SÜDWESTDEUTSCHE CHRONIK
NUMMER 156
Ostheimkehrer werden über Vermißte befragt
Die letzte Befragungsaktion läuft in Südwürttemberg in den näehen Wochen an
ah. Tübingen. 1,2 Millionen deutscher Wehrmachtsvermißter hat die staatliche Registrierung der Kriegsgefangenen und Vermißten vom März d. J. festgestellt. 2Vs Millionen Frauen, Eltern und Kinder warten noch auf eine Nachricht über ihre nächsten Angehörigen. In der Nachforschung nach den Vermißten ist schon sehr viel geleistet worden. Seit 1947 befragte das Rote Kreuz die Heimkehrer systematisch nach ihren Kameraden, die gefallen, in Gefangenschaft gestorben oder irgendwohin verschleppt wurden. Etwa 400 000 Fälle konnten auf diese Weise bis März 1951 geklärt werden.
Einen wesentlichen Anteil an der Klärung von Vermißtenschicksalen hat neben dem Deutschen Roten Kreuz, das in der amerikanischen und britischen Zone eigene Nachforschungszentralen unterhält, die Suchdienstzentrale in Rastatt, die 1947 auf Veranlassung der französischen Besatzungsmacht für die drei Länder der französischen Zone eingerichtet wurde, später aber auch gesamtdeutsche Aufgaben übernahm.
So hat Rastatt im vergangenen Sommerhalbjahr die Befragung der aus den westlichen Gewahrsamsländern zurückgekehrten Kriegsgefangenen über vermißte Kameraden für das ganze Bundesgebiet organisiert. Mit nicht unbeträchtlichen Erfolgen. Bis 31. September 1951 konnten bei dieser Aktion allein für die französische Zone 173 Todesfälle von im Westen vermißten deutschen Soldaten festgestellt werden. Da Bonn der Suchdienstzentrale Rastatt den erforderlichen Zuschuß von 700 000 DM im Jahr nicht mehr bewilligt und sie deshalb zum 31. Oktober d. J. aufgelöst werden muß, geht ihr gesamtes Karteimaterial dann an die Nachforschungszentrale für Wehrmachtsvermißte und Kriegsgefangene, die das Deutsche Rote Kreuz in München schon seit langem unterhält. Es ist anzunehmen, daß der Suchdienst dort endgültig zentralisiert wird.
Wir haben seinerzeit berichtet, wie die in Südwürttemberg ansässigen Westheimkehrer von den Bürgermeisterämtern über ihre Kameraden befragt wurden. Es geschah ln der Weise, daß jedem ehemaligen Kriegsgefangenen eine Liste der Vermißten seiner letzten Einheit als Gedächtnisstütze vorgelegt wurde. Manchem Heimkehrer trat, wenn er Namen, Beruf, Dienstgrad, Heimat eines vermißten Kameraden las, dessen Bild wieder vor Augen, und er konnte so oft sehr wertvolle Angaben machen, die durch Aussagen anderer Heimkehrer derselben Einheit schließlich zur endgültigen Klärung eines Vermißtenschicksals führten. Das Gesamtergebnis dieser „Westbefragung“ liegt, abgesehen von den erwähnten 173 Todesfällen für die französische Zone, die beeidigt werden konnten, noch nicht vor. Von den 18 690 Vermißtenlisten, die die Suchdienstzentrale Rastat in den letzten Monaten
Unter die Räder eines Lastzuges geriet am Donnerstagnachmittag in Zuffenhausen ein 16jäh- riger Radfahrer. Der Junge, der vorschriftsmäßig auf dem Fahrweg gefahren ist. wurde von einem anderen Radfahrer gerammt und war dabei auf die Fahrbahn gestürzt. Dabei kam er unter die Räder eines Lastzuges und wurde auf der Stelle getötet.
Eine Pulverladung, die ein Weinberghüter in Bönnigheim, Kreis Ludwigsburg, in seine Schrotpistole stopfte, ging vorzeitig los. Der Weinberghüter trug eine schwere Verletzung an der Hand davon, die eine Blutübertragung notwendig machte.
Führerlos eine Steige in Schwäbisch Gmünd hinuntergerast ist ein Pkw. Eine beträchtliche Strecke hatte das Fahrzeug die Fahrbahn eingehalten, bis es schließlich gegen eine Gartenmauer prallte. Als Eigentümer meldete sich nach einiger Zeit ein Stuttgarter, der angab, daß ihm der Wagen vor einiger Zeit gestohlen worden sei.
Von einer Lokomotive erfaßt wurde ein 17- jähriges Mädchen in Kirchheim/Teck, als es völlig in Gedanken verloren einen Bahnübergang überschritt. Das Mädchen wurde zur Seite geschleudert, blieb aber wie durch ein Wunder unverletzt.
Jagdausweise, die in Württemberg-Hohenzol- lern ausgestellt werden, gelten nach einer Bekanntmachung des Landesjagdamtes Tübingen in allen Ländern der Bundesrepublik, einschließ-
ausgegeben hat, hat sie bis jetzt 6500 zurückerhalten. Sie wird sie zur weiteren Auswertung nach der Rot-Kreuz-Zentrale in München senden.
Keine andere Nachrichtenquelle
In den nächsten Wochen beginnt nun eine Befragung der aus den östlichen Gewahrsamsländern heimgekehrten Kriegsgefangenen. Die Aktion wurde vom Deutschen Roten Kreuz für das gesamte Bundesgebiet vorbereitet, wobei sich die in den Ländern der französischen Zone bestehenden Landessuchdienste und die Bürgermeisterämter einschalten wie bei der Westbefragung. Die dabei gemachten Erfahrungen werden natürlich ausgenützt.
Wenn man bedenkt, daß die Ostheimkehrer ihre Kameraden aus dem Westen an Zahl um ein Vielfaches übertreffen, weiß man schon, wie bedeutsam die für diesen Winter vorgesehene Befragung für alle an der Aufklärung der Vermißtenschicksale interessierten Personen und Institutionen werden wird. Außerdem gibt es gerade für die Ostvermißten keine andere Nachrichtenquelle als die Heimkehrer. Auch der Heimkehrerverband wird sich in die den Bürgermeistern übertragene Befragung einschalten. Jeder Fingerzeig wird ausgewertet werden. Die Angehörigen der Vermißten, über deren Schicksal et-
Ländtagspräsident Gengier 65 Jahre alt
Tübingen. Landtagspräsident Karl G e n g 1 e r feiert am Montag in Bebenhausen seinen 65. Geburtstag. Ab 1920 Landtagsabgeordneter des Zentrums, wurde Gengier 1933 aus allen Ämtern fristlos entlassen. Nach dem Krieg war er maßgeblich an der Wiedererrichtung der Gewerkschaften beteiligt. Er ist Mitbegründer der CDU und Mitglied des Landesvorstandes. Seit 1947 ist er Präsident des Landtags, 1949 wurde er für den Wahlkreis Rottweil-Tuttlingen außerdem in den Bundestag gewählt.
Höchstgeschwindigkeiten einhalten!
Tübingen. In letzter Zeit wurde bei Beanstandung von Kraftfahrern wegen Überschreitung der höchstzulässigen Fahrgeschwindigkeit wiederholt festgestellt, daß die Vorschriften über die Höchstgeschwindigkeiten bei vielen Kraftfahrern nicht genügend bekannt sind. Die Landespolizeidirektion Tübingen weist deshalb nochmals darauf hin, daß folgende Höchstgeschwindigkeiten nicht überschritten werden: Die Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften beträgt für Kraftfahrzeuge aller Art 40 km/std. Außerhalb geschlossener Ortschaften und auf den Autobah-
lich Berlin. Zugleich sind auch alle in der Bundesrepublik ausgestellten Jagdausweise in Würt- temberg-Hohenzollem gültig.
Für den Neubau einer Landfrauenschule hat . die Stadt Sigmaringen Gelände zur Verfügung gestellt. Am heutigen Samstag um 14 Uhr wird im Beisein des Landwirtschaftsministers von Württemberg-Hohenzollern, Dr. Weiß, das Gelände an den Bauträger übergeben.
Tödlich verunglückte eine Hausfrau aus Trossingen, als sie von einem rückwärts anfahrenden Lastkraftwagen erfaßt und zu Boden geschleudert wurde. Besonders tragisch ist bei diesem Unglücksfall, daß der Mann dieser Frau im Frühjahr durch einen Arbeitsunfall ums Leben kam und somit beide Ehegatten durch Unglücksfälle aus dem Leben schieden.
In einer Güllengrube fand ein fünfjähriger taubstummer Junge aus Wolfegg den Tod. Die Mutter hatte während der Mittagsstunden da3 Kind vorübergehend beim Spielen ohne Aufsicht gelassen.
Ein verwegener Raub wurde in der Nacht zum Dienstag in der Hauptstraße von Konstanz ausgeführt. Vor einem Optikergeschäft fuhr ein Auto vor, und während der Fahrer den Motor auf Hochtouren laufen ließ, warf ein anderer Insasse mit einem großen Stein die Schaufensterscheibe ein und stahl Fotoapparate im Wert von 2500 DM. Ein Polizeibeamter hörte das Klirren der Scheibe, konnte aber nur noch den abfahrenden Wagen sehen. Von den Tätern fehlt jede Spur.
was in Erfahrung gebracht werden kann, werden vom Landessuchdienst benachrichtigt.
Es ist dies die letzte systematische Befragung der Heimkehrer über vermißte Kameraden. Das Rote Kreuz wird sich natürlich auch später noch bemühen, soviel Einzelfälle als möglich zu klären. Nicht unbeträchtliche Ergebnisse .erbrachten in der letzten Zeit auch die Heimkehrer- und Soldatentreffen. So konnte bei dem südwürttem- bergischen Heimkehrertreffen auf dem Dreifaltigkeitsberg im Juli d. J. für 462 Suchanträge, die dort gestellt wurden, in 282 Fällen eine Ver- bindung mit Heimkehrern derselben Feldpostnummer hergestellt werden. Ähnlich war es beim Treffen der 5. Inf.-Division in Ulm, bei den Treffen der Fallschirmjäger usw. Trotzdem dürfte von der jetzt anlaufenden Befragungsaktion der Ostheimkehrer am meisten Aufklärung zu erwarten sein.
Winterkleidung für Gefangene
München. Das Evangelische Hilfswerk für Internierte und Kriegsgefangene in München hat damit begonnen, den deutschen Kriegsgefangenen in der Sowjetunion Winterkleidung zu schicken. Den letzten tausend Paketen wurden bereits Wollsachen und warme Wäsche beigelegt, die von den gefangenen besonders gewünscht wurden. Dem Hilfswerk steht zurzeit noch Winterkleidung im Wert von 20 000 DM zur Verfügung. Es nimmt noch Bestellungen von Angehörigen entgegen, die die Wünsche von Gefangenen nicht erfüllen können.
nen beträgt die Höchstgeschwindigkeit für Personenkraftwagen sowie für Krafträder mit und ohne Beiwagen 80 km/std, für Lastkraftwagen, Omnibusse und alle übrigen Kraftfahrzeuge 60 km/std.
Unbeschadet dieser Beschränkung hat der Fahrzeugführer die Fahrgeschwindigkeit so einzurichten, daß er jederzeit in der Lage ist, das Fahrzeug rechtzeitig zum Anhalten zu bringen. Das gilt besonders an unübersichtlichen Stellen und an Eisenbahnübergängen in Schienenhöhe. Da die Zahl der Verkehrsunfälle in letzter Zeit auffallend angestiegen ist, sind die Polizeibeamten angewiesen, gegen rücksichtslose Fahrer mit allem Nachdruck vorzugehen.
5000 Lehrkräfte in Württemberg-Hohenzollern
Tübingen. Annähernd 5000 Lehrkräfte sind in Württemberg-Hohenzollern an Schulen und Universitäten beschäftigt. Eine genaue Erhebung zeigt, daß 68,3 Prozent der Lehrer an den Volksschulen unterrichten, 16,4 Prozent an höheren Schulen, 11 Prozent an den berufsbildenden Schulen, 2,8 Prozent an den Hochschulen. An den Mittelschulen sind 1,2 Prozent und an den Hilfsschulen 0,3 Prozent der Lehrkräfte tätig. 675 Lehrer stehen im Angestelltenverhältnis.
Mehr Hopfen als Reben
Tübingen. Nach den Ergebnissen der Bodenbenutzungserhebung 1951 umfaßt das Rebland in Württemberg-Hohenzollern nur 192 Hektar, von denen 134 im Ertrag stehen. Die Hopfenfläche von 644 Hektar beträgt also mehr als das Dreifache der Rebfläche. Seit 1950 hat sich die Hop-
Hunde-Ausstellung auf dem Killesberg Stuttgart. Auf dem Killesberg wird heute 11.30 Uhr die größte deutsche Hundeausstellung der Nachkriegszeit mit 1800 Favoriten aus 60 Rassen eröffnet. Am Sonntag um 14.30 Uhr ist ein Windhundrennen.
„Eine ernste Gefahr“
Stuttgart. Auf einer Konferenz des Landesverbandes Württemberg der „Naturfreunde“ wurde eine Entschließung gefaßt, in der die Gründung der Soldaten-, Traditions- und Waffen verbände als „ernste Gefahr für eine gesunde demokratische Entwicklung Deutschlands“ bezeichnet wird. Gegen die verschiedenen Auslassungen der „nicht gewählten Führer dieser Organisationen“ wird protestiert.
Rettenmaier weiterhin schwer belastet Stuttgart. In der Verhandlung gegen den ehemaligen Lagerältesten des Konzentrationslagers Flossenbürg, W. Rettenmaier, hat das Stuttgarter Schwurgericht am Donnerstag weitere Zeugen vernommen. Auch sie schilderten den
Prozeß Roll vertagt
sp. Reutlingen. Im Prozeß Karl Roll vor dem französischen Tribunal in Reutlingen wurden ein Dutzend Zeugen vernommen, mit Ausnahme eines Deutschen durchweg Franzosen, die in verschiedenen deutschen Konzentrationslagern waren. Die Anklagerede des Staatsanwalts dauerte wenige Minuten. Er war der Auffassung, daß sämtliche Kapos in den KZ-Lagern Mörder und Diebe waren. Er verblieb bei den Delikten der Anklageschrift und bat das Gericht, die entsprechende Strafe auszusprechen.
Der eine Verteidiger führte aus, daß von den dem Angeklagten vorgeworfenen 22—24 Totschlagsfällen bei der Zeugenvernehmung nur drei verblieben seien und daß auch diese Aussagen nicht glaubhaft seien. Der andere Verteidiger hob die mehr menschliche Seite des Falles hervor und plädierte auf Freispruch, da die Delikte der Körperverletzung durch Schläge usw. verjährt seien.
Nach längerer Beratung des Gerichtes verkündete der Präsident, daß wegen weiterer Zeugeneinvernahmen — es sind eine Anzahl Zeugen ausgeblieben — die weitere Verhandlung auf den 26. Oktober vertagt wird.
fenfläche um 26,8 Prozent, die Rebfläche jedoch nur um 7,9 Prozent erweitert.
Omnibus Ravensburg-Karlsruhe
Hechingen. Seit zwei Jahren betreibt die Firma Sprenger KG., Reise- und Transportunternehmung in Jungingen/Hozenz., im Auftrag der Bundesbahn einen Omnibuskurs von Lindau nach Karlsruhe und zurück. Ab 8. Oktober bilden R a- vensburg und Karlsruhe die Ausgangsund Endstationen der Linie: Ravensburg ab 8.50 Uhr über Weingarten, Saulgau. Sigmaringen, Meßkirch, Tuttlingen, Spaichingen, Rottweil an kurz nach 13.00 Uhr. Hier begegnen sich die Omnibusse aus Ravensburg und Karlsruhe, daher 25 Minuten Aufenthalt und jeweils umsteigen nach Karlsruhe (an gegen 18.06 Uhr) oder Ravensburg. Karlsruhe ab 8.45 Uhr über Pforzheim, Calw, Nagold, Horb, Sulz, Oberndorf, Rottweil, Ravensburg an 17.45 Uhr. Die Linie, die eine günstige Verbindung vom Oberland mit dem Schwarzwald und Nordbaden darstellt, verkehrt ab 8. Oktober täglich. Siehe auch Anzeigenteil.
Gefängnis für falschen Prinz zu Löwenstein
Ravensburg. Das Ravensburger Schöffengericht verurteilte einen 22jährigen Gipser aus Baien- furt, dem 29 Fälle von Betrug nachgewiesen werden konnten, zu einem Jahr sechs Monate Gefängnis. Der Angeklagte hatte sich als Stellvertreter des Prinzen zu Löwenstein ausgegeben und war nach Helgoland gefahren. Unterwegs hatte er sich Kleidung und Barmittel im Werte von mehreren tausend D-Mark erschwindelt. Einen Geschäftsmann, den er betrogen hatte, gab er beim nächsten Betrugsmanöver als seinen Vater aus.
Wie wird das Wetter?
Aussichten bis Sonntagabend: Keine wesentliche Änderung der zurzeit bestehenden Wetterlage. Vielfach Frühnebel oder starker Dunst; tagsüber meist aufheiternd und trocken. Tagestemperaturen 10—15 Grad, nachts auf 3—5 Grad absinkend. Schwache östliche Winde.
Angeklagten als einen brutalen Menschen. So habe er bei verschiedenen Anlässen gerufen, er werde bis drei zählen und bis dahin müßten alle Häftlinge eines bestimmten Blocks, meist 150 Mann, in ihren Betten sein. Dies sei aber unmöglich gewesen, weil drei Betten übereinander gestanden hätten. Rettenmaier habe dann mit Bettbrettern auf die Häftlinge eingeschlagen, bis viele mit blutigen Köpfen zu Boden gestürzt seien.
Frau Wächter muß ins Gefängnis oder bezahlen Stuttgart. Die 52 Jahre alte Lilly Wächter ist am Donnerstag nach mehrtägiger Verhandlung vom amerikanischen Bezirksgericht in Stuttgart zu einer Gesamtstrafe von acht Monaten Gefängnis verurteilt worden. Außerdem wurde si« zu 15 000 DM verurteilt. Für den Fall, daß da« Geld nicht aufgebracht werden kann, muß sie zusätzlich ein Jahr Gefängnis absitzen. Das Gericht fand die Angeklagte für schuldig, in zwei Fällen an öffentlichen Versammlungen zum Nachteil der Besatzungsmacht aktiv teilgenommen und respektwidrige Handlungen gegen die amerikanischen Besatzungsbehörden begangen zu haben.
Aus S üd Württemberg
Kurze Umschau im Lande
Aus Nordwürttemberg
Die reizenden Töditer des Noah
Nach, einer altbulgarischen Volkssage
Vater Noah hatte wohl, wie bekannt, drei Söhne, Sem, Ham und Japhet, und mit ihnen drei Schwiegertöchter, aber nur eine Tochter.
Als er nun im Aufträge des Herrn daran- ging, die Arche für die Sintflut zu bauen, bedurfte er dabei der Hilfe dreier weiser Meister, von denen ihm aber jeder nur unter der Bedingung dienstbar sein wollte, wenn er die Tochter zur Braut bekäme.
„Was tun?“ sprach Noah und wandte sich in seiner Not an den Herrn. Gott in seiner Güte half ihm auch aus dieser Verlegenheit. Er nahm einen Papagei und eine Katze und verwandelte beide, in Jungfrauen.
Am nächsten Morgen sah sich Noah von drei Töchtern umringt, die einander glichen wie ein Ei dem andern und die alle gleich liebreizend waren. Er rief die drei weisen Männer herbei und gab jedem eines der Mädchen, die Meister waren zufrieden und gingen mit Eifer an den Bau der Arche.
Dann kam die Sintflut, die die ganze Familie Noah glücklich überdauerte. Bald darauf traf Noah zufällig den einen seiner Schwiegersöhne.
„Wie lebst du eigentlich mit meiner Tochter?“
„Danke, es geht“, antwortete der Schwiegersohn, „sie ist sehr anschmiegsam und schmeichlerisch, nur wenn ich sie böse mache, dann faucht sie und einmal hat sie mich gar gekratzt...“
„Aha“, dachte Noah bei sich, „das ist die aus der Katze...“
Tags darauf begegnete er seinem zweiten Schwiegersohn und stellte auch an ihn dieselbe Frage.
„Ich bin zufrieden“, erwiderte der Mann, „mir gefällt, daß sie sich immer so bunt kleidet. freilich, zu reden hab’ ich nicht viel zu Haus, denn das Wort führt immer nur sie..
„Mhm“, brummte Noah in seinen Bart, „das ist die aus dem Papagei.“
Am dritten Tage kam Noah mit seinem dritten Schwiegersohn zusammen und erkundigte sich auch bei diesem um sein häusliches Glück.
„Wie ich mit deiner Tochter lebe?“ lachte der Mann. „Besser als gut. Sie schaltet im Haus wie eine rechte Frau, ist immer da, wenn man etwas braucht, und wenn man seine Ruhe haben will, merkt man gar nicht, daß sie da ist...“
„Das ist die, die von meinem Herzen kam“, sagte sich Noah.
Nachkommen aller drei Töchter, der aus dem Herzen, aus dem Papagei und aus der Katze, leben bis heute noch fort...
J. G. Anderle
Universität und Schule
In der Universität Tübingen fand, wie gestern bekannt wurde, am vergangenen Wochenende ein Kongreß über die Beziehungen zwischen Universität und Schule statt, an dem Vertreter verschiedener Institutionen aus dem ganzen Bundesgebiet teilnahmen. Die Versammelten waren sich darüber einig, daß das deutsche Bildungswesen zumindest an den höheren Lehranstalten und an den Hochschulen in Gefahr sei, an der Fülle des Stoffes zu ersticken. Dieser Gefahr könne nur durch eine innere Umgestaltung der höheren Schule begegnet werden. Die Kongreßteilnehmer schlugen vor, ausgewählten öffentlichen und privaten Schulen die Freiheit zu gewähren, insbesondere für die Oberstufe den Unterricht selbständig zu gestalten. In einer Entschließung zur Frage einer Reform der wissenschaftlichen Prüfung für das Lehramt an den höheren Schulen wird dar- hingewiesen, daß die Verschiedenheit der Prüfungsordnungen und die dadurch bedingte Unterschiedlichkeit in der Ausbildung die Freizügigkeit des deutschen Hochschullebens in em- sf,e G e iah r bringe. Schulen und Universitäten sollten ihre Forderungen aufeinander abstimmen. Die Prüfungen sollten nicht so sehr darauf abgestellt sein, die vorgeschriebenen Einzelkenntnisse, sondern die geistige Befähigung, das
Können und die selbständige Urteilsfähigkeit festzustellen. Die Versammelten bedauerten, daß seit einigen Jahrzehnten der Kontakt zwischen Schule und Universität in steigendem Maße verloren gehe. Es wurde vorgeschlagen, jungen wissenschaftlichen Hilfskräften an den Hochschulen durch die Übertragung eines Teillehrauftrages die gleichzeitige Tätigkeit an einer höheren Schule und an einer Universität zu ermöglichen.
Kulturelle Nachrichten
Der Bundesminister der Justiz hat den Direktor des Max-Planck-Instituts für Ausländisches und Internationales Privatrecht und ordentlicher Professor an der Universität Tübingen, Dr. Hans Dölle, zum Mitglied der Deutschen Delegation für die bevorstehende 7. Haager Konferenz über Internationales Privatrecht ernannt. In dieser Eigenschaft wird Prof. Dölle im Oktober und November d. J. an den Internationalen Verhandlungen in Den Haag teilnehmen, die den Abschluß verschiedener Staatsi«rträge namentlich auf den Gebieten des Kaufrechts, des Gesellschaftsrechts und des Zivilprozesses zum Gegenstand haben.
Der flämische Dichter Stijn Streuvels vollendete das 80. Lebensjahr. Von dem dichterischen Werk Streuvels, das tief in flämischer Säuerlichkeit wurzelt, sind in Deutschland vor allem „Der Flachsacker", „Des Lebens Blütezeit“, „Liebesspiel in Flandern“ und „Die Männer am feurigen Ofen“ bekannt geworden.
Die Pianistin Prof. Elly Ney ist zum Ehrenpräsidenten der Bonner „Gesellschaft der Musikfreunde" ernannt worden.
Die im Jahre 1929 gegründete „Internationale Gesellschaft für neue Kirchen- musik“ veranstaltet zurzeit in Stuttgart eine Arbeitswoche.
Der Pianist und Dirigent Prof. Edwin Fischer, der als Interpret der Musik von Bach und Beethoven Weltrum errang und auch als Komponist hervorgetreten ist, wird heute 65 Jahre alt.
Die diesjährige deutsche Musikfestsaison wird am 6. und 7. Oktober mit den Donaueschin- ger Musiktagen für zeitgenössische Tonkunst abgeschlossen.
Für den Bücherfreund
Zauber der Frühe
Friedrich Georg Jünger, Grüne Zweige. Carl Hanser Verlag, München. 272 S. DM 10 80.
Die Reihe dichterischer Kindheits- und Jugend- gestaltungen ist jetzt vom Hanser-Verlag in München um ein neues Werk bereichert worden, um das Erinnerungsbuch von Friedrich Georg Jünger. Wenn wir das Buch lesen, strömt es eine eigentümliche Helligkeit, ja Heiterkeit aus, obwohl die Erlebnisse von denen hier berichtet wird, zum Teil doch in einer unruhigen und schweren Zeit liegen. Wie kommt das? Jünger erzählt von den ersten Kinderjahren zu Anfang dieses Jahrhunderts, die er im Erzgebirge und in Hannover verbrachte, von einer glücklichen naturverbundenen Zeit der Jugend mit dem Bruder Ernst am Steinhuder Meer, von Schulerlebnissen. der Teilnahme am Krieg, von seinem Studium nach dem Krieg bis zu dem Punkt, cm ihm der Beruf des Juristen, für den er sich vorbereitet hatte, fragwürdig wird. Aber für Jünger ist alles äußere Geschehen nur wichtig, insofern es inneres Erleben auslöst. Er weiß, daß es etwas Unverletzliches im Menschen gibt, und stärker als die Erschütterungen der Zeit wirken auf den jungen Menschen die treibenden Kräfte in der Natur und die der geistigen Welt von Dichtung, Musik und bildender Kunst. Und er läßt so die geheimen Zusammenhänge deutllgi werden. H. G.
Rechtsgrundriß
Rechtsgrundrisse, Heft 1, Bürgerliches Rech*' Allgemeiner Teil des BGB. Bearb. von gr. jur. Horst Feldmann. 4. Auflage, 186*' Fachverlag für Wirtschafts- und Steuerrecni, SChäffer & Co.. GmbH.. Stuttgart. 16« »• DM 6.89.
Die Feldmann-Grundrisse liegen ihrer Ausführlichkeit nach schon nahe der oberen Grenze dessen was der Sprachgebrauch noch als Grundriß anzusprechen pflegt. Insbesondere der vorliegende ersetzt zwar kein Lehrbuch, vermittelt jedoch demjenigen, der sich neu der Jurisprudenz zuwendet, eine pädagogisch sehr vorteilhaft angelegte Heranführung an die erfahrungsgemäß schwer zugängliche Materie d es Bürgerlichen Rechts. rr ‘