MITTWOCH, 24. OKTOBER 1951

AUS STADT UND KREIS CALW

NUMMER 16

Steuedichec VacscMag)

Die MonatszeitschriftDer Haus- und Grundbesitzer veröffentlicht in ihrer Aus­gabe vom 12. Oktober den steuerlichen Vor­schlag einer Schweizer Zeitung. Er sei auf diesem Weg den zuständigen Stellen zur Kenntnis gebracht.

Besteuert den Hochmut, besteuert den Neid, Besteuert das Protzen und Prahlen,

Den Geiz und die Ueberheblichkeit,

Das persönliche Schimpfen bei Wahlenl

Besteuert den Zopf und den Schlendrian, Besteuert die Schreier und Schwätzer, Besteuert die Selbstsucht, den Größenwahn, Die Schmeichler, Krakeeler und Hetzer!

Besteuert die Panscher, die uns den Wein und andre Getränke verderben,

Die Tausende, welche durch Kurpfuscherein und Schwindel sich Reichtum erwerben!

Besteuert die Falschheit, den Lug und den Trug, Besteuert das Wechselreiten

Dann habt ihrPulver übergenug,

Die Kosten des Staats zu bestreiten!

Zeugen einer reichen geschichtlichen Vergangenheit

Im Dachgeschoß des Ueorgenäums entsteht ein stilvolles Heimatmuseum

Die Lehrlingsausbildung im Handwerk

Das Handwerk in Württemberg-Hohenzol- lern hat gegenüber den früheren Jahren den Forderungen der Zeit Rechnung getragen, nämlich mehr Lehrlinge eingestellt, um der Berufsnot der Jugend nach Möglichkeit zu steuern.

Die Handwerkskammer Reutlingen hat bei der Gewährung von Ausnahmen bei den Lehrlings-Höchstzahlbestimmungen weitest­gehend auf die Berufsnachfrage Rücksicht genommen. Dabei wurde aber in erster Linie berücksichtigt, daß Ausnahmen in erster Li­nie zugunsten besonders guter Lehrbetriebe gemacht wurden.

Das Handwerk wird auch im kommenden Jahr seine Pflicht erfüllen. Die Handwerks­kammer wird in einer besonderen Ausgabe in ihrem Mitteilungsblatt die ganzen Zusam­menhänge auf dem Gebiete der Lehrlingsaus­bildung darstellen, insbesondere wegen der Berücksichtigung der Bestimmungen im Ju­gendschutzgesetz, also Arbeitszeit, Urlaub, Lehrlingsentschädigung, Erziehungsbeihilfen, Gewerbeschulbesuch, Führung des Werkstatt­wochenbuches, Zwischenprüfungen, Gesel­lenprüfungen, speziell wegen der Beendigung der Lehrzeit, wenn die Gesellenprüfung vor der im Lehrvertrag festgesetzten Lehrzeit­beendigung abgelegt worden ist.

Wegen der Lehrlingsbeihilfen wird auf die Verordnung des Arbeitsministeriums Tübingen vom 1. September 1949 hingewie­sen. Dazu wird noch bemerkt, daß der Lehr­herr-berechtigt ist, den hälftigen Anteil an den Sozialversicherungsbeiträgen an diesen monatlichen Beihilfen in Abzug zu bringen.

Heimatmuseum? Vielleicht werden selbst die alten, eingesessenen Calwer, die sonst an allem Geschehen in der Kreisstadt sehr in­teressiert sind, wenig oder nichts davon wis­sen. Das ist ihnen nicht zu verdenken, denn noch befindet sichihr Heimatmuseum im Zustand des Werdens und es wird noch einige Zeit dauern, ehe seine Pforten für die Allge­meinheit geöffnet werden können.

Das Dachgeschoß des Georgenäums bot sich dazu an, den räumlichen Rahmen für das Museum abzugeben. Unter architekto­nisch geschickter Ausnutzung der Dachschrä­gen und -ausbauten sind zwei Räumlich­keiten geschaffen worden, die wohl geeignet erscheinen, all die Zeugen einer reichen ge­schichtlichen Vergangenheit aufzunehmen. Es wäre jedoch verfrüht, heute schon im einzel­nen aufzuzählen, was dort oben alles zusam­mengetragen worden ist, denn noch harren diese Dinge der letzten ordnenden Hand und der erläuternden Beschriftung sowie ihrer Anordnung nach großen Gesichtspunkten. Aber es läßt siech bereits heute in groben Umrissen erkennen, was hier im Entstehen begriffen ist.

Wir taten dieser Tage einen mehr neugieri­gen als ehrfürchtigen Blick in das zukünftige Heimatmuseum, dessen Betreuung nun eine Altersaufgabe für die seit rund einem halben Jahrhundert hier wirkende Luise Pfrommer werden wird. Von ihr, die mit dem Geschick dieses Hauses mehr als jeder andere Einwoh­ner der Kreisstadt verbunden ist, wurden wir durch die beiden Räume geführt, die in ihrer Gestaltung ahnen lassen, mit welch innerer Verbundenheit man an die Aufgabe herange­gangen ist.

Der erste, ziemlich große Raum beherbergt eine Vielzahl von historischen Hinterlassen­schaften, die teils in Wandschränken, teils auf verglasten Ausstellungstischen oder auch direkt auf dem Fußboden zur Schau gestellt sind. Da sind beispielsweise (um nur einiges davon zu nennen) kunstvoll gearbeitete Schlösser und Schlüssel aus stattlichen Bür­gerhäusern, an den Wänden Stammtafeln alt­eingesessener Calwer Geschlechter, deren

Nachfahren zum Teil heute noch im Wirt­schaftsleben der Stadt Geltung haben, alte schöne Stickereien, die von der Akkuratesse vergangener Zeiten und ihrer Frauen künden, Trommeln und Feuereimer, Pferde- und Handschlitten, Waffen aus den verschieden­sten Jahrhunderten und noch manches andere wertvolle Stück, das eigentlich eine Erwäh­nung verdiente.

Dem Kenner und Freund alter Handwerks­kunst wird die Sammlung der Lebkuchen­model aus dem Besitz des Konditors Mar­quardt eine besondere Freude bereiten. Sind schon diese kunstvoll geschnitzten Backfor­men (in der Größe bis zu 40X40 cm) man­chem alten Calwer sicherlich eine liebe Er­innerung an die Kindheit, so erst recht das eine oder andere Stück aus der alten Kirche, mit denen er hier Wiedersehen feiern darf.

Der anschließende Raum, in dessen einer Fensternische ein zum beschaulichen Lesen bestimmter Tisch mit beiderseitiger Bank einladen, dient als Archiv für das örtlich be­deutungsvolle Schrifttum der Vergangenheit. Dickleibige Folianten stehen neben den beim Jahr 1756 beginnenden Kirchenregistem, die gewichtigen Geschäftsbücher der Calwer Zeug- Handelscompagnie wetteifern im Umfang mit den anderen Journalen jener Tage, dasCalwer Tagblatt ist mit Ausnahme eines Jahrgangs im ganzen Zeitraum seines Bestehens (seit 1826) nachzulesen, ebenso die beliebtesten Zeitschriften vor und nach der Jahrhundert­wende (aus denen übrigens wie uns be­richtet wurde publikationsbeflissene Be­sucher manchen Schatz zu heben wissen). Daß diese Sammlung in der Gegenwart vorläufig mit den bändefüllenden Berichten über die Nürnberger Prozesse abschließt, entbehrt nicht eines bitteren Beigeschmacks.

Dieser kleine Ueberblick mag genügen. Er soll nur andeuten, daß oben im Dachstock des Georgenäums das Heimatmuseum tatsäch­lich Gestalt annimmt und nach Inhalt und Form ein Refugium all derer zu werden ver­spricht, die sich den Sinn für Wesen und Werk vergangener Geschlechter bewahrt haben.

Bade- und Massagekuren auch im Winter

Besondere Erfolge durch Fokalmassage

Bad Liebenzell. Die Mehrzahl der mehr als 8000 Kurgäste, die im Lauf des ver­gangenen Sommers nach Bad Liebenzell ge­kommen sind, um sich zu erholen, lernte die Heilwirkung der berühmten Thermen ken­nen. Viele kommen auch jetzt noch und ge­nießen in Ruhe die Schönheit des herbst­lichen Schwarzwaldes. Sie folgen der rich­tigen Erkenntnis, daß gerade die Uebergangs- zeit mit ihrem etwas herberen Klima beson­ders gut zur Erholung und zur Badekur ge­eignet ist.

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Beheizte Baderäume und Liegehallen

Neben den heilenden Thermen sind es be­sonders auch die hervorragenden Massage­möglichkeiten, die den genesungsuchenden Gästen in Bad Liebenzell die Gewähr für eine erfolgreiche Kur geben. Drei Thermalbade­anstalten mit alter Tradition bestehen in Bad Llebenzell und in jeder der Anstalten kann man die Wirkung der Bäder durch ver­schiedene Massagemethoden vertiefen lassen.

Mit besonderem Erfolg wird im Kleinwild­bad seit seiner Wiedereröffnung im Frühjahr 1950 die von dem bekannten Masseur H. Lud­wig entwickelte Fokalmassage ange­wendet Diese Massagemethode gründet sich auf die Erkenntnis, daß es für viele Krank­heiten Herdstellen gibt, die als fest lokalisier­bare Punkte fühlbar sind und sich als stärk­ste Schmerzstellen anzeigen. Durch die Fokal­massage werden nicht nur diese Herdstellen, die sich als Knötchen und Verdickungen mei­stens an den Knochen zeigen, zerstört, son­dern auch die damit verbundenen Krankhei­ten wirkungsvoll bekämpft. Besonders be­währt hat sich die Fokalmassage bei der Hei­lung von rheumatischen, arthritischen und neuralgischen Leiden. Erstaunlich ist auch ihre Wirkung bei der Behandlung von Kreis­laufstörungen, krankhaftem Blutdruck und anderen inneren Krankheiten.

Das vortreffliche Zusammenwirken der ärztlichen Kunst mit der heilenden Kraft der Thermen ln Verbindung mit den vielseitigen Massagemöglichkeiten haben schon vielen Menschen in Bad Liebenzell Heilung oder Linderung ihrer Leiden gebracht. Dies be­zeugen die Briefe vieler Gäste an die Kur­verwaltung.

Sehr wertvoll ist es, daß die Bade- und Massagekuren in den gut geheizten Baderäu­men und Liegehallen auch im Winter täglich durchgeführt werden können.

Im Spiegel von Calw

Am Sonntag Investitur von Dekan Esche

Prälat Lic. D. Schiatter wird am kommen den Sonntag um 9.30 Uhr in der Ev. Stad - kirche die Investitur von Dekan Hans Ulrich Esche vornehmen. Die feierliche Amtsein­setzung des neuen Dekans für den Kirchen­bezirk Calw erhält durch eine Kantate mit Orchesterbegleitung ihre musikalische Aus­gestaltung.

Weitere Kulturwerksveranstaltungen

Nachdem gestern abend Rechtsanwalt Dr. Zimmerle (Tübingen) über die staatsbürger­lichen Rechte und Pflichten unterrichtete und heute abend die Stuttgarter Lektüren­bühne in einem szenischen Vortragsabend Thornton Wilders SchauspielUnsere kleine Stadt bringt, ist für kommenden Freitag und Samstag ein LichtbildervortragChina, Land und Leute vorgesehen. Der Sprecher U. v. d. Damerau, ein ehemaliger Diplomat, der lange Zeit im Inneren Chinas gelebt hat, wird dabei einen Einblick geben in die Verhältnisse jenes Teils des Fernen Ostens, der durch die mili­tärischen und politischen Ereignisse der letz­ten Jahre in den Mittelpunkt des Interesses gerückt ist.

Das Programm des Volkstheaters

Eine imgewöhnlich starke Besetzung weist der FilmDie Lüge auf, der heute und mor­gen im Volkstheater läuft. An der Spitze der Darstellerliste stehen Sybille Schmitz, Cornell Borchers, Ewald Baiser, Will Quadflieg und Otto Gebühr. Dazu kommt Gustav Fröhlich, der auch Regie führt und das Drehbuch nach einem OriginalstoffMörder ohne Mord schrieb.

Vorführung neuzeitlicher Arbeitsgeräte

Die Handgeräte für die Feld- und Garten­arbeit waren bislang ein Stiefkind der In­genieure und Techniker. Während sie bei den Großgeräten immer neue Verbesserungen der Formen und Arbeitsmethoden ersannen, blie­ben die Handgeräte bis auf wenige Ausnah­men in ihrer mittelalterlichen Form erhalten. Immer mehr bricht sich aber die Erkenntnis Bahn, daß die schlagende Arbeitsweise sich überlebt hat und durch die kraftsparende ziehende ersetzt werden kann. Hier ist der NameWolf bereits zu einem Begriff ge­worden, erst recht aber durch das neue Terrex-Gerät, das selbst Bein- und Arm­amputierten, Frauen und Kindern das Um­graben ermöglicht. Dieses neuartige Gerät wird zusammen mit den anderenWolf- , Geräten (Kultivator, Bodenfräse, Sämaschine usw.) heute um 14 Uhr In der Gärtnerei- gele durch die Eisenhandlung Herzog vor­geführt.

Fahrpreisermäßigung tür Kriegsgräberbesuch

Die Bundesbahn gewährt den nächsten An­gehörigen eines Kriegstoten zum Besuch des Grabes eine Fahrpreisermäßigung in Höhe von 50 Prozent. Jeder Berechtigte darf die Ermäßigung einmal im Kalenderjahr für je­des Grab eines Angehörigen in Anspruch nehmen. Nächste Angehörige sind Eltern, Ehegatten, Kinder und Geschwister. Als Kriegsgräber gelten hierbei die Gräber der Kriegsteilnehmer, die bei ihrem Tode der ehemaligen deutschen Wehrmacht oder ihrem Gefolge angehörten.

Vorsicht: Hochspannungsleitungen!

Fast täglich kann man jetzt auf den Feldern und Wiesen die Jungen beim Drachen steigen lassen beobachten. So sehr wir uns darüber freuen wir habens ja früher auch nicht anders gemacht so wollen wir doch auf di« Gefahren hinweisen, die hierbei durch di« Hochspannungsleitungen drohen. Elinmal kön­nen diese selbst abgerissen werden und da­durch die Energieversorgung erheblich gestört werden. Noch größer ist aber die Gefahr, di« dem Jungen selbst droht, wenn die Drachen­schnur auch nur ein wenig feucht ist. Ein elektrischer Schlag, der tödlich sein kann, ist die Folge. Daher Vorsicht!

Die Kartoffel feiertJubiläum

Sie soll vor 250 Jahren durdi Waldenser in Württemberg eingeführt worden sein

Nachdem in den letzten Wochen die Kar­toffelernte eingebracht worden ist, dürfte es wohl angebracht sein, daran zu erinnern, daß vor nunmehr 250 Jahren die ersten Kartoffeln in unserer Heimat Württemberg geerntet wurden. In Schönenberg war es, einer Sied­lung von Waldensern, die ihres Glaubens wegen aus ihrer piemontesischen Heimat ver­trieben wurden. Unter ihrem Pfarrer und Heerführer Henri Amaud hatten sie in Würt­temberg eine neue Heimat gefunden und waren in der Gegend von Mühlacker und Maulbronn anges'edelt worden. Ortsnamen wie Pinache und Serres, Familiennamen wie Baral, Gille, Roux, Ayasse, Baret und andere erinnern heute noch an jenen Exodus, der auch in unserem Gebiet (Neuhengstett) seine Spuren hinterließ.

Ein Waldenser Kaufmann Anton Signoret war es, der im Frühjahr 1701 die ersten 200 Knollen zu seinen Glaubensbrüdern nach Württemberg brachte, wo sie im Garten des Pfarrers Arnaud gepflanzt wurden. Die Pflan­zen gediehen prächtig, aber die Ueberliefe- rung erzählt, daß die ersten Erfahrungen da­mit nicht die besten gewesen seien, die Wal­denser sollen die Samenkapseln genossen haben, was zu erheblichen Magenverstim­mungen führte, denn die Samen sind bekannt­lich giftig. Der zuständige Amtsarzt soll dar­auf die Vernichtung der neu eingeführten Pflanze angeordnet haben, worauf bei der Rodung d'e Knollen zum Vorschein kamen, 2000 an der Zahl, die als eßbar erkannt und dann in den übrigen Waldensergemeinden

und darüber hinaus angepflanzt worden sein sollen.

Aber das ist wohl ebenso Legende, wie die Erzählung von der Einführung des Kartoffel­anbaus durch Friedrich den Großen in seinem Lande

In diesen Ueberlieferungen spiegelt sich wohl die Tatsache, daß sich die Kartoffeln als Nahrungsmittel für den Menschen nur sehr langsam durchsetzten. Schon 1550 hatten Mönche die in den Anden Südamerikas hei­mische und dort Patata genannte Pflanze nach Spanien, in die spanischen Niederlande und nach Italien gebracht. In Italien erhielten sie den Namen Tartuffoli, nach ihrer den Trüffeln ähnlichen Form, und von dort kamen sie schon 1587 nach Deutschland, allerdings zunächst lediglich als exotische Raritäten in die Botanischen Gärten von Breslau und Wien. Um 1600 sollen die Kartoffeln dann in den Vogesen zuerst zu Nahrungszwecken angebaut worden sein. Es dauerte also immerhin noch­mals hundert Jahre, bis sie aus Frankreich zu uns nach Württemberg kamen. Aber Immer noch wurden sie nur dem Vieh verfüttert oder dem Brot beigemengt, vor allem in den Jahren mit schlechter Getreideernte.

Not und Hungerjahre also waren notwendig, um die Kartoffeln als Volksnahrungsmittel durchzusetzen und dreihundert Jahre seit dem ersten Auftreten in Europa waren erforder­lich, um aus dem exotischen Gast in den Bo­tanischen Gärten den unentbehrlichen Be­standteil unserer Ernährung zu machen.