Illegales KZ Dormettingen vor Gericht
Da hilft alles Leugnen nichts mehr
Helmer-Sandmann hat an Mißhandlungen teilgenommen / Fortmann der Kripo übergeben / Abschluß der Beweisaufnahme
BOTTWEIL (Eig. Bericht). In Gerichts Verhandlungen gibt es oft Überraschungen. Unversehens werden ans Zeugen Angeklagte. So wäre es fast dem im Lager Dormettingen als Kapo eingesetzten ehemaligen Häftling Dehne gegangen, und dieser Rollentausch wird vielleicht in kurzer Zeit bei Herrn Fortmann, dem ehemaligen kaufmännischen Leiter der Deutschen Ölschiefer- Forschungsgesellschaft und Denunziant par cx- cellence vor sich gehen.
Fortmann, der alle seine Kollegen von der Dölft denunziert und der auch die Listen mit Nationalsozialisten für die Franzosen angefertigt hatte, wurde bezeichnenderweise vom Militärgericht Rastatt wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt, während die von ihm Denunzierten ohne Strafe ausgingen. Der Oberstaatsanwalt übergab Fortmann noch im Gerichtssaal der Kriminalpolizei, damit er über seine Denunziationen vernommen werden konnte. Ein besonderes Strafverfahren gegen Fortmann ist zu erwarten.
Aber auch der Angeklagte Helmer-Sandmann, dessen Treiben bei diesem Prozeß zur Debatte Iteht, wurde durch die Zeugenausagen am Donnerstagnachmittag immer mehr belastet. Zuweilen versuchte er sich noch in einem überlegenen Lächeln, aber das alles wirkte doch sehr erzwungen. 40 Zeugeneide dürften schwerer wie-- gen als das verzweifelte Leugnen und Abstreiten eines Angeklagten.
Helmer war aktiv
Der Zeuge Schuß, der als Wehrmachtsangehöriger in Dormettingen gefangen gehalten worden ist und dort in der Küche beschäftigt war, beschwor, daß Helmer einem Häftling, der in die Abortgrube geworfen worden war und sich am
Von Hand zu Hand
In Diensten Görings und der Alliierten
BONN. Aus den Verhandlungen des Unter- luchungsauschusses des Bundestags über die Bauten für die Alliierten in der Umgebung Bonns efgab sich, daß an der Einrichtung des Bitzes der alliierten Hohen Kommission die- lelbe Berliner Firma beteiligt war, die vor 1945 Karinhall und andere repräsentative Gebäude nationalsozialistischer Größen eingerichtet hatte. Der Besitzer dieser Firma wurde im Flugzeug von Berlin nach Bonn geholt. So wurden zur Ausstattung des Petersbergs u. a. Schreibtischplatten für 925 DM, Polstersessel für je 802 DM sowie dreiteilige Sofas für 1202 DM je Stück geliefert. Ein „Mannschaftshotel“ in Königswinter beanspruchte für Dekorationen und Wandbespannungen allein 71 000 DM. Ein Mitglied des Untersuchungsausschusses fühlte sich gedrungen zu bemerken, dieser Berliner Innenarchitekt sei vor 1945 häufig nach Paris gefahren, um Aufträge für Göring zu erledigen und der Geist, in dem jetzt auf dem Petersberg gearbeitet worden sei, erinnere sehr an die Zeiten der Reichskanzlei.
Das falsche Gebiß als Miete Nach einem neuen kalifornischen Gesetz dürfen Vermieter in Zukunft nicht mehr die falschen Gebisse, Perücken und Holzbeine ihrer Mieter «um Zweck der Mieteintreibung an sich nehmen.
Grubenrand festhielt, um nicht untergehen, mit den Schuhen auf die Finger getreten habe. Der gleiche Zeuge hat auch gesehen, daß Helmer den schwer zusammengeschlagenen Häftling Paul Wuhrer, dem die Tschechen mit dem Feuerwehrschlauch Wasser in den Mund spritzten, von hinten geschlagen habe. Damit ist nunmehr also auch durch Zeugenaussage eine direkte Beteiligung des Angeklagten Helmer an den Mißhandlungen belegt worden.
Der gleiche Zeuge belastete auch den Denunzianten Fortmann schwer. Danach 60 ll Fortmann nicht nur Listen an die Franzosen, geliefert haben, sondern er soll auch selbst mit einer Funktion betraut, im Lager Dormettingen gewesen sein. Im Haus von Schuß soll Fortmann bei einer Haussuchung dem Bruder des Zeugen gegenüber von Erschießung geredet haben.
Die Umstände unter denen die Zeugin Hoch versucht hat, ihren Schwager Maurer und den Bürgermeister Rebstock von Dotternhausen, die beide im Lager Dormettingen schließlich ermordet wurden, freizubekommen, werfen nicht nur auf Helmer ein bezeichnendes Licht, sondern auch auf die damalige moralische Haltung vieler Deutscher. Deletre habe sie zu Helmer geschickt. In dessen Gegenwart habe sie von einem Posten einen Schlag über den Kopf erhalten. Diese Bemerkung veranlaßt die Zuhörer zu Pfui-Rufen. Leider haben sie ihre Abneigung nicht in gleicher Weise Ausdruck gegeben, als die Zeugin Hoch davon berichtete, daß ihr Deletre' einen Brief von Einwohnern aus D. mit deren Unterschriften gezeigt habe, in dem es hieß, die Dorfbewohner wünschten, daß die Inhaftierten noch möglichst lange im Lager bleiben sollten. „Was wollen Sie eigentlich von mir? Die Dorfbewohner wünschen ja selbst, daß wir Eure Männer einsperren!", sagte Deletre.
Fortmanns Liste
Zur allgemeinen Überraschung konnte der Polizeiwachtmeister Rösch aus Schömberg, der seit 1939 dort stationiert ist, bei seiner Vernehmung dem Gericht jene vielgenannte Liste auf den Tisch legen, die Fortmann im April 1945 den Franzosen auf deren Wunsch angefertigt hat. Alle darauf verzeichneten Leute wurden, soweit sie angetroffen werden konnten, damals sofort festgenommen. Röschs Schilderung über die Zustände in den Konzentrationslagern des Dritten Reiches, die rings um Schömberg aufgemacht worden waren, war aufschlußreich und erschütternd zugleich. Das KZ Schömberg sei außerordentlich gut eingerichtet gewesen und auch menschlich geführt worden. Während der Zeit seines Bestehens seien dort nur sechs Inhaftierte gestorben. Das KZ Dautmergen hingegen, in dem dauernd 2500 Häftlinge, in der Hauptsache Polen und Russen, untergebracht waren, sei ein wahres Vernichtungslager gewesen, in dem es nur unzureichende Verpflegung gab und in dem täglich 80 bis 40 Häftlinge gestorben seien (im Nach- kriegs-KZ Dormettingen kamen nach den bisherigen Feststellungen 18 Häftlinge ums Leben).
Rösch, der wie zahlreiche Einwohner der Umgebung von Dormettingen Kenntnis von den schrecklichen Vorfällen im Lager erhalten hatte, hat davon sofort seiner Vorgesetzten Dienststelle in Balingen Mitteilung gemacht, aber er hat sich damit nicht zufrieden gegeben. Er selbst ist sofort nach den ersten Totschlägen im Lager zum französischen Sicherheitsoffizier nach Balingen gefahren und hat diesen von den Vorgängen unterrichtet. Mit dem Bescheid, daß
diese Zustände abgestellt werden, ist er wieder zurück nach Schömberg gefahren. Leider sei aber nichts geschehen. Immer wieder, wenn ihm Morde und schwere Mißhandlungen bekannt wurden, habe er in Balingen den französischen Sicherheitsoffizier und auch die französische Gendarmerie davon in Kenntnis gesetzt. Erst Anfang Juni, nach einem nächtlichen Zwischenfall in Dotternhausen, bei dem Deutsche aus dem Bett heraus verhaftet wurden, habe die französische Gendarmerie auf Meldungen Röschs hin eingegriffen und bei dieser Gelegenheit auch das Lager Dormettingen aufgelöst.
Bekannt wie Hitler
Von Helmer berichtete Rösch, daß dieser der Machthaber im Umkreis gewesen sei: „Der Name Helmer war so bekannt wie der von Hitler im Dritten Reich.“ Zu dem Verschwinden Milan Kovars konnte Rösch die Angaben machen, daß er in der Nacht vom 8. auf 9. Juli 1945 von einem französischen Offizier mit der Erklärung aus dem Bett geholt worden sei, er sei von einem Ausländer auf der Straße angehalten worden und habe diesen angeschossen. Rösch machte sich nach dem Verwundeten auf die Suche und fand diesen auf der Straße zwischen Schömberg und Dotternhausen. Es war Milan Kovar, der einen Schulterdurchschuß hatte. Am 29. Juli sei Kovar dann aus dem Krankenhaus Balingen, wo er von den Franzosen unter anderem wegen der Vorfälle in Dormettingen als Gefangener gehalten wurde, entwichen.
Gestern wurde Helmer durch den Zeugen Manski aus Karlsruhe zu guter Letzt auch noch mit der Verhaftung der Gebrüder Wuhrer in Verbindung gebracht. Manski war dabei, als Helmer zu Deletre sagte: „Die Wuhrer, die Nazis, sollten wieder so klein gemacht werden, wie sie vor 1933 waren.“ In dem gleichen Zusammenhang soll Helmer den Deletre, alias Scheerer, auch auf die ebenfalls kurz darauf verhaftete Frau Martha W. hingewiesen haben.
Die Eier und die Hühner
Zum Schluß der Beweisaufnahme befaßte sich das Gericht noch mit der Requisitionstätigkeit Helmers. Verschiedene Zeugen wurden gehört über die Form, in der Helmer bei den Bürgermeistern der betreffenden Gemeinden Naturalabgaben in Form von Hühnern und Eiern gefordert hatte. Es zeigte sich, daß er in dieser Hinsicht — zumindest für die ersten Wochen seiner Tätigkeit — formal durch eine französische Ermächtigung zu Lebensmittelrequisitionen gedeckt war. Immerhin kam heraus, daß er auch hier, allerdings vielleicht unter einem gewissen Drucke stehend, teilweise recht massiv vorging. Zu dem Bürgermeister Johann Riede aus Ratshausen soll er gesagt haben: „Sie Obemazi, ich werde Sie hinbringen, wo Sie hingehören!“ Das wäre an sich in der Hitze des Gefechtes noch verständlich, aber im Zusammenhang mit dem Todeslager in Dormettingen gewinnen derartige Bemerkungen eben einen besonderen Beigeschmack.
Der Zeugenaufmarsch wurde am Freitag beendet mit dem Aufruf der geschiedenen Frau des durch das Verfahren als Denunzianten gebrandmarkten ehemaligen Direktors Fortmann. Die Zeugin nahm auf ihren Eid, daß Helmer das Parteiabzeichen getragen habe. Die Behauptung deckt sich dem Sinne nach mit einigen ähnlichen Aussagen früher vernommener Zeugen. Heute tragen Staatsanwaltschaft und Verteidigung ihre Plädoyers vor.
Künstliche Herzen
Aufsehenerregende chirurgische Eingriffe
PARIS. Von der ersten Erprobung eines künstlichen Herzens am Menschen berichtete der italienische Chirurg Prof. Dogliotti von der Universität Turin dem 14. internationalen Kongreß für Chirurgie in Paris. Am 19. August operierte er einen 50jährigen Patienten an einem Brusthöhlentumor. Die Herztätigkeit des Mannes war so herabgesetzt, daß infolge des sauerstoffarmen Blutes Lebensgefahr bestand. Während der Entfernung des Tumors schloß Prof. Dogliotti ein „künstliches Herz“ an die Blutbahn an, das 20 Minuten lang das Herz des Patienten unterstützte. Der Patient überstand die Operation gut und ist heute vollständig genesen.
Die vollständige Ersetzung des Herzens durch ein künstliches Verfahren, wenigstens für einige Stunden, ist bisher allerdings nur im Tierversuch gelungen. Die Körpertemperatur des Versuchstieres wird durch Kompressen mit zirkulierender Kühlflüssigkeit auf 20 Grad herabgesetzt, wodurch (ähnlich wie beim Winterschlaf der Tiere) der Sauerstoffbedarf des Körpers stark verringert wird. Das Herz kann dann durch Abklemmen der drei Herz-
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adern für 25 bis 20 Minuten vom Blut geleert und der Eingriff daran ausgeführt werden. Hunde haben sich nach solchen Operationen in wenigen Tagen erholt, Affen aber erst nach Monaten. Beim Menschen ist diese Methode der Tiefkühlung bis jetzt noch nicht versucht worden, weil die Abkühlungstemperatur hart an der lebensgefährlichen Grenze liegt.
Der niederländische Psychologe Prof. Jong- b 1 ö d führte bei dem Pariser Kongreß seinen Kollegen aus 45 Ländern der Erde das selbständige künstliche Herz vor, das ein etwa 1.20 m hoher komplizierter Pumpmechanismus aus Preßstoff ist. Es besteht in der Hauptsache aus zwei Sätzen von je sechs kleinen Pumpen, die der linken und rechten Herzkammer entsprechen, aus spiralförmigen, rotierenden Sauerstoff speichern, die an die Stelle der Lungen treten, aus einem Regulierungsbehälter, der den Zutritt von Luft in die Arterien verhindert, und aus einer Heizanordnung, die das Blut auf Körpertemperatur hält. Jongblöd zapft das Körperblut an den Hohlvenen des Herzens an, läßt es dann durch seinen Pumpenmechanismus und Sauerstoffbehälter strömen, um es wieder an den Oberschenkelarterien in den Körper einzuführen. Das künstliche Herz Jongblöds hielt einen Hund, dem sein eigenes Herz völlig herausoperiert worden war, noch zwei Stunden am Leben.
Auf dem Kongreß wurde die Überzeugung zum Ausdruck gebracht, daß die bisher schon erreichte Vervollkommnung der Operationstechnik beim künstlichen Herzen bald auch die Anwendung bei menschlichen Patienten gestatten würde.
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