MITTWOCH, 28. N O VEMBEE 1951
„Ich sah Pferde auf den Bäumen“
Blitzlichter auf die italienische Katastrophe Von unserem Mailänder Korrespondenten Carlo G. Mundt
MAILAND. Züge und Flugzeuge, gefüllt mit Medikamenten, Lebensmitteln, kommen aus Hamburg, München, Casablanca, Genf, Oslo an. Die Welt hilft Italien in einer seiner ichwersten Stunden. Auf dem Büro des Ausländischen Pressevereins zu Mailand drängen sich die Presse-Männer, Elly Beinhorn kommt im Flugzeug, um die Fluten von oben zu sehen. Auf den Sammelstellen ziehen Frauen ihre Pelze aus, Arbeitslose das letzte Hemd. Autobesitzer lassen ihre Wagen stehen, reichen den verdutzten Beamten an den Schaltern Papiere und Autoschlüssel. Mailand ist Etappe des Krieges gegen den „bösen Strom“.
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Lieber Attilio — schreibt Ilse S. — ich bin am Leben. Fünf Stunden habe ich an meine Schwester gebunden, das Wasser bis zum Hals, die Fluten durchquert. Wieviele Menschen ich aterben sah, das kann ich dir nicht schreiben! — Einer der vielen Schreckensberichte. Wieviele Menschen fanden den Tod? Viele hunderte, kein Mensch wagt daran zu denken. 15 000 Häuser gerieten ins und unter Wasser, 250 000 Menschen werden für Monate obdachlos sein. Wochenlang regnete es, auf Sardinien wurden in 50 Stunden 80 cm Regen gemessen. Der Po führt bereits seine Wasser ln normalen Zeiten „über“ dem umliegenden Land, das durch Wälle geschützt wird ;
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.Dort ist Gerd!“, sagen die Frauen von Do- nada. Der Namen Gerd Kammans wird in die Geschichte dieser Sintflut eingehen, zumindest ■ aber in die des Dorfes Donada. „II tedesco“, sagen die Frauen* der Deutsche. Zusammen mit Schwiegervater Schulmeister -Beltrame, dem Pfarrer, dem Gemeindesekretär hat Gerd ein Hilfsunternehmen aufgezogen. „Bald hätte mich die Strömung erwischt, aber...", er lächelt vor sich hin. „Das Wasser ist bis vier Meter hoch bei uns“, meint er Bei uns — das Ist für ihn Donada, seine zweite Heimat, in der er sich nun endgültig seine Heimatrechte erworben hat.
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Die Katzen fühlen die Erdbeben voraus, die Schlangen werden unruhig, wenn das Was-
kommando. Das kehrt um, der Marin hätte ohne weiteres abgedrückt. Die Bejahrten wollen ihre Häuser nicht verlassen, sie haben keine Angst vor dem Tod, aber — so merkwürdig es klingt — vor Dieben. Der Präfekt von Rovigo hat vorsichtshalber alle Ortsfremden aus seiner versunkenen Provinz ausgewiesen. Man hat einige „Händler“ gefaßt, die Schweine zu 45 DM das Stück von den Verzweifelten aufkaufen wollten. Abgesehen von diesen Schmarotzern ist sich die Nation seit langem wieder einmal einig. Neufaschisten helfen den Kommunisten und umgekehrt.
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Mussolinis Gardasee-Boot „Claretta“ ist das schnittigste (und auch das tüchtigste, murmeln die Feuerwehrleute) unter den vielen Rettungsmitteln An den Rändern und auf den Inseln des Toten Meeres vom Po sitzen Tausende, tränenlos. Kleine Mädchen halten Katzen im Arm. Über der tragischen Einöde kreuzen Flugzeuge. „Nehmt den Esel mit, ohne ihn gehe ich nicht“, schreit eine Frau verzweifelt. Das Tier hat durch seine Körperwärme zwei kleine Kinder am Leben erhalten. Geduldig bauen die Retter eine Brücke, der Vierfüßler kommt angetrottet, ohne bockbeinig zu sein. *
Monate wird es dauern, bis dieses Land, diese 2000 Quadratkilometer vom Wasser verlassen werden. Für lange Zeit wird es eine neue Lagunenlandschaft sein. Wenn mit der Sonne jetzt die Kälte kommt, besteht die Gefahr, daß aus dem Polesine ein Sibirien Italiens wird. Die Behörden sind verzweifelt, weil die Flüchtlinge nicht weichen wollen, sie
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Links: In einer Einöde in der Nähe von Kairo werden zurzeit die weiblichen Mitglieder der ägyptischen „Freiheitsbataillone“ für einen Kleinkrieg gegen die Briten in der Suezkanalzone ausgebildet, unterstützt durch die ägyptische Frauenorganisation „Töchter des Nils". Rechts: Protestkundgebung des DGB gegen das Verbot des alliierten Sicherheitsamtes, das Stahl- und Walzwerk Salzgitter wieder aufzubäuen, in einer Halle der Hütte WatenstedtfSalzgitter. Foto: AP
versperren den Weg zur Arbeit. Nur im Gebiet von Polesine sind an Erntegütem 750 000 dz Getreide, 5,5 Millionen dz Zuckerrüben 50 000 dz Hanf, 2 Millionen dz Futtermittel weniger zu erwarten. Eine viertel Million Menschen zu Lasten einer opferbereiten, aber so armen Nation!
Aktive deutsche Ostpolitik
Im Angesicht des Weltgegensatzes USA — UdSSR / „Auflockerung der Weltmeinung“
H. Sch. Die Politik der Bundesrepublik ist am Zuge, Deutschland aus einem „Objekt" der politischen Mächteinteressen wieder zu einem selbständigen Und unabhängigen, d. h. souve- _ ränen Subjekt zu machen und damit die Grund-
ser kommt* Aber sie-ertrinken wieselte Rat- J vöräiü£sfetzühg für eine Aktivierung der deut-
ten, Mäuse, Rinder, Pferde, Schweine und Schafe. „Fahren Sie hinüber, dort sind Pferde auf den Bäumen", ruft man uns zu. Wie sie nur heraufgekommen sind. Die Tiere haben »ich schwimmend retten wollen, sind im Geäst hängen geblieben, jämmerlich gestorben. Das Wasser geht zentimeterweise zurück, sonderbare Früchte in den Bäumen lassend. Irreal sehen die Reklameschilder aus, aus dem Wasser ragt so eine Plakathand, die einen berühmten Käse in die graue Landschaft hält. Nur die Telegrafenmasten halten.
'„Zurück oder ich schieße!", ruff der Alte; «r richtet seine Jagdflinte auf das Rettungs-
Denkmalschändung oder Reinigung?
PARIS. Zwei junge Deutsche, Claudius Schaiufler und Gerhardt Bindseil, die zu einem Weltbürgerkongreß nach Paris gefahren waren, wurden von der französischen Polizei ^haftet, weil sie ein Schild mit der Forderung nach einem Weltpariament an einem Denkmal befestigten. Die beiden bestiegen mit Leiter, Wassereimer und Pinsel bewaffnet vor den Augen der Pariser Polizei ein dem UN-Gebäude gegenüberstehendes Denkmal von General Foch und begannen den Sockel zu ichrubben. Als die Ordnungshüter gerade wegschauten, brachten sie schnell das Schild «n. Sie wurden wegen Denkmalschändung verhaftet. Bei ihrer Vernehmung erklärten »ie, das Denkmal nicht beschädigt, sondern nur gründlich gereinigt zu haben.
sehen Außenpolitik zu schaffen. Diese Aktivierung wird auch nach Osten hin erwartet. Der Druck von 9 Millionen Heimatvertriebenen im westdeutschen Raum, deren Sehnsucht nach Rückkehr in die alte Heimat und deren unabdingbarer Rechtsanspruch auf Rückkehr in die Ostprovinzen sind ein starker Motor zur Aktivierung der Bonner Ostpolitik, werden die Unbeirrbarkeit des Regierungswil-
lust des deutschen Ostens ist die Quelle der größten Existenznöte Deutschlands und Europas. Der Ausfall seines Wirtschaftspotentials wirkt sich in ganz Europa ausi weil seine Kohle und sein Zink, sein Holz und sein Zement, sein Brotgetreide, Kartoffeln und Zucker fehlen und dieser Mangel die europäische Wirtschaftsund Handelsstruktur von Grund aus verändert hat und dies im Zusammenhang mit der Übervölkerung, Arbeitslosigkeit und Sozialüberlastung auf die Dauer unhaltbare Verhältnisse zeitigen muß. Deutschland und Europa bedür- ! handelt es sich'dabei nicht so sehr um abschiie-
Das politische Bach
Familie — Beamtenrechte — Wohnungsrecht
Eugen Klöckner, Die Familie und ihr Schutz im deutschen Recht. Selbstverlag E. Klöckner, Karlsruhe, 100 S. brosch.
Prof. Dr. Max Wenzel, Die Wiederherstellung der Beamtenrechte. Auslieferung durch die Geschäftsstelle des Verbandes der nicht-amtierenden (amtsverdrängten) Hochschullehrer, Tübingen. 63. S. broseh.
Justus Wilhelm Hedemann, Grundprobleme des Wohnungsrechts. J. C. B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen. 34 S. broseh.
Kleine Schriften für den Staatsbürger
Das „Institut zur Förderung öffentlicher Angelegenheiten“ in Frankfurt a. M. hat sich die Aufgabe gestellt, in einer Reihe verständlicher, kurz gefaßter und billiger Broschüren öffentliche Probleme abzuhandeln. Der Natur der Sache nach — Gegenstand der Arbeiten sind Ja Zeltfragen, die sich Tag für Tag heu und verändert erheben —
fen deshalb einer Revision der jetzigen Zustände, die aber niemals durch Krieg, sondern allein auf dem Wege des diplomati-
lens, die Entschlossenheit und Zielstrebigkeit sehen Kompromisses herbeigeführt werden soll.
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Bonns stützen, nicht aber Taktik und Tempo des außenpolitischen Kurses bestimmen dürfen, Staatspolitik muß mit feinerer Hand und ln milderer Tonart getrieben werden als Pressepolitik, weil sie von größerer Verantwortung getragen und von viel größeren Risiken begleitet ist. Das muß in der Öffentlichkeit bedacht werden, wenn man rasche und greifbare Ergebnisse von einer Aktivierung der deutschen Ostpolitik erwartet.
Wenn Adenauer vom Standpunkt der deutschen Einheit erklärt, daß eine gesamtdeutsche Politik auch das Gebiet jenseits von Oder und Neiße umfassen muß, Grotewohl aber entgegnet, daß kein deutscher Anspruch auf die deutschen Ostgebiete besteht, und wenn Bonn die Rechtmäßigkeit des polnisch-ostzonalen Abkommens über die Oder-Neiße-Grenze'bestreitet, die Ostzonenregierung aber ihren Vertrag mit Warschau für rechtens erklärt, so erkennt jeder, wie ungeheuer die Schwierigkeiten sind, die einer aktiven Ostpolitik, die Deutschland dient, entgegenstehen und nur mit diplomatischen Mitteln angegangen und überwunden werden sollen.
Westdeutschland ist heute zu mehr als einem Drittel von der Nahrungsmitteleinfuhr, die uns wertvolle Devisen kostet, abhängig. Der Ver-
Keine Politik der Rache und des Hasses, sondern des Rechtes und der Vernunft, der Versöhnung und der Menschlichkeit muß den Weg bahnen zur Aufhebung der Beschlüsse von Jalta und Potsdam. Dazu bedarf es zuallererst der Auflockerung der Weltmeinung und der Aufrüttelung des Weltgewissens, bedarf es der Änderung des Sinnes der Siegermächte von 1945, denen längst bewußt geworden ist, daß ihre Fehler die Weltkrise von heute herbeigeführt haben.
Eine aktive deutsche Ostpolitik wird zunächst die Arbeit der Aufklärung fortsetzen und die Sammlung der Einsichtigen bei Freund und Feind vornehmen müssen, ehe Sie konkrete Ziele herausstellt; sie darf die Hoffnung der Millionen Heimatvertriebenen auf Verwirklichung ihres Rechtes nicht zuschanden werden lassen, aber sie muß doch wohl die lebenswichtige deutsche Ostfrage aus dem größeren Zusammenhang des Weltgegensatzes USA gegen UdSSR betrachten und dort Lösungen suchen, wo sich aus der Verschiebung der Machtkomplexe Ansatzpunkte zu fruchtbarer Annäherung und Verständigung ergeben. Deutsche Ostpolitik kann nicht isoliert geführt werden, sondern muß sich innerhalb der Verlagerung der Weltinteressen bewegen.
„Tristan und Isolde**
Neueinstudierung an der Staatsoper in Stuttgart
Der Tristan Wagners kann nur groß gegeben werden. Das Beste ist das einzig Mögliche. Die Stuttgarter Aufführung mit Gästen reihte sich würdig an die durch Leonhardt geschaffene Tristan-Überlieferung der Staatsoper. Sie gehörte gesanglich, im ganzen auch orchestral. Jedoch «n Regiemäßigen nicht ohne Einschränkung, ln <*ie Klasse, in der einstens Bayreuther Aufführungen standen.
Der Tristan bedarf knapp 100 Jahre nach seiner Entstehung keiner ästhetischen Diskussion »ehr. Es mag Nietzsches Wort gelten: „Ich suche heute noch nach einem Werke von gleich gefährlicher Faszination, von einer gleich schauerlichen und süßen Unendlichkeit, wie der Tristan “t, Ich suche In allen Künsten vergebens...“ Die Einwände der Hanslicke von eh und Je haben die Zukunftsmusiker von heute ins Positive gewandelt. Mit der Aufstellung des Tristan-Mo- «ves im Vorspiel beginnt die große Bahn der Auflösung der alten Tonalität und Wagners Satz über diese seine persönlichste Musik wurde zum Programm: „Meine feinste und tiefste Kunst »öchte ich Jetzt die Kunst des Übergangs nennen.“
Geniewerke überspringen eine alte Gewöhnung und bewegen sich immer im Unzeitgemäßen. Sie erfordern das heroische Maß zu ihrer Darstellung. Das Pathos im tragisch-griechischen Sinne ist das Element der Tristan-Musik, und wer es zu entfesseln versteht, hat gewonnen. Dionysischer Rausch im Gewände der aufs äußerste gespannten Motiv-Technik und der Sexten- nnd Decimen-Sprünge in der unmelodischen Deklamation heißt das Geheimnis dieser Ober-Oper (das Mißverständnis des Musikdramas sollte Bicht mehr erwähnt werden). Nirgendwo mehr *°nst im Werke Wagners herrscht wie hier die Musik über das Wort, die poetische Vision über ®ie Sprachzeilen der Dichtung.
Das Liebesgeschick des Paares wird wieder zu- rückgenommen in die mythische Frühe, woher es kam, die mittelalterliche Märe versinkt ln der hochromantisch - hochschmerzlichen Leidenschaft *lnes nie erfüllten Traumes von Liebeslust und »’oin, in der unerschöpflichen Verwendung der romantischen musikalischen Mittel des Übergangs, ®er ständig oszillierenden, sich verlierenden und
wiederflndenden Akkord - Chromatik und der kühnsten enharmonischen Verwechslungen aller Tonarten des Dur-Moll-Systems. Griechisch: die Notwendigkeit mit der Liebe, Tod, Nacht in den „todgeweihten Häuptern“ zehren, von ihnen begehrt werden und aus dem Schuld- Sühnekreis des erfragbaren „Tages“ scheiden ln schweigende Tiefen. Wir wüßten nicht viel davon, kennten wir nur die grammatischen Aussagen des Textbuches — wir wissen alles durch das Orchester, den großen Verkünder des „Unbewußten“. die Affektsprache des erfüllten Herzens
Ferdinand L e i t n e r betreute das Musikalische. Vielleicht Ist der Satz Furtwänglers richtig, daß erst die 20. Aufführung die vielen farbigen Reize, Spannungen, dramatischen Kurven, verändernden Tempi, die vom Orchester beachtet werden müssen, in voller Deutlichkeit herausbringt. Leitner blieb im Vorspiel noch ein wenig zu blaß, zu impressionistisch fder rätselhafte Fortissimo-Tristan-Akkord riß kein Loch in die Tragik). Das Drängend-Schmachtende, das als Einleitung zum Expositionsakt gedacht ist, kam in der mehr konzertmäßigen Darbietung nicht zur Geltung. Den scharfen Trotz-Treue-Tn- tervallen der fünften Szene fehlte es an dramatischer Wucht. Ganz allgemein wünschte man der „Vorstellung“ der Motive in den Hauptszenen mehr Plastik. Leitner liebte zu sehr die Zusammenhänge und das Ineinanderfließende. Dann aber erreichte er in der lyrischen Liebesnacht des zweiten Aktes jenes ferndämmemde. geheimnisvolle Flackern, Rauschen. Tönen und die großen orchestralen Entladungen, die das ganze Spiel wie in eine verwunschene Mitte hineinsaugen. Sehr weich und tiefsinnig die Welten- nachts-Akkorde des dritten Aktes, die Darstellung des wagnerischen Nichts-Nirwana, jenes romantischen Wunderlandes, das im Unterschied zu unseren existentialen Nihilisten ein ganzes Meer von Seeligkeft und wunschlos-wünschbarer Befreiung vom „Willen“, vom Leben bedeutet. Klangexzesse und Klangfarbigkeit so dunkel schön wie bei einem der großen venetianischen Maler — in Venedig wurde dieser Akt auch Instrumentiert. Das Meereswunder rauschte Inder Szene und in den Seelen des Paares auf.
Martha M ö d 1 als Gast von Hamburg war die alles beherrschende und überragende Isolde. Im Kostüm mit dem blonden Rad mehr ein bürger
liches Evehen. denn eine mythische Zauberin und Herrin. Schade. Ihre mimische Beweglichkeit ging vollendet mit ihrer Deklamation zusammen. Ein in tiefen und hohen Lagen gleichmäßig starker Sonran ohne kalte Schärfen, originär wagnerisch weich, schmelzend und groß im Atem. Herrin und Liebende, und ln der ekstatischen Verzük- kung des Liebestodes ein verklärtes Metanhvsi- eum. Wolfgang Windgassen wirkte im Zusammenspiel mit dieser Isolde noch mimisch un- erlöst, aber sein Tenor gewann an dieser schweren Partie von Szene zu Szene an blühender Kraft auf lyrischem Grunde und sein Riesenmonolog auf der Burg Karneol war eine Glanzleistung, der Ersten dieses Faches würdig. Den Kurwenal Gustav Neidlingers hätte Wagner ohne Zögern nach Bavreuth verpflichtet Der Alt von Res Fischer (Brangäne) muß im ersten Akt sich allzuoft im Sopranpathos bewegen und kann sieh erst snäter seiner Bestimmung gemäß entwickeln. Wilhelm Seharn, München, gab seinem König Marke das männlich - trauernde Profil des Edlen, der vorm Geheimnis der Liebe das Symbol der Herrschaft über den Eigenhold senkt und als einzig Überlebender auf der Bühne steht.
Die Inszenierung besorgte Prof. Heinz Arnold. München. Gewiß — wir haben es mit einer Ooer zu tun. in der gezaubert und verzaubert wird. Trotzdem verlangen die Biihnenvor- gänge eine dvnamische Realität, die Prof. Arnold jedoch oft zugunsten von lebenden Bildern und einer unwagnerischen Aufstellung der Figuren mehr verundeutlicht als geklärt hat. Die Trennung der Bühne in einen vordergründlirhen Großraum und einen mit Gazeschleiern verdeckten Hintergrund, auf der Schiffsvolk und Nebenfiguren statisch verharren, bringt ein fremdes Element in die Vorgänge Die Tllust.rations- musik zu den wenigen äußeren Handlungen läuft dabei oft leer. Auch hier tut man gut. die Regieanweisungen Wagners möglichst genau zu befolgen und von Experimenten zu lassen.
Die Neueinstudierung begeisterte ein vollbesetztes Haus. Unzählige Vorhänge und Hervorrufe und nicht bloß von solchen, die wissen, was Wagners Tristan bedeutet. em.
Das Stuttgarter Kunsthaus Fischingen zeigt bis zum 25. Dezember eine Ausstellung von Wandbehängen von Walter Wörn.
Adalbert Wahl 80 Jahre
Arta 29., November 1951 vollendet der Professor der Geschichte, Dr. Dr. h. c. Adalbert Wahl, ln Tübingen das 80 Lebensjahr. In Mannheim geboren, habilitierte sich Wahl 1900 in Freiburg im Breisgau, wurde 1908 Ordinarius in Hamburg und 1910 in Tübingen, wo er bis zu seiner Emeritierung wirkte und 1921/22 das Rektorat bekleidete. Unter der großen Zahl seiner Veröffentlichungen ragen seine Arbeiten zur Geschichte des Zeitalters der Französischen Revolution (zwischen 1901 und 1912 erschienen) und seine vierbändige deutsche Geschichte von der Reichsgründung bis zum ersten Weltkrieg (1926 bis 1936) hervor.
Kulturelle Nachrichten
Ernst Barlachs Drama „Der Graf von Ratzebur g“, ein Werk aus dem Nachlaß des Dichters und Bildhauers, wurde am Sonntag im Nürnberger Lessing-Theater uraufgefübrt. Barlach, der im Oktober 1938 nach voraufgegangenen Anfeindungen des nationalsozialistischen Regimes gestorben ist, hatte das Manuskript mit einer Reihe von anderen Arbeiten in einem Garten vergraben, um es über die Zeit des Nationalsozialismus zu retten. Erst im Frühjahr 1949 wurde das Drama wieder aufgefunden.
In Klanxbüll, Kreis Südtondem, vollendet der Königsberger Orientalist und Mvthologe Prof. Ferdinand Bork am Montag das 80. Lebensjahr. Prof Bork, der dem Forschungskreis der Königsberger Universität angehörte, schreibt zurzeit aus dem Gedächtnis zum zweitenmal eine .Urgeschichte des Schachspiels“ nieder, deren Manuskripte ihm auf der Flucht verloren gegangen sind.
Für den Riicherfreund
Alfred Weidenmann, Kaulquappe, der Boß der Zeitungslungen. Curt. E. Schwab-Ver- lag, Stuttgart. 1951. 176 S., 5.80 DM.
Die Helden dieser Erzählung sind Kaulquappe und sein Gegenspieler Harald. Trotz „Konkurrenzkampfes“ geht es immer anständig zu — sowohl in der erregenden Jagd zu den Zeitungskiosken als auch beim Radrennen um das „Grüne Band“.
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ßende Antworten. In allen Fällen aber ergreift ein Fachmann die Feder, so Dr. v. H artmann, der über „Für und wider das Mehrheitswahl- ,recht! 1 schreibt, oder Frau Prof. Kraus, die ; sich als sozialkritische Schriftstellerin eines Namens erfreut, zu der amerikanischen Idee des „Casework“ („Von Mensch zu Maisch“, Band IV der Schriftenreihe), „Vom Wesen der amerikanischen Verfassung“ berichtet Karl Löwen- stein (Nr. 8 der Schriftenreihe). Helmut B o h n greift in Heft 14 das Heimkehrerproblem („Die Heimkehrer aus russischer Kriegsgefangenschaft“) auf und kommt darin zu einer Reihe praktischer Vorschläge, wie man das Problem der Heimkehrer, das ln Wirklichkeit ein Problem nicht nur der materiellen, sondern auch der seelischen Wiedereingliederung ist. angreifen könne Eine anregende Lektüre vor allem für diejenigen, die von Amts wegen mit Heimkehrern zu tun haben, ohne jedoch selbst hinter Stacheldraht das nötige Verständnis für deren besondere Labilität erworben zu haben. Einen besonders wertvollen Beitrag leistet das Institut für Besatzungsfragen in Tübingen mit seiner Schrift „Bürgerrechte und Besatzungsmacht“, in der — allerdings nach dem inzwischen schon wieder in manchen Dingen überholten Stand vom 1. November 1950 — die gesamten rechtlichen Beziehungen, wie sie sich zwischen Deutschen und Ausländern im Laufe der Besatzungsjahre entwickelten, übersichtlich dargesteflt weTden. Gerade diese schwierige Materie bedarf ja dringend der Sichtung und Klärung, um auch von unserer Seite aus entstandene Mißhelligkeiten beseitigen zu helfen und neuen Schwierigkeiten von Anfang an vorzubeugen. rr.
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