MITTWOCH, 24. OKTOBER 1951
WIRTSCHAFT
NUMMER 166
Lebenshaltungskosten und Verbrauchssdiema
Die Konsumgewohnheiten haben sich seit 1938 geändert / Reailohn-Vergleich nur bei gleicher Basis möglich
An gleicher Stelle erschien in unserer Ausgabe vom 3. Oktober 1951 ein Aufsatz „Kaufkraftverfall oder irreführende Statistik“, in dem die Entwicklung der Lebenshaltungskosten mit der der Löhne verglichen wurde. Ein Vergleich, der in einer Aussage über die Höhe des Reallohnes gipfelte.
Vergleichbare Größen
Der Reallohn ergibt sich aus dem Vergleich des Nominallohnes mit den Lebenshaltungskosten. Oder einfacher: Der Reallohn ist für den Arbeiter das, was er sich praktisch mit seinem Monatsverdienst kaufen kann. Bei den ständigen Veränderungen. denen die Lebenshaltungskosten und die Löhne, vor allem seit der Währungsreform und seit Ausbruch des Koreakrieges unterworfen sind, ist es heute ein beliebtes Zahlenspiel, an Hand statistischer Berechnungen die Entwicklung der Reallöhne seit 1938 (also die Kaufkraft der Löhne seit dem letzten „Friedensjahr“) nachzuweisen. Dafür ist zunächst erforderlich, bei den Lebenshaltungskosten die gleichen Verbrauchsgewohnheiten als Basis anzunehmen. 1938 hat der durchschnittliche Arbeiterhaushalt „billiger" gelebt und daher anders eingekauft als heute. Die Verbrauchsschemata von 1934 bis 38 und 1949 (errechnet aus den Haushaltsbüchern von damals und heute) setzen sich daher aus anderen Verbrauchsgewohnheiten zusammen. Die Indexziffer für die Lebenshaltungskosten bei der Währungsreform müssen also auf das Verbrauchsschema 1934 bis 38 umbasiert werden, da sich die Brutto- atundenverdienste ebenfalls auf die Indexbasis 1938 = 100 beziehen. Nur dann kann die Entwicklung der Reallöhne, gemessen an dem Lebensstandard von 1938, aus den nunmehr vergleichbaren Größen Lebenshaltungskosten und Löhne abgelesen werden.
Wie groß der Unterschied des Lebenshaltungsindex auf der Preisbasis 1938 = 100 ist, wenn man einmal das Verbrauchsschema von 1934 bis 38 uhd zum andern dasjenige von 1949 zugrundelegt; erläutert folgende Tabelle:
Lebenshaltungsindex 1938 = 100
Verbrauchs- Verbrauchsschema 1934—38 Schema 1949
1949
173
160
1950
161
151
19511. Halbjahr
172
161
Diese Zahlen zeigen eindeutig, daß der Unterschied der Indices, der im Durchschnitt 11 Index- Punkte beträgt, nicht zu unterschätzen ist. Die Ursachen dafür liegen auf der Hand. Der Verbrauch an hochwertigen Nahrungsmitteln wie Fleisch, Butter usw. sowie an Genußmitteln wie Bohnenkaffee, Tabakwaren usw. war im Jahre 1938 erheblich größer als 1949. Gerade diese Waren aber haben sich unverhältnismäßig stark verteuert. Wenn man daher die Indexziffern der Lebenshaltungskosten mit den Lohnindexziffem vergleichen will, kann man an dieser Ver- schiebung des Verbrauches nicht ohne
Stromeinschränkung erst ab heute
TÜBINGEN, r Mit Rücksicht auf die Versorgungslage sah sich auch das Wirtshaftsministerium von Württemberg-Hohenzollem genötigt, nah bundeseinheitlichen -Richtlinien auf Grund des Energienotgesetzes mit Wirkung vom heutigen Mittwoh (vgl. unsere Ausgaben vom letzten Mittwoch und Montag) zu verordnen. Letztverbrauher mit einem Wohenverbrauh von mehr als 2000 kWh auf BO Prozent des mittleren Wohenverbrauhs zu beshränken, den sie im entsprechenden Monat des Vorjahres hatten. Lebenswichtige Betriebe werden von den Einschränkungen .ausgenommen. Die betroffenen Selbstverbrauherwerden angehalten, jeden Montagfrüh ihre Zähler nah Stand und Verbrauhsmenge abzulesen und das Ergebnis den sie beliefernden Elektrizitätsversorgungsunternehmen im Laufe desselben Tages mitzuteilen.
weiteres Vorbeigehen. Man wird den Verhältnissen einigermaßen gereht, wenn man den Lebens- haitungsindexziffern nach Verbrauchsschema 1949 11 Punkte zuschlägt. Diese Korrektur ist aber unbedingt erforderlih, wenn man zu vergleichbaren Ergebnissen kommen will.
In folgender Tabelle sind nun die einzelnen Zahlenreihen gegenübergestellt und die Berechnung des Reallohnes wurde, getrennt für das Bundesgebiet und für Württemberg-Hohenzollem, vollzogen:
Lebenshaltungskosten und Löhne im Bundesgebiet und in Württemberg-Hohenzollem (Bezogen auf das Verbrauhsshema 1938)
Bundesgebiet W ürttbs.-; :ohenz.
Lebens
Lünne
Lebens
Löhne
haltung
iteatloha
haltung
Keallohn
19-18
1938
1938
1938
= (00
= (00
=100
= 100
1948 Sept.
170
133
78
_
124
—
Dez.
179
140
78
167
137
82
1949 März
178
144
81
167
141
84
Juni
170
149
88
165
142
86
Sept.
166
151
91
164
143
87
Dez.
187
152
91
165
144
87
1950 März
164
154
94
163
149
91
Juni
162
155
96
163
151
93
Sept.
159
160
101
160
153
96
Dez.
162
168
104
163
161
99
1951 März
172
174
101
174
168
97
Juni
—
—
—
181
180
99
Zunächst findet sih die Tatsache bestätigt, daß sowohl im Bund als auh in Württemberg-Hohenzollem die Differenz zwishen Lebenshaltungskostenindex und Lohnindex anfänglih sehr groß war, sih aber im Laufe der Zeit immer mehr verringerte. Im September 1950 überschritten im Bundesgebiet schließlich die Reallöhne den entsheidenden Wert 100. Dte gleihe Entwicklung verzeichnet Württemberg-Hohenzollem, allerdings etwas verzögert. Es läßt sih sagen, daß auh hier zwishen März und Juni 1951 der Wert 100 erreiht wurde, da im Frühsommer erfah-
PARIS. Die Bundesrepublik hat sih Im S. Quartal 1951 gegenüber der europäischen Zahlungsunion (EZU) mit 106 Millionen Rechnungseinheiten (eine Rechnungseinheit hat zurzeit den Wert eines Golddollars) verschuldet, wie aus einer EZU-Statistik hervorgeht. Von dieser Summe wurden 104,8 Millionen kreditiert und 1.2 Millionen in Gold bezahlt.
Zum erstenmal ist Großbritannien Im September aus einem Gläubiger der EZU zu einem Shuldnerland geworden. Im Berihtsmonat wird ein britishes Defizit in Höhe von 204 Millionen Dollar ausgewiesen.
NEW YORK. — Großer Kurseinbruch zu dem größten Kurseinbruch dieses Jahres an der New Yorker Effektenbörse führte am Montag ein lawinenartiges Angebot. Durh den Kurseinbruh entstand ein Wertverlust von etwa .1 Milliarde Dollar.
SYDNEY. — Wollpreise steigen wieder. Bei den Wollauktionen in Sydney sind cUe Preise für Wolle zu Beginn dieser Wohe wieder um 15 Prozent angestiegen. Auh an der New Yorker Baumwollbörse konnten sih die Preise in den letzten Tagen wieder festigen. Preiserhöhungen von 60 bis 100 Cents pro Ballen waren gegenüber der Vorwohe zu verzeichnen.
PARIS. — Französische Benzinpreise erhöht. Durh eine 20prozentige Sondersteuer auf Benzin hat sih der Benzinpreis in Frankreih am Montag von 53,5 auf 64 ffrs pro Liter erhöht.
STOCKHOLM. — Schweden plant Autosondersteuer. Eine lOprozentige Sondersteuer für Per
rungsgemäß die Preisindexziffer für die Lebenshaltung durh die Einbeziehung von teuerem Frühgemüse, Frühobst und Frühkartoffeln zu hoh liegt. Nimmt man den entsprechenden Indexwert ohne Berücksichtigung von Obst und Gemüse von 177. so ergibt sih ein Reallohn von 102. Diese Zahlen bestätigen, daß selbst unter Berücksichtigung des Lebensstandards 1938 die verteuerte Lebenshaltung durh entsprechend erhöhte Löhne ausgeglihen worden ist. (Das Ergebnis gilt nur für die Industriearbeiterschaft. Für andere Bevölkerungskreise würde sih ein anderes Bild ergeben.)
Indexziffern nur Mittelwerte
Zu diesem Ergebnis muß bemerkt werden: Wie alle statistischen Zahlen drücken auh die genannten nur Mittelwerte aus, die zwar im Durchschnitt richtig, im Einzelfalle aber selten anwendbar sind. Diese Überlegungen haben besonders für die Anwendbarkeit der Lohnindexziffern zu gelten. Gerade bei diesen zeigt sih, wie sehr in den vershiedenen Gewerbezweigen die Lohnänderungen voneinander abweihen. Zieht man z. B. die für das Deutshe Reih im Jahre 1938 und die für das Vereinigte Wirtshaftsgebiet im März 1951 ermittelten Bruttostundenverdienste heran, so ergeben sih folgende beachtliche Tatsahen: Im günstigsten Fall haben sih die Löhne einer Gewerbegruppe von 1938 bis März 1951 etwas mehr als verdoppelt, im ungünstigsten Fall etwa um 30 v. H. erhöht. Während sih als Differenz zwishen höchsten und niedrigsten Bruttostunden Verdiensten im Jahre 1938 RM —.55 ergab, betrug der Unterschied im März 1951, DM —.75. Es muß zwar zugegeben werden, daß einige Gewerbegruppen, deren Lohnverhältnisse 1938 sehr shleht waren, ihre Lage bis 1951 verbessern konnten (Textilindustrie, Nahrungs- und Genußmittelindustrie), es darf aber niht verkannt werden, daß andere, die shon 1938 günstige Lohnverhältnisse hatten, sehr erhebliche Lohnerhöhungen aufweisen konnten. Das gilt insbesondere für die eisenshaffende Industrie, die Gießereiindustrie, die Industrie der Steine und Erden und das Baugewerbe. H.S.
sonenkraftwagen und Motorräder will die schwedische Regierung rückwirkend ab 20. Oktober einführen. Zweck der Steuer ist, den Verkauf von Kraftfahrzeugen zu drosseln und damit der Inflation Einhalt zu gebieten.
ESSEN. — DKBL für dentschen Kohlenverkaufsvorschlag. Die deutshe Kohlenbergbauleitung hat die amtlihen deutschen Stellen gebeten. sih nohmals bei der Hohen Kommission für die künftige Organisation des deutschen Kohlenverkaufs eirizusetzen. Bei der Durchführung der Empfehlungen des Interalliierten Ausschusses würden trotz bestem Willen aller Beteiligten bei der Lenkung, Steuerung und Versorgung Spannungen und Störungen entstehen, die im Rahmen des deutschen Vorshlages vermieden werden könnten.
BERLIN. — Stahl-Soll nicht erreicht. Nah einem Bericht des deutschen Instituts für Wirt- schaftsforshung wurde in der Sowjetzone das Planziel der S'ahlerzeugung für 1950 von 1,5 Millionen t niht erreiht. Trotz aller Bemühungen betrug die Stahlproduktion nur 780 000 t.
BONN. — Verkanfssonntage vor Weihnachten. Der Deutshe Industrie- und Handelstag hat dem Bundeswirtshaftsministerium vorgeshlagen im Einvernehmen mit den Ländern die einheitliche Genehmigung für das Offenhalten der Einzel- handelsgeschäfte an den drei Sonntagen vor Weihnahten (9., 16. und 23. Dezember) durchzu- setzen.
BONN. — Gesteigerte Industrieproduktion. Trotz der Kohlen- und Rohstoffengpässe ist die Industrieproduktion des Bundesgebietes im Sep-
Ein unliebsames Stiefkind
hb. Eine Milliarde DM wollte die westdeutshe Wirtshaft als Investitionsmittel der demontierten Grundstoffindustrie zuführen. Aus der „freiwilligen Selbsthilfe“ ist längst eine Gesetzesvorlage geworden, die noh immer in der Bonner Parlamentsmühle ausgemahlen wird. Was einmal herauskommen wird, läßt sih noh niht Voraussagen, da erst abzuwarten ist, inwieweit die Interessenvertreter der einzelnen Wirtshaftszweige unseren Volksvertretern inzwishen glaubhaft mähen konnten, daß ihre Branhen selbst sehr kapitalbedürftig seien und daher — leider — keinen Pfennig erübrigen könnten. Dafür klagt die weiterverarbeitende Industrie immer stärker, sie habe keine Kohlen, keinen Stahl, keine Walzwerkserzeugnisse usw. und müsse daher vermehrt die neugeshaffenen Produktionskapazitäten brahliegen lassen (was sih kostenerhöhend in den Preisen der Endprodukte niederschlägt). Doh niht nur von deutscher Seite wird di« Grundstoffindustrie wie ein unliebsames Stiefkind behandelt. Das Kohleproblem ist bekannt. Aber unsere eisen- und stahlerzeugende Industrie erfreut sih niht minder des fehlenden Wohlwollens der westlihen Alliierten. Zögernd nur hat man das Jahreslimit an Stahl auf 11,1 Millionen Tonnen erhöht. Eine Stahldecke, di« sih im Vergleich zum Stahlbedarf wie eine Serviette ausnimmt, die verloren eine Hohzeitstafel bedeckt. Unberührt von der Stahlkalamität der westdeutschen Wirtshaft dürfen wir laut Nr. 61 der Petersberger Gesetzesmashine nur dann mehr Stahl erzeugen, wenn wir damit der „gemeinsamen Verteidigung“ dienlih sind. Das zu entscheiden, ist dem militärischen Siherheitsamt Vorbehalten, das in Koblenz residiert und bislang Deutshlands absolute Abrüstung zu gewährleisten hatte. Bei der August-Thvssen-Hütt« hat nun das Koblenzer Amt Gelegenheit, zu zeigen, inwieweit es die Umkehrung seiner bisherigen Aufgaben ins Gegenteil vollzogen hat. Mit einer Jahreskapazität von 2,3 Millionen Tonnen Stahl war die Hambomer Hütte die leistungsfähigste im Vorkriegsdeutshland. Jetzt darf si« 117 000 Tonnen produzieren. Trotz empfindlicher Demontagen könnte aber die Hütte bei geringem Kapitalaufwand ihre Kapazität auf eine Million Tonnen erhöhen. Erst dann erreiht sie ihre Rentabilitätsgrenze. Mit 117 000 Tonnen ist sie dagegen niht lebensfähig. Mit einem Schlag könnt« die deutshe Stahlmisere, unbeschadet davon, wann endlich Bonn die Selbsthilfe-Milliarde kodifiziert, mit wenig Mitteln überwunden werden, wenn Koblenz die Kapazitätserhöhung als fm Interesse der „gemeinsamen Verteidigung“ Hegend erahtet. Oder noh besser: wenn endlih die unvernünftige Stahl-Limitierung ganz entfällt. Das würde dem Geiste des Shumanplane« entsprechen
tember beträchtlich angestiegen, berichtet da» Bundeswirtshaftsministerium. Die Gesamtindexziffer der industriellen Produktion erreiht« einen Stand von 132 täglich (1936 «• 100), gegenüber 126 im August und 123 im September. Di« Produktionsbelebung erfaßte alle Wirtshaftszweige mit Ausnahme der Grundstoffindustrien,
FRANKFURT. — Reiseverkehr erleichtert. Zur Erleihterung des Reiseverkehrs hat die Bank deutscher Länder dte Außenhandelsbanken ermächtigt, außer Noten und Münzen, die auf US- Dollar, sfr, bfr, 1fr und ffr lauten, auh Sorten anderer Währungen zu Kursen, die sih aus der Marktlage ergeben, für eigene Rechnung anzukaufen, ihrem Sortenfonds zuzuführen und für den Reiseverkehr wieder auszugeben. Außerdem dürfen diese Sorten untereinander gehandelt werden.
TÜBINGEN. — Bäckereien mit Hoizfenerung. Die Bäckereien verfügen im Gegensatz zu früheren Jahren für den kommenden Winter über^ keinerlei Kohlenvorräte, erklärte der Obermeister der Tübinger Bäcker. Die Kürzung des Kohlenkontingents wollen die Bäckereien trotz der „auf die Dauer untragbar hohen Kosten“ durh Holzfeuerung ausgleihen, um die Existenz der Betriebe und die Versorgung der Bevölkerung siherzustellen.
Wl rtschaf (»Spiegel 106 Millionen EZU-Schulden
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