HEIMATBLATT FÜR

STADT UND LAND

SAMSTAG, 22. DEZEMBER 1951

ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG

7. JAHRGANG t NR. 200

Aufhebung der Ruhrbehörde mit Annahme des Sdiumanpians

Bonn veröffentlicht Vereinbarungen mit den Alliierten / Kohlenexportquote fällt

BONN. Die internationale Ruhrbehörde und alle Beschränkungen für die deutsche Stahl­industrie sowie die Kohlenexportquote wer­den, wie jetzt endgültig feststebt, mit dem Inkrafttreten des Schumanplans fallen. Das Ruhrstatut wird nach einem Beschluß der sechs Unterzeichnerstaaten mit der Errichtung eines gemeinsamen europäischen Koblemarktes außer Kraft treten. Die Ruhrbehörde stellt ihre Tätigkeit ein, sobald die hohe Behörde der Montanunion ihre Funktionen ausübt. Die Hohen Kommissare werden das alliierte Ab­kommen über die verbotenen und beschränk­ten Industrien revidieren, wodurch sämtliche Beschränkungen entfallen, die der deutschen Stahlproduktion und der deutschen Stahlpro­duktionskapazität auferlegt sind.

Die deutsch-alliierten Vereinbarungen wur­den gesteren von der Bundesregierung bekannt­gegeben. Lediglich die Entflechtung nach Ge­setz Nr. 27 bleibt vorläufig noch in Händen der Hohen Kommission. Staatssekretär Prof. H a 11 s t e i n teilte jedoch dazu mit, daß die Alliierten zugesichert haben, die Entflechtung io schnell wie möglich abzuschließen. Ein Ter­min dafür sei allerdings noch nicht abzusehen. Hallstein hob in seiner Erläuterung besonders hervor, daß nach Verwirklichung des Schu­manplans das alliierte Sicherheitsamt keine Eingriffsmöglichkeiten mehr in die Produktion von Kohle und Stahl und hinsichtlich der In­vestitionen in diesen Industrien habe. Die deutsche Stahlproduktion war bisher auf 11,1 Millionen t jährlich begrenzt.

Mit der Festsetzung der Kohlenexportquote werde, so erklärte Hallstein, eines der beun­ruhigendsten .Elemente i» den deutsch-alliier­ten Beziehungen ausgelöscht sein. Ursprüng­lich sei bei den Schumanplanverhandlungen

noch nicht eine Aufhebung der Kontrollbe- stimmungen für Kohle und Stahl vorgesehen gewesen. Noch bei der Ankündigung der Mon­tanunion im Mai 1950 habe der- französische Außenminister Robert S c h u m a n erklärt, daß die sich aus dem Ruhrstatut ergebenden alliierten Vorbehalte bestehen bleiben müßten. Dieser Standpunkt sei vön deutscher Seite nicht akzeptiert worden Später sei es dann gelungen, die französische Haltung zu ändern. Hallstein berichtete, daß Schuman zuletzt selbst in einem Brief an die Signatarmächte des Ruhrstatuts dessen Aufhebung vorgeschla- gen habe. Die juristischen Verhandlungen darüber seien äußerst schwierig gewesen, weil die Standpunkte der einzelnen Parteien be­rücksichtigt werden mußten. Die im Schuman- plan vertretenen Partner seien nicht dieselben wie die in der internationalen Ruhrbehörde

Eine entsprechende alliierte Bestätigung, wie die gestern von der Bundesregierung veröf­fentlichte, war von den drei Koalitionspar­teien vor der Debatte über den Schumanplan in einem Brief an den Kanzler verlangt wor­den. _

Militärbudget für zwei Monate

PARIS. Die französische Regierung beschloß auf einer Kabinettsitzung unter Vorsitz von Ministerpräsident P1 e v e n ein vorläufiges Militärbudget für die beiden ersten Monate des Jahres 1952 in Höhe von je 110 Milliarden Francs, was eine Erhöhung des militärischen Haushalts von etwa 20 Prozent bedeutet. Der Beschluß des Kabinetts stellt einen Kompro­miß dar zwischen den Forderungen von Ver- teidigpngsmini^^JBjdault ynd dem. was Firianzminister Henö Mayer für militärische Zwecke zur Verfügung zu stellen bereit ist.

Unvollständige Gefangenenliste

Alliierte fordern Aufklärung / Verhandlungen gehen weiter

MUSAN. das alliierte Oberkommando in Korea forderte am Freitag in einer Note an die kommunistische Heeresleitung Anfklärung über den Verbleib von mehr als 1000 alliier­ten Soldaten und das Schicksal einerunglaub­haft hohen Zahl Südkoreaner, die in den kommunistischen Gefangenenlisten nicht er­scheinen.

Die Forderung stützt sich nach alliierten An­gaben ausschließlich auf das von den Kommu­nisten selbst veröffentlichte Material. Mehrere hundert Namen von Soldaten der UN, die von Radio Peking als Gefangene genannt worden waren, seien in der kommunistischen Liste nicht verzeichnet. Außerdem enthalte die neue Liste von den in zwei Listen an das Rote Kreuz aufgeführten 11Ö alliierten Gefangenen 60 nicht.

Die in scharfem Ton gehaltene Note wurde kommunistischen Verbindungsoffizieren in Pan Mun Jon übergeben. Die kommunistische Ge­fangenenliste wird darin nicht zurückgewie­sen, jedoch eine umfassende Erklärung für die Diskrepanz der Zahlen gefordert. Von süd- koreanischer Seite seien 85 000 Mann als ver­mißt gemeldet, während die Liste mit 11 500 Namen nur etwa 7100 Südkoreaner enthalte.

Diese Frage wird heute zwischen den Unter­händlern aufgeworfen werden wenn der Aus­schuß für den Gefangenenaustausch seit Diens­tag erstmals wieder Zusammentritt. Auch der Ausschuß für die Waffenstillstandsüberwachung wird erneut tagen Die mit der Behandlung dieser Frage beauftragten Stabsoffiziere haben sich bisher über drei Punkte des Überwachungs­programms geeinigt: 24 Stunden nach Abschluß des Abkommens sollen die Feindseligkeiten eingestellt werden. 72 Stunden später alle Truppen die neutrale Zone verlassen haben

Zehn Nationen stimmen zu

ROM. Zehn Regierungen haben Italien am Freitag mitgeteilt, daß sie dem italienischen Ersuchen auf Revision des Friedensvertrags lnvollem Umfang zustimmen Die Noten, die diese Zusicherung enthielten, wurden in Rom von den diplomatischen Vertretern der USA. Großbritanniens Griechenlands. Neuseelands. Nationalchinas, Frankreichs, Hollands, Belgi­ens, Australiens und Südafrikas überreicht Eine offizielle Revision des Italien-Vertrages Ist jedoch ohne sowjetische Zustimmung nicht möglich.

Der sowjetische UN-Deleglerte Tsarap- k i n erklärte am Freitag in Paris, die Ansicht der Sowjetunion sei in ihrer Note vom Okto­ber eindeutig dargelegt worden. Eine Revision de« Vertrags sei nicht ohne die Zustimmung aller Signatarmächte möglich.

Großbritannien und die USA haben im Laufe des Freitag Italien in Noten von der Aufhebung einschränkender Bestimmungen auf Grund des Friedensvertrags unterrichtet.

und nach weiteren fünf Tagen alle Inseln ln den Küsten- und Hoheitsgewässern der ande­ren Seite geräumt sein.

Der alliierte Oberbefehlshaber, General R 1 d g w a y, forderte den nordkoreanischen Ministerpräsidenten Kim 11 - s u n g und den chinesischen Oberbefehlshaber, General Peng Teh-huai, in einer Rundfunkbotschaft auf, Ihre Gefangenenlager durch Vertreter des Roten Kreuzes inspizieren zu lassen. Dieses Ersuchen sei allein von dem Gedanken an das Wohlergehen der Gefangenen und an die Sorge der Familienangehörigen getragen. Die Vertreter des Roten Kreuzes stünden bereit.

Nach Meldungen aus London überprüft die britische Regierung zurzeit amerikanische Vor­schläge über Maßnahmen, die getroffen wer­den sollen, wenn etwaige Vereinbarungen über einen Waffenstillstand in Korea später von den Kommunisten verletzt würden. Von zu­ständiger Stelle verlautet, die USA hätten eine feierliche Warnung an die Volksrepublik China vorgeschlagen, daß der Krieg bei Ver­letzung der Waffenstillstandslinie durch die Kommunisten über die Grenzen der Mandschu­rei ausgedehnt werden könne. Auch von einer Seeblockade gegen China sei die Rede. In London hält man eine Verlängerung der 30tägigen Frist für den Abschluß von Waffen­stillstandsvereinbarungen, die in der Nacht vom 26 auf 27. Dezember abläuft, für so wahr- scheinlach. daß über den Inhalt einer Warnung erst nach Ablauf dieser Frist gesprochen wer­den könne.

Links: Der ehemalige General der Luftwaffe, Friedrich Christiansen, zuletzt deutscher Müitärbe- fehlshaber in dem besetzten Holland, nach seiner Entlassung aus der Haft. Unser Bild zeigt Chri­stiansen (rechts) mit seinem Sohn Georg nach der Rückkehr in Hamburg. Rechts: Bundesprä­sident Prof. H euß und seine Gattin bei der Weihnachtsfeier der Angehörigen des Bundespräsi­dialamtes, zu der sie ln der Villa Hammerschmitt eingeladen hatten. Frau Elly H euß überreicht einem kleinen Mädchen ein Geschenk Foto ap

Verlängerung des sozialen Burgfriedens

Von H e > m a n u Renner

Am vergangenen Mittwoch fand, seit die Gewerkschaften ihre Mitarbeit in den wirt­schaftspolitischen Gremien der Bundesrepu­blik aufgekündigt haben, wieder eine erste Besprechung zwischen Prof. Erhard, dem Wirt­schaftsminister und Christian Fette, dem Vor­sitzenden des westdeutschen Gewerkschafts­bundes, statt Eine erste Fühlungnahme.

Diese Nachricht, so unbedeutend sie zu­nächst scheinen mag. läßt uns an der Schwelle

merschaft, deren Interesse auf Beteiligung an der so erzielten Produktionssteigerung gerich­tet ist, liegt die Gewähr für eine optimale wirtschaftliche Entwicklung, deren Früchte dem Volksganzen zugute kommen. Zu den Kampfmitteln der organisierten Arbeitneh­merschaft in dieser an sich gesunden Ausein­andersetzung gehört als letztes auch der Streik. Der Streik in Zeiten der Konjunktur, wie wir ihn in Amerika, dem Lande der höch-

öes neuen Jahres mit größerer Zuversicht - in sten Seallöfcne, jnjgfeer wieder zugunsten .der

die innenpolitische Zukunft sehen. Ist es doch so, daß die offensichtlichen auswärtigen Er­folge der Bundesregierung die erst jetzt in dem Besuch des Kanzlers in England, in seinem Empfang bei Georg VI., einem Ereig­nis, dessen legitimierende Bedeutung für die Augen der Welt gar nicht überschätzt werden kann, und, wenn man so will, in der Aufhe­bung der viel umstrittenen Ruhrbehörde ihre letzte Bestätigung fanden daß alle diese Erfolge überschattet werden durch die sozial­politischen Spannungen im Innern Es wäre falscher Optimismus, die Gefahr, die für die Regierung und ihre Politik auf der wachsen­den Unzufriedenheit breiter Schichten er­wächst, mit Hinweisen auf diese internatio­nalen Gewinne bagatellisieren zu wollen. Die Bonner Regierung ist eine demokratische Re­gierung. Und sie kann ihre Politik mir so lange fortsetzen, als sie von der Mehrheit der Wählerschaft getragen ist. Die schönsten Tri­umphe auf dem internationalen Parkett wür­den wertlos, wenn darüber die soziale Aus­einandersetzung im Innern verloren gehen sollte. Noch ist es nicht soweit. Die Regierung Adenauer hat auch keinen Grund, sich gegen­über einer objektiven Untersuchung ihrer Leistungen auf wirtschaftlichem Gebiet schä­men zu müssen. Aber es kommt eben nicht so sehr darauf an, wie das Ausland oder einige Wirtschaftswissenschaftler die Lage sehen, sondern darauf, wie das Wahlvoik sie sieht Und hier ist tatsächlich eine Entwicklung im Gärige, die nicht außer Acht gelassen werden darf. Das Murren der Gewerkschaften ist zum offenen Drohen geworden.

Es kann dabei keine Frage sein, daß der dauernde Kampf um die Erhöhung des Real­lohnes die natürliche Aufgabe der Gewerk­schaften ist. Und weiter: Nur in der Span­nung zwischen der schöpferischen Unterneh­merschaft, deren Interesse primär auf Inve­stition und Rentabilität, und der Arbeitneh-

Keine Freiburger Politik

Adenauer machte keine Versprechungen Dralitbericht unserer Bonner Redaktion

BONN. Über eine Unterredung, die Bun­deskanzler Adenauer Anfang der Woche mit dem südbadischen Staatspräsidenten W o h 1 e b hatte, ist verschiedentlich mitgeteilt worden, der Bundeskanzler habe Wohieb zu­gesichert, sich dafür einzusetzen, daß die Ver­wirklichung des Südweststaates aufgeschoben werde Wie wir dazu zuverlässig erfahren, kann von einer solchen Zusicherung keine Rede sein Zwar hat Wohieb dem Bundeskanz­ler die Möglichkeit angedeutet, daß sich die badische CDU von der gesamten CDU distan­zieren würde, aber er hatkeinerlei Angebote" Adenauers auf Grund dieser Erklärung erhal­ten. Dr. Adenauer wird vermutlich erst nach der vorgesehenen Unterredung mit Staats­präsident Dr. Gebhard Müller zur südbadi­schen Haltung gegenüber der Verwirklichung des Südweststaates Stellung nehmen. In poli­tischen Kreisen Bonns wird es als sicher ange­sehen, daß der Antrag der badischen CDUi

der die Bildung des Südweststaates bis zur Durchführung der Neugliederung im ganzen Bundesgebiet verschieben will, auch von der Mehrzahl der CDU-Abgeordneten abgelehnt werden wird.

Von zuständiger Tübinger Seite wurde diese Darstellung bestätigt Trotzdem behauptete Wohieb am Freitag erneut. Zusagen in seinem Sinne erhalten zu haben

Nach Meldungen aus Freiburg haben 17 Mitglieder des Landesausschusses der CDU Südbadens in einem Schreiben an den Landes­vorstand darauf hingewiesen, daß die vor einigen Tagen beschlossene Umbenennung der bisherigenCDU Baden" inBadische CDU und eine damit möglicherweise zusammen­hängende Änderung der Parteilinie satzungs­widrig seien. Unter den Unterzeichnern befin­den sich die beiden Minister Dr. Eckert und Kirchgäßner, sechs Landtagsabgeordnete und sieben Mitglieder des Landesvorstandes.

Arbeiterschaft angeWendet sehen.

Ein derartiges Prinzip muß aber, wenn hin­reichend triftige Gründe vorhanden sind, der Durchbrechung fähig sein. Und solche Gründe bestehen nun allerdings in der westdeutschen Bundesrepublik. Wir sind weit davon ent­fernt, einen wirtschaftlich normalen Zustand erreicht zu haben. Darüber darf auch der ge­radezu sagenhafte Aufschwung, den unsere Wirtschaft seit der Währungsreform genom­men hat, nicht hinwegtäuschen. Dieser Auf­stieg wurde ja nicht zuletzt dadurch ermöglicht, daß der soziale Kampf angesichts der dringen­deren Aufgabe, das soziale Produkt zu erhö­hen, zurückgestellt wurde. Es ist das histo­rische Verdienst der deutschen Gewerkschaf­ten, daß sie diese Problemstellung richtig er- kannnten und auch danach handelten.

In einer Zeit der Überproduktion richtet sich das Interesse ganz natürlich auf die gerechte Verteilung. In einer Zeit der Lücken, des Mangels und des Kampfes um verlorene Märkte in der Welt dagegen kann es nur ein vernünftiges wirtschaftliches Ziel geben: Pro­duktionssteigerung. Wird sie erreicht, dann er­höht sich das verteilbare Sozialprodukt von selbst. Ohne Erhards heute so umstrittene Wirtschaftspolitik der Expansion, die den Mo­tor der privaten Initiative als stärkste vor­handene Kraft vor den festgefahrenen Wagen spannte, wären einzelne kurzsichtige Vertre­ter innerhalb der Gewerkschaften heute der Sorge um eine andere Verteilung enthoben. Es wäre nämlich gar nichts zu verteilen da

Wofür wir plädieren ist nichts weniger als eine weitere Verlängerung des sozialen Burg­friedens. Die Stimmen auch innerhalb der Gewerkschaften, die diesen Standpunkt tei­len, sind zahlreich. Man kann nur hoffen, daß sie sich durchsetzen. Von der Gewerkschafts­leitung wird damit viel verlangt. Sie steht in einem Zweifrontenkampf. Gegen die über­spannten von Osten her inspirierten Forde­rungen einzelner Gruppen und gegen die wachsende Unzufriedenheit, mit der ihre Mit­glieder die Preissteigerungen hinnehmen, die sich aus der Weltmarktlage ergeben. Christian Fette und August Schmidt scheinen jedoch darin bestätigt uns die erwähnte Zusammen­kunft weiterhin der Kooperation den Vor­zug vor dem Konflikt geben zu wollen.

Das bedeutet nicht, daß heute schon alle be­rechtigten AnsDrüche der wirtschaftlich Schwa­chen weniger der Arbeiter als der Rentner, der kleinen Angestellten und kleinen Beam­ten befriedigt wären. Leider sind sie da» bei weitem nicht. Aber damit sie befriedigt werden können, sollten die berufenen An­wälte der wirtschaftlich Schwachen, die Ge­werkschaften. nicht nur an ihre zahlenden Mitglieder denken, sondern für alle handeln. Das heißt für die nächste Zukunft: verhan­deln Für die Unternehmerschaft aber er­gäbe sich aus einem derartigen Stillhalteab­kommen die selbstverständliche Pflicht, neue und bessere Wege zu finden, ihre Arbeiter, die in Wirklichkeit Mitarbeiter sind, in eine echte Betriebssolidariiät einzubeziehen. Vom Lei­stungslohn bis zur Ertragsbeteiligung und z"m betriebseigenen Wohnungsbau bieten sich hier die vielfältigsten Möglichkeiten.