NUMMER 142

SÜDWESTDEUTSCHE CHRONIK

MITTWOCH, 12. SEPTEMBER 1951

Leichtsinn und Rücksichtslosigkeit Wünschelrute nicht immer der richtige Schlüssel

ah. In den letzten Wodien beobachtete die Polizei den Straßenverkehr in besonderem Maße, um Anhaltspunkte für die Ursachen der immer weiter steigenden Unfallziffern zu bekommen. Im Juli waren es 794, im August 984 Verkehrs­unfälle. die sich allein in Südwürttemberg ereig­neten. Die Totenzahl stieg dabei von 18 im Juli auf 34 im August, die Zahl der Verletzten von 557 auf 736. Die Beobachtungen der Polizei haben zu interessanten Ergebnissen geführt, die mit unseren eigenen Beobachtungen, wie sie auch an dieser Stelle schon öfters geäußert worden sind, ziemlich übereinstimmen. Das Hauptkontingent der Verkehrssünder stellen die jüngeren und jüngsten Verkehrsteilnehmer. Ein großer Teil der Unfälle ist einwandfrei auf Leichtsinn und Rück­sichtslosigkeit zurückzuführen. Besonders die jüngeren Motorradfahrer fallen durch rücksichtslose Fahrweise und sonstiges verkehrs­widriges Verhalten immer wieder auf. Gar nicht gut kommen in dem Bericht der Polizei auch die Radfahrer weg. Ein großer Teil von ihnen kennt nicht einmal die Verkehrszeichen. Es geht ihnen hier wie den Fußgängern, die auch viel­fach glauben, die Verkehrszeichen seien nur für die Autos und Motorräder da. Bei den Radfah­rern wird vor allem die starke Vernachlässigung der Fahrzeuge beanstandet. 6058 Fahrräder wur­den in Südwürttemberg in einem Zeitraum von vier Wochen angehalten, weil entweder die Bremsen oder der Rückstrahler oder sonst etwas fehlte. Die Auto- und Motorradfahrer beklagen sich übrigens schon lange darüber, daß die Rück­strahler der Fahrräder zu deren Kenntlichma­chung in der Dunkelheit nicht mehr genügen. Wenn vor einem Auto nachts ein Rad fährt und der Autolenker wegen eines entgegenkommende» Fahrzeugs abblenden muß, trifft sein Scheinwer­fer nicht mehr auf den Rückstrahler am Fahrrad, so daß dieses Gefahr läuft, erst im letzten Mo­ment ins Blickfeld des Autofahrers zu kommen. Es ist dann oft schvter, einen Zusammenstoß noch zu verhindern, vor allem wenn die Aufmerksam­keit des Autolenkers von entgegenkommenden Fahrzeugen beansprucht wird. Alles in allem: Es gibt durchaus noch Mittel, um dem Unfalltod, der jnch seine Opfer heute von der Straße wie von einem laufenden Band wegholt, entgegenzutreten.

Ein Erlaß des Innenministeriums zu den Trinkwasserbohrungen der Gemeinden

Tübingen. In den letzten Jahren haben ver­schiedene Gemeinden des Landes Württ.-Hohen- zollern Wünschelrutengänger zur Auffindung von Trinkwasser herangezogen und zum Teil trotz Abratens durch Geologen an den von den Wün­schelrutengängern angegebenen Stellen Schür­fungen und Bohrungen niedergebracht, die er­folglos blieben, so daß nicht unbeträchtliche Mit­tel nutzlos ausgegeben wurden.

Als Beispiele seien die Gemeinden Onstmet­tingen und Schömberg, Kreis Balingen, Vöhringen, Kreis Horb, Dettingen, Breitenholz, öschingen, Dußlin­gen und Gniebel, Kreis Tübingen, Engels­brandt und Haiterbach, Kreis Calw, Hai- gerloch, Höfendorf und Empfingen, Kreis Hechingen, die Städte Metzingen und Riedlingen, sowie Moosbeuren, Kreis Ehingen und Grünkraut, Kreis Ravensburg, genannt.

Wie vorstehende Beispiele und die zahlreichen Erfahrungen des In- und Auslandes gezeigt ha­ben, sind die Angaben der Wünschelrutengänger zumindest mit größter Vorsicht aufzunehmen. Das Innenministerium hat sich daher veranlaßt

gesehen, in einem Erlaß darauf hinzuweisen, daß sich die Gemeinden bei der Planung und Vorbe­reitung für die Beschaffung neuer Trinkwasser­anlagen oder der Erweiterung bestehender An­lagen rechtzeitig mit der Bitte um Beratung an die hierfür zuständige Abteilung für Straßen- und Wasserbau des Innenministeriums wenden sollen, welche sich ihrerseits des sachverständi­gen Rates des Landesgeologen, der staatlichen Gesundheitsämter und des Hygieneinstituts der Universität Tübingen bedient.

Zu den Kosten für Bohrungen und Schürfun­gen wird vom Lande im Falle des Mißerfolges dann keine Beihilfe gegeben, wenn diese Arbei­ten nach den Angaben eines Wünschelrutengän­gers vorgenommen wurden, aber eine sachge­mäße Nachprüfung dieser Angaben durch die geologischen und technischen Sachverständigen vor Inangriffnahme der Arbeiten unterblieben ist.

Solche Hinweise und Bestimmungen sind nicht neu, sie bestehen in ähnlicher Form im Bundes­gebiet bereits in den Ländern Württ.-Baden, Ba­den, Hessen, Schleswig-Holstein und Niedersach­sen.

Aus Südwürttemberg

Meldepflicht bei Einfuhr von Klauentieren Tübingen. Das Innenministerium hat eine Ver­ordnung erlassen, die der Abwehr von Viehseu­chen, vor allem der Maul- und Klauenseuche dient. Sie sieht eine Meldepflicht bei der Ein­fuhr von Klauentieren nach Württemberg-Hohen- zollern beim Bürgermeisteramt des Bestimmungs­orts vor. Die Anzeige muß durch denjenigen er­folgen, der die Tiere einführt, und entfällt nur, wenn die eingeführten Klauentiere unmittelbar auf einem Schlachtviehmarkt aufgetrieben oder in ein öffentliches Schlachthaus eingeliefert wer­den/

Kurze Umschau im Lande

Im Neckar ertrunken ist bei Stuttgart-Unter- türkheim ein 62jähriger Mann am Samstag­abend. Da es schon sehr dunkel war, konnte er trotz seiner Hilferufe nicht mehr gerettet werden.

Seinen großen Dobermann auf die Polizisten gehetzt hat ein Wohnungsinhaber in Stuttgart, der mit seinem Mieter Streit bekommen hatte. Die von Nachbarn zu Hilfe gerufene Polizei wollte die beiden Männer zur Klärung des Sach­verhalts mit zur Wache nehmen. Einer der Be­amten konnte sich vor dem Angriff des auf ihn gehetzten Tieres nur retten, indem er es nieder­schoß.

Zwei Hofgebäude des Schloßguts Wernau im Kreis Eßlingen wurden durch Blitzschlag in Brand gesetzt. Der Sachschaden wird auf 120 000 DM geschätzt. Dem Besitzer gelang es, trotz des sich rasch ausbreitenden Feuers den Schweinebestand von 75 Tieren zu retten.

Lauge getrunken hat ein Bäckermeister in Wasseralfingen, als er die Flasche verwechselte. Er wurde mit schweren Verätzungen ins Kran­kenhaus eingeliefert.

Sein Gebiß verschluckt hat ein 39 Jahre al.ter Mann in Neuffen, Kreis Nürtingen. Die Ober­kieferprothese blieb in der Sp'eiseröhre stecken, so daß der Mann in der Chirurgischen Klinik in Tübingen operiert werden mußte. Er starb je­doch zwei Tage später an den Folgen einer zen­tralen Atemlähmung.

Mehrere hunderttausend DM Schaden hat der Wolkenbruch vom Freitagabend in Tübingen an­gerichtet.

Schlachtviehmarkt Stuttgart

Dienstag, 11. September

Auftrieb: Rinder 685, Kälber 854, Schweine 1670, Schafe 69. Preis: Ochsen a 93 bis 103, b 82 bis 90; Bullen a 100 bis 109, b 94 bis 99; Fär­sen a 103 bis 110, b 92 bis 100; Kühe a 80 bis 89, b 71 bis 78, c 60 bis 70, d bis 59; Kälber a 146 bis 150, b 138 bis 145, c 125 bis 135, d bis 120; Schafe nicht notiert; Schweine a, bl 136 bis 140, b2, c 134 bis 140, d, e 125 bis 132, f, gl 120 bis 125, g2 bis 118. Marktverlauf: Rinder langsam, kleiner Überstand; Kälber lebhaft, geräumt; Schweine mäßig belebt, geräumt.

Ein Regimentstreffen veranstalten die Ange­hörigen des ehemaligen RIR 119 am Sonntag, 23. September, 14 Uhr, in Herrenberg.

Etwa 200 Danziger aus ganz Württemberg ka­men am Sonntag in Hechingen zu einem Landes­treffen zusammen. Am Grabe des Exkronprinzen Wilhelm auf dem Hohenzollern wurde ein Kranz in den Danziger Farben niedergelegt.

Eine Kitsch-Ausstellung plant das Lindauer Stadtmuseum für das kommende Jahr. Der Mu­seumsleiter will einmal den Kitsch in jeder Form zur Schau stellen, um eine abschreckende Wir­kung zu erzielen.

Ein tödlicher Verkehrsunfall ereignete sich in Lauterbach, Kreis Freudenstadt, wo ein Motor­radfahrer mit Beiwagen auf einen Pkw auffuhr, so daß er einen Schädelbasisbruch erlitt.

Die eigene Mutter zu Tode geprügelt hat ein 44jähriger Landwirt in einer Gemeinde im süd­lichen Elsaß. Er hatte angegeben, seine Mutter habe in betrunkenem Zustand einen tödlichen Unfall erlitten, was vom Arzt geglaubt wurde. Auf die Anzeige von Nachbarn hin wurde die Leiche wieder ausgegraben, und es wurde als einwandfreie Todesursache eine Schädelfraktur als Folge schwerer Mißhandlungen festgestellt.

Schwere Unwetter im Land

Ravensburg. Schwere Unwetter, die in der Nacht zum Sonntag über dem Oberland nieder­gingen, verursachten zahlreiche Brände durch Blitzschlag. So wurden die Gemeinden Eben­weiler, Herbertingen, Kreenried und Königseggwald im Kreise Saulgau und im Kreis Wangen vor allem die Umgebung von Leutkirch sowie die Gemeinden Ge­bratzhofen und Hofs von Gewitterbränden heimgesucht. In Hofs brannte ein Bauernhof völlig nieder. Der Schaden wird auf 40 000 DM geschätzt. Die Telefonverbindungen nach der Kreisstadt Saulgau waren vorübergehend gestört. Die elektrische Stromzufuhr war am Samstag­abend fast im ganzen Oberland etwa eine Stunde lang unterbrochen.

Am Umspannwerk Herbertingen ent­stand ein Schaden in Höhe von rund 50 000 DM, als ein großer Transformator durch Blitzschlag zertrümmert wurde.

Von einem schweren Unwetter wurden auch die drei Laucherttalgemeinden Melchingen, Stetten unter Holstein und H ö r s c h- w a g im Kreis Hechingen am Freitagnachmittag heimgesucht. Das enge Tal wurde weithin über­schwemmt, so daß das Wasser vielfach bis in die oberen Stockwerke der Häuser drang. Die Flu­ren zeigen schwere Schlammverwüstungen. Men­schen kamen nicht zu Schaden.

Der Bodensee bevorzugtes Reisegebiet

Friedrichshafen. Der Bodensee ist dieses Jahr als Reisegebiet besonders bevorzugt. Im August stieg die Zahl der Schiffssonderfahrten von Friedrichshafen und Lindau aus auf 186. Dabei wurden 86 102 Personen befördert ge­genüber 70 414 im Juli. Die Passagierzahl zwi­schen Friedrichshafen und Romanshorn betrug im August das Dreifache gegenüber demselben Monat des letzten Jahres.

Auch der Fernreiseverkehr hat in Südwürttem- berg im August gegenüber dem Juli noch zu­genommen, Der Nahverkehr war trotz des zeit­weise unbeständigen Wetters im allgemeinen befriedigend.

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Einen gewaltigen Schreck bekam eine Frau in W e e sb y (Schleswig), als sie eines Abends in ihrem Ehebett einen ausgewachsenen Hühner­habicht entdeckte, der im Kleinwildbestand tiefe Lücken geschlagen hatte. Beherzt ergriff sie den sich heftig wehrenden Raubvogel und steckte das kräftige Tier mit dem Kopf in eine leere Milch­kanne, wo man ihm dann den Garaus machte.

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Zu einer aufregenden Affenjagd kam es in Wertheim a. M. Ein Mann entdeckte bei sei­nem Abendspaziergang auf einem Nußbaum einen Affen und versuchte ihn einzufangen. Als das Tier durch ein Fenster in das Staatliche Gesund­heitsamt sprang, jagte der Mann ihm nach und verfolgte es durch Zimmer und Gänge, bis ihn

der Affe in den Arm biß. Erst dem Schausteller, dem der Affe durchgeangen war, gelang es, das Tier in einer Kiste abzutransportieren.

Auf der Rheinbrücke zwischen Mannheim und Ludwigshafen sahen die Passanten plötzlich ein führerloses Motorrad aus Richtung Mann­heim daherfahren. Es handelte sich allerdings nicht um Fernsteuerung, sondern um einen harm­los abgelaufenen Unfall. Der Fahrer des Motor­rades war am Anfang der Brücke von einem Lie­ferwagen rücklings angefahren worden und nach hinten vom Motorrad gefallen, während dieses vorneweg schoß und noch eine ganze Strecke weit geradeaus fuhr, bevor es umfiel.

Aus Nordwürttemberg

Süddeutsche Klassenlotterie Stuttgart. Am Montag wurde der Hauptgewinn der 5. Klasse der 9. Süddeutschen Klassenlotterie gezogen. Er fiel auf das Los Nr. 144 323, das in Achteln gespielt wird. Auf jedes Achtellos fallen 30 000 DM. Außerdem entfielen auf Nr. 38 578 25 000 DM und auf Nr. 163 750 10 000 DM.

Betriebsrat fristlos entlassen Stuttgart. Eine Stuttgarter Firma hat vor kurzem ihren gesamten Betriebsrat entlassen, weil er den Betriebsfrieden gestört haben soll. Die drei Mitglieder des Betriebsrats hatten der Direktion Vorschläge zur Rationalisierung ge- macht und in Personalfragen Kritik geübt. Die Betriebsleitung hatte daraufhin einen der Be­triebsräte seiner verantwortlichen Tätigkeit ent­bunden und anschließend den Einspruch des Be­triebsrats mit dessen fristloser Entlassung be­antwortet. Eine Güteverhandlung vor dem Stutt- garter Arbeitsgericht verlief ergebnislos.

Schalten und Walten der Hausfrau" Stuttgart. Der Berufsverband der Hausfrauen, Landesgruppe Württemberg, veranstaltet vom 29. September bis 14. Oktober in den Ausstellungs­räumen des Landesgewerbeamts Stuttgart und den zusätzlich erstellten Zelthallen eine haus­wirtschaftliche Fachausstellung.

Die Frisuren von heute und morgen Stuttgart. Nicht mehr der kurze,stumpfe Haarschnitt, sondern die mittellange Haartracht wird künftig das modische Bild bestimmen. Die am Sonntag auf dem Stuttgarter Killesberg aus­getragene Landesmeisterschaft des württember- gisch-badischen Landesinnungsverbandes der Fri­seure zeigte, daß sich aus der über die Nacken­linie reichenden Haarlänge die kleidsamsten Fri­suren gestalten lassen. Im allgemeinen wurde das Haar bis zum Kopfwirbel weich gewellt und an den Seitenpartien in aparte Locken gelegt.

Die jüngste Stadt Württembergs Bad Friedrichshall. Im Kuppelsaal des Stein­salzschachtesKönig Wilhelm II., 160 Meter

unter der Erdoberfläche, überreichte der würt- tembergisch-badische Innenminister Fritz Ul­rich am Samstagabend dem Bürgermeister von Bad Friedrichshall die Urkunde über die Ver­leihung der Stadtrechte

Aus Baden

Dr. Adam Remmele +

Freiburg. In einer Freiburger Klinik starb am Sonntagabend im Alter von 74 Jahren der frü­here badische Minister Dr. h. c. Adam Rem­mele. Er gehörte der SPD an, war zunächst Re­dakteur, von 1919 bis 1929 badischer Innenmini­ster und von 1929 bis 1931 Justiz- und Unter­richtsminister. Während seiner Amtszeit war er zweimal badischer Staatspräsident.

Sonderbare Behandlungsmethoden Heidelberg. Vor dem Heidelberger Schwurge­richt begann am Montag der mit großer Span­nung erwartete Prozeß gegen den 41jährigen Ernst G ö r i n g aus Waibstadt. Die Anklage lautet auf fahrlässige Tötung und vorsätzliche Körperverletzung mit Todesfolge. In seinem Haus starb, wie schon berichtet, am 1. Septem­ber letzten Jahres ein 16jähriger Junge in völ­lig ausgezehrtem Zustand an Lungenentzündung. Dr. Göring entzog dem Jungen, den er zur psy­chisch-therapeutischen Betreuung aufgenommen hatte, angeblich aus Erziehungsgründen lange Zeit das Essen und ließ ihn trotzdem schwere körperliche Arbeit verrichten. Ein Mitbewohner des Hauses hatte bereits im März letzten Jahre« Anzeige erstattet, weil er beobachtet hatte, wie der Junge an einem Februartag mit bloßen Füßen im Hof des Hauses im Schnee stand und Holzblöcke zersägen mußte. Sieben Sachver­ständige werden ihr Urteil über die Behand­lungsmethode des Arztes abgeben. Rund 50 Per­sonen wurden als Zeugen geladen. Es wird mit einer Prozeßdauer von 7 Tagen gerechnet;

Wie wir d das Wetter?

Aussichten bis Donnerstagabend: Fortdauer de* * dunstigen, heiteren und warmen Spätsommer­wetters, einzelne Gewitter während der Abend­stunden, besonders im Schwarzwald, sonst über­wiegend trocken. Tageshöchsttemperaturen um 25 Grad. In den Tälern Frühnebel. Tagsüber dunstig, schwache südliche Winde.

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Die Dahlie

Einst war sie Gefangene des Eskorials In keiner anderen Blume offenbart sich die Kraft des reifenden Jahres stärker als in der Dahlie. Nicht zaghaft und schüchtern, son­dern bestimmend und führend greift sie ein in die Fülle des sommerlichen Blütengartens und hält ungebrochen Wochen und Monate durch, bis lm Spätherbst der Frost ihrem Blühen ein Ende setzt.

Die Heimat der Dahlie ist Mexiko. 1784 sand eie Vincent Cervantes, der Direktor des Botan sehen Gartens in Mexiko, an Cavaniltes, den E rektor des Botanischen Gartens zu Madrid d sie als erster 1791 beschrieb und zu Ehren d schwedischen Botanikers Dahl in Abo (gest. 17£ Dahlia nannte. 13 Jahre lang wurde sie in d< königlichen Gärten des Eskorial als Gefange: gehalten; keine Knolle durfte abgegeben werde Erst im Schreckensjahr der Französischen Rev lution. 1789, kamen einige Knollen durch beso dere Vergünstigung nach Paris an den Jard des Plantes, wo sie, aus Unkenntnis in ein Trei haus versetzt, eingingen. Zum zweitenmal g längte sie nach Europa, als Alexander von Hur boldt und Bonpland auf ihrer großen Weltrei die Dahlie in Mexiko nahe dem Vulkan Jorul neu entdeckten und Samen wie auch Knoll nach Berlin sandten, wo sie bald Freunde unt den Gartenliebhabern fand. So bat Fritz Reut m seiner Schullehrzeit in Treptow den Apoth Ker Grischow, der ihn in die Kenntnis der Pfla zenweit eingeführt hatte, ihm für seinen Gart perennierende Stauden, besonders Dahlien senden. Der Botaniker Wildenow taufte sie v n -?u er ? un<3 nannte sie Georgine nach dem t rühmten Petersburger Reisenden Georgi Als dann 1872 eine weitere Art (Dahlia Juai zii) von Mexiko nach Holland gebracht und n den bislang bekannten Arten Dahlia coccinea u D. pinnata gekreuzt wurde, verbreitete sich < neue Pflanze schnell und wurde die beliebte: und gesuchteste Modeblume. Bereits 1806 zeii der Hofgärtner Breiter in Leipzig 55 Varietät: Zwei Jahre später gelang es dem Garteninspe tor Hartweg in Karlsruhe, die ersten gefülli Dahlien zu erzielen. Vorzüglich in England wui ein Luxus mit der neuen Zierpflanze getrieb wie mit keiner anderen Pflanze zuvor. Uni

heure Summen wurden dafür verschwendet und es wurde als großes Ereignis gefeiert, als es einem englischen Gärtner gelungen war, eine weiße Dahlie zu züchten. Gar bald vermehrten sich die Spielarten ins Ungeheure, zeigte sich doch die Mexikanerin ergiebig und wandlungs­fähig wie keine andere Pflanze. In wenigen Jahr­zehnten haben Geschmack und Neigung der Züch­ter wie die Zeitströmungen der Mode die Dahlie auf eine seltene Höhe der Vollendung und des Reichtums geführt. Eine ungeahnte Mannigfal­tigkeit in der Ausprägung von Form, Farbe und Größe der Strahlenblüten verlieh den Garten­formen ihren besonderen Reiz. Weit über 2000 Sorten von Knopfgröße bis zu Riesenformen von 30 cm Blütendurchmesser schmücken die Beete unserer Gärten. Alle Farbtöne von reinem Weiß über Gelb, Orange, Rosa, Lila und Violett bis Dunkelpurpur, einfarbige, gestreifte, gebänderte, gezonte oder mit andersfarbigen Spitzen ver­sehene Blüten sind unter den zahlreichen Gar­tenformen vertreten, von denen die Mignon-, Duplex- (Päonien- und Stemdahlien), Halskrau­sen-, Anemonen-, Kaktus- (Edeldahlien), Schmuck-, Rosetten-, Seerosen-, Ball- und Pompondahlien die bekanntesten sind. Aber alle Bemühungen der Züchter, eine blaublühende Art zu erhalten, sind trotz der Aussetzung eines Preises von 100 Pfund Sterling bislang ergebnislos verlaufen.

Die Züchtungserfolge zeigen sich auch lm Wuchs der Pflanze: es gibt niedrige, mittlere und hochgewachsene Dahlien, Zwerg- und Riesenfor­men. Gewisse Sorten eignen sich besonders als Topfpflanzen und schmücken Balkon, Veranda und Treppe unserer Wohnungen.

So sehr die Dahlie aber bei uns gepflegt wor­den ist und so schön sie auch sein mag Künst­ler wie Julius Mermagen hat sie zu herrlichen Schöpfungen begeistert, zum Herzen ist sie nie gedrungen. Sie ist und bleibt ein Fremdling in unserem Garten. W. M.

40 000 Bände der Bibliothek des ehemaligen Auslandsinstituts in Stuttgart, die nach dem Kriege von der französischen Besatzungsmacht sichergestellt und nach Mainz verlagert worden waren, sind jetzt in das Institut für Aus­landsbeziehungen nach Stuttgart zurück­gebracht worden.

Für den Bücherfreund

Fahrten und Abenteuer

Herbert Rittlinger, Das baldverlorene Paradies, Eberhard Brockhaus-Verlag, Wies­baden 1951, 282 S., 34 Tafelbilder, DM 8.60. William B e e b e , Wundersame Küstenfahrt, ebenda, 283 S , 4 Zeichnungen, 1 Karte, 31 Ta­felbilder, DM 12.80.

Der Brockhaus-Verlag war seit jeher der Ver­lag der guten Fahrten- und Abenteuerbücher. Sven Hedin, Wilhelm Filchner u. a. große Ent­decker und Feldforscher gehören zu den bekann­testen Autoren dieses alten Leipziger Verlages, der jetzt in Wiesbaden eine neue Wirkungsstätte gefunden hat. Herbert Rittlinger, der Schriftsteller im Paddelboot, erlebte zwar keine Abenteuer, die große Geschichte machten, dafür findet sich sein Fahrtenparadies auf jeder Land­karte. Seine neuen Fahrten nahmen ihren An­fang an der Donau, von dort an Wildbächen und Nebenflüssen vorbei bis zu den Füßen der Hohen Karawanken. Sein Paradies ist sommerselige Wirklichkeit dazu die Unbeschwertheit sorgen­loser Ferientage. All dies fing Rittlinger in sei­nem neuen Buche ein, das sich in Wort und Bild an alle Freunde der Natur und ihrer Ursprüng­lichkeit wendet. Ganz anders ist Williams B e e b eWundersame Küstenfahrt", die Begeg­nungen mit See-Elefanten und anderen seltsamen Tieren des pazifischen und mexikanischen Rau­mes zeitigte. Beebe ist durch seine Bücher seit langem auch in Deutschland bekannt. Das neue Buch zeigt dem Leser jene geheimnisvolle Welt der Tiere, die Beebe wie kaum ein anderer For­scher unserer Tage kennt und benennt, und zu­dem in einer Art beschreibt, die viele begeistern wird. Die solide Aufmachung muß hervorgeho­ben werden. -e.

Kulturelle Nachrichten

Im Rahmen der Berliner Festwochen wurde am Freitag in Berlin eine AusstellungDeut­sche Malerei aus dem 17. und 18. Jahrhundert aus den Beständen der ehe­maligen staatlichen Galerien Berlins eröffnet. Eine Sammlung von altrussischen Ikonen aus dem 11. und 15. Jahrhundert ist seit Samstag in Berlin zu sehen. Gleichzeitig wurde als wei­tere Festwochen-Kunstschau eine Ausstellung

Ein Jahrtausend ostasiatischer Malerei imChar- ; lottenburger Schloß eröffnet. Die Schau umfaßt , einen Teil der gegenwärtig in Celle unterge­brachten Gemälde der ehemaligen Abteilung Ostasiatische Kunst der früheren staatlichen Museen Berlins.

In Renchen, wo kürzlich des 275. Todestage* des Dichters desSimplizissimus gedacht wur­de, ist dieGrimmelshausen-Runds neu ins Leben gerufen worden.

Das 2 8. deutsche Bachfest wurde in Bremen eröffnet. Es soll dem Ziel dienen,das Werk Bachs in der Sprache unserer Tage leben­dig zu erhalten. Die Musikwissenschaftler Gup- litt. Blume und Schneider halten Vorträge.

Neues in Zeitschriften

Heft 9 desMerkur" (Zeitschrift für europäi­sches Denken, Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart, 9.

Jg.) bringt wiederum eine Reihe von unterhalten­den und belehrenden Aufsätzen. Der Göttinger Physiker C. Fr. v. Weizsäcker zeichnetDas neue Bild vom Weltall", das auch dem Nicht-Fachmann die schwierigen Probleme der heutigen Physik na­hebringen kann. Willy Haas untersucht, anscheinend unbelastet von detaillierter Kenntnis der indologi­sche Materie das Wesen der indischen, im Unter- | schied zur europäisch-westlichen Kunst. (Es müßte dem Autor eigentlich möglich sein, indische Namen und Termini wenigstens orthographisch richtig wie­derzugeben). Im belletristischen Teil findet sich u. a. eine Erzählung von Fr. G. Jünger. Das Juli-August-Heft der Monatsschrift für alle Ge­biete des MusiklebensMusi ca (Bärenreiter- Verlag. Kassel) enthält Aufsätze aus der musischen Welt. Fred Hamei, der bekannte Musikkritiker, un­tersucht das Verhältnis von Musik zur Wirtschaft anläßlich der gegenwärtig in Düsseldorf stattfinden­den Deutschen Musikmesse 1951. Weitere Beiträge und zahlreiche Bilder bereichern diese anspruchs­volle Musikzeitschrift. Die ständigen Leser der Westermanns Monatshefte" (G. Wester­mann-Verlag, Braunschweig) werden im September­heft einige Überraschungen zur Kenntnis nehmen! Den Beginn einer Fortsetzungserzählung v. Werner Bergengruen und die Ankündigung der neuen gro­ßen Novelle von Stefan AndresAm Brunnen der Hera". Eine neue farbige Bildkarten-BeilageDie Erdteile" bietet jetzt von Heft zu Heft einen j Überblick über die Pflanzen- und Tierwelt sowie die Lebensformen der Menschen in den einzelnen Kotinenten. Die Reproduktioen von Meisterwerken des Impressionismus (Corinth, Liebermann) gehören ebenfalls zu den qualitätsvollen Beiträgen. n- |