DER F/LM-SPIEGEL
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Sterne, die zweimal aufgingen
Verwandkmg ist das Wesen des Schauspielers / Das Beispiel der Garbo
H Utti Bügel reitet wieder ...
mit Alfred Braun als Regisseur in dem neuen Film „Wenn die .Abendglocken läute n“. Willy Birgel spielt die Rolle eines Tumierreiters.
Wiener Walzer
Von Professor Franz Salmhofer
Adolf Wohlbrückals Johann Strauß in dem Film „Wiener Walzer“
Anläßlich der Erstaufführung des Filmes „Wiener Walzer" mit Marte Har e 11 und Adolf Wohlbrück stellt uns Prof. Salmhofer, Direktor der Wiener Staatsoper und Ehrenpräsident der „Johann-Strauß-Ge- sellschaft" diesen Beitrag zur Verfügung.
Der Wiener Walzer gehört zu den beglük- kenden Herzenseroberern, die sich den ganzen Erdball im Sturme errungen haben. Von der Volksweise des Wiener Bänkelsängers Augustin „O du lieber Augustin“ herstammend und In den Alpenländem als gemäßigter Drehtanz im Dreivierteltakt herkommend, fand er zu- «rst im Ländler eine dauernde Basis. Karl Maria von Webers „Aufforderung zum Tanz“ leigt uns schon den direkten Vater des „Wiener Walzers“, wie er in unserem Zeitalter noch labt und die nächsten 5000 Jahre leben und musikalische Menschen befeuern und beglücken wird.
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts finden wir die genialen Walzerschöpfer Josef Lanner und Johann Strauß sen Der Wiener Kongreß stand bereits unter dem Nationen umspannenden und Völker verbindenden Zeichen des „Wiener Walzers“. Im Dreivierteltakt, der wie eine schmeichelnde Welle die Tänzer umkoste, wurde geliebt, politisiert, wurden Kon- greßfeiem abgehalten. Sind die melodischen Weisen Lanners noch einer zart duftenden Rosenknospe vergleichbar, so finden wir bei Johann Strauß Vater und später im verstärktem Maße bei unserem unsterblichen Johann Strauß Sohn, wie sich die zart duftende Knospe des Walzers zu einer voll erblühten Rose entwickelt. Trug Johann Strauß Vater als Pionier den Walzer mit seiner Kapelle nach Ungarn,
Film-Notizen
Der in Hollywood als Filmregisseur wirkende Sohn Gottfried des bekannten Theatermannes Max Reinhardt plant fetzt die Verfilmung der Stefan-Zweig-Novelle „Brennendes Geheimnis”.
Bert Brechts „Dreigroschenoper" soll fetzt erneut am Broadway gezeigt werden, da man annimmt, daß die aufrüttelnden Verse gerade in diesem Augenblick besonders geeignet sind, dem Amerika der Prosperity die Fragwürdigkeit eines satten Lebens aufzuzeigen. Die „Dreigroschenoper" wurde zuletzt 1933 in New York im Empire Theatre gezeigt.
Willy Frit sch hat fetzt seine in Kritiken so oft zitierte Wandlung vom fugendlichen Liebhaber zum Charakterdarsteller öffentlich damit bekundet, daß er seinen Managern gestattete, ohne Hemmungen die Tatsache bekanntzugeben, daß er in diesen Tagen seinen 50. Geburtstag gefeiert hat.
Nach dem „Verlorenen" will Peter Loire fetzt einen Film nach Hascheks „D er braue Soldat S chw efk" drehen.
Erro 1 F 1 y n n , „Held der sieben Meere" und unzähliger Skandalgeschichten, bildet erneut den Mittelpunkt des Hollywood-Klatsches. Während seiner Hochzeitsreise, die bekanntlich durch einen Vergewaltigungsprozeß unterbrochen wurde, drang eine Frau in sein Hollywoodheim ein, zerstörte das gesamte Mobiliar, verfolgte das Hausmesser mit einem Messer und erklärte der Polizei, sie wolle sich dafür rächen, daß Flynn sie und ihre Tochter drei Jahre hindurch belästigt habe.
Deutschland, Holland und England, so trug Johann Strauß Sohn die Siegesfahne des Wiener Walzers nach Rußland, ja sogar nach Amerika, nachdem ganz Europa bereits den Zauberweisen des Wiener Walzers verfallen war.
Der Charme dieses Genres voll melodischer Grazie in kontrastreichen periodischen Sätzen gebaut, war das musikalische Esperanto des 19. Jahrhunderts. Ist es nicht wie ein Märchen, wenn der Walzer „An der schönen blauen Donau“ die neue Welt erobert und Meister Strauß seinem Pudel die Locken abscheren muß, um einen Ersatz für sein Haupthaar zu suchen? Denn Hunderttausende von begeisterten Amerikanerinnen wollten eine Locke von Johann Strauß besitzen. Ich selbst habe erlebt, daß im Jahre 1937 in einem Park von St. Germain bei einem Chorkonzert, welches ein schmucker junger Abbä dirigierte, der Walzer „An der schönen blauen Donau“ unter frenetischem Beifall der begeisterten französischen Zuhörer dreimal wiederholt werden mußte.
Der Walzer ist das schönste Musenkind göttlichen Frohsinns und wert, daß sich seinem Zauberdiktat jedes musikalische Ohr freiwillig hingibt. — Der Film „Wiener Walzer“ stellt mit unvergleichlicher Einfühlungsgabe das bewegte Leben des Walzerkönigs Johann Strauß dar. Als Johann Strauß Vater begegnet uns Adolf Wohlbrück in seiner neuesten großen Filmrolle.
Die wohltemperierten Liebespaare ziehen durch die Filmhistorie. Es gibt ihrer mehrere, die jahre-, ja jahrzehntelang Bilder unnachahmlicher Umarmungen lieferten. Inzwischen sind die einstigen Verehrerinnen Großmütter geworden, aber die Liebenden der Leinwand sind jung geblieben. Sie räumen das Feld nur nach Gewaltanwendung. Wir sollten nicht undankbar sein: auch unsertwegen hielten sie möglichst lange die Stellung, denn bekanntlich sieht man das Fältchen im Antlitz des anderen früher als die Krähenfüße im eigenen. Und wenn das Liebespaar klug ist, beginnt es rechtzeitig die Rückzugsgefechte ins Altersfach und schlägt dem lieben, aber kritischen Publikum ein Schnippchen.
Da kommt er wieder, der unsterbliche Schwarm, charmant lächelnd, ein soignierter weißhaariger Herr, nicht mehr als Komet, sondern als mild leuchtender Abendstern. Harry L i e d t k e heißt er, der in den ersten Tonfilmjahren (zu seinem Glück) kein Glück hatte, weil seine Stimme zu hoch klang im Lautsprecher. Er, der einstige Herzensbrecher, kommt zurück als Vater, viel liebenswürdiger noch als in seiner Glanzzeit, weil er die Liebhaberschablone gegen den echten Menschen ausgetauscht hat. Ein Kavalier ist er zeitlebens gewesen. Bei Kriegsende stirbt er als Ritter.
Ein einmaliges Wunder: Pola Negris Stern war untergegangen, als sie Willi Forst 1936 für die Hauptrolle seiner „Mazurka" holte. Die Tragödin des stummen Films machte den tönenden ihrem Pathos dienstbar. Seit Kriegsbeginn galt sie für tot. Vor einiger Zeit erfuhr man, sie lebe in Amerika. Für die Kunst genügt es jedoch nicht, daß der Künstler lebt. Schaffen muß er, sich selbst und sein Werk zur Diskussion stellen. Es ist zu befürchten, daß der Stern der Negri vor 12 Jahren endgültig gesunken ist.
Asta Nielsen, der erste internationale Star, kehrte niemals zurück. Als die Künstlerin vor Monaten nach einem Wortwechsel mit einem Schaffner aus der Straßenbahn fiel und ins Innsbrucker Krankenhaus gebracht werden mußte, horchte man auf, und viele ihrer einstigen Verehrer mögen sich gewundert haben, daß die Unsterbliche — noch lebt.
Lilian Gish, die mit 16 Jahren zum ersten Male vor der Kamera stand, hat zahllose unschuldige Mädchen gespielt bis der Tonfilm ihrer Karriere ein Ende setzte. 13 Jahre hörte man nichts von ihr. Dann erlebten ihre Freunde ihr come back in einer Mutterrolle. Sie ist ein anderer Mensch geworden, der mit dem weltberühmten Mädchen von einst, nichts Gemeinsames mehr hat. Außer der Bescheidenheit. Sie, die große Lilian Gish, stand nie im Schein- werfeflicht der Reklame, nie hat sie sich in das so beliebte Zwielicht der Ehescheidungsskandale begeben. Ja, die Vergötterte hat nicht einmal geheiratet.
Und die Garbo? Auf dem Höhepunkt ihres Ruhms zieht sie sich zurück. Jahrelang erfährt kein Mensch, womit sie sich beschäftigt. Ihr glaubt man, daß sie sich Rechenschaft gegeben hat über sich und über die Kunst. Eine Schauspielerin. von der Mauritz Stiller gesagt hat, sie repräsentiere einen Typ, den man vielleicht nur einmal ln hundert Jahren vor die Kamera bekommt, eine solche Schauspielerin bedarf wohl einer schöpferischen Pause. Nun hat der Film die 45jährige wieder. Noch weiß man nicht, welche Rolle sie spielen wird.
Verwandlung ist das Wesen des Schauspielers. Der Filmstar müßte eigentlich mehr sein
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Diese junge Dame heißt Frances Ramsden und ist die Partnerin Harold Lloyds, des Stummfllm-Stars, in dem neuen Grotesk-Film „Verrückter M itt w o c h“. Für H. Lloyd ist dieser Film ein erfolgreiches Come-back mit Hornbrille nach 15jähriger Filmpause.
als ein Schauspieler; nur das Menschliche, nicht das Komödiantenhafte bleibt wertbeständig. Wer es ein zweites Mal wagt, vor die Kamera zu treten, muß verraten, welchen Weg er in der Zwischenzeit zurückgelegt hat. Das Erlebnis, eine einstmals beliebte Naive in einer Mutterrolle wiederzusehen, kann erschütternd und tröstlich zugleich sein. Zumindest lächelndes Verstehen und stille Resignation, w. Formann
Italienischer Neo-Verismus
Die RKO zeigt jetzt de Sicas preisgekrönten Film „Fahrraddiebe" in der Bundesrepublik.
Ein Arbeitsloser erhält in Rom eine Stelle als Plakatkleber. Sein Fahrrad ohne das er den neuen Job nicht übernehmen kann, löst er im Pfandhaus gegen seine Bettwäsche aus. Doch schon am nächsten Tag wird es ihm gestohlen.
Mit seinem kleinen Sohn sucht er in der
„Der Verlorene'
Ein Film von und mit Peter Lorre
Filme kommen, Filme vergehen — doch ach wie so selten bleibt einer bestehen! Unter den wenigen unvergeßlichen wird ein Film — obwohl schon zwanzig Jahre vergangen sind, seitdem er entstanden ist — von Jahr zu Jahr berühmter und zählt noch heute zu den ersten Filmen in der Welt: der für Deutschland beinahe legendäre Fritz-Lang-Film „M“. Untrennbar mit seinem Erfolg verbunden ist der Name seines Hauptdarstellers: Peter Lorre. Ihn machte der 1931 in Berlin uraufgeführte Film mit einem Schlage weltbekannt... und er mit seiner unvergeßlichen Darstellung des Kindermörders den Film zu einem Welterfolg.
Inzwischen ist Peter Lorre durch eine glückliche oder auch tragische Verkettung von Umständen zu einem der größten amerikanischen und internationalen Filmstars geworden. Charlie Chaplin bezeichnet ihn als den bedeutendsten lebenden Schauspieler überhaupt. Mehr als ein Jahrzehnt galt Peter Lorre in der offiziellen Rangliste der amerikanischen Stars und Kritiker als „the actors actor“. Er ist nicht nur einer der wahrhaft großen Schauspieler unserer Zeit, sondern einmal in der unmittelbaren Wirkung seiner jeden Rahmen sprengenden Persönlichkeit. Was diesen bescheidensten aller Schauspieler und bestimmt den natürlichsten unter ihnen zu einer so faszinierend hintergründigen Gestalt macht, wird wohl immer sein Geheimnis bleiben.
Wie alles an diesem Manne geheimnisvoll ist, so ist es auch die Entstehungsgeschichte seines neuen Films „Der Verlorene“. Seinem alten Freunde, dem Reporter Egon Jame- son — der schon seinerzeit durch eine Zeitungsnotiz die Anregung für den Film „M“ gegeben hatte — gelang es, Peter Lorre bei seinem ersten Urlaubsaufenthalt in Deutschland nach dem Kriege für den Plan zu interessieren, hier einen Film über eines der aktuellsten und brennendsten Zeitprobleme zu schaffen: über das tragische Erbe der vergangenen rechtlosen Zeit, die unzählige ungeklärte u n 'i ungesühnte Mordtaten hinterlassen hat.
Dieser Film zeigt, daß es entgegen allen bisherigen trüben Erfahrungen sehr wohl möglich ist, in Deutschland einen guten Film zu
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Veloziped 1890 (ZelchmKis
Peter Lorre, der „Verlorene"
schaffen. Vorausgesetzt, daß man so kompromißlos und mit solch sicherem künstlerischen Instinkt zu Werke geht, wie es Peter Lorre getan hat. SN.
Fahrraddiebe" — Kein Film der Retorte
Mülionenstadt unter Zehntausenden von Fahrrädern das gestohlene. Wenn er es nicht findet, wird er seine Stelle verlieren. Endlich stellt er den Dieb; aber das Fahrrad erhält er nicht zurück. In seiner Verzweiflung stiehlt er selbst ein anderes Rad, wird ertappt und verprügelt. An der Hand seines Jungen geht er in eine ungewisse Zukunft hinan.
„Diese letzte Szene des Films, in der der Junge, seine Hand in die des völlig gebrochenen Vaters legte, ist vielleicht das stärkste filmische Erlebnis seit Charlie Chaplins und Jackie Coogans, The Kid, vor 30 Jahren“, schreibt die größte Wochenzeitung der Welt, die New Yorker „Life“.
Wer die Zurückhaltung der amerikanischenKri- tik in der Beurteilung
ausländischer Filme kennt, weiß was dieses Wort zu bedeuten hat.
Drei Filme de Sicas haben seit 1946 die Weltöffentlichkeit aufhorchen lassen: „Schuhputzer“, „Fahrraddiebe“ und „Wunder von Mailand“. Sie sind eine Trilogie über das Italien der Nachkriegszeit, und sind mehr als das allein: Dokumente eines neuen Stils, der über den italienischen Neo- verismo hinausweist. Nicht die Schilderung des Elends ist ihr letzter Zweck, sondern der von ungeheurer Suggestivkraft getragene Anruf an den Menschen und seinen guten Willen. Das Leben in seiner Ursprünglichkeit
spricht aus den „Fahrraddieben“, wie es aus „Schuhputzer“ sprach- - . , , Es ist kein Film aus
Ooaoy horse 1850 d er Retorte, sondern
fZtidmmg RKO) ein Film, der auf der Straße mit Menschen von der Straße gedreht wurde.
Vittorio de Sicas Film ist kein „Trümrner- fllm“, kein tendenziöses Machwerk. „Fahrraa diebe“ ist ein Streifen, der unsere Zeit uh Nachwelt erkennen läßt, daß es hin und wi der gelingt, auf dem Zelluloid des tische Wirkungen zu erzielen und die W® ' tät einer gültigen künstlerischen Aussage erreichen.