SAMSTAG, 10. NOVEMBER 1951
NUMMER 17«
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„Die SS gestern und morgen“
Eine Gefahr für die Demokratie? / Keine Kollektivschuld / Was
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cz. Im Dürer-Verlag in Bueos Aires erscheinen in deutscher Sprache die „Monatshefte zur Kulturpflege und zum Aufbau“ mit dem Titel „Der Weg“. Im Geleitwort zu einer neuen Ableger-Ausgabe B vom Juli 1951 (!) wird angeraten, sie, als besonders geeignet, „nach Europa“ zu schicken. Seit 50 Monaten kämpfe man „gegen den Bolschewismus für ein eigenständiges Europa“. Da lesen wir unter dem Titel „Die SS gestern und morgen“:
„Aus abendländischem Geist, deutschem Ge- stältungswillen und aus der Not und Ausweglosigkeit der Zeit erwuchs nach dem ersten Weltkrieg die Deutsche Revolution. Sie ist sozial... Sie ist national. . . . Sie ist völkisch . . . Sie ist konservativ . . . Sie ist europäisch . . . Sie ist germanisch . . . Sie ist abendländisch . . . Das Revolutionäre ihrer Konzeption liegt im Mythos des Blutes begründet, den sie erweckt und dem sie ihr Schicksal verbindet.
Jede substantielle Erneuerung gründet sich auf den (SS-)Adel als Träger eines hohen Menschentums. Der Versuch, der Deutschen Revolution «um Durchbruch zu verhelfen, forderte gebieterisch die Konzentration aller Kräfte, Zwang und Härte bei der Überwindung der zahllosen Widerstände.
Von den Nürnberger Prozessen bis heute hat man immer wieder versucht, das Bild der SS zu verfälschen. Alle diese Entstellungen fußen darauf, daß das Primat des Krieges einzelnen An-
S ehörigen oder Verbänden der SS — angesichts irer durch die Ordensdisziplin gegebenen besonderen Eignung — zusätzliche Aufgaben übertrug, die ihrem eigentlichen Wesen fremd waren, und daß die Doppelstellung einiger höherer SS-Füh- rer, die zusätzlich staatliche, kriegsbedingte Tätigkeiten ausübten, den Aufgabenbereich der SS mit Ereignissen und Entwicklungen in Berührung brachte, aus denen man nachträglich in willkürlichster Weise eine Belastung der gesamten SS konstruierte.“
Besonders bemerkenswert ist, wie vornehme Worte der Umschreibung man für grausige Taten fand. Weiter wird in dem Artikel alle Verantwortung den Polizeiverbänden aufgeladen, und diese als Organismen der staatlichen Exekutive bezeichnet, nur formell mit der SS verkoppelt.
Man findet in diesem Heft alles wieder, was man längst vergessen wähnt. Rassenwahn, Vertuschung der eigenen Untaten, Beschuldigung der internationalen Mächte, eifernder Antisemitismus. Einmal wird festgestellt, Deutschland habe nur deshalb den zweiten Weltkrieg verloren, weil «s an dem Grundsatz: „Der Nationalsozialismus ist kein Erportartikel" festhielt und die „einzigen Europäer“, nämlich die mit dem NS- Regime kollaborierenden Gruppen in anderen Ländern, gewissermaßen den außerdeutschen „Adel“ — Quisling usw. — zugrunde gehen ließ, mit denen „die doppelte Bedrohung durch Kommunisten und Yankes“ hätte abgewehrt werden können.
Die einzigen wahren Europäer waren nach dem „Weg“ die Allgemeine SS (240 000 Mitglieder bei Kriegsbeginn, wovon 200 000 zum Wehrdienst eingezogen wurden — etwa 40 000 zur Waffen- SS), die SS-Verfügungstruppen (1939 18 000 Mann, Kern der Waffen-SS, bei Kriegsbeginn 100 000 Mann, bei Kriegsende 580 000 — „durch sie gingen im Verlaufe des Krieges etwa 950 000 Angehörige fast aller europäischen Nationen“) und die Wachverbände, die sogenannte Totenkopf-SS (1939 •twa 8000 Angehörige zur Bewachung von sechs KZ, davon 6500 zur Felddivision „Totenkopf“, der Rest Wachdienst: bei Kriegsende KZ-Wachver- bände in Stärke von etwa 35 000 Mann, „wovon keine 6000 von Allgemeiner oder Waffen-SS“. „Organisation und Aufgabenstellung der Wachverbände war völlig getrennt von Waffen-SS, •ie unterstanden auch nicht SS-Führungshaupt- amt (oberste Kommando-Behörde der Waffen-
SS), sondern bildeten eine Eigenbehörde des RSHA (Reichssicherheitshauptamtes).
Was geht bei uns vor sich?
Wozu diese ausführlichen Zitierungen aus einer in Argentinien herausgegebenen Zeitschrift? Da trafen sieh vor einer Woche etwa 1300 frühere SS-Männer in Hamburg bei einer Kundgebung der „SS-Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit“. Der einstige österreichische Gauleiter Frauenfeld wußte zu sagen: „Nur im Geiste der einstigen Waffen-SS, die im vergangenen Krieg hervorragende Leistungen vollbracht hat, kann Deutschland seine besondere geschichtliche Funktion, eine Mauer gegen den Osten zu bilden, weiter erfüllen“; auch wenn der Westen „uns dabei wieder in den Rücken fallen sollte“, werden die „echten deutschen Männer“ diese Aufgabe erfüllen. SS-Ex-General und -Brigadeführer Kumm von der „Leibstandarte“ meinte, es gebe zurzeit noch keine Partei in Deutschland, deren Ziele mit denen der „SS-Hilfsgemeinschaft“ übereinstimmten.
SS-Ex-General Gille — übrigens Mitglied des vorläufigen Präsidiums des VdS (Verband deutscher Soldaten) — kündigte für Frühjahr ein internationales Großtreffen ehemaliger SS-Leute in Deutschland an, nachdem er den „heldenhaften Kampf des ganzen deutschen Volkes als den positivsten Verteidigungsbeitrag, der bisher überhaupt für Europa geleistet worden ist", bezeichnet und als Voraussetzung für einen westdeutschen Verteidigungsbeitrag die Rehabilitierung der ehemaligen
F. E. O. Berlin. „Was sagt Karlshorst dazu?“ fragt man, wenn neue interallierte oder internationale Probleme auftauchen, und meint damit die sowjetische Stellungnahme. Der Ost- berliner Vorort Karlshorst ist allmählich ein allgemeiner Begriff geworden. Hier wurde in der ehemaligen Pionierschule die Kapitulation von Berlin unterzeichnet, hier ist seitdem der Sitz der militärischen und politischen Führung der Sowjets in Deutschland, hier erhält die SED ihre Richtlinien.
Seit am 2. Mai 1945 auf dem Brandenburger Tor die Sowjetfahne gehißt wurde, ist mit den Russen in Berlin eine große Veränderung vor sich gegangen. Den Kampftruppen folgten damals die Scharen von Verwaltungsoffizieren; sie nahmen in Karlshorst mit ihren Familien einen ganzen Stadtteil für sich in Anspruch, der mit Zäunen umgeben ein von Posten streng bewachtes Sperrgebiet wurde, das Deutsche nur, wenn sie für die Russen als Handwerker oder Dienstboten zu arbeiten hatten, mit einem besonderen Propusk betreten durften. Dieses Sperrgebiet ist inzwischen auf weniger als die Hälfte seines anfänglichen Umfangs zusammengeschmolzen; man hat die Mehrzahl der vielen Verwaltungsoffiziere mit ihren Familien teils wieder nach Rußland zurückgeschickt, weil ihnen die Berührung mit der deutschen Kultur nicht gut bekam und sie für die Segnungen der sowjetischen Kultura unempfänglich machte, teils hat man ihre Dienststellen in die Zone verlegt; besonders nach Babelsberg und Dresden sollen viele gekommen sein.
geht bei uns vor sich?
SS-Truppen benannt hatte. Zu dem Treffen im Frühjahr lägen schon Zusagen aus Frankreich, Belgien, Holland, Dänemark, Schweden und Norwegen vor. Wie man darüber hinaus hörte, sitzen die Initiatoren im Ausland. Deutscherseits dürfte es sich zuallererst um jene oben gekennzeichnete Gruppe in Argentinien, in Europa um den Skorzeny-Kreis in Spanien handeln.
Aus Berlin verlautet, dort habe bei einem Treffen ehemaliger Angehöriger der Leibstandarte Adolf Hitler Ex-Obersturmbannführer Bediel erklärt, die Berliner Organisation werde mit der Gruppe Gilles nur Zusammenarbeiten, wenn sie sich „bedenkenlos hinter den Führer“ stelle und sich verpflichte, auch mit den Kameraden in der Volkspolizei Fühlung aufzunehmen. Man sang: „Siehst du im Osten das Morgenrot“.
Keine Kollektivschuld
Wir wissen sehr wohl, daß die übergroße Zahl der im Kriege zu SS-Verbänden eingezo- genen jungen Menschen entweder unfreiwillig dazukam oder nichts ahnte von all den höllischen Sonderaufträgen für die „Elite der Nation“, daß die Waffen-SS-Divisionen im ganzen sich nicht von Truppenteilen der übrigen Wehrmacht unterschieden und damals das taten, was alle taten. Von hier aus gesehen, Ist die Kol- lektiwerurteilung der ehemaligen SS-Ange- hörigen unsinnig, was heute nicht einmal mehr im Ausland bestritten wird. Billigen wir Hilfsgemeinschaften ehemaliger Wehrmachtsange-
Heute kann man wieder durch die noch vor lVäi Jahren für Deutsche gesperrte Hauptstraße von Karlshorst gehen, freilich nur auf der einen Seite; der gegenüberliegende Bürgersteig ist durch ein Eisengitter abgezäunt, dort beginnt das sowjetische Sperrgebiet, und es hat nun einen besonderen Reiz, hier an der Grenze der Russenstadt seine Beobachtungen zu machen.
Die Geschäftsleute auf der deutschen Seite haben sich ganz auf russische Kundschaft eingestellt, die Aufschriften an den Läden sind durchweg zweisprachig, deutsch und russisch. Da entziffert man z. B. an einem Schneider geschäft mühsam die russische Aufschrift „Salon Mod“, auch Friseure, Rundfunkhändler, Photogeschäfte, Optiker und sogar die Zahnärzte haben hier zweisprachige Schilder. Die sowjetischen Offiziere gelten immer noch als die am besten zahlenden Kunden, wenn auch jene Zeiten vorbei sind, als sie noch einen einfachen Blumenstrauß mit einem Zwanzigmarkschein bezahlten.
Niemals sieht man Russen mit Deutschen Zusammengehen, denn die von den Ostberliner politischen Führern so stürmisch betonte deutsch-sowjetische Freundschaft existiert nur in der Propaganda und bei offiziellen Anlässen, aber nicht im täglichen Leben. Tatsächlich ist den sowjetischen Offizieren nach wie vor jeder Verkehr mit Deutschen untersagt Übertretungen dieses Verbots haben sofortige Rückversetzung nach Rußland zur Folge, und das ist für sie die schlimmste Strafe.
höriger, müssen wir, falls diese die SS nicht einschließen, auch solche jener Verbände akzeptieren, falls sie „Hilfsgemeinschaften“ wirklich sein wollen für Hinterbliebene, um deren Rechte auf legale Weise zu vertreten oder menschliche Kameradschaft zu pflegen, doch horchen wir auf, wenn bei solcher Gelegenheit die alten Wahnvorstellungen wieder auftauchen — „bedenkenlos hinter die Idee des Führers“ u. a, m. Hier hört das Verständnis auf. Soll das so weitergehen, dürfen wir zusehen, wie Hitlers Elite-Führer grollende Menschen erneut mißbrauchen mit hochtrabenden Phrasen, hinter denen sich der alte Ungeist verbirgt? Der einzelne ehemalige SS-Mann, soweit er sich korrekt verhielt, ist Teil der Bundesrepublik wie jeder andere, ein Wiederaufleben der SS-„Tradition“ aber wäre geradezu verhäng-
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nisvoll, verbinden sich doch damit zuviel Leid und Elend, ob es nun Sondereinheiten und Wacheinheiten, Polizei- oder andere Verbände waren. Das im Namen des neuen „Adels“ angerufene Europa wäre nur eine Abart des Sowjet-Paradieses, das niederzukämpfen man erneut ausziehen möchte.
Die SS — nicht der ehemalige SS-Mann
Der ehemalige SS-Mann gehört zu uns, auf d i e SS wollen wir nicht noch einmal kommen, ihren Rassen- und Größenwahn und ihre Brutalität im „Dienste der Idee“, auch nicht im Zeichen der Wiederaufrüstung, die heute auch das zu mobilisieren bereit ist, was gestern — unsinnig freilich — kollektiv „kriegsverbrecherisch“ war. Die Anstrengungen, deutsche Verbände gen Ost aufzubieten, machen es selbst den kritischen Beobachtern schwer, die Verurteilung der NS-Vergangenheit durch Kollektivhaftung zu fassen.
Himmlers einstige Generäle reden wieder und ganz im alten Jargon. Wenn Gefahr droht, dann zuallererst von der SS-Führer-Schicht, der Menschen gestern nichts gegolten haben und morgen wiederum nichts gelten werden. Sieht sie ihre Zeit schon wieder gekommen, daß sie so laut und deutlich spricht?
Das vom Vorsitzenden der CDU-Bundes- tagsfraktion v. Brentano geforderte Gesetz gegen das Wiederaufleben früherer NS-Organi- sationen, richtet sich nach den Worten des Antragstellers u. a. gegen die SS-Verbände als Gefährdung des demokratischen Staates — soweit sie ausgesprochen nationalsozialistische Tendenzen haben. Brentano sprach vom „Mißbrauch mit dem echten Anliegen des früheren Soldaten“ und „verhängnisvoller Führung“. Das deckt sich mit unserem Standpunkt. SS-„Ver- bände“ und -Generale, die noch auf die ihrer „Weltanschauung“ angemessene Partei warten, können wir nicht gelten lassen. Sie könnten zu einem neuen deutschen Verhängnis werden oder würden ihm zumindest Vorschub leisten. Ob allerdings mit Gesetzen, die neue Schranken aufrichten, etwas getan ist? Man muß die Menschen für die Demokratie zu gewinnen suchen. Ein Wiederaufleben des Nazismus wird sich am ehesten aus Verfemten rekrutieren. Hüten wir uns, auf diesem Wege Menschen in den Untergrund zu treiben, die heute noch verbittert, morgen schon einsichtig geworden sein können.
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