NUMMER 159

FREITAG, 12. OKTOBER 1951

Volkskammer antwortet dem Bundestag

Erneut gesamtdeutsche Beratungen gefordert / 14 Punkte als Diskussionsgrundl age

BERLIN. Die ostzonale Volkskammer for­derte in ihrer Sondersitzung am Mittwoch den Bundestag erneut zu einer Erklärung darüber auf, ob er zu einer gesamtdeutschen Beratung über Wahlen in ganz Deutschland und über den Abschluß eines Friedensvertrages für ganz Deutschland bereit sei. In einem einstimmig gefaßten Beschluß wurde die Auffassung ver­treten, der Bundestag habe auf den ersten Ap­pell nicht vollständig geantwortet. Gleichzeitig wurde hervorgehoben, daß die Mehrzahl der von der Bundesregierung genannten 14 Be­dingungen für gesamtdeutsche Wahlen an­nehmbar seien. Zu einem Friedensvertrag für Deutschland habe sich der Bundestag über­haupt nicht geäußert.

Ergänzt wurde der neue Appell durch einen ebenfalls einstimmig angenommenen Zusatz­antrag der Ostzonen-CDU. in dem der Bundes­tag aufgefordert wird, die Verhandlungen des Bundeskanzlers mit den Westalliierten zu un­terbinden.

Mit ihrem Beschluß billigte die Volkskammer eine Erklärung Grotewohls, in der dieser Bundeskanzler Adenauer und den SPD- Vorsitzenden Schumacher beschuldigte, sie seienGegner der friedlichen Einigung Deutschlands und dächten an Krieg und Re­vanche. In der Debatte wies Ostzonenaußen- minister Derjinger auf die Stärke und die mögliche Reaktion der Sowjetunion hin und er­innerte an die sowjetische Note an Frankreich, ln der die Sowjetunion erklärte, sie werde sich mit einer Wiederbewaffnung der Bundesrepu­blik niemals abfinden. Gleichzeitig betonte er im Namen der Sowjetzonen-CDU, daß man zu ernsten Zugeständnissen am gemeinsamen Be­ratungstisch bereit sei.

Die Forderung des Bundestages auf inter­nationale Kontrolle gesamtdeutscher Wahlen hat bei den Fraktionen der Volkskammer kei­nen Anklang gefunden. Es wurde der Vor­schlag gemacht, diese Fragegemeinsam zu er­örtern. Außerdem wurde der Bundestag auf­gefordert, sich zu äußern, ob er damit einver­standen sei, in allernächster Zeit gesamtdeut­sche Beratungen durchzuführen und über die Frage der Wahl und des Friedensvertrages mit Deutschland zu beraten. Die Volkskammer sei ihrerseits zur sofortigen Aufnahme der Bera­tungen und zur Ernennung ihrer Vertreter be­reit. Nicht ausdrücklich erklärt wurde, welche der 14 Punkte Adenauers man für unannehm­bar halte. Zudem betonte Grotewohl, daß ge­samtdeutsche Bestechungen mit dem Bundes­kanzler nicht in Frage kämen.

In Kreisen der Bundesregierung bezeichnet

Unzufriedenhe t M

Gewerkschaften zur Wirtschaftspolitik

DÜSSELDORF. Der Bundesausschuß des Deutschen Gewerkschaftsbundes hat die Ent­scheidung über die Frage, ob die Gewerkschaf­ten die Mitarbeit in den wirtschaftspolitischen Gremien einstellen sollen, ausgesetzt. Zunächst soll das Ergebnis neuer Verhandlungen mit Bundeskanzler Dr. Adenauer abgewartet werden. Eine Zusammenkunft des DGB-Vor- sitzenden Christian Fette mit dem Kanzler ist für den 15. Oktober vorgesehen. In einem Kommunique über die Diskussion des Bun­desausschusses des DGB wird zum Ausdruck gebracht, die seitherigen Verhandlungen zwi­schen dem Bundeskanzler und den Gewerk­schaften über den wirtschaftspolitischen Kurs hätten den Erwartungen der Gewerkschaften nicht entsprochen.

Fette wies am Mittwoch den vom Deutschen Industrie-Institut gegen ihn erhobenen Vor­wurf zurück, daß er mit seiner Rede in San Franzisko neues Mißtrauen in den USA gegen die deutsche Industrie verbreitet habe. Der DGB-Vorsitzende hatte in dieser Rede behaup­tet, die deutschen Industriellen hättenHitler in den Sattel gesetzt".

man die Forderung, die deutsch-alliierten Ver­handlungen abzubrechen, als Verzögerungstak­tik. Die Bundesregierung werde darauf behar­ren, die Möglichkeiten einer freien und gehei­men Wahl in der Sowjetzone zuerst von den UN untersuchen zu lassen und eine Garantie­erklärung der Sowjetunion für die Abhaltung solcher Wahlen abzuwarten. Der Staatssekre­tär im Auswärtigen Amt, Prof. H a 11 s t e i n , führte aus, die Bundesregierung sei nicht für gesamtdeutsche Beratungen, sondern für gesamtdeutsche Wahlen. Verhandlungen be­deuteten nach kommunistischer Praxis Verzö­gerung. Die Grotewohlerklärung lasse die Ten­denz erkennen, die deutsch-alliierten Verhand­lungen über die Einbeziehung der Bundesrepu­blik in den Westen zu stören.

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD, Ollenhauer, hob hervor, daß die neue Grotewohlrede keine Antwort auf die Be­schlüsse des deutschen Bundestages sei. Man habe versucht, mit viel Worten so wenig wie möglich zu sagen. Der einzige konkrete Vor­schlag heiße:Gesamtdeutsche Gespräche un­ter Deutschen. Bereits am Dienstag hatte sich Dr. Schumacher erneut gegen gesamtdeutsche Gespräche ausgesprochen unter Hinweis dar­auf, daß die Voraussetzungen für Wahlen in ganz Deutschland erst von den Alliierten ge­schaffen werden müßten. Aufgabe der deut­schen Politik sei es jetzt, die Sowjets direkt an­zurufen. Schumacher forderte in diesem Zu­sammenhang eine Viererkonferenz der Al­liierten.

SPD kritisiert Bundessrenzsdiutf

Angriffe im Bandestag / Abg. v. Merkatz (DP) bekennt sich zur Monarchie

BONN. Am Mittwoch wurde im Bundestag von der SPD scharfe Kritik an der Entwick­lung des Bundesgrenzschutzes geübt. Statt daß die Formationen an der Grenze ihre Auf­gaben erfüllten, ständen sie in Kasernen und spielten Soldaten. Bundesinnenminister Lehr entgegnete, man dürfe den Bundesgrenzschutz nicht verzetteln. Es sei klar, daß es unter 10 000 Männern einzelne schwarze Schafe gebe. Der Bundesgrenzschutz werde aber gesiebt, die Beteiligten bei dem Gesang von NS-Liedem, der so viel Staub aufgewirbelt habe, seien bestraft worden.

Dann grill die SPD durch ihren Abg. Berg- Sträßer Ministerialrat Bargatzki vom Bundesinnenministerium an, der sich in einem Leserbrief an dieFrankfurter Allgemeine Zeitung für die Monarchie ausgesprochen habe. Es wurde beanstandet, daß Bargatzki Leiter der Abteilung für öffentliche Sicher- seit sei. Dr, Lehr erklärte, er habe Bargatzki schriftl'ch zum Ausdruck gebracht, daß er sein Verhalten mißbillige. Im übrigen habe es sich bei dem Leserbrief um eine theo­retische staatsrechtliche Auseinandersetzung gehandelt, in der nicht zum Ausdruck gekom­men sei, ob der Autor selbst für die Monar­chie eintrete.

Kleine Weltchronik

STUTTGART. Die Arbeitsgemeinschaft der ehe­maligen Angehörigen der Be Währungseinheiten 999 und der SS-Division Dirlewanger stellten am Mittwoch in Stuttgart in einer Erklärung fest, derVerband deutscher Soldaten wolle die Kriegsteilnehmer im Geiste des alten deutschen Militarismus organisieren.

STUTTGART. Die Staatskommissare für die Entnazifizierung im amerikanischen und franzö­sischen Besatzungsgebiet bemühen sich seit eini­ger Zeit um eine gemeinsame, rechtliche Grund­lage für die Beendigung der politischen Befrei­ung. Die letzte Entscheidung haben die Land­tage zu treffen.

FRANKFURT. DieOperation Combine, die bisher größten amerikanischen Manövern in Eu­ropa, ging am Mittwochabend zu Ende.

TRIER. Bundeskanzler Adenauer hat dem Verband der Kriegsbeschädigten, Kriegshinter­bliebenen und Sozialrentner Deutschlands (VdK) mitgeteilt, daß die Bundesregierung noch im kommenden Monat den Entwurf eines Schwer­beschädigtengesetzes dem Bundestag vorlegen werde, gab der Präsident des VdK, Hans Nitsche (SPD), in Trier bekannt. Adenauer habe diese Mitteilung in einem Grußtelegramm an den VdK zu dessen erstem Verbandstag gemacht, der heute in Trier beginnt

DORTMUND. Vom Zollgrenz- und Zollfahn­dungsdienst des Bundesgebiets wurden im ersten Halbjahr 1951 Waren im Werte von 19,3 Millionen DM beschlagnahmt und 46 291 Straffälle wegen Zoll-, Verbrauchssteuer und Devisenvergehen aufgegriffen.

PARIS. Nach zuverlässigen Geheimberichten beträgt die Stärke der sowjetischen Streitkräfte

Stürmischen Widerspruch auf der linken Seite des Hauses fanden die Ausführungen des Abg. v Merkatz (DP), der Bargatzki in der Freiheit seiner Meinungsäußerung ver­teidigen wollte, sich aber dabei selbst zur Monarchie bekannte. Die monarchische Staats­form sei mit der Demokratie durchaus verein­bar. Er selbst sei von ganzem Herzen Monar­chist In der Monarchie sei die demokratische Freiheit in der Vergangenheit im allgemeinen besser gewahrt gewesen als in der Republik. Merkatz ging dann auf die Kritik Bergsträßers an der Teilnahme zweier Bundesminister an der Welfen-Hochzeit und eines Bundesmini­sters am Begräbnis des früheren deutschen Kronprinzen ein. Der Kronprinz sei der Re­präsentant einer Epoche, auf die er und Tau­sende Deutsche mit ihm, so meinte Merkatz, bis an das Ende ihrer Tage stolz seien. Nicht nur die SPD, sondern auch Abgeordnete der FDP widersprachen Merkatz.

Der Staatssekretär im Bundesinnenministe­rium, Bleek, kündigte die baldige Vorlage eines Gesetzes, das die Versorgung der Zivil­blinden regeln soll, an. Nach diesem Gesetz soll den Zivilblinden ein Pflegegeld gewährt werden. Über die Höhe dieses Geldes machte Bleek noch keine Angaben.

vier Millionen Mann, die jederzeit einsatzbereit sind, teilte General Eisenhower vor dem wirt­schaftspolitischen Sonderausschuß der Atlantik­paktorganisation mit. Von den 175 Divisionen seien 6575 Panzerdivisionen oder sonstige mo­torisierte Einheiten. Allein die -sowjetische Ge­heimpolizei umfasse 500 000 Mann, Marine und Luftstreitkräfte ebensoviel.

ROM. Die italienische Abgeordnetenkammer sprach am Mittwochabend nach Abschluß der au­ßenpolitischen Debatte Ministerpräsident de Ga- speri mit einer Mehrheit von 165 Stimmen das Vertrauen aus und lehnte einen kommunistischen Mißtrauensantrag gegen die sich aus der Ameri­kareise de Gasperis ergebende Politik ab.

ISTANBUL. Der frühere deutsche Botschafter in der Türkei, v. Papen, kündigte in Ankara vor der Presse an, daß seine Memoiren im nächsten Jahre in Londoner und New Yorker Zeitungen erscheinen würden.

WASHINGTON. Präsident Truman will Son­derbotschafter Harriman zum Leiter der neuen Sicherheilsbehörde ernennen, der die Verwaltung des militärischen und wirtschaftlichen Unter­stützungsprogramms für das Ausland in Höhe von 7,483 Milliarden Dollar übertragen werden soll.

WASHINGTON. Das amerikanische National­einkommen wird nach Angaben des Gouverneurs des Staates Arkansas in diesem Jahr 250 Milliar­den Dollar (über eine Billion DM) übersteigen. 1932 habe es nur 38, 1950 bereits 238 Milliarden Dollar betragen. Die Zahl der Beschäftigten sei von 1932 bis 1951 von 38 auf 62 Millionen ge­stiegen, die Löhne und Gehälter hätten sich von 30 aut 145 Milliarden Dollar erhöht.

Bemerkungen zum Tage

Nicht mehr ehrenamtlich

hr. In seiner Dienstagsitzung verabschiedete der Landtag in Bebenhausen ein Gesetz zur Änderung der Gemeindeordnung, die vom DU rektorium des Staatssekretariats Tübingen ara 14. März 1947 erlassen worden war. Das Amt eines Bürgermeisters ist jetzt nicht mehr not­wendig ehrenamtlich. Die Bürgermeister sind in Zukunft sogenannte Wahlbeamte auf Zeit Das bedeutet, daß sie in ihrer beamtenrecht­lichen Stellung, insbesondere aber in ihrer Be­soldung, wieder wie früher im wesentlichen den Bundes- und Länderbeamten angeglichen sind. Damit ist eine jener Besonderheiten aus dem deutschen Verwaltungsrecht ausgemerzt die die Besatzungsmächte in den ersten Jahren im Gefühl ihres absoluten Besserwissens ein­geführt haben. Praktisch war es ja so, daß di* Ehrenamtlichkeit bei denjenigen Bürgermei­stern und das ist die große Mehrheit. di* nicht ein anderes Einkommen besaßen, nur ein leerer Begriff war, denn diese Leute, die ihr* Kraft dem Staate zur Verfügung stellten, muß­ten dafür natürlich auch entschädigt werdea So erhielten sie an Stelle eines Gehaltes ein* sogenannteEntschädigung und die von der Besatzung verlangte Form war gewahrt.

Als der Gedanke des Ehrenamtes durch den Freiherm vom Stein ln die kommunale Verwal­tung hineingetragen wurde, hatte er durch­aus seine innere Berechtigung. Inzwischen sind aber anderthalb Jahrhunderte vergangen. Ein kommunales Beamtentum hat sich überall herausgebildet und hat es auch erreicht, daß seine Rechtsstellung vor dem Kriege durch eine eigene Kommunalbeamtengesetzgebung klar Umrissen wurde. Diese Entwicklung ist durchaus organisch verlaufen und erfährt in­sofern schon eine Rechtfertigung. Es ist aber auch sonst bei unseren Gegebenheiten nur na­türlich, daß das öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis, dem der Kommunalbe­amte unterliegt, auch in einer entsprechenden Bindung des Staates seinen Ausdruck findet.

Für viele Bürgermeister bedeutet die neue, oder richtiger die alte Regelung eine finanzielle Besserstellung Vor allem haben sie nun da» Gefühl, bei Erreichung der Altersgrenze pen­sionsberechtigt zu sein. Ein Wissen, das sie in ihren Entscheidungen unabhängiger, in ihrem Auftreten sicherer machen sollte. Wir können diese Restauration nur begrüßen,

Schumacher wird aussasen

Die Bonner Dokumentendiebstähle

BONN. Der SPD-Vorsitzende Dr. Kurt Schumacher und seine Sekretärin, Frau Annemarie R e n g e r , sind von dem Bonner Ermittlungsrichter gebeten worden, heute in der Sache des Dokumentendiebstahls in der Bundeskanzlei als Zeugen auszusagen. Wie aus der SPD-Bundestagsfraktion bekannt wird, werden Dr. Schumacher und die Sekretärin vor dem Richter erscheinen und ihre Angaben machen.

In Hamburg erklärte Dr. Schumacher zu dem sogenannten Dokumentendiebstahl, die Bun­desregierung konzentriere die Aufmerksamkeit des Volkes darauf,die deutsche Sozialdemo­kratie mit den lächerlichsten Mitteln in die At­mosphäre des Kriminellen zu ziehen und mit dem Führer der Opposition politisch durch den Staatsanwalt zu verkehren. Nur zweimal habe er die fraglichen von einem sozialdemokra­tischen Stadtverordneten aus Beuel beschafften Abzüge von Kurzprotokollen selbst erhalten.

Gegen Notopfer für Wohnungsbau

DÜSSELDORF. Bundeswiederaufbauminister Wildermuth sprach sich gegen den Ge­danken einesBundesnotopfers für den Woh­nungsbau aus, das mit der Einkommensteuer erhoben werden soll. Er nahm damit Stellung gegen die für Wiederaufbau und Wohnungs­wesen zuständigen Länderminister, die sich in Bonn mit Plänen für einNotopfer Woh­nungsbau beschäftigt haben, das rund 700 Mil­lionen DM jährlich für den Wohnungsbau ein- bringen soll.

Ein heiterer Roman von Franz Goßt:

Nachsaison"

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So empfand es auch der Martin, der mit ge­runzelter Stirne und zugekniffenen Augen den Amerikaner betrachtete. Was schwänzelte denn der da herum um die Lisi? Der Strohkopf sollte bei seinen Indianern bleiben oder was für Weiber in Südamerika herumliefen. Bei der Lisi hatte er jedenfalls nichts zu suchen! Und die ausgschamte D'm zirpte noch dazu wie ein verliebtes Spatzenweibchen. Da mochte zuschauen wer wollte. Er nicht!

Zählt der da die Würsteln oder will er die Därme putzen? fragte er so laut seine Mut­ter, daß man es auch auf dem Gang draußen hätte hören können. Die Lisi frohlockte Inner­lich. Für den Augenblick langte es. Aber e : nen kleinen Stich mußte sie dem Martin doch noch versetzen. Das war schließlich keine Kunst und zugleich konnte sie den traurigen Busch­ritter da loswerden.

Herr Myera, packte sie den Amerikaner vertraulich am Arm und schob ihn zur Tür, wobei sie recht nahe an Martin vorbeistreifte, jetzt müssen Sie nur wieder gehen, sonst brennt uns noch etwas an.

Auf Wiedersehen, schönes Fräulein, sagte dieser noch schmalzig, bevor er draußen stand.

Gleich darauf fauchte der Martin sie an: Du, dem Kerl schlag ich d'e Knochen ent­zwei du falsche Hexe! Und verschwand auch.

Die Lisi aber rieb sich die Hände, ehe sie die nächsten Würsteln einlegte und sah trotz der abfälligen Bezeichnung durchaus nicht ge­kränkt aus.

Herr Myera jedoch kam beim Überdenken seines Auftritts zu der Erkenntnis: Die Ober­

mosertochter war auf Ihn scharf, und der Mar­tin, der unbequeme Bursche, hatte es auf ihn scharf. Da mußte er trachten, recht geschickt zuzufassen, sonst lief er Gefahr, sich in die Finger zu schneiden.

Der Obermoser saß breit und schwer am Tisch in der guten Ecke seiner Stube und be­mühte sich, beim schwachen Schein der Lampe die Neuigkeiten aus dem Wochenblatt heraus- zuflschen. Er genoß gerade die Schilderung einer Erdbebenkatastrophe im fernen Japan, als es klopfte. Neugierig sah er auf und rief se ; n:Herein!

Beim ersten Blick auf den Eintretenden schon ging ein freudiger Glanz über sein Ge­sicht Der Amerikaner! Dieser schien sich bei ihm wohüufühlen. Jedenfalls benahm er sich wie ein alter Freund des Hauses und setzte sich, ohne lange Worte zu machen, zum Bauern hin.

Ah ein bißchen Nachschau halten, was ln der Welt vor sich geht? Was gibts denn Schönes? Das war eine Einle'tung, von der aus man zu allem überleiten konnte.

Schönes nichts, brummte der Obermoser, ist immer die gleiche Leier. Man liests halt.

D* haben Sie ganz recht, lobte ihn Herr Myera,man muß mit der Zeit gehen, wenn man nicht h'ntendran sein will.

Das tat dem Obermoser wohl. Aber nur um ihm dies zu sagen, wird der Fremde wohl nicht gekommen sein. Ihn auf den Kopf zu nach seinen Wünschen fragen, mochte er frei­lich auch nicht. So steuerte er auf Umwegen einem Ziel zu:Daß Sie heut nicht beim Kral : nger sind? Da werden aber die Leut nicht zufrieden sein.

Warum?

,.S'.e wissen halt doch alleweü was, wo man gern zuhört.

Ja, ja, es ist ganz schön, wenn man ande­ren eine Freude machen kann, gab Herr Myera geschmeichelt zu,aber lieber ists ei­nem doch, wenn man sich zwischenhinein mit

jemanden aussprechen kann, der einem ich möchte fast sagen ans Herz gewachsen ist. Ich kann mir nicht helfen, ich fühle mich vom ersten Augenblick an zu Ihnen hingezogen.

Der Obermoser wurde bei dieser unverhoff­ten Liebeserklärung ganz verlegen und stot­terte etwas daher, was kein Mensch verstand. Zugleich hatte sie eine lösende Wirkung auf den Stöpsel der Enzianflasche. Dies wiederum hatte einen gleichen Einfluß auf die Zunge Herrn Myeras, der endlich auf den Zweck sei­nes nächtlichen Besuches lossteuerte.

Er habe sich und es kam so zäh von seinen Lippen, daß man deutlich merkte, wie der Mann noch immer mit sich selbst rang die ganze Zeit her den Kopf zerbrochen, wie er dem Herrn Obermoser gefällig sein und ihm ein paar Minen zuschanzen könne, weil es ihm in der Seele weh täte, wenn er sehe, wie sich der Herr Obermoser plage. Die südame- eikanlschen Gesetze seien aber leider nicht zu umgehen, ein Ausländer dürfe nicht als Käu­fer auftreten. Es gebe aber doch einen Aus­weg. Wenn der Herr Obermoser ihm, dem Herrn Myera, das Geld sozusagen leihe, könne er ja die Minen auf seinen eigenen Namen kaufen, sie blieben aber natürlich Besitz des Herrn Obermoser. Nur dürfte kein Mensch et­was davon erfahren.

Den Kopf täts mir ja nicht kosten bei meinen Beziehungen, schloß der Amerikaner seinen Vorschlag ab,aber Haare müßte ich auf alle Fälle lassen. Aber was tut man nicht einem Freund zulieb. So darf ich Sie doch wohl nennen. Herr Obermoser.

Freilich, freilich, gestattete ihm dies der Bauer heftig nickend wie eine Spielzeughenne, bei der man am Schnürl zieht und sie dadurch geräuschvoll auf das Brettchen picken macht. Im übrigen kam ihm aber dieses plötzliche E'nbiegen in den Weg zu mühelosem Reich­tum etwas zu heftig. Wohl hatte er, sich dar­an berauschend, die letzte Zeit her davon ge­träumt, wie schön es sein müßte, Herr über so ein halbes Dutzend Minen zu sein. Nun er­

schreckte ihn aber doch die Vorbedingung: das Geldhergeben. Ihm kam ungerechterweise so vor, als ob ihm von einem Räuber die Pi­stole auf die Brust gesetzt würde. Keinen är­geren Schmerz konnte man ihm antun, als von ihm Geld zu verlangen. Sich lieber zehn ge­sunde Zähne ohne Betäubung als einen Hun­derter aus der Tasche ziehen lassen! Herr Myera bemerkte das ängstliche Zögern auf dem Gesicht seines Gegenübers. Gott, er meinte es ja nur gut mit dem Mann. Es gab eben Leute, die man mit der Nase in das Glück hineinstecken muße wie einen jungen Hund in die angerichtete Bescherung, um ihn stubenrein zu machen. Und so entschloß sich Herr Myera, den Obermoser ordentlich beim Genick zu packen und seine Nase mit sanfter Gewalt in den Glückshafen zu stoßen.

Das ist, wie gesagt. Herr Obermoser, ein gangbarer Weg. Ich mache mir zwar etwas Gewissenbisse dem Staat gegenüber, aber nä­her muß einem doch ein lebendiger Mensch liegen als ein totes Gebilde. Sie müssen durch­aus nicht ich will nur Ihr Bestes.

Kichernd fuhr der Habsuchtsteufel aus einer Ecke, hockte sich dem Bauer auf die Schulter und gaukelte ihm wundersame Bilder von den Minen vor. Silber und Gold quoll aus der Erd« und ein kleiner Bach davon floß kerzengerade auf seinen Hof zu. Ein gieriges Glitzern trat als Widerschein dieses gleißenden Segens in des Bauern AugenWieviel brauchen Si® denn? fragte er schwer atmend, Jetzt schon fest entschlossen, sich an den winkenden Geld" Säcken festzukrallen.

Hm, zuckte Herr Myera die Achseln,da* kommt darauf an. wie viele Minen Sie haben wollen.

Geldgier und Klemmerei balgten sich in der Seele des Obermoser, daß ihm ganz wirr wurde. Schließlich errang der Geist des Fest­haltens einen kleinen Vorteil und aus dieser Stmmung heraus schlug der Obermoser rag* haft vor:Wie wärs mit zwei Stück zum An­fängen? (Fortsetzung folgt)