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HEIMATBLATT STADT UND LAND

ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG

}. JAHRGANG / NR. 151

FREITAG, 28 . SEPTEMBER 1951

Wahlen unter internationaler Kontrolle

Die Antwort des Bundestags auf den Grotewohl-Vorschlag / Feierliche Erklärung zur Judenfrage Drahtbericht unseres nach Bonn entsandten c z - R e d ak t i o n s m it g li e d e s

BONN. Der Bundestag billigte am Donnerstag eine Regierungserklärung und zwei Anträge 4er SPD cüe als Antwort auf den Appell der ostzonalen Volkskammer und der Vorschläge orotewohls, gesamtdeutsche Wahlen abzuhalten, anzusehen sind. Der Bundeskanzler (egte eine Wahlordnung für freie, gesamtdeutsche Wahlen vor, die Schutz und intematio-

S ile Kontrolle der Wahlen verlangt. Als außerordentlich dringend wird eine internationale ntersuchung durch Neutrale in beiden Teilen Deutschlands erachtet, um festzustellen, in­wieweit die Voraussetzungen für freie Wahlen gegeben sind. Der in letzter Minute von den Regierungsparteien gleichfalls gebilligte weitergehende SPD-Antrag ersucht die Bundesregie­rung, sich an die vier Besatzungsmächte zu wenden, damit diese dem deutschen Volk bal­digst Gelegenheit geben, freie gesamtdeutsche Wahlen unter internationaler Kontrolle für eine mit allen Vollmachten ansgestattete Nationalversammlung durchzuführen.

In der Regierungserklärung brachte Aden­auer zum Ausdruck, daß oberstes Ziel der Politik der Bundesregierung die Wiederher- ftellung der deutschen Einheit in einem freien Und geeinten Europa sei. Diese Einheit müsse aus der Entscheidung des gesamtdeutschen Volkes kommen. Um nichts unversucht zu las- len, werde die Bundesregierung eine Wahl-

g nung für gesamtdeutsche Wahlen vorlegen, se Wahlordnung wurde in 14 Punkten im zelnen erläutert. Die Bundesregierung will Ihren Wahlordnungsvorschlag den Vereinten Nationen, den vier Besatzungsmächten und den sowjetzonalen Behörden zur Stellung­nahme zuleiten. Sie wird dabei vorschlagen, raß die internationalen Kontrollorgane von Vertretern neutraler Mächte gebildet werden.

Bis heute seien die Verhältnisse in der So­wjetzone von diesem Zustand noch weit ent­fernt. Die Bundesregierung fühle sich ver­pflichtet, sich Gewißheit zu verschaffen, daß fie Voraussetzungen für die Abhaltung der Wahlen gegeben seien.Die Bundesregierung wird für das Bundesgebiet eine entsprechende internationale Untersuchung sofort beantra­gen. Es liegt bei den Behörden, in der Sowjet- ione dasselbe zu tun.

Dia Anträge der SPD erläuterte Abg. Weh- ner. In ihrem ersten Antrag kam die SPD *uf ihren früheren Vorschlag, Wahlen in Ge- »amtberlin durchzuführen, zurück. Der Haupt­antrag ersucht die Bundesregierung, an die Tier Besatzungsmächte die Aufforderung zu richten, dem deutschen Volk baldigst Gele­genheit zu geben, in freien Wahlen unter in­ternationaler Kontrolle eineNationalversamm- lung für das Gebiet der vier Besatzungszenen und Berlin zu wählen. Die Bundesregierung soll, bis spätestens 15. Oktober dem Bundestag in einer Ergänzungserklärung Bericht über die Stellungnahme der Besatzungsmächte erstat­ten. Außerdem sollen unverzüglich in einem Weißbuch die Dokumente veröffentlicht wer­den, die Aufschluß über die Bemühungen über die Herstellung der deutschen Einheit geben. Für die Regierungsparteien sprach als erster

Abgeordneter Kiesinger (CDU Württemberg- Hohenzollern), der die Zustimmung der Koa- litionspaTteien zu den SPD-An trägen bekannt­gab.

Für die KPD sprach seit langem erstmals wieder Max Reimann, der die Regierungs­erklärung und die Anträge der SPD ablehnte. Alle anderen Parteien unterstützten die Re­gierung.

Der Antwort auf die Grotewohlaktion ging eine Erklärung der Bundesregierung zur Ju- denfrage voraus, in der der Bundeskanzler unter Hinweis auf das Grundgesetz betonte, daß jeder deutsche Staatsbürger angehalten sei, jede Form rassischer Diskriminierung von sich zu weisen. Diese Bedingung müsse zum Gemeingut des ganzen Volkes werden, das in erster Linie ein Problem der Erziehung sei.

Die Bundesregierung habe sich entschlossen, die Kreise, die noch immer antisemitische Hetze betreiben, durch unnachsichtige Straf­verfolgung zu bekämpfen. Dem Bundestag lä­gen Vorschläge zur Ergänzung des Strafge­setzes vor, auf Grund deren auch rassenhet­zerische Propaganda mit schweren Strafen be­legt werden.Die Bundesregierung und mit ihr die große Mehrheit des deutschen Volkes ist sich des unermeßlichen Leides bewußt, das in der Zeit des Nationalsozialismus über die Juden in Deutschland und in den besetzten Gebieten gebracht worden ist. Das deutsche Volk hat in seiner überragenden Mehrheit die an den Juden begangenen Verbrechen verab­scheut und ist an ihnen nicht beteiligt. Im Na­men des deutschen Volkes sind aber untrag­bare Verbrechen begangen worden, die zu mo­ralischer und materieller Wiedergutmachung verpflichten. Auf diesem Gebiet sind erste Schritte getan, aber vieles bleibt noch zu tun.

Hinsichtlich des Umfangs der Wiedergut­machung müßten die Grenzen berücksichtigt werden, die der deutschen Leistungsfähigkeit durch die bittere Notwendigkeit der Versor- gung der Kriegsopfer und der Fürsorge für Flüchtlinge und Vertriebene gezogen seien.

Moskauer Protest erwartet

Dreimächte-Erklärung über Revision des italienischen Friedensvertrages

MOSKAU. Die gemeinsame Erklärung der drei Westmächte über die Revision des italie­nischen Friedensvertrages dürfte nach An­sicht westlicher Diplomaten in Moskau einen scharfen ^Protest der Sowjetunion hervorrufen. Die Erklärung ist von den diplomatischen Ver­tretern der Westmächte in Moskau getrennt dem sowjetischen Außenministerium überge­ben worden.

In der Erklärung finden sich die Regierun­gen der Vereinigten Staaten, Großbritanniens

Aus unterrichteten Kreisen verlautet, daß zu einer formellen Änderung der Vertragsbestim­mungen das Einverständnis der Sowjetunion erforderlich sei. Da die Westmächte jedoch von seiten des Kreml eine glatte Ablehnung erwar­teten, würden sie in diesem Falle die italieni­sche Regierung ermächtigen, die einschränken­den Bestimmungen des Vertrages zu ignorie­ren. Dieser Schritt wäre durch die Tatsache ge­rechtfertigt, daß der Kreml seinerseits Rumä­nien, Bulgarien und Ungarn die Genehmigung

und Frankreichs bereit, den Friedens vertrag mit erteilt hat, ihre Streitkräfte über das in den

SPD und Koalitionsparteien unterstrichen den Standpunkt der Regierung.

Einheitliche Beamtenbesoldung

Die Nachmittagssitzung begann das Plenum mit der Beratung der Neuregelung des Be­soldungsrechts und des Bundeshaushaltplans 1951. Alle Fraktionen, einschließlich der Re­gierungsparteien, kritisierten, daß nach dem Regierungsentwurf über das Besoldungsgesetz nur die Beamtenbezüge und nicht auch die Bezüge von Pensionären, Witwen und Waisen um durchschnittlich 20 Prozent erhöht werden sollen. Im Namen der Koalition fordert Her­wart Mießner (FDP) eine gleichmäßige Be­handlung aller Beamtengruppen und der Empfänger von Ruhegehältern und Hinterblie­benenbezügen. Da der Bund und die meisten Länder die volle Erfüllung der Ansprüche in diesem Rechnungsjahr finanziell nicht tragen könnten, solle allen Gruppen eine Zulage von 15 Prozent gewährt werden, auch den soge­nannten 131ern. Vordringlich müßten aber die niederen Übergangsgehälter verbessert wer­den. Der Entwurf und einige Anträge wurden einstimmig an den Ausschuß für Beamten­recht überwiesen.

Volkskammer will prüfen

BERLIN. Die auf der gestrigen Sitzung des Bundestags znr Sprache gekommenen Punkte einer Wahlordnung, werden von der Volkskam­mer der Sowjetzone einer eingehenden Prü­fung unterzogen werden, erklärte der stellver­tretende Vorsitzende des Sekretariats derSo- wjetzonenvoikskammer, Gerhard J a t z k e, gestern nachmittag. Jatzke betonte jedoch, daß in der Stellungnahme des Bundestags zu dem Volkskammervorschlag auf allgemeine Wah­len in Deutschland für die Vertreter der So­wjetzonenrepublik nicht ohne weiteres eine Diskussionsgrundlage zu erkennen sei. Mit einer offiziellen Antwort der Volkskammer sei erst in einiger Zeit zu rechnen.

Sehr zurückhaltend

Französische Antwort an den Kreml

PARIS. Die französische Regierung hat in einer Note an die Sowjetunion die sowjetische Behauptung widerlegt, daß die zur Verteidi­gung Westeuropas und zu seiner wirtschaftli­chen Vereinigung getroffenen Maßnahmen den französisch-sowjetischen Beistandspakt von 1944 verletzten. Frankreich beantwortete da­mit den sowjetischen Protest vom 11. Septem­ber. Die Note ist in einem bewußt zurückhal­tenden Ton gehalten, um keineBrücken ab­zubrechen. Vor allem soll der rein defensive Charakter der Europaarmee betont werden. Der offizielle Text der Antwortnote wird erst in einigen Tagen veröffentlicht.

Bemerkungen zum Tage

Italien zu revidieren und die Aufnahme Ita­liens in die Vereinten Nationen mit allen Mit­teln zu fördern. Die drei Westmächte betonen, daß die Italien auferlegten militärischen und anderen Beschränkungen durch die Ereignisse überholt und nicht länger mit dem Status eines gleichberechtigten Mitgliedes der demokrati- ®<hen und freiheitliebenden Völkergemein- Khaft vereinbar seien. Die drei Regierungen vertrauten darauf, daß sich die anderen Signa­tarmächte ihrer Haltung anschließen möchten.

Neue Vorschläge Ridgways

Gestriges Treffen ausgefallen

TOKIO. General R i d g w a y, der Ober- fcommandierende der UN-Streitkräfte in Ko- schlug gestern einen neuen Konferenzort für die Waffenstillstandsverhandlungen vor, der an Stelle von Käsong treten soll. Der vor­geschlagene Konferenzort liegt 12 km südlich von Käsong, etwa halbwegs zwischen den Fronten der Kommunisten und der UN-Trup- Pen.

Die Botschaft General Ridgways wurde kom­munistischen Verbindungsoffizieren in Pan «tun Jon überreicht. In Käsong fand gestern nt 1116 » ? usammen kunft der Delegation statt. , e Mittwoch-Besprechung wurde ergebnis- r* abgebrochen. Die Alliierten wiesen darauf ?~> y®ß es keinen Sinn habe, über den Waf- «fcostillstand zu verhandeln, so lange keine Ga­rantien dafür bestünden, daß die Kommunisten ule Verhandlungen nicht mehr willkürlich un~ erbrechen.

jeweiligen Friedensverträgen festgesetzte Maß hinaus zu vergrößern.

Wir sind bereit, wenn ...

cz. Wie kompliziert das gesamtdeutsche Problem heute geworden ist, kommt schon darin zum Ausdruck, daß es dieses Mal nicht gelungen ist, eine einheitliche Stellungnahme des Bundestages zu dem Volkskammerappell und den Grotewohl-Vorschlägen zustande zu bringen, und auch die Regierungsparteien sich erst in letzter Stunde einigten. Die vom Bun­deskanzler'verlesene Regierungserklärung, zu den ostzonalen Vorschlägen zu gesamtdeut­schen Gesprächen zusammenzutreten, geht dar­auf aber nicht ein, sondern wendet sich un­mittelbar den konkreten Problemen einer Wahlordnung zu. Es ist dabei offensichtlich, daß der Bundeskanzler diesmal weitergegan­gen ist als je zuvor. Die in seiner Erklärung entwickelten Punkte zur Wahlordnung ermög­lichen der Ostzonenregierung nunmehr, sich erneut zu Wort zu melden. Es wird sich dabei zeigen, wie weit es ihr und damit den Sowjets mit freien gesamtdeutschen Wahlen ernst ist. Bei Zustimmung zur vorgeschlagenen Wahl­ordnung sollte es nach den zurückliegenden Ausführungen Grotewohls nicht schwer fallen, den nächsten Schritt zu vollziehen. Der SPD muß zugestanden werden, daß sie nicht aus reinen Oppositionsgründen an ihren Anträgen festhält. Während die Regierung sich über die praktischen Erfordernisse gesamtdeutscher Wahlen ausließ, stellte die SPD wiederum die Klärung der Voraussetzungen von Besatzungs­seite in den Vordergrund. Bei ihr dringt die Annahme besonders deutlich durch, daß die Sowjetunion in Viermäehte-Besprechungen ihre Bereitschaft, eine Wiedervereinigung Deutschlands zulassen zu wollen, zusichem müßte. So notwendig aber eine unmißver­ständliche Stellungnahme der Sowjets wie der westlichen Besatzungsmächte auch erscheint, so wenig entbindet das die Bundesrepublik der Verpflichtung, von sich aus weiterhin al­les zu unternehmen, und wenn es am Ende nur darauf hinausliefe, sich das Alibi zu versdiäf- fen, das Beste gewollt zu haben.

Gemeinsame Verantwortung

hf. Die Regierungserklärung und die Stel­lungnahme der großen Parteien des Bundes­tages zu einer Wiedergutmachung der an den Juden vom Hitler-Regime begangenen Verbre­chen, war eine längst überfällige Aktion. Sie bedeutet, daß Regierung und Parlament ab­seits aller parteipolitischen Erwägungen, die gemeinsame deutsche Verantwortung für Ver­gehen anerkennen, die im Namen Deutschlands, wenn auch nicht mit der Zustimmung der Mehrheit des deutschen Volkes, verübt wurden.

Die Worte des Sprechers der CDU:Die Achtung, die wir uns selbst gegenüber erwar­ten, wird davon abhängen, welche Achtung wir dem den Juden zugefügten Leid gegenüber haben. Selbstverständlich wird es große Pro­bleme aufwerfen, wenn nach der Anerkennung der moralischen Pflicht zur Wiedergutmachung auch die materiellen Ansprüche zu befriedi­gen sind. Aber wenn das Bonner Parlament an diese gesetzgeberische Arbeit mit dem Willen herangeht, der aus der Regierungserklärung spricht, sollte es möglich sein, nicht nur ge­genüber den in Deutschland lebenden Juden wieder gutzumachen, sondern auch dem Ziel eines Friedens mit Israel näher zu kommen. Hier, wenn wir den Rechtsstaat in Deutschland festigen wollen haben wir die Pflicht, aus der moralischen Anerkennung unserer Verantwor­tung auch die materiellen Konsequenzen zu ziehen.

Bundespräsident Heuß empfing am Mittwoch eine Delegation des Internationalen Verlegerver- bandes und die Vorsitzenden der deutschen Verlegerverbände zu einer Aussprache über die gegenwärtig im Vordergrund stehenden Probleme des deutschen Zeitungsgewerbes. Rechts von Prof. Heuß der Präsident des Internationalen Zeitungsverlegerverbandes Senator 3. van de Kieft <Holland) dahinter mit Brille der Generalsekretär M. Claude Bellanger (Frankreich) vnd links von Professor Heuß der Schatzmeister des Internationalen Verlegerverbandes, M.J.H. Bur ton.

Räumung oder Bese&ung?

Persien droht mit Sprengung Abadans

TEHERAN. Die persische Regierung hat ge­stern die Sprengung der gesamten Ölanlagen in Abadan für den Fall angeordnet, daß aus­ländische Streitkräfte versuchen sollten, auf persischem Boden zu landen. Gleichzeitig wur­den die persischen Truppen in Abadan und der Provinz Kfauzistan in Alarmzustand ver­setzt Das britische Kabinett beriet den gan­zen Donnerstag über die nächsten Schritte Großbritanniens im ölkonfiikt. Es geht um die Frage, ob die britischen Erdölanlagen in Persien verteidigt, oder ob sich die Engländer mit der Ausweisung der letzten 300 Ölexper­ten abfinden werden.

Premierminister Attlee hatte nach def J^abinettsitzung Besprechungen mit den Oppo­sitionsführern Churchill und Davies (Liberale Partei). Konservative Kreise deuteten an, Churchill werde die Einberufung einer Parlamentssondersitzupg fordern, wenn sich die Regierung zum Rückzug aus Persien ent­schließen sollte.

Nach einer mehrstündigen Unterhaltung des amerikanischen Außenministers Acheson mit dem britischen Gesandten in Washington im Beisein von Averell Harriman erklärten zuständige diplomatische Kreise, neue wichtige Schritte gegenüber Persien ständen bevor. Pre­mierminister Attlee ließ dem amerikanischen Präsidenten eine persönliche Botschaft übgr die Lage nach dem Ausweisungsbefehl für die letzten britischen Techniker übermitteln.

,Friede muß erzwungen werden,

WASHINGTON. Der amerikanische Außen­minister Acheson sagte auf seiner wöchent­lichen Pressekonferenz am Mittwoch, dgr Wunsch nach Frieden allein genüge nicht; die freie Welt müsse auch über die Stärke ver­fügen, um den Frieden zu erzwingen.Unsero Methode besteht darin, Stärkepositionen aui- zübauen zur Verwirklichung unserer Ziele.