NUMMER 16 2
WIRTSCHAFT
MITTWOCH, 17. OKTOBER 1
Die äußere und die innere Steuerreform
Gedanken über die notwendige Entlastung des Beamtenapparts
Auf der diesjährigen Tagung der Steuerberater hat Ministerialdirektor Mersmann festge.tellt, daß nu. me r die-außerfte Grenze der steuerlichen Belastung erreicht sei. womit er recht h t; die weitere Ankündigung d r viel berede, ten großen Steuerreform im Jahr 19:3 ist bis jetzt eine Utopie — wie Mersmann nicht leugnet indem er feststellt, daß durch die äußerste Anspannung aller Steuern kein Spielraum für eine organisch aufgebaute St-uerr: form vorhanden sei. D f ese offiziösen Ausführungen in Verbindung mit der Ankündigung, daß die (jetzt vom Fundesrat abgelehnte) Aufwandsteuer oder die hilfsweise weitere Erhöhung der allgemeinen Umsatzsteuer vorläufig di" letzt» „kleine« Steuerreform darstelle, lenkt die Aufmerksamkeit auf die innere Seite der Steuerpolitik und der Steuererhebung.
G.W.B. Vor etwa einem Jahr war an dieser Stelle von „pathologischer Steuerpolitik“ die Rede; die Entwicklung hat dieser Auffassung recht gegeben, auch wenn durch die politische Entwicklung diese allgemeine Erhöhung der steuerlichen Lasten eine gewisse Rechtfertigung erfahren hat.
Man hört in den Kreisen der Finanzverwaltung ab und zu die Auffassung, daß es bei ihrer schwierigen Lage vernünftiger sei, negative Kritik zu unterlassen, weil dadurch die Renitenz der Steuerpflichtigen nur gestärkt würde; von der Steuermoral, wie sie die Finanzverwaltung beurteilt, sei gar nicht die Rede. Woher kommt aber diese schwierige Lage der Finanzverwaltung, die sich ohne weiteres daraus erklärt, daß einzelne Finanzämter jetzt noch mit der Abfertigung der Steuerbescheide 1948/49 beschäftigt sind und noch geraume Zeit beschäftigt sein werden?
Grundsätzlich haben die zahlreichen neuen Gesetze (zum großen Teil rückwirkender Natur) den Beamtenapparat ohne Frage so ins Hintertreffen gebracht, daß noch gar nicht abzusehen Ist. wann hier wieder laufende Arbeit geleistet werden kann. Die Folgen dieser „Rückstände“ (wenn es auch solche bei einer Behörde offiziell nicht geben mag) liegen nicht nur in einer starken Verzerrung des Steueraufkommens, sondern in einer unerträglichen Mehrarbeit für die Wirtschaft und die Verwaltung. Zum anderen ist es fraglich, ob der heutige Beamtenapoarat der Finanzverwaltung (nicht etwa qualitätsmäßig, sondern nur quantitätsmäßig) der vergrößerten Arbeitsfülle überhaunt noch gewachsen ist. Bei der Wirtschaft und ihren Beratern ist dies der Fall, einfach deshalb, weil ein Nachhinken für sie wirtschaftlichen Selbstmord bedeuten kann.
Da der Finanzverwaltung aber die Arbeitsmethoden der freien Wirtschaft zur Intensivierung der Leistung (sei es durch Überstunden, sei es durch erhöhte Bezahlung usw.) nicht offenstehen, läge es nahe, andere Wege zu suchen. Es fehlt dazu nicht an diskutablen Vorschlägen: Wenn man z. B. überlegt, daß es im heutigen Bundesgebiet etwa 860 000 Handwerksbetriebe gibt, die steuerlich zu überwachen sind, so könnte — um nur ein Beispiel zu nennen — in der Herausnahme dieser Betriebe aus den allgemeinen Methoden der Steuererfassung und Steuererhebung eine beträchtliche Chance liegen, den Beamtenapparat so zu entlasten, daß die übrigen steuerlichen interessanten und lohnenden Fälle mit der gebotenen Sorgfalt bearbeitet werden könnten. Die Ostzone hat mit dieser sogenanten Normativbesteuerung des ostzonalen Handwerks einen durchaus interessanten Versuch unternommen, der — seiner den dortigen Verhältnissen entsprechnden politischen Akzente entkleidet — eine außerordentliche Erleichterung für die Fi
nanzverwaltung und die Steuerpflichtigen bedeuten kann, ohne daß auf indirekte Weise die Steuerschraube gerade beim Handwerk angezogen würde. Das beträchtliche Ausmaß der sogenannten bisherigen Richtsatzprüfungen und die ewigen Streitereien um die von den Handwerkern immer wieder angegriffenen Gewinnrichtsätze seien nur am Rande bemerkt.
Die Wirtschaft hat im Augenblick von großen oder kleinen „Steuerreformen“ der bisherigen Art — kurz gesagt — sicher die Nase voll, und man plaudert sicher keine Geheimnisse aus der Steuerberatung aus, wenn man aus praktischen Erfahrungen heraus feststellt, daß bei den Steuerpflichtigen seit diesen Reformen durchweg eine außerordentlich verschärfte Tendenz zu bemerken ist, durch die Ausnützung der letzten (legalen) Möglichkeiten das Äußerste aus dem Gesetz
BAD WILDUNGEN. Die westdeutsche Gaswirtschaft will keine Rationierung des Gasverbrauchs Im Haushalt, wurde auf der Arbeitstagung dev deutschen Gaswirtschaft, die zurzeit in Bad Wildungen stattfindet, mitgeteilt. Um dies zn ermöglichen, sei jedoch äußerste Disziplin der Bevölkerung erforderlich. Der Gasverbrauch in den Haushalten im kommenden Winter müsse vernünftig, sparsam und rationell erfolgen. Nachdrücklich wurde gefordert, die Gas- und Strompreise den gegenwärtigen Kohlenpreisen anzn- gleichen.
Ferner wurde auf der Tagung betont, die wichtigste Aufgabe der Gaswirtschaft für die nahe Zukunft sei, der gegenwärtigen Kohlenkrise wirkungsvoll zu begegnen.
ESSEN. — Einheitlicher Kohlenpreis vorge- cchlagen. Nach Ansicht maßgebender Kreise des Ruhrbergbaues und der Ruhrwirtschaft ist ein einheitlicher Kohlenpreis erforderlich, um den illegalen Kohlenhandel zu beseitigen. Das gegenwärtige System mit seinen Preisunterschieden sei abzulehnen, da es das „Treiben dunkler Elemente“ nur begünstige. Nachdrücklich wird festgestellt, die Kohlenlenkung arbeite einwandfrei.
WUPPERTAL. — Erfolg der Eisenlenkung bezweifelt. Nach Ansicht der Indus'rie- und Handelskammer Wuppertal erwartet die eisenverarbeitende Industrie von den angekündigten Lenkungsmaßnahmen keine Besserung der Eisenversorgung, vielmehr wird befürchtet, daß die vorgesehene Abzweigung eines Teiles der Walzwerkproduktion für Sonderbedarfsträger die Bezugsmöglichkeiten weiter einengen wird.
DÜSSELDORF. — Schrott bleibt Engpaß. Die gegenwärtige laufende Schrottaktion wird den Schrottengpaß nicht besei’igen. sondern lediglich eine vorübergehende Entspannung bringen, heißt es in einem Bericht des StaMstischen Landesamtes von Nordrhein-Westfalen. Die Produktionslage werde sl'h durch die zunehmende Brennstoff- und Materialverknappung weiter verschlechtern.
WIEN. — Preisstop in Österreich? Die österreichische Industrie hat einen Preisstop vorgeschlagen, um ein weiteres Absinken der österreichischen Kaufkraft zu verhindern und die Inflationsgefahr vermindern zu können. Die Industrie ist bereit, bis Ende dieses Jahres auf Preisheraufsetzungen zu verzichten, wenn auch Gewerbe, Handel und Landwirtschaft das gleiche
herauszuholen. Kein Wunder, daß dabei das, was nicht im Gesetz steht (und leider haben die neuen Gesetze z. T. erhebliche Mängel und Lük- ken) zunächst pro domo und gegen den Fiskus ausgelegt wird. Es wäre daher onne Frage für den Fiskus und die Schäfchen, die er nun einmal scheren muß, vorteilhaft, wenn die nach den Ausführungen von Mersmann bevorstehende Zeit der Besinnung bis zu einer wahren großen Steuerreform dazu benützt würde, durch eine innere Verwaltungsreform gewisse Voraussetzungen zu schaffen; es könnten dabei zweifellos einige der Fragen, die die Steuerpflichtigen immer von neuem erregen — wie z. B. die Rückwirkung der Steuergesetze — leichter gelöst werden. Gerade die Rückwirkung der Steuergesetze scheint ein wesentlicher Beweis dafür, daß die Finanzverwaltung dem Tempo der Gesetzgebung nicht zu folgen vermochte und daher versuchen muß, durch rückwirkende Verwaltungsanordnungen das in die Gesetze hineinzumanipulieren, was der Gesetzgeber nicht wollte oder übersehen hat.
tun. Entsprechend müßten auch Tarif- und Lohnerhöhungen unterbleiben.
MELBOURNE. — Wollpreis e wieder gefallen. Ungenügende Nachfrage ließ die Preise für hochwertige Merino-Sorten auf der Wollauktion in Melbourne gegenüber dem Stand der Vorwoche wieder bis zu 5 Prozent fallen. Auch bei den Auktionen an anderen australischen Plätzen sind Preisabschläge von 5 bis 15 Prozent zu verzeichnen.
FRANKFURT. — Günstiger Jahresabschluß der Bundespost. Für das Rechnungsjahr 1950 weist die Bundespost einen Betriebsgewinn von 377,9 Millionen DM Gewinn gegenüber 329.4 Millionen im Vorjahre aus. Der Reingewinn belief sich auf 249,4 (1949: 181,3) Millionen, Dieser Gewinn ermöglichte der Bundespost, von den Neuinvestitionen des Berichtsjahres in Höhe von 366 Millionen DM 288 Millionen aus eigenen Mitteln aufzubringen.
TÜBINGEN. — Brennstoff sparen. Das Wirtschaftsministerium von Württemberg-Hohenzol- lem hat alle staatlichen und kommunalen Behörden sowie die öffentlichen Körperschaften angewiesen, die Brennstoffvorräte so sparsam wie möglich zu verwenden. Es werde nicht möglich
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BONN. Bundeswirtschaftsminister Erhard hat den Erlaß über die Stromeinschränkungs- maßnakmen im kommenden Win.er unterschiieben und den Länderregierungen zugeleitet. Mit diesem Erlaß wird die rechtliche Grundlage zu Stromeinschränkungsmaßnahmen geschaffen, da die akute Kohlenknappheit keine genügende Energieversorgung im Winter zuläßt. Die vor- gesehenen Einschränkungsmaßnahmen sollen an einem noch festzulegenden Tag „X“ wirksam werden. Aus gut unterrichteten Kreisen verlautet, daß der Tag „X“ noch in dieser Woche, voraussichtlich am 18. Oktober, angesetzt wird. Es ist anzunehmen, daß wegen der zunächst notwendigen Zählerablesungen die Einschränkungen nicht vor dem 29. Oktober wirksam werden.
Industrielle Abnehmer mit einem Wochenver- 1 brauch von über 2000 kWh sollen auf 90 Prozent ihres mittleren Wochenverbrauchs beschränkt werden, den sie im entsprechenden Monat des Vorjahres hatten. Stromintensive Betriebe der eisenschaffenden, der Aluminium- und der chemischen Industrie unterliegen einer Sonderregelung. Darüber hinaus sind, wenn es nötig werden sollte, Beschränkungen für alle Verbraucher mit über 1000 kW-Leistung vorgesehen. Reklame- und Schaufenster beleuchtung sind nur noch ln unmittelbarer Nähe der Betriebsstätten während und eine halbe Stunde vor wie eine halbe Stunde nach der Geschäfts- l* zeit gestattet. Repräsentative Beleuchtungen und Sonderbeleuchtungen sind verboten.
sein, den angemeldeten Brennstoffbedarf in vol-" lern Umfange zu decken.
RAVENSBURG. — Billige Kartoffeln angeho- ten. Zu einem Preis von 5.80 DM je Zentner ab. Erzeuger und 6.50 DM frei Haus will der Ortsbauernverband Ravensburg die in seinem Be-; reich vorbestellten Einkellerungskartoffeln ab-? geben. Der vom Bundestag festgesetzte Preis beträgt 7.50 DM je Zentner.
STUTTGART. — Volksbanken melden steigenden Umsatz. Wie der Württembergische Genossenschaftsverband (Schulze-Delitzsch) e. V. berichtet, ist der Umsatz bei dem Ihm angeschlossenen Volksbanken im III. Quartal 1951 weiter gestiegen. Er betrug im I. Quartal DM 8.64 Mil-.; liarden, im II. Quarta! DM 3,88 Milliarden und im III. Quartal DM 3,94 Milliarden. Die den, Volksbanken anvertrauten Einlagen haben im, September um rund DM 4,8 Millionen zugenom-, men.
Keine „ungesund erhöhte Handelsspanne 14
Einzelhandel appelliert an Verbraucher / Kritik an den Käufern
KÖLN. Die Hauptgemeinschaft des deutschen Einzelhandels hat am Montag an die Verbraucher, vor allem an die Hausfrauen appelliert, durch kritischeres Kaufen und durch sorgfältigere Auswahl der preisgünstigsten Geschäfte selbst einen stärkeren Einfluß auf die Gestaltung der Preise auszuüben. Gleichzeitig wird der vielfach erhobene Vorwurf zurückgewiesen, der westdeutsche Einzelhandel beanspruche eine „ungesund erhöhte Handelsspanne“ und verteuere dadurch die Ware.
In einer in Köln veröffentlichten Denkschrift, die sith an alle Verbraucher wendet, betont der Einzelhandel, der Käufer habe bisher die Vorteile der freien Marktwirtschaft nicht hinreichend ausgenutzt. Eine Art „Boykott“ (Käuferzurückhaltung) sei nur eine schlechte „Radikalkur“, um Einfluß auf Markt und Preise zu gewinnen. Letztlich sei die Folge nur eine Entlassung von Ar
beitskräften. Durch einen sorgfältigen Preis- und Qualitätsvergleich und durch die Berücksichtigung solider Geschäfte würden dagegen „die verantwortungsbewußten Unternehmer belohnt“. Es wird versichert, der Einzelhandel sei selbst stark an niederen Preisen interessiert. Die Erhöhung der Preise und Handelsspannen einiger Grundnahrungsmittel nach Ausbruch des Koreakonflikts sei behördlich festgesetzt, der Einzelhandel trage daran keinerlei Schuld. Auch auf die Preisgestaltung der Markenartikel hab« der Einzelhandel keinen Einfluß.
Ferner wendet sich der Einzelhandel gegen di« Vorstellung, Handelsspanne und Reinverdienst seien identisch Von den durchschnittlich 30 Prozent Handelsspanne werde der größte Teil für Handelsunkosten verbraucht (in Amerika betrage der Unkostenanteil sogar 60—70 Prozent). Der Einzelhandel arbeite also billig.
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