NUMMER 151
FREITAG, 2 8. SEPTEMBER 195]
Bundesdienststrafhof nach Berlin
92 000 neue Bergarbeiterwohnungen / Zuckerpreis von 1.32 DM gebilligt
BONN. Der Bundestag verabschiedete auf seiner Mittwochsitzung ein Gesetz über den Aufbau von Bundesdienststrafgerichten und bestimmte mit großer Mehrheit Berlin zum Sitz des neuen Bundesdienststrafhofes. Auf einen Protest der FDP gegen amerikanische Geschwindigkeitskontrollen auf der Autobahn Frankfurt-München hin teilte Bundesinnenminister Dr. Lehr mit, daß die Bundesregierung in dieser Angelegenheit beim amerikanischen Hohen Kommissar vorstellig geworden sei. Die. Regierung wünsche, daß solche amerikanischen Kontrollen in Zukunft unterblieben.
Dem Bundestag wurde von der Regierung mitgeteilt, daß sie den Aufbau eines Bundes- esundheitsamtes vorsehe, das eine selbstän- ige Bundesoberbehörde werden und den Gesundheitsschutz bundeseinheitlich übernehmen solle. Ein Gesetzentwurf über den Aufbau des Amtes ging nach der ersten Lesung an den Ausschuß für Gesundheitswesen. Nach einem geplanten Gesetz über das Paßwesen bleibt die Ausführung des Paßgesetzes, die Behördeneinrichtung und das Verwaltungsverfahren Sache der Länder. Die notwendige Einheitlichkeit des Paßwesens im Bundesgebiet wird durch allgemeine Verwaltungsvorschriften des Bundes sichergestellt. Dr. Lehr wandte sich gegen die bei den Allierten noch vorhandenen „schwarzen Listen“ mit Namen von Deutschen, denen ein Paß nicht oder nur mit alliierter Zustimmung ausgestellt werden dürfe. Das sei auf die Dauer mit der Gleichberechtigung der Bundesrepublik nicht zu vereinbaren.
Das Plenum nahm dann ein Gesetz zur Förderung des Bergarbeiterwohnungsbaus an, nach dem in den nächsten zwei Jahren 92 000 neue Bergarbeiterwohnungen gebaut werden sollen. Die Finanzierung erfolgt durch Abgaben der Kohlenbergbauuntemehmen in Höhe von 2 DM je t Steinkohle und 1 DM je t Braunkohle. Der Zentner Steinkohle wird damit nach Inkrafttreten des Gesetzes, dem der Bun-
Kommunalwahlen 18. November
Hälfte der Gemeinderäte und Kreistage
TÜBINGEN. Die in diesem Jahr fällige Neuwahl der Hälfte der Mitglieder der Gemeinderäte und der sämtlichen Mitglieder der Kreistage findet am 18. November 1951 statt. Rechtsgrundlagen für die Wahlen sind: 1. Wahlrechtsbestimmungen der Gemeindeordnung und der Kreisordnung; 2. das Gesetz über die Aufhebung von Beschränkungen des Wahlrechts vom 4. September 1951, durch das alle in Verfahren der politischen Säuberung erfolgten Beschränkungen des Rechts zu wählen oder an Abstimmungen teilzunehmen, aufgehoben wurden; 3. das neue Kommunalwahlgesetz, das vom Landtag voraussichtlich noch im Oktober verabschiedet wird.
Das neue Kommunalwahlgesetz, das für alle künftigen Kommunalwahlen (Gemeinderatswahlen, Bürgermeisterwahlen, Kreistagswahlen) in unserem Lande gelten soll, wird das im Jahre 1948 erlassene Kommunalwahlgesetz ablösen, das von vornherein nur als Übergangsgesetz gedacht war. Das neue Gesetz soll Im wesentlichen das Recht zu wählen und gewählt zu werden auch den Heimatvertriebenen, die ein Jahr in der Gemeinde wohnen, und den Heimkehrern aus Kriesgefangenschaft, die noch nicht ein Jahr in der Gemeinde wohnen, zuerkennen.
Die Kreistage und Gemeinderäte wurden im November und Dezember 1948 gewählt. Die Amtszeit der Mitglieder des Kreistags ist drei Jahre, die der Mitglieder des Gemeinderats sechs Jahre. Von den Mitgliedern des Gemeinderats scheidet jeweils die Hälfte nach drei Jahren aus; dementsprechend wurden im Jahre 1948 die Hälfte der Mitglieder des Gemeinderats nur auf drei Jahre gewählt. Im November sind daher sämtliche Mitglieder des Kreistags und die Hälfte der Mitglieder des Gemeinderats neu zu wählen. In Zukunft verlaufen die Perioden normal.
desrat noch zustimmen muß, um 10 Pfennig und der Zentner Braunkohle um 5 Pfennig teurer werden.
Nach einem Änderungsgesetz zum Heimkehrergesetz, das der Bundestag am Mittwoch endgültig verabschiedete, wird das Entlassungsgeld für Heimkehrer von 150 auf 200 DM und die Übergangsbeihilfe von 250 auf 300 DM erhöht. Das Gesetz gilt in seiner neuen Fassung auch für ehemalige Kriegsgefangene, die in der Sowjetzone oder jenseits der Oder- Neiße-Linie in Konzentrationslagern festgehalten worden sind. Einstimmig nahm der Bundestag ferner einen Antrag von sudetendeutschen Abgeordneten an, wonach die Bundesregierung bei den alliierten Hohen Kommissaren erwirken soll, daß der tschecho
slowakische Flüchtling Franz Kroupa wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit der deutschen Gerichtsbarkeit unterstellt wird. Kroupa werden schwere Mißhandlungen und bestialische Mordtaten an Volksdeutschen in der Tschechoslowakei vorgeworfen. Die amerikanischen Besatzungsbehörden hatten bisher die Unterstellung Kroupas unter deutsche Gerichtsbarkeit verhindert, weil er ein Angehöriger der Vereinten Nationen sei.
Zur Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts über die Klage Südbadens gegen die Neugliederungsgesetze für Südwestdeutschland wird der Bundestag voraussichtlich den Abg. Dr. Kurt GeorgKiesinger(CDU Würt- temberg-Hohenzollern) nach Karlsruhe schik- ken. Der Bundesrat seinerseits wird keinen Vertreter entsenden.
Das Bundeskabinett hat sich am Mittwoch mit dem vom Bundesrat zugestandenen Zuk- kerpreis von 1.32 DM je kg einverstanden erklärt. Der neue Preis gilt vom 1. Oktober an.
Presse und Staatsführung
Europäische Zeitungsverleger bei Heuß und Adenauer / „Verteidigung Europas“
lh. BONN. Bei einem Empfang im Palais Schaumburg, der zu Ehren des Besuches einer Delegation des Internationalen Verlegerverbandes stattfand, erklärte Bundeskanzler Dr. Adenauer am Mittwoch, es sei das Ziel der gegenwärtigen Verhandlungen mit den Alliierten, eine wahre, europäische Gemeinschaft zur Rettung Europas und der abendländischen Kultur herzustellen. Der Präsident des Internationalen Verlegerverbandes, J. van de Kieft, der holländischer Senator und Mitglied des Europarates in Straßburg ist, machte diese Zielsetzung auch zur Sache aller freien Zeitungen des Westens. Für die vorbehaltlose Aufnahme Deutschlands in den Internationalen Verlegerverband dankte Dr. Adenauer den Mitgliedern des Internationalen Präsidiums. An diesem Empfang bei Dr. Adenauer nahmen auch die Bundesminister Wilder- muth, Hellwege, Lukaschek und Staatssekretär Dr. Lenz teil.
Am Vormittag waren die ausländischen und deutschen Verleger von Bundespräsident Prof.
Kleine Weltchronik
TÜBINGEN. Der zweite Senat des Bundesverfassungsgerichtes hat, wie am Donnerstag aus der Staatskanzlei bekannt wird, entschieden, daß Staatspräsidenten und Minister, wenn sie die Befähigung zum Richteramt haben, ein Land vor dem Bundesverfassungsgericht vertreten dürfen. Sie sind als Beamte im Sinne des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes anzusehen.
BONN. Die Bundesregierung hat dem Bundestag ein Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde zugeleitet, durch das der Dualismus zwischen Zahnärzten und Dentisten beseitigt werden soll. In einigen Jahren soll es nur noch Zahnärzte geben.
BONN. Bundespostminister Schuberth gab In einem Interview bekannt, daß in den letzten drei Jahren 350 000 neue Fernsprechanschlüsse eingerichtet worden sind. Die Zahl der beantragten Neuanschlüsse betrage schon wieder 250 000. Die Herstellungskosten für einen Neuanschluß würden gegenwärtig rund 1500 DM betragen.
BONN. Die französische Hohe Kommission teilte mit, daß der Anwesenheit des deutschen Militärsachverständigen General a. D. Dr. Speidel in Paris, entgegen anderslautenden Meldungen, nichts im Wege stehe.
BONN. Der deutsch-britische Handelsvertrag wird voraussichtlich am kommenden Montag unterzeichnet werden, teilten alliierte Kreise am Mittwoch mit.
' HAMBURG. Paul Henri Spaak mußte nach Schluß der internationalen Tagung der Europäischen Bewegung in Hamburg das St.-Georgs- Krankenhaus aufsuchen. Die Ärzte stellten eine Lungenentzündung fest. Zu Besorgnis bestehe kein Anlaß, das Befinden des Patienten habe sich leicht gebessert.
SAARBRÜCKEN. In einem Dorf bei Neunkirchen wurden drei schwarz-rot-goldene Fahnen gehißt und auf das Straßenpflaster prodeutsche
Heuß zu einer Aussprache über aktuelle Probleme des deutschen Zeitungsgewerbes empfangen worden. Dabei wurden eingehend Fragen wie die der Papierkostensteigerung, der Kohlenknappheit, des journalistischen und verlegerischen Nachwuchses, der Altersversorgung der Journalisten und Tariffragen erörtert. Sowohl Prof. Heuß als auch die ausländischen Verleger bezeichneten die freie deutsche Presse als eine der wichtigsten Waffen bei der Verteidigung der Freiheit und des Friedens Europas. Prof. Heuß hatte mit seinen Gästen sofort persönlichen Kontakt gewonnen.
Am Abend führten die Verleger Gespräche mit Bundestagspräsident Dr. Ehlers und mit einigen Bundestagsabgeordneten. Die Mitglieder des Präsidiums des Internationalen Verlegerverbandes äußerten unserem lh.- Redaktionsmitglied gegenüber nach den Empfängen, daß sie von den ersten Repräsentanten der Bundesrepublik außerordentlich beeindruckt seien und in ihnen Treuhänder wahren deutschen und europäischen Geistes sehen.
Parolen geschrieben. Dies trug sich anläßlich einer dort stattflndenden Bergmannswoche zu. In Saarbrücken wurden 'Wimpel in den Farben der Bundsrepublik auf die Straßenbahnoberleitungen geworfen.
SAARBRÜCKEN. Der saarländische Ministerpräsident Hoffmann kündigte Verhandlungen zwischen der Saarregierung und der französischen Regierung über eine Revision der saarländisch-französischen Konventionen an.
PARIS. Die Herbstsitzung der Beratenden Versammlung des Europarates, die für 15. Oktober vorgesehen war, ist wegen den britischen Parlamentswahlen endgültig -verschoben worden.
PARIS. Die zweiten großen Herbstmanöver der atlantischen Streitkräfte beginnen am Freitag in der Bundesrepublik, in Frankreich, Belgien und Holland. An dem Landemanöver, das sich um einen Rheinübergang größerer Truppenverbände zwischen Oppenheim und Germersheim konzentriert, nehmen zwei französische Armeekorps unter Einschluß einiger britischer, belgischer und holländischer Verbände sowie ein amerikanisches Armeekorps teil.
STRASSBURG, Der politische Ausschuß der Beratenden Versammlung des Europarates ist in Straßburg zusammengetreten, um sich mit der Lage Europas nach den großen internationalen Konferenzen dieses Spätsommers zu befassen.
BORDEAUX. Das Militärgericht von Bordeaux verurteilte mehrere deutsche Offiziere, darunter den ehemaligen Kommandeur der SS-Division „Das Reich“, wegen Beihilfe zu Mord, zu Plünderung und zu Brandstiftung in Abwesenheit zum Tode. 41 weitere Angeklagte wurden frei- gesprochen.
STOCKHOLM. Die schwedische Regierung Erlander, die sich ausschließlich aus Sozialisten zusammensetzt, hat beschlossen, zusammen mit Angehörigen der Agrarpartei ein Koalitionskabinett zu bilden, wie gut unterrichtete Kreise am Mittwoch mitteilten.
Der Kanzler bereitet sidi vor
Die Verhandlungen mit den Alliierten
BONN. Bundeskanzler Dr. Adenauer setzte auch am Mittwoch seine Gespräche über die Einzelergebnisse der Washingtoner Außenministerkonferenz mit seinen engeren Mitarbeitern fort. Dabei wurde die zweite Zusammenkunft des Kanzlers mit den alliierten Hohen Kommissaren, die am Montag auf Schloß Röttgen stattfinden soll, vorbereitet. Es wird erwartet, daß Dr. Adenauer im Anschluß sn diese Besprechung wiederum den Auswärtigen Ausschuß des Bundestages und den SPD- Vorsitzenden unterrichten wird.
Nach Ansicht Bonner politischer Kreis« dürfte auf deutscher Seite das Ziel der Verhandlungen nicht die Ablösung des Besatzungsstatuts durch eine Zwischenlösung sein. Es müsse vielmehr eine grundsätzliche Neuregelung der deutsch-alliierten Beziehungen auf „der Basis der gleichberechtigten Partner“ getroffen werden. Im einzelnen sind die Auflösung der alliierten Hohen Kommission und ihres Unterbaues in den Bundesländern sowie die Abschaffung der Generalklausel vorgesehen, die es den Alliierten nach dem Besatzungsstatut gestattet, in bestimmten Fällen in innerdeutsche Verhältnisse einzugreifen.
Zur Beratung der Bundesregierung bei den kommenden Verhandlungen mit den Alliierten wählte der Außenpolitische Ausschuß des Bundestags einen sechsköpfigen Unterausschuß, der sich aus Vertretern der Koalitionsparteien und der SPD zusammensetzt. Diesem Ausschuß gehören an: Für die CDU Dr. Gerstenmaier und Dr. P ü n d e r, für die SPD Prof. Karl Schmid und Dr. Lütkens, für die FDP Freiherr v. Rechenberg und für die DP voraussichtlich Dr. v. M e e r k a t z.
Kanada-Refse verschoben
Krise der Krankheit noch nicht iiberstanden
LONDON. Mit Rücksicht auf die ernste Erkrankung Königs Georg VI. ist die geplante Kanadareise der Prinzessin Elisabeth und des Herzogs von Edinburgh um ein bis zwei Wochen aufgeschoben worden. Das Thronfolgerpaar sollte ursprünglich am 2. Oktober in Ottawa ein treffen.
An Stelle des üblichen Bulletins wurde am Mittwochabend eine amtliche Verlautbarung vom Buckinghampalast herausgegeben, worin es heißt, daß noch zehn Tage lang eine gewisse Besorgnis um den Zustand des Königs unvermeidlich sein werde. Nach ärztlicher Ansicht hat die zweite Krisenperiode nach der Operation begonnen.
Grußbotschaften
Verständigung mit den Juden
DÜSSELDORF. Zum jüdischen Neujahrstag am 1. Oktober haben sich führende Persönlichkeiten der Bundesrepublik, an ihrer Spitze Bundespräsident Heuß, zu einer deutsch- jüdischen Verständigung bekannt. Die Politiker übermittelten zum Beginn des jüdischen Jahres 5712 der „Allgemeinen Wochenzeitung der Juden in Deutschland“ Erklärungen, In denen sie den jüdischen Menschen in Deutschland und der Welt versichern, daß die junge Bundesrepublik alles tun wolle, um die jüdischen Mitbürger gerecht und gleichberechtigt zu behandeln, die begangenen Verbrechen soweit möglich wieder gutzumachen und neuen antisemitischen Äußerungen mit allem Nachdruck entgegenzutreten.
Bundespräsident Heuß setzt sich für einen Neubeginn der deutschen-jüdischen Beziehungen ein. Bundeskanzler Dr. Adenauer beteuert im Namen der Regierung, es sei ein deutsches Anliegen schlechthin, den Ungeist der Vergangenheit zu bannen. Der SPD-Vor- sitzende Dr. Schumacher erklärt, die moralische und sachliche Wiedergutmachung an den Juden als ein Kernstück sozialdemokratischer Politik. Ähnliche Erklärungen gaben Christian Fette für den DGB, Ministerpräsident Arnold und andere deutsche Persönlichkeiten ab.
Ein heiterer Roman von Franz Goßt:
„Nachsaison"
Copyright by Schwäb. Verlagsgesellschaft, Tübingen
„Von mir aus, du Saufaus!“ gab der Wirt nach und goß nochmals von der hellen Flüssigkeit ein, aber nicht von der Spezialflasche. So weit hatte er bereits wieder zu sich selbst zurückgefunden.
„... und ein vierter kommt“, nahm er den Faden wieder auf. „Fein! Das ist nobel!“ entfuhr es dem Lois unbedacht.
„Da auf den Tisch her nicht!“ bremste der Wirt ab. „Ein vierter Amerikaner kommt, ein fünfter, ein sechster...“
„Nimm sie lieber gleich schockweis, das geht Schneller“, riet ihm der Lois wohlwollend.
„Was willst damit sagen?“ äugte der Wirt stirnrunzelnd und argwöhnisch zum Briefträger hinüber.
„Nichts Ungutes“, beruhigte ihn der Lois, „aber wenn alle Südamerikaner einzeln aufzählen willst, versäumst dabei den ersten.“ „Nur keinen Kummer! In dein Hirn geht das nicht hinein. Verstehst, — wenn das einmal in Südamerika bekannt ist, dauerts nicht lang und in Nordamerika weiß mans auch. Was ist die Folge? — Zwischenquell wird ein internationaler Kurort. Und mein Hirsch ...“ „... wird ein Rhinozeros“, ergänzte der Briefträger undankbar.
„Zuerst den Schnaps saufen und nachher Sich das Maul zerreißen, das hab ich gern“, raunzte der Kralinger.
„Sag einmal, was ist denn eigentlich ein Minenbesitzer?“ ging er gleich darauf dem Tatsächlichen auf den Leib.
Damit war auch der Briefträger überfragt. Nicht einmal auf dem Grund des Stamperls, den der Lois wieder erreicht hatte, war eine Antwort zu finden, auch wenn er noch so tief
sinnig hineinstarrte. Ungerührt übersah der Wirt den Blick, den der Lois flehend, mit einer stummen Anfrage verbrämt, vom Glas zu ihm emporhob. Das Rhinozeros war noch nicht verdaut.
„Minen... Minen ...“ plagte sich der Lois trotzdem eine Erklärung ab, „Minen..., das ist doch etwas, was in die Luft geht.“
„Dank sch" i“, wehrte sich der Wirt erschreckt, „du gefällst mir! Bin nicht neugierig, wie es in der Höh’ ausschaut.“
„Aber geh, du Tschapperl“, tröstete ihn der Lois etwas von oben herab, „du bist doch auch ein Viehbesitzer und nimmst deine Rindviecher nicht überall hin mit, wo du was zu tun hast.“
„Da hast du auch wieder recht“, war der Kralinger gleich wieder beruhigt. „Aber daß man mit solchem Zeug so viel Geld verdienen kann?“
„Was denkst, wenn bald da, bald dort Krieg ist! Da braucht man eben gute Minen zum bösen Spiel. Und die kosten Geld!“
„Da legst dich nieder!“
„Geht gut. Ich muß aber aufstehn“ besann sich der Lois nun seines Amtes und sah auf seine Uhr. „O je! Höchste Zeit zum Essen, sonst greint meine Alte!“
„Und die Briefe da?“ deutete der Wirt auf das kleine Häufchen Post, das dem Lois noch verblieben war.
„O mein, die trag ich nachmittags aus“, erklärte der Lois geringschätzig; „ist eh nichts Gescheites dabei. Ein Mahnbrief für den Müller, eine Karte für die Garber-Nanne von ihrer Mena, die beim Lamm in der Stadt drinnen kochen lernt, eine Postanweisung für den alten Larcher von seinem Buben — hat er’s länger, wenn er’s später kriegt — und das andere hat überhaupt nichts zu sagen. Auf keinen Fall so viel, wie meine Stasi sagt, wenn ich zu spät komm. — Dank auch schön für den Schnaps und lern gut amerikanisch!“ Und draußen war er. Ohne seinen zweiten Gast noch weiter zu beachten, führte sich der Wirt
nochmals den Inhalt des Schreibens zu Ge- müte, des bedeutsamen Schreibens, das geeignet war, der Geschichte Zwischenquells eine neue Wendung zu geben. Eine Wendung in noch ungeahnte Weltweiten.
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„Martin! — Martin!“ — Gebieterisch und beschwörend durchhallte dieser Ruf den ganzen „Hirschen“. Es dauerte aber eine geraume Weile, bis er Erhörung fand. Sie kam in Gestalt eines strammen Burschen so um die Fünfundzwanzig herum zur Hoftür herein.
„Wo brennt’s denn, Vater?“ fragte der junge Kralinger gelassen. — „Anspannen mußt, es ist höchste Zeit“, hastete der Wirt heraus. — „Wär eh schon fertig damit, wenn du nicht einen solchen Lärm schlagen tätst.“
„Dann mach nur schleunigst weiter!“ drängte der Vater. „Mußt dich ja anders anziehen auch noch.“
„Warum denn?“ Verwunderter als Martin das fragte, konnte man es nicht mehr tim.
„Sooo wirst doch nicht fahren wollen, in Dreiteufelsnamen!“ schnappte ihn der Alte an. Dabei deutete er mit einer alles umfassenden Bewegung auf die äußeren Hüllen Martins, die allerdings deutlich verrieten, daß sich der Bursch in Gefilden aufgehalten hatte, die zwar sehr nahrhafte und begehrte Sachen liefern, aber dem, der mit ihnen in nähere Berührung kommt, einen unverkennbaren Stempel für Auge und Nase aufdrücken.
„Wieso? — Zum Mistführen braucht’s doch kein Sonntagsgewand.“
„Zum Mistführen?“ — Gedehnt wie ein Nudelteig kam diese Frage.
„Ja, weißt du denn nicht, daß heut der 23. September ist?“
„Wüßt nicht, daß er im Kalender rot gedruckt wär.“
„Aber im Kalender von Zwischenquell wird der Tag einmal rot angestrichen werden. Heut kommt ja der Amerikaner und den mußt doch abholen von der Bahn. Höchste Zeit!“
„Ich brauch das Roß zum Mistführen!“ bockte der Sohn auf.
„Wenn ich sag, du fährst den Amerikaner, dann führst du nicht Mist, verstanden!“ erboste sich der Vater.
„Mir ist’s gleich, Mist oder Amerikaner, ist gehupft wie gesprungen“, brummte Martin.
„Du — beleidige meine Gäste nicht! Der Mensch muß inne werden, daß wir wissen, was sich gehört. Aber jetzt tummel dich!“
„Ich versteh dein Getu nicht, Vater. Wir haben ja öfters Fremde gehabt, die haben noch jedesmal draußen an der Bahn einen Einspänner genommen und sind hereingefahren die halbe Stund. Und jetzt auf einmal sollen wir so einen Lalli feierlich abholen. Und draußen ist der Mist schon aufgeladen."
„Red mir nicht drein, ich weiß schon, was ich will. Der Mist kann warten, aber der Amerikaner wartet nicht. Geht dir denn das nicht ein: Der Mann ist übers Meer herübergefahren und kommt ausgerechnet zu mir. Da muß man sich rühren — da muß man was tun — da kann man nicht herstehen mit den Händen in der Hosentasche!“
„Die andern sind auch nicht auf der Brennsuppe dahingeschwommen“, wandte Martin ein.
„Schluß mit Reden! — Einspannen — fahren — und daß dich manierlich benimmst! Sonst setzt’s was!“
„Aber ja, — ich beiß schon nichts weg von deinem Amerikaner. So ein Wirbel, ein grauslicher!“
Martin fand es aber immerhin für geraten, sich zu verziehen. Der Vater grollte ein Weilchen hinter ihm her wie ein abziehendes Gewitter.
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Lustig schnalzte die Peitsche, als der Einspänner dem Dorfausgang zuratterte. Allzu gepflegt war die Straße nicht und daher hopste es ausgiebig, wenn man beim Fahren etwas schärfer ins Zeug ging, als man es im allgemeine mit frischen und yerdauten Heufudern zu tun gewohnt war. CFnrt-.etzunP folgt)