerkommission war so gut wie Frachtunterbietung, bloody Christ, was ging das außer ihn und dem Mausäugigen die übrige Welt an! Mit wurmstichigen Erbsen, et­was weniger Fleisch, aber dafür einigen Fäs­sern Salzheringen und Bataten konnte man zunächst einmal 5°/« einholen, kleine 5% lie­ßen sich durch smartes Auftreten an Bord gut­machen, well, dann lief die Rechnung darauf hinaus, als ob mit den üblichen 5% abge­schlossen worden wäre. Allright. Mit schnellen Segeln ließen sich dann auch die restlichen 5% verkleinern, vorausgesetzt, daß man aus dem Golf von Mexiko noch vor Eintritt der Tornadozeit herauskam ...

Dekker ging. Roxy warf ihm einen prüfen­den Bück nach. Irgend etwas war mit Dekker los, diese verdammte Höllenkatze hatte etwas vor, Roxy fühlte es und rollte seine Zigarre in den andern Mundwinkel.

Bevor sich Dekker an Bord seinerDei Gra­cias übersetzen ließ, rief er ein Kutschge­fährt mit einem trotz der Nacht über dem Bock aufgespannten riesigen Sonnenschirm an und schickte es mit Vorauszahlung zu Ma­dame Grand jeans Etablissement, um zwei dort wartende Ladies nach dem French Market zu fahren, an die Treppe mit der stromwärts rot brennenden Laterne bet der steinernen Treppe.

Madame Grandjean verströmte über Donoga weiche, warme und fette Mütterlichkeit, die ölig gluckste.

Donoga saß auf Madames Bett und sah ihr zu, wie sie für die nächtliche Fahrt Toilette machte. Ein langer gelber bauschiger Seiden­rock mit einigen Umläufen schwarzer Samt­borten über der Besenlitze bauschte sich nach Art eines Reifrockes und verdeckte die Schuh- soitzen. eine enggeschneiderte kurzärmelige Schoßjacke verließ sich auf die Festigkeit einer krachenden Korsage, Ohrringe. Arm­

bänder, die Kette mit dem Kreuz, die sie Do­noga geliehen hatte, Fingerringe und Brosche, durchbrochene lange schwarze Handschuhe mit halben Fingern, Badehosenhandschuhe ge­nannt, und über dem Kopf ein schwarzes Spit­zentuch, et voild, Madame war bereit.

Donoga ahnte, daß sie nun mit Madame ge­hen müsse. Irgendwohin. Sie ahnte durch­dringende Wohltätigkeit. Sie hörte, daß es doch noch gute Menschen auf der Welt gäbe, fürsorgliche Menschen, sie würde nun einem Kapitän übergeben werden, einem exzellenten Gentleman, der demnächst nach Hawai führe, oh lala, quelle chance für ein junges Mäd­chen, für ein so schönes Mädchen...

Donoga saß und ließ sich von Madame über die Wangen streicheln, sie glitt in eine müde Gleichgültigkeit, irgendwo mußte alles en­den ...

Madame Dolly durchwühlte die Schubladen einer Kommode, sie fand ein buntes seidenes Tüchlein, das nach Patschuli roch, sie wuchtete im Zimmer umher, daß die Dielen krachten, sie fand hinter einem Spiegel einen Fächer, fand m der Nachttischschublade zwei klebrige Bonbons, erjagte in einem Korb mit schmutzi­ger Wäsche ein vielgeflicktes, fast weißes Spitzen-Kopftuch und schenkte alles, alles & ce eher enfant, alles diesem teuren Kinde.

Sie sprach unermüdlich auf Donoga ein: wie schrecklich wäre Moresby House gewesen, Baumwollekrempeln, oder vielleicht hätte man sie sogar in die Jutespinnerei, ah. mon Dieu, was sage ich, gar vielleicht in die Sackweberei gesteckt, ach, und nun war 'blies so gut ge­kommen.

Donoga schwieg.

Madame Grandjean war fertig und am Ende ihrer Wohltätigkeit angelangt. Sie ergriff ener­gisch Donogas magere, abgewetzte Reisetasche, die Tasche, die Dixon immer getragen hatte, um deren zwei Ledertragschlaufen sich seine guten, lieben und kunstfertigen Hände ge­schlossen hatten, und führte Donoga hinunter.

Der Wagen wartete, (Fortsetzung folgt)