NUMMER 1 8 &

M ONXAG, 2 G. .NOVEMBER 1951

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Annahme der alliiertenForderungen

Kritik Schumachers an Ergebnissen der Pariser Außenministerkonferenz

der SPD-Vorsitzende fest:Man fordert von uns bedeutsame Vorrechte, aber man will keine Erleichterung im Besatzungsstatut ge­ben. Wir wollen eine Souveränität im selben Umfang zum Leben erwecken, wie andere Völ-

HANNOVER. Der Vorsitzende der SPD, Dr. Kurt Schumacher, erklärte auf einer Pressekonferenz, die Pariser Verhandlungen des Bundeskanzlers bedeuteten eine völlige Annahme der alliierten Forderungen. Dr. Kon- rad Adenauer habe nach seiner Ansicht nicht den geringsten Erfolg für die deutsche Sache erreicht.

Die Bundesregierung handle gegenüber der deutschen Bevölkerung unverantwortlich, wenn sie von einem Verteidigungsbeitrag rede, wäh­rend die andern schon wieder über Rüdezugs­möglichkeiten für ihreunzureichenden Streit­kräfte nachdenken. Die Kritik der SPD habe zum mindesten erreicht, daß die Alliierten ihre Absicht diese oder jene Forderungen an die Bundesrepublik zu richten, aufgegeben hätten und zu Zugeständnissen bereit gewesen wären, an die sie vorher nicht dachten.

Nachdrücklich wandte sich Schumacher ge­gen die militärpolitische Konzeption derRie­gelstellungen im Gebirge und an der See von wo aus später der Westen befreit werden solle. Eine Befreiung vonFriedhöfen des dritten Weltkrieges sei für Westdeutschland untrag­bar. Nur eineVerstärkung des amerikani­schen Kriegspotentials würde den Sowjets

Verdunkelung sgefabr

BONN. In Zusammenhang mit dem Fall Platow ist auf Anordnung des Oberstaatsan­waltes in Bonn der Redakteur des politisch­parlamentarischen Pressedienstes (PPP), Al­fred Schulze, wegenFluchtverdacht und Verdunkelungsgefahr festgenommen worden; nach der Entscheidung des Bonner Haftrich­ters wird Schulze bis auf weiteres in Haft bleiben. In einer Erklärung stellte die Bon­ner Staatsanwaltschaft fest, der Haftbefehl ge­gen Schulze seiwegen dringenden Verdachts des Verbrechens des Geheimnisverrats in einem besonders schweren Fall, der Anstif­tung zum Bruch der Amtsverschwiegenheit und wegen gewinnsüchtiger Urkunden-Bei- seiteschaffung erlassen worden.

Der parlamentarisch-politische Pressedienst erklärt, es sei darum gegangen, Schulze zur Preisgabe eines Gewährsmannes zu veranlas­sen. Sozialdemokratische Kreise fänden in dem Verhalten des Staatsanwaltes den Eindruck: bestätigt, daß maßgebende Kreise in der Re­gierung über den Staatsanwalt das journali­stische Betätigungsfeld mehr und mehr ein­schränken wollen.

Rundfunk Sache der Länder

BERLIN. Die Intendanten der westdeutschen Rundfunksender haben auf einer Sitzung in Berlin im Hinblick auf ein zu erwartendes Bundes-Rundfunkgesetz Vorschläge über die Gestaltung des Rundfunkwesens in der Bun­desrepublik ausgearbeitet und dem Bundes­kanzler zuseleitet. Die Intendanten vertreten in ihren Vorschlägen die Ansicht, daß die Rundfunksender als Anstalten des öffentlichen Rechts nach demokratischen Grundsätzen auf­gebaut und politisch, kulturell und technisch unabhängig sein müssen. Die Organisation der Sender soll Sache der Länder sein, während Überparteilichkeit und Unabhängigkeit neben den bei allen Sendern bestehenden Kontroll­organen durch einenGesamtrat der Rund­funkanstalten als oberste Begutachtungsin­stanz gewährleistet werden soll.

Wahlkampf eröffnet

WINTERBACH. Der Ministerpräsident von Württemberg-Baden, Dr. Reinhold Maier, eröffnete am Samstag mit einer Rede im Rems­tal den Wahlkampf um den Südweststaat, in der er die bevorstehende Volksabstimmung über die Neugliederung in Südwestdeutschland alsGeneralprobe aufs Exempel für das ge­samtdeutsche Problem bezeichnete. Diese Volksabstimmung könne ein Vorbild sein, aber aucheine Konstatierung des deutschen Un­vermögens in schwerster vaterländischer Not.

zu denken geben und sie von einem neuen Krieg zurückhalten können. Dasbedingungs­lose Ja der Bundesregierung zu einem west­deutschen Verteidigungsbeitrag, habe den Amerikanern die Möglichkeit gegeben,ihre Erdtruppen zu Hause zu lassen. Die SPD stehe weiterhin auf dem Standpunkt:Gleiche Opfer, gleiches Risiko und gleiche Chancen für alle.

Erneute Kritik erfuhr auch die Politik der Bundesregierung in der Frage der Wiederver­einigung Deutschlands. Schumacher forderte erneut eine Viererkonferenz über die deutsche Einheit und gesamtdeutsche Wahlen unter in­ternationaler Kontrolle.

In der Niedersachsenhalle in Hannover stellte

ker ihre Souveränität zu wahren wünschen. Wir sind bereit. Rechte der Souveränität nur im selben Umfang abzugeben wie andere Völ­ker auch. Wir sind nicht gewillt, der Natio­nalität anderer Völker Opfer zu bringen. Wir werden bei keiner europäischen Armee mit­machen, in der die Angriffsbefehle in deut­scher und die Rückzugsbefehle in anderer Sprache gegeben werden. Die SPD werde zu gegebener Zeit im Bundestag einen Antrag einbringen, wonach eine Wehrverfassung als verfassungsändernd gelte und deshalb der Zweidrittelmehrheit bedürfe Auf jeden Fall werde es die SPD nicht zulassen, daß eine solche Verfassungsänderung gegen den Willen des deutschen Volkes erfolge.

Linie nahezu fest*»e ! egt

Verhandlungen dauern an

MUNSA.N. Alliierte und kommunistische Stabsoffiziere haben am Sonntag den Unter­ausschüssen der Waffenstillstandskonferenz nach einer viertsündigen Sitzung Kartenma­terial mit dem Verlauf einer bis auf wenige Ausnahmen von beiden Seiten anerkannten Demarkationslinie unterbreitet. Sobald volle Einigung erzielt ist, werden die Waffenstill­standsdelegationen zusammentreten, um die Linie zu billigen und den nächsten Punkt der Tagesordnung, die Überwachung des Waffen­stillstands, in Angriff nehmen.

An der Front haben die alliierten Truppen im Westabschnitt bei Temperaturen von 6 bis 10 Grad unter Null eine wichtige Höhe zurück­erobert, die am Vortag von chinesischen Ein­heiten besetzt worden war.

Nach Angaben eines Sprechers des amerika­nischen Verteidigungsministeriums hat der UN-Oberkommandierende, General Rid- g w a y, die Zahl der in Korea ermordeten gefangenenen amerikanischen Soldaten bereits vor Wochen auf 8000 geschätzt und dies in einen Bericht dem Sicherheitsrat der UN mit­geteilt. 400 Fälle seien einwandfrei erwiesen.

Aut Erhuüdun^sfluü vermißt

Proteste und Gegenproteste

WASHINGTON Die amerikanische Marine vermißt seit 6. November einen zweimotori­gen Bomber mit einer zehnköpfigen Besat­zung. Das Flugzeug hat sich auf einem Wet­tererkundungsflug für die UN-Streitkräfte be­funden. Gleichzeitig wurde bekannt, daß die Sowjets am 7. November offiziell gegen das angebliche Überfliegen der sowjetischen Grenze im Raum von Wladiwostok protestiert und mitgeteilt haben, das Flugzeug sei von sowje­tischen Jagdfliegern beschossen worden.

Nunmehr haben die Sowjets bei den UN in der gleichen Angelegenheit protestiert. Darauf­hin warfen die USA den Sowjets vor, sie hät­ten über internationalen Gewässern in der Nähe von Korea ein UN-Flugzeug ohne War­nung angegriffen. Die vorgesehene Fluglinie sei mindestens .65 km vom sowjetischen Ho­heitsgebiet entfernt verlaufen und die Besat­zung habe strikte Anweisung gehabt, sich dem sowjetischen Gebiet unter keinen Umständen auf mehr als 32 km zu nähern. Nach ame­rikanischer Darstellung wurde der Vorfall bis­her verschwiegen, weil man nähere Untersu­chungen anstellen wollte.

Kleine Weltdironik

Ostdeutsche Landsmannschaften bedauern. Bonn. Die vereinigten ostdeutschen Lands­mannschaften stellten auf einer Tagung in Bonn fest, daß die Westmächte auch heute noch nicht bereit seien, für die deutschen Ostgebiete, die von ihnen feierlich verkündeten Rechtsgrund­sätze zur Anwendung zu bringen und bedauer­ten daher das Ergebnis der Pariser Außenmini­sterkonferenz in dieser Frage.

Rotkreuzspenden für deutsche Flüchtlinge. Bonn, Seit der internationalen Rotkreuzkon­ferenz im April in Hannover haben ausländische Rotkreuzorganisationen für deutsche Flüchtlinge Spenden in Höhe von 27T 000 Dollar übermittelt.

Grenzschutzkommandeure, Bonn. Mit der Führung der Grenzschutzkommandos sind die Kommandeure des Bundesgrenzschutzes, Herbert Giese, Heinz Bruhn und Anton Grasser, vom Bundesinnenminister beauftragt worden. Giese übernimmt das Kommando Nord, Bruhn das Kommando West und Grasser das Kommando Süd.

Gestörter Schweigemarsch. Peine. Bei einem kommunistischen Versuch, einen Schweigemarsch zum Denkmal für die Opfer des Faschismus in Peine, das am 9. November von rechtsradikalen Elementen mit schwarzer Farbe beschmiert wor­den war, zu veranstalten, kam es gestern in Peine zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und den Demonstranten. Vertreter der Stadt hat­ten schon am Vormittag in einer Gedenkfeier vor dem Ehrenmal Kränze niedergelegt.

Veruntreuung beschlagnahmten deutschen Ver­mögens, Wien. Der frühere österreichische Mi­nister für Vermögenssicherung und Wirtschafts­planung, Peter Krauland, wurde am Samstag unter der Beschuldigung, er habe sich bei der treuhänderischen Verwaltung des in Österreich beschlagnahmten deutschen Vermögens Unregel­mäßigkeiten zuschulden kommen lassen, verhaf­tet.

Rücktritt Eisenhowers erwartet. Rom. Von

gut unterrichteter Seite verlautet, General Ei- senhower werde in nächster Zeit von seinem Kommando als atlantischer Oberbefehlshaber zurücktreten, da er kaum ein Interesse daran habe, dieroutinemäßigen Kommandoaufga­ben wahrzunehmen. Wahrscheinlich werde er als Präsidentschaftskandidat auftreten. Die besten Aussichten, sein Nachfolger zu werden, habe der UN-Oberbefehlshaber in Korea, General Ridgway.

Papst Pius XII. empfängt Bradley. Rom. Der amerikanische Generalstabschef Omar Brad­ley wurde am vergangenen 'Wochenende von Papst Pius XII. in Sonderaudienz empfangen.

Nichtkommunistische Deportiertenvereinigung. Paris. Die nichtkommunistischen Vereinigun­gen ehemaliger Deportierter und KZ-Internier- ter haben sich am Sonntag in Paris zu einem in­ternationalen Verband zusammengeschlossen. An den Besprechungen nimmt auch eine deutsche Delegation teil.

Mehr Steuern als alle früheren Regierungen zusammen. Washington. Die Regierung Tru- man hat, wie die amerikanische Handelskam­mer mitteilt, bisher acht Milliarden Dollar mehr an Steuern vom amerikanischen Volk eingetrie­ben. als alle früheren Regierungen der USA zu­sammen.

Acht Tote bei Garagenexplosion. Bristol. Beim Füllen eines unterirdischen Benzintanks aus dem Tankwagen flog am Samstag im Stadt­zentrum von Bristol eine Garage in die Luft. Acht Personen, die sich in und vor dem Haus aufhielten, wurden getötet, zwei weitere werden noch vermißt; eine ganze Reihe von Personen wurde verletzt.

Noch 8000 Kriegsgefangene in Ungarn. Fried­land. Sieben Deutsche, die dieser Tage im La­ger Friedland aus Ungarn eintrafen, erklärten, in mehreren ungarischen Lagern säßen jetzt noch etwa 8000 deutsche Kriegsgefangene hinter Sta­cheldraht.

Steueraufkommen ausreichend

BONN. Die Bundessteuereinnahmen haben im Oktober mit über 1430 Millionen Mark einen Re­kord erreicht und sogar das September-Ergebnis, in dem aus der Einkommensteuer sehr groß» Beträge enthalten waren, übertroffen. Bun­desfinanzminister Schaffer rechnet damit, daß die 15 Milliarden k Steuern, die in sei­nem Haushalt 1951 eir .eßlich Nachtrag sowie Autobahngebühr wie Aufwandsteuer veran­schlagt sind, tatsächlich aufkommen werden.

5 Mill. t Kohlenexport notwendig

DÜSSELDORF. Deutschland würde übel daran tun, seine traditionelle Rolle als Kohlenexport­land in Zeiten der Knappheit aufzugeben, er- klärte Staatssekretär Dr. W e s t r i c k vom Bun­deswirtschaftsministerium. Zur Bezahlung der Einfuhrgüter sei eine Kohlenausfuhr von fünf Millionen t pro Quartal notwendig.

100 000 t Kohle für die Kraftwerke

ESSEN. Durch Umdispositionen in der Koh­lenverteilung sind den Kraftwerken im Bundes­gebiet jetzt 100 000 t Kohle für das laufend» Quartal zusätzlich zugesagt worden.

Holzimporte zur Entspannung

FULDA. Die Verkrampfung des Holzmarktes werde sich bis spätestens Februar gelöst haben, erklärte der Leiter der Abteilung Holzwirtschaft im Bundesernährungsministerium, K u ß m a n n, auf der Fachtagung des Bundes deutscher Zim­mermeister. Über die kürzlich ausgeschriebenen Holzeinfuhren hinaus die größten seit dem Kriege bemühe sich die Bundesregierung wei­terhin, möglichst viele Devisen für den Holz­import bereitzustellen.

USA-Baumwollkredit perfekt

WASHINGTON. DieExport-Import-Bankgab am Samstag in Washington bekannt, daß die Mo­dalitäten des 50-Millionen-Dollar-Kredits an di» Bundesrepublik zum Ankauf von USA-Baum- wolle jetzt vertraglich festgelegt seien.

Bedeutendster Lieferant Frankreichs

PARIS. In den ersten 10 Monaten 1951 erzielt» die Bundesrepublik im Handelsverkehr mit dem französischen Mutterland einen Aktivsaldo von rund 18,8 Milliarden ffrs und war damit der beste europäische und der zweitbeste ausländi­sche Lieferant Frankreichs, während sie alt Kunde Frankreichs erst an vierter Stelle der europäischen Liste rangiert.

Obstabsatzbesprechungen

TETTNANG. Maßgebende Vertreter der Ge­nossenschaften aus Württemberg, der Schweiz und Österreich fanden sich in Langenargen zu einer internen Besprechung über Fragen de« Obstabsatzes und der Öbstverwertung zusam­men.

Verbot von Wettbewerbsbeschränkungen

BONN. Die Arbeitsgruppe für Dekartellisie­rung und industrielle Entflechtung der Hohen Kommission hat verschiedene Firmen und Ver­bände der Elektroindustrie des Bundesgebiete« angewiesen, den Wettbewerb beschränkende« Geschäftsgebaren einzustellen und künftig zu unterlassen. Neben den verschiedenen Fachver­bänden sind die Firmen Osram GmbH., Heiden­heim, Radium - Elektrizitäts - GmbH., Wipper­fürth, und Philips-Valvo-Werke, Hamburg, be­troffen.

Firmenberichte

TUTTLINGEN, SO Jahre Tnttlinger Instrumen- ten-Industrie. Die weltbekannte chirurgische Instru- menten-Industrie in Tuttlingen kann dieser Tag« auf ihr OOjähriges Bestehen zurückblicken.

BERLIN. Bankgeschäft Heinz Henschel In Zah­lungsschwierigkeiten. Das Bankgeschäft Heinz Hen­schel in Berlin-Steglitz Ist illiquide geworden. Wl« der Präsident der Berliner Zentralbank vor der Presse erklärte, hat das Bankhaus mitfahrlässigen Transaktionen seine Kräfte weit überschritten.

LONDON. Austin und Morris fusionieren. DI» zwei größten Automobilwerke Großbritanniens, Austin und Morris, haben am Wochenende ihr» Fusion angekündigt. Das gemeinsame Aktienkapital von 66 Millionen Pfund (etwa dreiviertel Milliarden DM) rückt sie an die vierte Stelle aller Automobil­produzenten der Welt,

MEXIKO-STADT. Fiat baut in Mexiko Auto­mobile. Mexiko baut mit Hilfe der italienischen Fiat-Werke eine eigene Automobilindustrie auf. Bereits für 1952 wird eine Jahresproduktion von 1000 Diesel-Lastwagen erwartet. Ferner sollen Trak­toren und Fiat-Personenwagen montiert werden.

Erdbeben auf Formosa. Taipeh. Die Ost­küste von Formosa wurde am Sonntag durch eine Reihe von Erdstößen erschüttert, die min­destens 12 Todesopfer und ebenso viele Verletzt» forderten.

in New Orleans

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ROMAN VON PETER HILTEN

Copyright 1951 by Wilhelm Goldman Verlag

Sicher, antwortete der Schiffer des ,Fre- deric van Swieten',wenn man den Trümmern von zwei Schiffen begegnet, so sucht man nach Überlebenden. Wir haben gesucht und kamen dadurch auf Ihren Kurs.

Was war nun eigentlich geschehen?

Zwei Schiffe fanden Trümmer von folgenden Schiffen:Espiritu Santo,Dei Gracias und Marie Celeste. Hängen die Schicksale dieser Schiffe und ihrer Besatzungen irgendwie zu­sammen? Erst war dieEspiritu Santo ver­lassen und vierundzwanzig Stunden später vernichtet? Woher kamen diese Schiffe? Was für eine Bewandtnis hat es mit den blutbe­fleckten Frauenkleidern? War es wirklich Blut? Es ist nicht anzunehmen, daß Kapitän Verdam ein sehr guter Detektiv war. Sollten die Schiffe zusammengestoßen sein? Welches Schiff mit welchem? Drei Segelschiffe, nahezu in Sicht voreinander, gehen unter. Verbrechen? Krankheit? Unfall? Warum waren von dem brennenden Schiff, als es in Brand geriet, keine Notraketen geschossen worden? Wo war dann der andere Segler? War er untergegangen, ohne eine Spur am Tageslicht zu lassen? Wie konnte es sein, daß dieDei Gracias und Marie Celeste brannten undEspiritu Santo anscheinend überrannt wurde? Wer hat sie überrannt?

Die Seeämter der alten und neuen Weit horchten auf. Man vermutete viel nur kein frommes Geschehen. Den Meldungen des Ka­pitäns Verdam und des Kapitäns des Dampfers FrMeric vn Swieten foJg'e alsbald die Ver­

lustmeldung eines Reeders, nach dessen Be­rechnung sein VollschiffMegaleep sich etwa um den 3. August 1896 an der Unglücksstelle der genannten drei Schiffe befunden haben mußte. War dieMegaleep mit derEspiritu Santo zusammengestoßen? Wie konnte das sein? Hatte Kapitän Verdam nicht vor Ver­lassen des Schiffes die Notlichter gesetzt? Noch etwas: in den Schiffsregistern gab es wohl eine DreimastbarkEspiritu Santo und eine Brigg Del Gracias, aber es gab keineMarie Celeste mehr. EineMarie Celeste war schon vor Jahren ebenfalls ohne Mannschaft triftend gefunden worden. Was war das für eine neue Marie Celeste?

*

Die amtlichen Nachforschungen ergaben durch einen Zufall etwas sehr Merkwürdiges.

Das Stüde Holz vom Bug derMarie Ce­leste, das Kapitän Willem de Groot vomFre- deric van Swieten nach seiner Rückkunft ln Amsterdam dem Seeamt vorgelegt hatte und das in wenig geschulter Blockschrift den vollen Namen des SchiffesMarie Celeste trug, war eine Fälschung. Während das Holz einige Mo­nate im Archiv des Seeamtes ruhte, trocknete es aus. Ein Beamter holte es eines Tages her­vor und bemerkte, daß die Farbe mit dem Namen abblätterte und der Name .. ei Gra­cias zum Vorschein kam.

Dei Gracias undMarie Celeste waren die Namen eines Schiffes!

Nun sah es nach Verbrechen aus.

Wie erklärte es sich aber, daß die Stücke, die Kapitän Verdam an der gleichen Stelle ge­funden hatte, den NamenDei Gracias tru­gen?

Darauf wurde eine Antwort ohne Beweis gefunden, eine Theorie. Man erinnerte s'ch, die-Fundstücke Verdams waren ein angebrann- f es Boot und eine Rettungsboje. Man hatte nur die groß lesbarer Schiffsnamen übermalt und die Brandstempe! und kleinen Schablonen auf

ucn ucwcguoien oacnen gelassen, es muute die Mühe nicht gelohnt haben. Warum aber war der Name derDei Gracias überhaupt übermalt worden? Wollte man ein falsches Schiff Vortäuschen?

Deketive wurden ausgesandt, das Geheimnis zu erkunden.

Sie fanden nicht viel, aber immerhin etwas, und wer weiß, Wie wichtig die winzigste Spur zur Aufklärung eines Verbrechens ist, wird sagen, daß sie viel gefunden hätten.

Zwischen den Kapitänen der beiden Seg­ler ,.Espiritu Santo undDei Gracias habe eine Feindschaft bestanden, die den Hafenbe­hörden von New Orleans bekannt geworden war. Die Segler hätten öfters im Hafen neben­einander gelegen. Wodurch die Feindschaft entstanden sei, wußte man nicht recht. Kapi­tän Jan ten Brink der DreimastbarkEspiritu Santo aus Harlingen sei ein Schulfreund des Kapitän Hendrik Dekker gewesen. Sie seien sogar einmal fast ein Jahr zusammen auf ei­nem Schiff gefahren. Es gäbe wohl kaum zwei entgegengesetztere Charaktere. Jan ten Brink habe, so wurde von einer Seite behauptet, Dekker einmal eine Fracht sozusagen vor der Nase weggeschnappt. Ein Mädchen hätte eine Rolle gespielt. Die Beamten horchten auf.

Ein Mädchen?

Wie hieß sie? Lebt sie noch? Gehörten ihr die Kleider, die an Bord derEspiritu Santo gefunden worden waren?

Die Nachforschungen wurden geheim ge­führt. So entgingen sie dem einzigen Mann der Auskunft über diese Fragen hätte geben können. Dieser Mann, ein gebürtiger Italiener, war Pietro de Bellami und lebte seit 1885 un­ter dem Namen Pete Bell in New Orleans.

Da dieser Mann von allem, was vorging, nichts hörte, verliefen die Nachforschungen er­gebnislos und schliefen allmählich ein. Dann und wann sickerte etwas von dem rätselhaf­ten Geschehen in de Öffentlichkeit. Zeitungen brachten, wenn sie über geheimnisvolle Schiffs­

unglücke etwas berichteten, auch immer wie­der die Geschichte derEspiritu Santo oder derDei Gracias aliasMarie Celeste In­des aber waren die Akten geschlossen, die Seeämter hatten anderes zu tun.

Andere Schiffsunglücke machten die Rund« um die Welt. Es waren immer erschütternde, rätselhafte Dramen. Nie war eine Frau dabeL Selten handelte es sich um ein Verbrechen. Meist gab es noch lebende Zeugen. Es gab auch oft genug tote Zeugen, die in einer stum­men Sprache zu sprechen begannen. Selten gab es überhaupt keine Zeugen.

Vor einem Jahr erhielt das Seeamt in Am­sterdam aus New Orleans einen Brief. Ein Mr. Pete Bell fragte an, ob das Seeamt ihm sa­gen könne, ob Kapitän Jan ten Brink noch lebe. In diesem Falle möge das Seeamt so freundlich sein und die jetzige Adresse de* Kapitäns ten Brink mitteilen. Es sei wichtig. Die Antwort eile. Er, der Absender, sei krank. Schon über siebzig. Er liege im Hospital

Der Brief schloß mit einer kleinen Nach­schrift:

Kapitän ten Brink hat vor etwa 40 Jahren den Dreimastschoner .Espiritu Santo' gefah­ren.

Diese Nachschrift fand sich ungeschickter­weise auf der Rückseite des Briefes und ent­ging in der Eile der Geschäfte dem sachbear- beitenden Beamten.

Es wurde Pete Bell geantwortet, daß ein Kapitän Jan ten Brink in Amsterdam unbe­kannt sei.

Als der Brief des Bell ins Archiv gegeben wurde, las der Archivar, ein älterer Mann, der aus Gewohnheit jedes Stück Papier vor der Ablage lieber zweimal als einmal umdrehte, die Nachschrift.

...Espiritu Santo!

(Fortsetzung folgt)