NUMMER 170
MITTWOCH, 3 1. OKTOBER1951
„Nicht gerade demokratisch“
Intoleranz und Diffamierung als Gefahren für die Bundesrepublik
kw. Vor einiger Zeit hat sich im Bundestag ein an sich politisch unbedeutender Vorgang abgespielt, der aber insofern interessant ist, als er zeigte, wie wenig im Grunde genommen unser politisches Leben im Hinblick auf manche Fragen vom Geiste echter, demokratischer Grundsätze durchdrungen ist, von dem soviel gesprochen wird Der Tatbestand: Ein Ministerialrat bejahte in einer Leserzuschrift die Frage, ob es neben der republikanischen Demokratie auch eine monarchische Demokratie geben könne. Ein Abgeordneter der Linken interpellierte wegen dieser an und für ‘ich eine Binsenweisheit aussagenden Feststellung - denn bekanntlich gibt es in unserer Nachbarschaft eine ganze Reihe monarchischer Demokratien — und meinte, eine solche Äußerung dürfe ein Beamter einer republikanischen Demokratie nicht machen. Der Innenminister stellte, was ebenfalls selbstverständlich ist, fest, er sehe keinen Anlaß, gegen den Beamten wegen einer solchen Äußerung ein Disziplinarverfahren einzuleiten. Dann trat ein Abgeordneter der Rechten auf und bekannte sich zur Monarchie. Hierauf entstand ein Tumult, als hätte einer zum Sturz des demokratischen Staates aufgerufen. Ein Abgeordneter der Linken forderte hierauf* die Unterbrechung der Sitzung, um den Kanzler herbeizurufen, der die Richtlinien der Politik bestimmt.
Nun, die Sache ist dann im Sand verlaufen. Die Ruhe wurde wieder hergestellt, und der Kanzler brauchte sich nicht zu bemühen. Aber gibt diese Szene nicht doch zu denken, wie wenig wirkliche Demokratie heute bei uns erst lebendig ist? Leider erleben wir solche Intoleranz, eines der wesentlichsten Merkmale des totalitären Staates, die jede andere Meinung als untragbar oder gar staatsfeindlich verfemt, fast am laufenden Band, und darin liegt nicht zuletzt eine Ursache dafür, daß die Demokratie in weiten Kreisen des Volkes unpopulär ist.
Halten wir uns ein anderes, gewichtigeres und vielleicht folgenschwereres Beispiel vor Augen. Der Justizminister, von den Gewerkschaften angegriffen, wendet sich gegen die Politisierung der Gewerkschaften, weil er den
Koa*it ? on gefährdet
35 Forderungen des Berliner SPD-Parteitages
BERLIN. Der Parteitag der Berliner SPD beschloß 35 Forderungen, von deren Erfüllung die SPD ihr Bleiben in der Koalitionsregierung abhängig machen will. Die Forderungen beziehen sich vor allem auf die Sozial-, Schul- und Personalpolitik in Berlin. Die Handelsspannen im Handel sollen festgelegt, die Stellung Berlins im Finanzwesen der Bundesrepublik gesetzlich geregelt werden, damit soziale Aufgaben im Berliner Landeshaushalt nicht zu kurz kämen. Bei Angleichung der Berliner Sozialversicherung an die des Bundesgebiets soll eine eventuell auftretende Verschlechterung durch Haushaltsmittel ausgeglichen werden. In der Debatte hatte sich der Präsident des Abgeordnetenhauses, Dr. S u h r, für die Fortsetzung der Koalitionspolitik der SPD in Berlin unter Vorbehalten eingesetzt, während Bürgermeister Prof. Reuter eine klare Entscheidung ford r.e und sich für die Koalition aussprach.
Schwere Unruhen in Teheran
TEHERAN. Zwischen der persischen Polizei und über 3000 Studenten kam es aus Anlaß eines Demonstrationszuges gegen die „Imperialisten“ und zur Unterstützung des Kampfes Ägypten zu schweren blutigen Zusammenstößen. Die Ruhe konnte erst wieder hergestellt werden, als persische Truppen in Stärke von 2000 Mann die aufrührerischen Studenten umzingelt und die Anführer verhaftet hatten. Zahlreiche Personen wurden zum Teil schwer verletzt.
Standpunkt vertritt, „daß Gewerkschaften, die dem Staat ihren Willen aufzwingen wollen, den Staat und sich selbst vernichten“. Das ist gewiß ein scharfer Angriff. Aber, so muß man sich fragen, liegt es im Interesse der Demokratie, wenn die Reaktion auf diesen Standpunkt darin besteht, daß die Gewerkschaften die wirtschaftspolitische Zusammenarbeit mit der Regierung solange abbrechen, bis der Minister seinen Standpunkt ändert?
Man blicke nur einmal nach England: Dort gibt es zwischen Konservativen und Arbeiterpartei nicht weniger tiefe Gegensätze, und die Auseinandersetzungen werden oft mit nicht geringerer Schärfe geführt Aber man wird es kaum erleben, daß die eine oder andere Partei solche Folgerungen zöge, wie dies bei uns der Fall ist; einfach deshalb nicht, weil dort die Duldung und Achtung der Meinung des Gegners ein selbstverständliches Gebot ist.
Am sinnfälligsten tritt uns Intoleranz und Diffamierung des politisch anders Denkenden leider auch in den Auseinandersetzungen über so lebenswichtige Fragen wie die der Remilitarisierung und der deutschen Einheit entgegen. Muß denn jeder, der für die Remilitarisierung eintritt, von vorneherein ein Militarist und auf der anderen Seite jeder, der gegen sie ist, ein Mann sein, der die Geschäfte der Bolschewisten besorgt? Oder was hat es mit echter Demokratie zu tun. wenn jeder, der für
ein Gespräch um jeden Preis mit der Ostzone — wo bekanntlich unsere Brüder und Schwestern wohnen, mit denen wir alle wieder vereinigt sein wollen — eintritt, als bolschewistisch gebrandmarkt wird, wo kein Mensch etwas dabei findet, daß die Amerikaner, Engländer und Franzosen sich mit den Russen durchaus an den runden Tisch setzen? Wer wollte deshalb auf den Gedanken kommen, sie als bolschewistenfreundlich zu bezeichnen!
Mit diesen Beispielen sollte, unabhängig von der Stellung zu den sogenannten Fragen, lediglich auf die Gefahr hingewiesen werden, die aus einer kurzfristigen Intoleranz anderen Meinungen gegenüber für die Demokratie schlechthin entstehen muß. Denn das eine ist klar: Indem die Anschauungen des Andersdenkenden von vorneherein nicht nur als falsch, sondern auch als untragbar angesehen werden und der Andersdenkende Gefahr läuft, deshalb diffamiert zu werden, leben wir uns immer weiter auseinander In dieser Gefahr stehen wir heute ohne Zweifel. Selbstverständlich muß der Toleranz im demokratischen Staat eine Grenze gesetzt sein. Aber diese Grenze kann nur dort sein, wo den Grundlagen, den Grundsätzen und der Ordnung der Demokratie Gefahr droht. Gewalttätigkeit, sei es auch in Form geistiger Intoleranz; zerstört die Demokratie. Ihre stärkste Stütze empfängt diese gerade aus der inneren Freiheit ihrer verschiedenen Träger und der gegenseitigen Achtung. Nicht vergewaltigen, sondern überzeugen: das ist das vornehmste Gebot der Demokratie.
Ruhe vor dem Sturm?
Von unserem Mittelost-Korrespondenten Wolfgang Heyen
KAIRO. Die Situation in Ägypten wird dieser Tage von politischen Beobachtern in Kairo als „Ruhe vor dem Sturm“ bezeichnet. Tatsächlich nimmt das Leben in den Straßen der Stadt äußerlich seinen Fortgang, beinahe w'e in normalen Zeiten. Zu offenen Demonstrationen ist es in den letzten Tagen nur selten gekommen. Nur das Geschäft der Zeitungsverkäufer blüht mehr als je' zuvor. Wer früher nur eine Zeitung täglich gekauft hat. erwirbt jetzt jede der zu den verschiedenen Tagesze : - ten herauskommenden Ausgaben, um die neuesten Entwicklungen und das Geplänkel in der Kanalzone genau zu verfolgen. Die ägyptische Presse räumt diesen Ereignissen noch immer die ersten Seiten ein und widmet den Zwischenfällen am Kanal fette Schlagzeilen.
In großer Aufmachung werden Bilder von Ägyptern veröffentlicht, die bei Demonstrationen oder anderen Zwischenfällen von britischen Soldaten erschossen oder verwundet wurden.
An den Fensterscheiben der Geschäfte sieht man Plakate, in denen zum Boykott britischer Waren aufgefordert wird. D ; e Inschriften und Firmenzeichen über den Geschäften, die bisher meist sowohl in englischer und französischer Sprache zu sehen waren, werden von Klebekolonnen so verklebt, daß nur noch die arabische Schrift zu sehen ist. Die Taxi, die bisher als „Cairo-Taxi“ beschriftet waren, haben die englische Beschriftung entfernt.
In Gesprächen mit Ägyptern aller Schichten kommt immer wieder zum Ausdruck, daß das
K ? eine Weltdironfk
SPEYER. Von 26 Teilnehmern des dritten und letzten Kurzlehrganges für Anwärter des Auswärtigen Dienstes werden 22 ins Auswärtige Amt nach Bonn berufen. Die mündliche Abschlußprüfung wurde am Montag beendet.
HAMM. Bei Nachwahlen für den Landtag von Nordrhein-Westfalen in Hamm und im Kreis Wiedenbrück konnte die CDU sich jeweils behaupten.
HANNOVER. Die erste Bundesgartenschau in Hannover, die am Sonntag nach halbjähriger Dauer ihre Pforten schloß, wurde von 1,6 Millionen Personen besucht.
HAMBURG. Der Streik der Hamburger Hafenarbeiter erreichte am Montag seine bisher größte Ausdehnung. Die Zahl der registrierten Streikenden ist bis auf 6000 angestiegen. Hafenbehörden und Gewerkschaften kündigten energische Maßnahmen zur Unterdrückung des wilden Streiks an.
BERLIN. Der Präses der Synode der evangelischen Kirchen in Deutschland, der ehemalige Bundesinnenminister Heinemann, der sich gegenwärtig auf einer Vortragsreise durch die Sowjetzone befindet, sprach sich in der Dresdener Martinskirche vor rund 3000 Gläubigen, denen er die Grüße der evangelischen Christen Westdeutschlands überbrachte, erneut für die Einheit des gespaltenen Deutschlands aus.
BERLIN. Von 20 Postwagen des Interpostzonenzugs Berlin—Hannover wurden bei der Kon
trolle am Grcrv.übergang Marienborn in der Nacht zum Difenstag wiederum 11 zurückgeschickt und vom Gegenzug 5 nicht abgefertigt. Bereits am Sonntag wurden 16 und am Montag 11 Paketpostwagen wegen „unübersichtlicher Ladung“ nicht durchgelassen.
BERLIN. Ab 1. November will die SED, die Anfang des Jahres eine Mitgliedersperre erlassen hatte, wieder neue Mitglieder aufnehmen, gab das Zentralkomitee der SED bekannt.
DEN HAAG. Die holländische Regierung beschuldigte am Montag die tschechoslowakische Regierung, Spione nach Holland zu entsenden, die Informationen über Flugplätze, Rüstungsfabriken, Armeekommandos, Ölraffinerien, neue Industriefirmen und Kraftwerke sammeln sollten.
WIEN. Das Wirtschaftsdirektorium der österreichischen Regierung beschloß, den Verkauf von Schweine- und Kalbfleisch auf das Wochenende zu beschränken. Außerdem werden die bereits eingeführten zwei fleischlosen Tage am Dienstag und Freitag beibehalten, um die reibungslose Versorgung der Konsumenten zu gewährleisten.
DJAKARTA. Der indonesische Ministerpräsident Sukiman gab am Montag bekannt, daß vom Ausland unterstützte linksradikale Kreise Mordanschläge auf Staatspräsident Soekarno sowie sämtliche Kabinettsmitglieder geplant hätten.
NEW YORK. Der vor 16 Tagen ausgebrochene wilde Hafenarbeiterstreik in New York dauert immer noch an und legt fast den gesamten Hafenverkehr lahm.
Arahei Staaten m der K cm me
Zwischen Nahost-Pakt und Ägypten
BEIRUT. Der Libanon, Syrien, Irak und Jordanien sollen, wie aus Beirut verlautet, bereit sein, der von Großbritannien, den USA, Frankreich und der Türkei vorgeschlagenen Nahost-Verteidigungsorganisation beizu treten. — Alle vier Staaten sind jedoch durch die bereits erfolgte brüske Ablehnung des Vorschlages durch Ägypten in eine schwierige Lage gebracht worden, da sie einen Zusammenstoß mit Kairo befürchten, wenn sie die Viermächteaufforderung, sich dem Nahost-Pakt anzuschließen, positiv beantworten.
Der sudanesische Gewerkschaftsbund teilt» den Außenministern Großbritanniens und Ägyptens in einem Telegramm mit, daß er die Kündigung des Kondominiumsvertrags von 1899 durch Ägypten unterstütze. Der Verband forderte die sofortige Beendigung des gegenwärtigen Regimes und das Recht der Selbstbestimmung für den Sudan. Die proägyptische Aschiggapartei im Sudan hat der von England eingesetzten verfassunggebenden Kommission das Recht abgesprochen, im Namen der Bevölkerung die Vereinten Nationen um die Entsendung einer Überwachungskommission zu ersuchen. Zwei Vertreter der Partei wollen im November nach Paris reisen, um vor der UN-VollVersammlung die Vereinigung des Sudans mit Ägypten zu befürworten.
BidauSt in den USA
Drei-Billionen-Budget
PARIS. Der stellvertretende französische Ministerpräsident Georges B i d a u 11, dem alle Ressorts für die Landesverteidigung unterstellt sind, traf in den Vereinigten Staaten ein, um, wie offiziell bekannt wird, die Würde eines Ehrendoktors an der Universität von Philadelphia entgegenzunehmen. Politische Kreise von Paris sind der Auffassung, Bidault werde sich darum bemühen, daß die USA Frankreich in Form von Rohstoffen und insbesondere von Kohle militärisch unterstützten. Frankreich werde im kommenden Jahr ein Defizit im Haushalt von rund 250 Millionen Dollar haben, der durch eine besondere USA-Hilfe beseitigt werden müßte, falls nicht Frankreich seinen Import rüstungswichtiger Rohstoffe und damit seinen Verteidigungsbeitrag senke.
Volk für seine nationalen Belange kämpfen will, „um die verhaßten Engländer endlich aus dem Land zu werfen“.
Nachts kann man jetzt Kolonnen beobachten, die die Hauswände mit Werbeschriften für eine Art Miliz versehen. Große Bedeutung mißt man in diesem Zusammenhang der Moslem-Brüderschaft bei, die kürzlich in Hassan Ismail el Hedeiby Bey ihren neuen Präsidenten wählte. Die „Moslem-Brüder“ stehen „Gewehr bei Fuß“, sagte uns ein ägyptischer Gewährsmann, „und sie werden möglicherweise losschlagen, daß man in der ganzen Welt staunen wird.“
Vorläufig wartet jedoch auch die Organisation, die vor wenigen Monaten noch verboten war, die Haltung der ägyptischen Regierung ab und erklärt, nur dann etwas zu unternehmen, wenn die Regierung es für richtig hält Man rechnet damit, daß die Moslem-Brüder, deren Zahl man auf vier bis fünf Millionen schätzt, den wesentlichsten Bestandteil der zu bildenden Miliz stellen werden, wie zu der Zeit des Krieges gegen Israel. Aber auch dia anderen Parteien, Wafd, Sozialisten und Wateny beteiligen sich an den Aufrufen. Die Miliz soll unter das Kommando von Aziz el Misri Pascha gestellt werden, der während des letzten Krieges mit Deutschland zusammenarbeitete.
Bei all dem ist in der Bevölkerung eine latente innere Erregung festzustellen. Ein ägyp* tischer Politiker sagte uns: „Wenn nicht in de! allernächsten Zeit etwas Entscheidendes zur Befriedung des ägyptischen-Volkes geschieht, wird es nicht möglich sein, den Ausbruch des Vulkans am Nil zu verhindern.“
Ein heiterer Roman non i ranz Goßt:
„Nachsaison"
Copyright by Schwäb. Verlagsgesellschaft, Tübingen
{221
Zuerst machte es der Schauspielerin Zawa- dil Spaß, dann begann sie den Wein zu spüren, in diesem beschwingten Zustand mundete er ihr erst recht, und das führte wiederum dazu, daß sie einen Schwips bekam. Als sie soweit war, gefiel ihr auch der Lois besser. Im Grunde genommen war er unterhaltsamer als der schwerfällige Wirtssohrr, Er steckte voll Schnurren, die abrollten wie ein Rädchen und die mit jedem Glas gewagter wurden.
Sie hatten den zweiten Liter Muskateller vor sich stehen und der Einladung auf eine Torte war Lilo auch schon gefolgt. Immer wieder girrte das Lachen der Schauspielerin silbern auf und allmählich bildete sich ein Kreis junger Burschen um die fröhlichen zwei. Hinsetzen konnte sich niemand, da der kleine Tisch so in die Ecke gerückt war, daß bei aller Be- sche ! denheit mehr als drei Leute nicht unter- zubringen gewesen wären. Dröhnendes Gelächter brauste immer wieder aus der Ecke auf und manches Mädchen mußte einen Tanz aus- lassen, weil sein Partner es vorzog, die saftigen Witze des Briefträgers sich nicht entgehen zu lassen. Auch Lilo vertrug etwas, das mußte man anerkennen. Sowohl an Wein als auch an kräftiger Kost; Martin schwitzte inzwischen Blut. Nach seinen Beobachtungen gewann der Amerikaner bei der Lisi immer mehr Boden. Da konnte das Zuschauen aushalten, wer wollte, er nicht!
„Marie, sag dem Vater, er soll einmal zu mir herkommen!“
Nach ewig langer Zeit, wie es Martin vorkam, kam der Vater angewatschelt.
„Was ist denn los?“
„Jetzt kannst du dich wieder einmal her- stellen“, sagte ihm der Sohn wenig ehrerbietig.
„Da legst dich nieder!“ entrüstete sich der Vater, „wie das Bürschl mit seinem Vater umspringen möcht!“
„Ja, Himmelseiten“, begehrte der Martin auf, „ich bin doch auch ein Mensch und muß halt einmal...“ Er machte dazu einen Deuter, der nicht anders auszulegen war, als was er sagen wollte.
„Das kann dir freilich niemand abnehmen“, meinte gemütlich der Vater, „dann geh halt, bevor ein Unglück geschieht.“
Die Schnelligkeit, mit der Martin abfuhr, ließ allerdings auf höchste Not schließen. Kaum war er aber draußen, hatte er es offensichtlich viel weniger eilig. Er blieb stehen und überlegte, wie er am besten zur Lisi könnte. Hol’s der Teufel, er wollte keine Umwege machen. Die Lisi gehörte doch sein! Und da sollte er herumschleichen wie ein Schelm? Fiel ihm gar nicht ein!
Ziemlich gewalttätig bahnte er sich seinen Weg durch das musikalische Geschiebe und forderte so finster den Burschen, der mit der Lisi tanzte, zur Ablösung auf, daß dieser seine Partnerin ohne einen Muckser freigab, obwohl hier das Ablösen während des Tanzes nicht üblich war.
„Oh, was verschafft mir denn die hohe Ehre?“ funkte sie ihn spöttisch an, während er seinen Arm um sie legte.
„Der Amerikaner war dir wohl lieber, ha“, war seine angriffslustige Antwort.
„Du hast Ursache, etwas zu sagen! Hat dich die Schauspielerin vielleicht abfallen lassen, du eingebildeter Gockel!" ging das Gespräch weiter.
„Möchtest den Spieß umdrehen?“ warf er ihr vor, während er sich durch das Gemurkse wand, „wie du dich aufführst, stinkt zum Himmel.“
„So nicht wie deine angemalte Schachtel, die nach allem Schlechten riecht, daß es die Luft auf zehn Meter um sie herum verpestet.“
„Red nicht so dumm!“ schnauzte er sie an.
„In Schutz nehmen willst sie auch noch! Du“, zischte die erzürnte Lisi „ich mach der Flitschen einen Skandal, daß der ganze Hirsch wackelt.“
„Laß dir das einfallen!“ drohte er, „kehr lieber vor deiner eigenen Tür den amerikanischen Dreck weg und dann pudel dich über andere auf!“
„Siehst du, da hab ich dich bei der Falte!“ triumphierte sie; „ich kratz deinem Herzpupperl die Augen aus.“
„Dann wirst du selber blind werden“, wollte er die Empörung Lisls durch einen Scherz dämpfen.
Da hatte er aber auf den falschen Knopf gedrückt. Fiebernd vor Zorn ließ sie ihn so laut an, daß sich die Nachbarn erstaunt umwandten:
„Verspotten willst du mich auch noch! Schäm dich, du, du...“ Sie fand gar keinen Ausdruck, der genügend die Abgründigkeit seines Wesens bezeichnen hätte können. „Auf der Stelle läßt mich aus!"
„Aber geh“, machte er noch einen Anlauf, sie umzustimmen. Es mißlang vollkommen.
„Laß mich aus oder du hast eine sitzen!“ — Das klang so gefährlich, daß er einsah, es war besser, wenn er nachgab. So lenkte er sie ge
schickt wortlos gegen die Tür hin und gab sie frei.
„Und daß du mich nie mehr anredest, du. • • du... Schuft!“ Das schleuderte sie ihm nach, irgendwie erlöst, daß sie doch noch ein Wort gefunden hatte, das auf ihn paßte wie angemessen.
Martin zerbarst beinahe vor Wut auf die ganze Welt und in seiner Verzweiflung löste er wieder den Vater ab. Er mußte etwas zu tun haben, sonst fing er aus irgendeinem Grunde eine Rauferei an, bei der er letzten Endes doch nicht die Leute unter die Finger bekam, denen er alle Knochen im Leibe zerbrechen wollte. Die Lisi ihrerseits stürmte nach draußen und heulte an einem stillen Drt wie ein Schloßhund.
Der Briefträger in seiner Ecke, unwissend, was sich für ein Wetter zusammengebraut hatte, wurde immer übermütiger.
„Marie, für die ganze Runde einen Schnaps!“ schrie der Lois in heller Begeisterung.
„Sie müssen ja einen Haupttreffer gemacht haben“, bemerkte Lilo lachend.
„Wenn man Sau hat“, lallte der Lois, ,h a '®' her findet man alleweil einen Lappen, der sich wurzen läßt.“
„O, wie interessant!“ köderte Lilo, die sich trotz des Schwipses eine beachtenswerte geistige Höhe bewahrt hatte, „wer ist denn so freigebig.“ .
„Der Martin ist der Wohltäter“, verriet sich der Lois und machte eine bedrohliche Schwee - kung nach Lilo hin, daß sie schleunigst zurupt - wich. „Aber danken muß ich’s Ihnen, geliebt Feuerlilie!“ . .
Die Schauspielerin stutzte. Welches Spi e wurde da mit ihr getrieben? Dieser Lumperei mußte sie auf den Grund kommen. (Forts. f-J
worden
Größere Röume — Größere Auswahl —
s lohnf sldi.andi von weither zu
_ Größere Leistungen __
nach Henningen zn fahren!