HEIMATBLATT EÜR
FREITAG, 23. NOVEMBER 1951
ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG
7. JAHRGANG / NR. 183
Pariser Außenminister-Konferenz ein Erfolg für Dr. Adenauer
Einigung über die künftigen Beziehungen Westmächte-Bundesrepublik erzielt
PARIS. Die Außenminister der drei West- mächte und der Bundesrepublik haben sich am Donnerstagnachmittag über „die Haupt- grundsätze ihrer zukünftigen Beziehungen“ geeinigt. Gleichzeitig beschlossen sie, das Ergebnis ihrer Besprechungen bis zur Ausarbeitung verschiedener Einzelheiten geheimzuhalten. Nach einer zweistündigen Sitzung wurde ein Kommunique herausgegeben, das besagt, daß „das Besatzungsstatut mit seinen Vollmachten zur Intervention in inneren Angelegenheiten der Bundesrepublik aufgehoben wird“, sobald die Abmachungen in Kraft treten — wahrscheinlich zu Beginn des nächsten Jahres.
Die drei Westmächte „behalten sich noch
solche Sonderrechte“ vor, die sich auf die ' minister A c h e s o n.
Bundeskanzler Adenauer gab nach Abschluß der Konferenz seiner Befriedigung über den Verlauf der Verhandlungen Ausdruck. Er sagte: „Ich bringe einen guten Erfolg mit nach Bonn. Die deutschen Hoffnungen seien weitgehend erfüllt worden.“
Die Außenminister der drei Westmächte, die am Mittwochnachmittag und am Donnerstagvormittag Vorbesprechungen führten, erzielten, wie ein französischer Sprecher bekanntgab, schon in der ersten Unterhaltung völlige Einigung über ihre Haltung bei der Konferenz mit dem Bundeskanzler. Am Mittwochnachmittag hatte Dr Adenauer eine dreistündige Besprechung mit dem amerikanischen Außen-
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„Stationierung und Sicherheit der Streitkräfte in Deutschland, auf Berlin und auf Fragen, die ganz Deutschland betreffen, beziehen“.
Die Frage der Aufstellung deutscher Truppenverbände für eine gemeinsame Armee ist in dem Kommunique nicht erwähnt. Festgestellt wurde außerdem, daß die zwischen den Regierungen abzuschließenden Vertragswerke wie die Verträge zur Bildung einer europäischen Gemeinschaft als wichtiger Schritt zur Erreichung des gemeinsamen Zieles, „eines vereinigten Deutschlands, das in die westeuropäische Gemeinschaft integriert ist“, anzusehen seien.
Das erzielte Abkommen sei „ein entscheidender Schritt“ zur Integration Westdeutschlands „auf der Grundlage der Gleichberechtigung in die europäische Gemeinschaft, die wiederum eine sich entwickelnde atlantische Gemeinschaft einschließt“.
Am Donnerstagvormittag gab Dr. Adenauer ein Frühstück zu Ehren von S c h u m a n , bei welcher Gelegenheit er zum zweitenmal eine Aussprache mit dem französischen Außenminister hatte. Vorausgegangen waren Besprechungen mit M c C 1 o y und dem französischen Verteidigungsminister B i d a u 11. Schließlich traf der Bundeskanzler noch mit dem britischen Außenminister Eden zusammen, bevor die Vierer-Konferenz begann.
Bei Demonstrationen der Kommunisten gegen die Anwesenheit des Bundeskanzlers in der französischen Hauptstadt kam es in einigen Außenbezirken von Paris zu Zusammenstößen mit der Polizei, bei denen 17 Polizisten leicht verletzt und insgesamt 817 Personen vorläufig festgenommen wurden. Im Zentrum der Stadt kam es angesichts des großen Polizeiaufgebots nur zu sporadischen Demonstrationen.
Unsere Karte gibt einen Überblick über das Überschwemmungsgebiet des Po, aus dem stündlich neue Nachrichten von unbeschreiblichem Elend ein laufen
Katastrophe ohne Ende
Neue Überflutungen in Oberitalien / Unablässig starker Regen
Wie wird der Generalvertrag aussehen?
In ihren separaten Besprechungen haben sich der Bundeskanzler und die drei Außenminister der Westmächte auf folgende Bedingungen des Generalvertrags geeinigt: den Alliierten bleibt in Deutschland das Recht Vorbehalten, auf militärischem oder politischem Gebiet zu intervenieren, wenn sie glauben, daß die demokratische Ordnung durch externe oder interne radikale Bewegungen bedroht wird. Im Zusammenhang damit ist eine Sicherheitsklausel vorgesehen, die den Alliierten das Recht gibt, selbst Schritte zu unternehmen, wenn sie sich in ihrer Sicherheit bedroht fühlen. Die Bundesregierung würde Anspruch darauf haben, daß die Alliierten sich mit ihr beraten, bevor sie solche Schritte unternehmen.
Die alliierten Beschlüsse könnten allerdings auch in Kraft treten, ohne daß die deutschen Einwände akzeptiert zu werden brauchten. Im Falle deutsch-alliierter Meinungsverschiedenheiten wäre die Entscheidung einer internationalen Behörde, vermutlich im Rahmen der Atlantikpaktorganisation, maßgeblich. Daneben soll ein aus deutschen und alliierten Vertretern zusammengesetztes Schiedsgericht zur Beilegung örtlicher Meinungsverschiedenheiten geschaffen werden. Das Recht der Alliierten zur Stationierung ihrer Truppen in Deutschland soll in einem , Truppen vertrag“ nieder- gelegt werden
In Berlin will man alles beim alten lassen, da man befürchtet, daß iede Änderung drastische Gegenmaßnahmen zur Folge haben würde. Alle Beteiligten verpflichten sich im übrigen, keine Politik zu verfolgen, die sich in militärischer oder politischer Hinsicht für einen Partner nachteilig auswirken könnte. Damit wird es den Alliierten nach deutscher Ansicht unmöglich gemacht, hinter dem
Rücken der Deutschen mit den Sowjets Verhandlungen aufzunehmen.
Während nach dem Generalvertrag der Wunsch der vier Partner nach einer Wiedervereinigung Deutschlands zum Ausdruck kommt, wird die Frage der Oder-Neiße-Linie nicht angeschnitten. Sie soll einem künftigen Friedensvertrag überlassen bleiben.
MAILAND. Ganz Italien hält den Atem an, denn aus allen Teilen werden neue Überflutungen und noch größere Katastrophen gemeldet. Einzelne italienische Zeitungen sind dazu übergegangen, sogenannte„Überschwemmungs- bulletins“ zu veröffentlichen. Unablässiger starker Regen in Piemont und in der Lombardei hat den Po in seinem Ober- und Mittellauf weiter anschwellen lassen.
Besonders gefährdet sind die Gebiete um Alex ’ria und Pavia, da die Flüsse Tanaro und . ,no über ihre Ufer getreten sind. Noch ernster sieht es an der Etsch und im Polesine- Gebiet aus, wo die Wassermassen sich erneut stauen. Acht Ortschaften stehen vollständig unter Wasser. Die zuständigen Behörden beschlossen, die sogenannte „Fossa di Polesen- na“ in die Luft zu sprengen. Auf diese Weise hofft man, den Fluten einen schnelleren Abfluß nach dem Adriatischen Meer zu geben. Auch im Po-Delta hat man damit begonnen, dem Wasser durch Sprengung der Deiche einen Weg zu bahnen, ehe der Po die zweite große Flutwelle heranführt
Über die weite Wasserwüste flogen auch am Donnerstag wieder die Flugzeuge und Hub-
Wesentlicher Fortschritt in Korea
Festlegung der Waffenstillstandslinie / Luftherrschaft der USA gefährdet?
PAN MUN JON. Der Waffenstillstands-Unterausschuß in Pan Mun Jon beschloß am Donnerstag, daß Stabsoffiziere beider Seiten beute damit beginnen sollen, die gegenwärtige Hauptkampflinie, die die Waffenstillstandslinie werden soll, zn skizzieren, was als erster praktischer Schritt für ein Waffenstillstandsabkommen, das möglichst bis Weihnachten abgeschlossen sein soll, anzusehen ist.
Politische Beobachter in Tokio sind der Ansicht, daß damit der Abschluß des Waffenstillstandes nunmehr in die Nähe rückt. Der Vor-. schlag zur Zusammenkunft der Stabsoffiziere ging von der UN-Delegation aus, die forderte, daß in der Vereinbarung über die Waffenstillstandslinie eindeutig deren „Vorläufigkeit“ klargestellt werde, die Kämpfe während der vorgesehenen 30 Tage bis zum endgültigen Abkommen fortgesetzt werden könnten und die Truppen erst nach Unterzeichnung des Waffenstillstands aus der geplanten 4 km breiten entmilitarisierten Pufferzone abgezogen würden. Vorausgegangen war ein neuer Vorschlag der kommunistischen Unterhändler zur Beendigung des Krieges innerhalb von 30 Tagen.
Neues Schreiben P ecks
an Bundespräsident Heuß
BERLIN. Der Präsident der Sowjetzone, Wilhelm Pieck, hat Bundespräsident Heuß Donnerstag einen neuen Brief überreichen lassen, der eine „Stellungnahme“ zu der ablehnenden Antwort des Bundespräsidenten auf den Vorschlag Piecks zu einem Treffen der beiden Präsidenten in Berlin enthält, teilte die Sowjetzonen-Präsidiaikanzlei mit. Das Schreiben sei durch ein Mitglied der Präsidialkanzlei in Bonn überreicht worden.
Botschafter für Bonn gesucht
WASHINGTON. Die Auswahl eines ameri- kanischen Botschafters für die Bundesrepu- blik ist, wie in Washington verlautet, eine der Fragen, mit denen sich Außenminister A c h e s o n zurzeit im Rahmen eines geplanten Diplomatenaustausches innerhalb des Auswärtigen Dienstes der USA beschäftigt. Der amerikanische Hohe Kommissar M c C 1 o y werde auf eigenen Wunsch nicht in Betracht gezogen. Berichte über eine Ernennung des bisherigen Botschafters in der Sowjetunion. Alan Kirk, zum amerikanischen Vertreter in
Bonn wurden von informierten Regierungsvertretern zurückgewiesen. Kirk, der zurzeit in Paris weilt, lehnt jede Äußerung dazu ab. Als möglicher Nachfolger Kirks in Moskau wird der frühere Berater des Außenministeriums, George K e n n a n . genannt.
In einer Proklamation zum „Thanksgiving- day“ (Erntedankfest), das am Donnerstag vom amerikanischen Volk gefeiert wurde, rief Tru- man dazu auf, gemeinsam mit den Alliierten den Kampf um einen dauerhaften Frieden fortzusetzen.
Sowjetisch“ Vorwürfe
MOSKAU. Die sowjetische Regierung hat den USA am Mittwoch in einer Note vorgeworfen, das 1933 Unterzeichnete Abkommen über die diplomatischen Beziehungen beider Staaten verletzt zu haben. Durch das neue amerikanische Gesetz über die gegenseitige Sicherheit (Auslandshilfe), das den gegen die Sowjetunion arbeitenden Gruppen und Personen 100 Millionen Dollar zur Verfügung stelle, hätten die USA sich zu einer neuen Aggression gegen die Sowjetunion schuldig gemacht. Die volle Verantwortung treffe die amerikanische Regierung, von der man erwarte, daß sie das Gesetz aufhebe.
der im großen ganzen mit dem alliierten Vorschlag übereinstimmte.
Der Stabschef der amerikanischen Luftstreitkräfte, General Vandenberg, erklärte nach seiner Rückkehr aus Korea in Washington, die Luftherrschaft der Alliierten werde nunmehr durch die sowjetischen Düsenjäger Typ „Mig 15“ ernstlich in Frage gestellt. Vandenberg deutete an, daß der Einsatz der Atombombe erwogen werde. Man wolle aber davon solange abgesehen, als die Kommunisten durch Verwendung herkömmlicher Bomben daran gehindert werden könnten, nordkoreanische Flugplätze in Betrieb zu nehmen. China sei über Nacht zu einer der bedeutendsten Luftmächte der Welt geworden. Die chinesischen Kommunisten seien die direkten Nutznießer einer anderen Macht, die die dem kommunistischen China fehlenden industriellen und technischen Hilfsquellen besitze.
Auf dem bei Beginn des Koreakrieges festgelegten Wege sei es für die Amerikaner unmöglich, die Luftherrschaft zu behalten. Die kommunistischen Luftstreitkräfte setzten sich aus rund 1500 Maschinen zusammen, von denen etwa die Hälfte Düsenjäger vom Typ „Mig 15" seien, der leistungsmäßig die amerikanischen Maschinen Typ „F 86“ in vieler Hinsicht übertreffe, zumal die „Mig 15“ die Schallgeschwindigkeit überschreiten könne.
Schrauber, die in großer Zahl zur Bergung und Versorgung der noch nicht vollends geräumten Ortschaften eingesetzt sind. Sonderzüge mit Flüchtlingen füllen die Bahnstrecken ganz Norditaliens. Die italienischen Behörden haben im Überschwemmungsgebiet der Po-Ebene scharfe Sicherheitsvorkehrungen getroffen, um
Die Hilfsaktion aus unserem Land
TÜBINGEN. Die vom „Schwäbischen Tagblatt“ in Verbindung mit dem Deutschen Roten Kreuz, dem Södwestfunb und den Heimatzeitungen der Schwäbischen Verlagsgesellschaft am Mittwoch gestartete Hilfsaktion zugunsten der Opfer der oberitalienischen Hochwasserkatastrophe hatte schon in den ersten Tagen einen großen Erfolg. Ans dem ganzen Land sind Spenden an Lebensmitteln, Bekleidungsgegenständen und Medikamenten bei der Sammelstelle eingegangen. Tübinger Firmen haben zusammen mit einer Teigwarenfabrik einen ganzen Lastwagen voll Teigwaren zur Verfügung gestellt, die Tuttlinger Schuhfabriken sandten kräftiges Schnhwerk. und Trikotagenfabriken aus Mössingen, Bitz und Tailfingen haben die Aktion mit wertvollen Wäschepaketen unterstützt. Rührende Beweise dafür, daß der Begriff europäische Solidarität in das Bewußtsein unserer Bevölkerung eingegangen and nicht etwa nur eine Phrase ist, gaben mit ihren kleinen Gaben Rentner and Leute, die seihst nicht mit irdischen Gütern gesegnet sind. Am Sonntagvormittag, 10 Uhr, wird Staatspräsident Dr. Müller die mit diesen Spenden gefüllten Lastkraftwagen verabschieden, die direkt ins oberltalienische Katastrophengebiet fahren. Die Wagenkolonne wird vom geschäftsführenden Präsidenten des Dentschen Roten Kreuzes in Wiirt- temberg-Hohenzollern, Dr. Horst, begleitet. Den Treibstoff für diese Hilfsexpedition werden einige Großtankstellen znr Verfügung stellen. Die Sammlung wird fortgesetzt. Geldspenden können auf das Konto „Italicnhilfe Nr. 5044“ bei der Kreissparkasse Tübingen eingezahlt werden. Sachspenden nehmen entweder die Geschäftsstellen der Heimatzeltnngen im ganzen Land entgegen oder das „Schwäbische Tagblatt", Tübingen, Uhland- straße 2.
Banden von Plünderern energisch entgegenzutreten und die verlassenen Häuser und die Wohnungen vor Beraubung zu schützen.
Zu allem Überfluß wurde auch Süditalien wieder von vernichtenden Wolkenbrüchen heimgesucht, so daß im Raum von Nocera, südlich Neapel, ein neues Katastrophengebiet entstand. Nach den ersten Berichten sind drei Kinder im Wasser umgekommen.
Das Regentief hat in den letzten Tagen auch auf die Südschweiz. Südfrankreich und Spanien übergegriffen und überall Überschwemmungen heraufbeschworen In der Südschweiz waren am Mittwoch alle Straßen unpassierbai und der Verkehr lahmgelegt. Die Rhone. ,die Saone und die Loire sind am Mittwoch früh über die Ufer getreten.
Gegen Diskriminierung Deutschlands
Bundestag ermächtigt Europarat-Delegierte zur Vereinbarung einer Verfassung Drahtbericht unserer Bonner Redaktion
Fraktionen der Regierungsparteien an, die den deutschen Delegierten im Europarat die Ermächtigung zur Verfassung einer europäischen Föderation zusichert. In der Debatte betonte der Sprecher der Opposition, daß eine solche Verfassung, für die es ohnehin schon viele Entwürfe gebe, nur theoretischen Wert habe. Es komme jetzt darauf an, zu handeln und nicht neue Verfassungsürbeiten zu leisten. Demgegenüber betonten die Regierungsparteien, daß eine solche Vereinbarung in Straßburg die Integration Europas beschleunigen könne. Ein Gesetzentwurf über Stundung von Soforthilfeabgabe und über Teuerungszuschläge für Unterhaltshilfe (Soforthilfeanpassungsgesetze) wird mit einem einstimmigen Votum des Bundestages seine rasche Erledigung finden.
BONN. Im Rahmen einer Debatte, die sich an die Verabschiedung des Gesetzes über das Paßwesen anschloß, wandten sich am Donnerstag die Sprecher aller Parteien gegen die Diskriminierung Deutscher bei der Ausstellung von Reisepässen durch Einreise- und Ausreisekarteien, durch schwarze Listen der Besatzungsmächte usw. Die großen Fraktionen waren sich einig, daß eine solche Diskriminierung weder mit den Grundrechten der deutschen Verfassung noch mit dem Ziel einer deutschen Souveränität und der Vereinigung Europas zu vereinbaren seien. In dem Gesetz über die Neuordnung des Paßwesens wurden' ln vielen Punkten erhebliche Vereinfachungen festgelegt.
Ferner nahm der Bundestag mit außerordentlich knapper Mehrheit einen Antrag der