NUMMER 141

MONTAG. 10. SBPTRM8BR 18S1

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Verband Deutscher Soldaten

Gründung in Bonn vorbereitet / Heimkehrer distanzieren sich

Drahtbericht unserer Bonner Redaktion

BONN. Die großen deutschen Soldatenver­bände trafen sich am vergangenen Wodienende in Bonn, um ihren Zusammenschluß imVer­band Deutscher Soldaten vorzubereiten. Es wurde ein sedisköpfiger Arbeitsausschuß ge­bildet, dem neben dem vorläufigen Vorsitzen­den des Verbandes, Generaloberst Hans Frieß- ner, die Generale Trett'ner, Thunert, ein Oberjäger Blumenfeld und der ehe­malige Oberst des Afrikakorps, von Wech­mar angehören. Der Arbeitsausschuß soll die für Oktober disponierte ordentliche Delegier­tenkonferenz vorbereiten, auf der dann der endgültige Vorstand gewählt werden wird.

Im Verlaufe der Bonner Konferenz war es zu scharfen Auseinandersetzungen zwischen den einzelnen Organisationen gekommen, wo­bei es zum großen Teil um Personen ging. Einig waren sich alle anwesenden Soldatenverbände wie die Fallschirmjäger, das frühere Afrika­korps, die DivisionGroßdeutschland, der Schutzverband Deutscher Soldaten, und der Bund versorgungsberechtigter Wehrmachts­angehöriger über ein Sieben-Punkte-Pro- gramm. Darin wird zum Ausdruck gebracht, daß der Verband Deutscher Soldaten einen Verteidigungsbeitrag Deutschlands akzeptiere, wenn er unter den gleichen Voraussetzungen erfolge, wie er von anderen Ländern in An­spruch genommen würde. Betont wurde, der

Unter diesen Umständen: Nein

Schumacher zum Verteidigungsbeitrag

h.f. BONN. Nach Sitzung des Ausschusses und Vorstandes stellt die SPD in einer Erklärung fest, die Politik der Alliierten und der Bun­desregierung hätten dazu geführt, daß Europa und Deutschland weder politisch noch sozial die mögliche Stärke für die Auseinanderset­zung mit dem Osten erreicht haben. Die Bun­desregierung und ihre Vertreter seien völlig passiv geblieben in der Frage der deutschen Einheit und der Erhaltung der Saar als eines deutschen Gebietes. Von einer Gemeinsamkeit zwischen Deutschland und den Alliierten im Kampf um die Freiheit sei in der gegenwär­tigen Politik nichts zu spüren. Zum Thema Verteidigungsbeitrag sagte Schumacher wört­lich:Da die Alliierten uns nicht mal sagen, was sie wollen und mit welchen Mitteln sie es wollen, können wir einem solchen Beitrag wegen absolutem Mangel cm Klärung nicht zustimmen. Wir würden bei den gegebenen Voraussetzungen für einen militärischen Bei­trag sein, aber wir sagen eindeutig und unwi­derruflich Nein unter den heutigen Gesichts­punkten der Verwendung Deutschlands als Vorfeld und der Opferung der deutschen Menschen nicht für eine gemeinsame Sache, sondern für nationale Interessen anderer Staa­ten.

Ausdehnung des Streikes

Kein Einfluß der Kommunisten

FRANKFURT. Der Streik der hessischen Metallarbeiter soll in der kommenden Woche verschärft und ausgedehnt werden, wie die Be­zirksleitung der IG Metall am Samstag ankün­digte. Zu der Behauptung der Unternehmer­seite, der hessische Streik sei in der Hand der Kommunisten und werde aus der Sowjetzone finanziert, hat die IG Metall dem DGB-Bun- desvorstand erklärt, daß sie weder zur Kom­munistischen Partei, noch zur SED oder dem FDGB der Sowjetzone irgendwelche Verbin­dungen habe.

Der DGB-Vorsitzende Christian Fette er­klärte in Berlin zum hessischen Streik, die IG Metall sei genau wie jede andere Industrie­gewerkschaft autonom in der Durchführung des Streikes. Sie habe diesem nicht ausweichen können, da die Arbeitgeberverbände dikta­torisch jede Lohnerhöhung abgelehnt hätten.

Verband stehe jenseits aller Parteipolitik und trete für Aufbau und Bestand des deutschen demokratischen Staates ein. In den anderen Punkten wird der Wille zur Wiederherstellung der deutschen Einheit und für eine Zusammen­arbeit mit den Soldaten der freien Welt auf der Grundlage der gegenseitigen Achtung be­tont. Ausdrücklich stellte ein Sprecher des Ar­beitsausschusses fest, daß man rechtsradikale Gruppen, wie sie etwa in dem früheren Gene­ral Remer ihre Repräsentanz hätten, nicht in den neuen Verband aufnehmen würde. Ein Sprecher des Stahlhelm teilte mit, daß seine Organisation ebenso wie einige andere kleinere Verbände noch entscheiden würden, ob sie dem neuen Verband beitreten oder lediglich mit ihm Zusammenarbeiten wollten.

In Bonner politischen Kreisen wird die Zu­sammensetzung des Arbeitsausschusses als ein

Zeichen dafür gewertet, daß die Offiziere her­ausgestellt werden sollen, die sich bisher weder politisch festgelegt haben, noch für eine be­stimmte Waffengattung oder einen einzelnen Verband als Sprecher fungierten.

Scharf distanzierte sich der ebenfalls in Bonn tagende Heimkehrerverband von dem neuen Soldatenbund. Ein Sprecher der Heimkehrer erklärte, sein Verband, der nahezu 150 000 Mit­glieder umfasse, habe eine Teilnahme an den Bonner Besprechungen schon aus dem Grund abgelehnt, weil in der Einladung folgende Worte gestanden hätten:

Die Herren werden gebeten, sich von einem ihrer Unteroffiziere begleiten zu lassen. Der Sprecher der Heimkehrer bezeichnete diese Äußerung als typisch dafür, daß in dem Ver­band Deutscher Soldaten Generale mit höherer Pension eine neue Tätigkeit suchten, da sie offenbar nicht wüßten, was sie sonst begingen könnten. Der Widerstand des Heimkehrerver­bandes wird von dem neuen Soldatenbund durchaus ernst genommen, da die Heimkehrer die Mehrheit der früheren einfachen Soldaten und Mannschaftsdienstgrade vertreten.

Scbäffer für Sparkommissar

Erörterung der Finanzlage

BONN. Im Bundesfinanzministerium wird zurzeit die Einsetzung eines Bundessparkom­missars vorbereitet. Ein entsprechender Vor­schlag soll noch in dieser Woche dem Bundes­kabinett vorgelegt werden. Wie von zustän­diger Seite des Bundesflnanzministeriums hier­zu mitgeteilt wird, ist die Finanzlage des Bun­des in den letzten Wochen so ernst geworden, daß man sich zu einem solchen Schritt ent­schlossen hat. Es ist daran gedacht, den Präsi­denten des Bundesrechnungshofes mit dem Amt des Sparkommissars zu betrauen. Er habe durch seine Tätigkeit eine umfassende Einsicht in den gesamten Bundeshaushalt, außerdem

verfüge er über die notwendige Bürokratie, so daß die Sparmaßnahmen ohne Aufbau neuer Behörden durchzuführen seien. Dem Sparkom­missar sollen umfassende Vollmachten einge­räumt werden. Er soll an den Kabinettberatun­gen teilnehmen, alle Bundesbehörden sollen ihm Auskunft geben, und er soll nicht nur die Ausführung des Bundeshaushalts überwachen, sondern schon bei dessen Ausarbeitung mit- wirken.

Die Finanzminister derjenigen Länder, die durch die vom Bundesfinanzministerium ange­ordnete Sperrung der Bundeszuschüsse am meisten betroffen sind, kommen am 15. Sep­tember in Bonn mit Finanzminister S c h ä f - f e r zusammen, um sich mit ihm über die Höhe der abzuführenden Einkommen- und Körper­schaftssteuer zu besprechen.

Kleine Weltchronik

STUTTGART. Der für eine Neutralisierung Deutschlands ein tretende Nauheimer Kreis will sich nach einer Mitteilung seines Gründers, Pro­fessor Noack, nunmehr als Partei konstituieren.

BONN. Die Bundesregierung hat dem Bundes­rat am Freitag einen Gesetzentwurf über den Nachtrag zum Bundeshaushaltsplan zugeleitet, der Einnahmen und Ausgaben von insgesamt 5 Milliarden DM vorsieht. Zwei davon entfallen auf den außerordentlichen Haushalt und sollen durch Anleihen gedeckt werden. Damit erreicht der Bundeshaushaltplan 1951 in Einnahmen und Ausgaben je 20,5 Milliarden DM.

BONN. Ein Regierungssprecher bestätigte, daß das Bundeskabinett dem Entwurf eines Auf­wandsteuergesetzes zugestimmt hat, das Kabinett sich aber noch mit den Koalitionsparteien über den Kreis der zu erfassenden Waren besprechen will, so daß das Gesetz nicht vor Anfang No­vember in Kraft treten könne.

BRAUNSCHWEIG. Sieben der Grenzschutz- angehöiigen, die, wie bereits gemeldet, in ihrer Braunschweiger Kaserne nationalsozialistische Lieder gesungen hatten, sind nach Abschluß der Untersuchungen zunächst vom Dienst suspendiert worden und werden wahrscheinlich entlassen. Ge­gen alle Verantwortlichen soll ein Schnellgerichts­verfahren eingeleitet werden.

HAMBURG. Im gesamten Bundesgebiet streik­ten die Fotohändler gegen die geplante Auf­wandsteuer, indem sie ihre Schaufenster völlig ausräumten und statt dessen Protestplakate hin­einstellten.

HAMBURG. 600 ehemalige Helgoländer sind mit einem Seebäder-Dampfer nach Helgoland ge­fahren, um erstmals seit über fünf Jahren ihre Insel wieder zu sehen. Der Dampfer ging nahe der Insel mehrere stundenlang vor Anker. Die Insel selbst durften die Helgoländer nicht be­treten.

BERLIN. Mehrere hundert Berliner, darunter viele ehemalige Häftlinge, gedachten am Sonn­tag an der Hinrichtungsstätte in der Strafanstalt Plötzensee der Opfer des NS-Regimes. Im Rah­men der Feierstunde wurde der Grundstein zu einem Mahnmal gelegt.

PARIS. Die französische Regierung erhöhte am Samstag den Mindeststundenlohn ln den Großstädten von 87 Francs (1.04 DM) auf 100 Francs (1.20 DM). Die Mindestlöhne der Provinz wurden entsprechend heraufgesetzt. Gleichfalls erhöht wurden die Familienzulagen und die Al­terspensionen. Erhöht wurden aber auch die Preise für Kohle, Strom und Stahl.

GENF. Die deutsche Bundesregierung hat den UN mitgeteilt, daß sie bereit sei, den im Aus­land lebenden Opfern der medizinischen Ver­suche an Insassen ehemaliger deutscher KZs eine angemessene Entschädigung zu gewähren.

ATHEN. Die Parlamentswahlen in Griechen­land verliefen am Sonntag in aller Ruhe. Es kam zu keinerlei Zwischenfällen.

MOSKAU. Der sowjetische Außenminister Wy- schinski nahm am vergangenen Wochenende an einem Abschiedsempfang des britischen Botschaf­ters Sir David Kelly, der von seinem Posten abgelöst wird und nach Großbritannien zurück­kehrt, teil. Kelly und Wyschinski unterhielten sich vornehmlich über den beiderseitigen Gesund­heitszustand.

Gegen staatliche Kontrolle

MAINZ. Mitglieder des Rundfunk- und Ver­waltungsrates des Südwestfunks beschlossen am Samstag mehrere Abänderungsvorschläge zum Vertragsentwurf der Länder des fran­zösischen Besatzungsgebietes für den Süd­westfunkstaatsvertrag. Die Regierungen sollen nicht berechtigt sein, den Haushaltsplan des Südwestfunks zu beanstanden und das Pro­gramm zu überwachen. Bei den Haushalts­beratungen sowie durch die vorgesehene Prü­fung des Rechnungshofes hätten die Regie­rungsvertreter genug Möglichkeit, ihren Standpunkt zu vertreten. Auch sollen die Landesregierungen gebeten werden, den Pa­ragraphen über die Auswechselbarkeit der Regierungsvertreter im Rundfunk- und Ver­waltungsrat zu streichen. Diese Vorschrift würde ein Weisungsrecht der Regierungen an ihre Vertreter bedeuten.

Stromversorgung in Gefahr

ESSEN. Mit empfindlichen Einschränkungen in der Stromversorgung de« Bundesgebiete« wird in Kreisen der Energiewirtschaft bereits in Kür­ze gerechnet, wenn nicht balg der Kohienfehl- bedarf der Kraftwerke für Se öffentliche Ver­sorgung durch Sonderzuweisungen ausgeglichen wird. Trotz seit Monaten erhobenen eindring­lichen Vorstellungen seien die Kohlenzuteilungen für die Kraftwerke nicht nur unzureichend ge­blieben, sondern sogar noch weiter gekürzt worden.

Rekorderdölförderung

LONDON. Die Erdölförderung der Welt hat im ersten Halbjahr 1951 mit 302,1 Millionen t einen neuen Rekord erreicht. Das Informations­büro für Erdöl in London rechnet damit, daß bei gleichem Förderstand im zweiten Halbjahr 1951 die Produktion in diesem Jahr um 60 Mil­lionen t über dem Ergebnis des Jahres 1950 lie­gen wird.

Befürchtungen um die Ernte

LONDON. Die nach dem seit 80 Jahren nässe­sten August weiter anhaltenden Regenfälle ha­ben in einigen westeuropäischen Ländern Be­fürchtungen über die Ernte aufkommen lassen. Der britische Bauernverband rechnet bei Weizen und Hafer mit Mindererträgen von 500 000 bzw. 190 000 t. Die französische Regierung teilt mit, daß die Weizenernte um 10 Prozent geringer sei als im Vorjahr. Auch Dänemark rechnet bei wei­ter anhaltenden Regenfällen mit einem erhebli­chen Verlust.

Deutscher Erfolg auf der St.-Eriksmesse

STOCKHOLM. Die Bundesrepublik konnte auf der diesjährigen Stockholmer St.-Eriksmesse einen großen Erfolg buchen. Obwohl das deut­sche Messekontingent von ursprünglich 630 000 Skr auf 1,3 Millionen Skr erhöht worden war, konnten die Kaufwünsche der Abnehmer nicht befriedigt werden. Ursache: Die Preise für deut­sche Waren lägenrichtig und die Qualitäten entsprächen dem Geschmack und den Ansprü­chen der Kaufinteressenten.

Das Geschäft der Leipziger Messe

LEIPZIG. Die nach sechstägiger Dauer am Freitag beendete Leipziger Herbstmesse ist, wie berichtet wird, von über 100 000 Personen be­sucht worden, davon rund 7500 aus der Bundes­republik und über 2500 aus dem Ausland. Nach Mitteilung der Messeleitung wurden nach der Bundesrepublik Lieferungen im Wert von 81 Millionen Ostmark und nach dem Ausland im Wert von rund 88 Millionen Ostmark abge­schlossen.

Rückgang der Zahlungseinstellungen

BONN. Die Zahlungseinstellungen im Bun­desgebiet haben sich im Juli gegenüber dem Vormonat erheblich verringert. Wie das stati­stische Bundesamt mitteilte, wurden im Berichts­monat 372 Konkurse und 156 Vergleichsverfahren festgestellt gegenüber 420 Konkursen und 215 Vergleichsverfahren im Vormonat. Nach Ausson­derung der Anschlußkonkurse ergeben sich für Juli 495 neue Insolvenzen gegenüber 611 im Juni.

Für Aufhebung der Kreditbeschränkungen

MÜNCHEN. Wie das IFO-Institut für Wirt­schaftsforschung feststellt, kann die Aufhebung der Kreditbeschränkungen nunmehr als durch­aus zweckmäßig angesehen werden. Wegen der Absatzschwierigkeiten und der angespannten Li­quiditätslage des Handels, der Konsumgüterin­dustrie und des Handwerks sei die Aufrechter­haltung der Beschlüsse über die Krediteinschrän­kungen der Bank deutscher Länder, über die die Kreditgewährung der Banken seit einigen Monaten teilweise hinweggegangen sei, nicht mehr notwendig.

Wieder Handel mit IG-Aktien

BONN. Der bisher verbotene Handel mit IG-Aktien ist von der Alliierten Hohen Kom­mission unter den Bedingungen freigegeben wor­den, daß auf Grund von Vorschlägen des Bun­deswirtschaftsministeriums ein Verfahren aus­gearbeitet wird, das eine Störung des im Gange befindlichen Registrierungsverfahrens der Ak­tien vermeiden soll, und die Öffentlichkeit über den finanziellen Status der IG-Farbenindustrie unterrichten wird. Nach Mitteilung des Bundes­wirtschaftsministeriums kann mit der Wieder­aufnahme des Handels im November gerechnet werden.

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EITE RES ^5pIEL

IM NECKARTAL Ein fröhlicher Roman von Else Jung 29] Copyright by Verl»g Bechthold

Du siehst angegriffen aus, Liebstes, fühlst du dich nicht wohl?

Angelika schloß die Augen.

Was sie jetzt ertragen mußte, war fast noch Schlimmer als die Kämpfe der hinter ihr liegenden Nacht. Ohne sich wehren zu dürfen, mußte sie erddlden, daß der Mann ihre Hände streichelte und ihr zärtliche Worte sagte.

Alles, was er tat, war Heuchelei, Lug und Trug.

Ich glaube, ich bin überarbeitet, sagte sie nach einer Weile,am liebsten würde ich al­les stehen und liegen lassen und heute noch fortfahren.

Schreyer sah sie bestürzt an.

Heute noch? Aber Kind, das geht doch picht... übermorgen ist dein Geburtstag tinsere Verlobung hast du das vergessen?

Es war zuviel, sie ertrug es nicht länger. Unbeherrscht sprang sie auf.

Ich kann nicht mehr, Richard, ich muß weg! Vielleicht bin ich krank und ich weiß 9s nicht. Ich werde nach Heidelberg fahren und einen Arzt aufsuchen.

Erregt lief sie im Zimmer hin und her, und als Schreyer sich ihr in den Weg stellte und sie in seine Arme ziehen wollte, stieß sie ihn heftig beiseite.

Ich muß Ruhe haben, mein Gott, begreifst du da3 nicht? schrie sie ihn an, und als ar noch einmal von der Verlobungsfeier sprechen wollte, schnitt sie ihm das Wort mit einer schroffen Handbewegung ab.

Das hat Zeit. Viel wichtiger ist es, daß ich mich'wieder gesund fühle. *

Schreyer zuckte die Achseln.

Wie du willst, Angelika, ich füge mich natürlich deinen Wünschen, sagte er, aber die Enttäuschung stand deutlich in seinem Gesicht.Selbstverständlich lasse ich dich in diesem Zustande nicht allein nach Heidelberg fahren. Wenn es dir recht ist, werde ich dich zum Arzt begleiten.

Angelika überlegte einen Augenblick, dann nickte sie.

Gut es ist mir lieb. Bitte sei so freund- und seh nach, wann Dr. Orth Sprechstunde hat. Ich fahre jetzt nach Hause und ziehe mich um. In einer Stunde bin ich wieder un­ten.

Voller Unruhe hatte Frau von Losch auf Angelikas Rückkehr gewartet. Als nichts ge­schah, hatte sie dem Schofför geklingelt und den Wagen bestellt. Gerade als sie die Trep­pe hinuntergehen wollte, kam Angelika ihr entgegen.

Wolltest du fortfahren, Mama? fragte sie.

Die alte Dame sah voller Sorge in das blasse, übernächtigte Gesicht der Tochter.

Ich hatte Angst um dich, Kind, sagte sie leise.

Angelika lächelte ihr beruhigend zu und legte ihren Arm um die Schulter der Mutter.

Es war sehr schwer, aber nun ist es über­standen. Du brauchst dich nicht mehr zu äng­stigen, wirklich nicht.

Als sie oben im Zimmer waren, sprachen sie alles noch einmal durch, und Frau von Losch bewunderte die eiskalte Ruhe der Toch­ter, die jetzt nur daran dachte, weiteres Un­heil zu verhüten und Schreyer unschädlich zu machen.

Ich habe ihm gesagt, daß ich in Heidelberg einen Arzt auf suchen will, und zum Glück fiel mir der Name Dr. Orths ein. Im gleichen Haus wohnt mein Rechtsanwalt, er soll mir raten, was ich tun muß. Angelika nahm

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die Hand der Mutter und küßte sie.Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll, daß du mir die Augen noch rechtzeitig geöffnet hast, Mama, denn wie ich annehmen muß, scheint Schreyer mein Vertrauen auch im Geschäft mißbraucht zu haben.

Frau von Losch nickte.

Es würde mich wundern, wenn er es nicht getan hätte.

Wieder überfiel sie Sorge, ob Angelika den Anforderungen gewachsen sein werde, die ihr bevorstanden, und voller Liebe ruhte ihr Blick auf der Tochter. Angelikas Antlitz war hart und entschlossen. Die frauliche Weichheit war ganz daraus geschwunden. Nur für kurze Zeit veränderte es sich noch einmal, als sie nach Imma fragte.

Sie ist in Weinsberg bei Onkel Theo, ant­wortete die Mutter,ich denke, wir lassen sie dort, bis hier alles geklärt ist.

*

Schreyer hatte auf dem Universitätsplatz geparkt und wartete in der WeinstubeZum Ritter" auf Angelika. Sie hatten während der Fahrt kaum ein Wort gesprochen. Jeder hatte seinen Gedanken nachgehangen, und die wa­ren bei beiden wenig erfreulich gewesen.

Fatal, diese Überraschung am Morgen!

Was ihr nur eingefallen sein moche, so frühzeitig zu kommen?

Ob sie Verdacht geschöpft hatte?

Schreyers Hände spielten nervös mit einem Zündhölzchen.

War ihre Aufregung echt gewesen, und fühlte sie sich wirklich so krank und erholungsbe­dürftig, wie sie vorgegeben hatte?

Ja, und die Verlobung war nun auch ver­schoben worden.

Verwünscht!

Das Hölzchen in den Händen des Mannes zerbrach.

Was wußte Falck. und was ging in Ange­lika vor?

Der Arzt schien es mit der Untersuchung

sehr gründlich zu nehmen. Schreyer sah auf die Uhr. Jetzt saß er schon über eine Stunde lang auf einem Fleck, trank ein Glas Wein nach dem anderen und fühlte ein Kribbeln in allen Nerven. Es wurde elf, es wurde halb zwölf. Die Weinstube füllte sich.

Da kam Angelika!

Schreyer stand auf und ging ihr entgegen.

Sie sah frischer aus, und als er ihr den Mantel abnahm, lachte sie ihm fröhlich zu.

Nichts fehlt mir, gar nichts. Der Doktor hat sich schön über mich lustig gemacht. Jetzt weiß ich selber nicht, was heute morgen mit mir los war.

Na also!

Schreyer fühlte sich von einem Alpdruck befreit. Unberechenbar waren die Frauen, da konnte man es wieder einmal erleben.

Sie aßen und tranken, Angelikas gute Laune hielt an, und als sie eine Stunde später zum Parkplatz gingen, wanderten sie Arm in Arm, wie es sich für ein verlobtes Paar gehörte.

Ich habe mich von ihr ins Bockshorn jagen lassen, dachte der Mann, sie hat nur eine schlaflose Nacht gehabt, weiter nichts.

Und was wird nun aus unserer Ver­lobung? fragte er kühn.

Angelika blieb stehen.

Ich denke wir werden damit warten, bis Imma zurück ist. Du wirst verstehen, daß ich diesen Tag nicht ohne meine Tochter feiern möchte.

Schreyer biß sich ärgerlich auf die Lippen.

Schon wieder diese Imma!

Weißt du denn, wo sie ist und wann sie zurückkommt?

Nein... nein, ich vermute nur, daß sie sich in Berlin oder in Weinsberg aufhält.

Sie gingen zum Wagen, der im Schatten eines Baumes stand, und Schreyer riß wütend die Tür auf.

Ich finde, daß du reichlich nachsichtig bist, sagte er gereizt,deine Tochter kann mit dir tun, was sie will. (Fortsetzung folgt)

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mmam