NUMMER 132

SÜDWESTDEUTSCHE CHRONIK

SAMSTAG. 2 5. AUGUST 1951

Altmetall so und anders

ah. Der Schaden, der durch die Altmetalldieb­stähle heute allenthalben angerichtet wird, ist nicht nach dem Metallwert allein zu messen. Meist handelt es sich ja nicht um Bestände, die irgendwo auf einem Hof oder in einem Schup­pen lagern, sondern um verarbeitetes Material, das nicht ohne Zerstörungen und Beschädigun­gen aus- und abgebaut werden kann. Wenn je­mand eine Leiter ans Haus stellt und sich mit einer Blechschere an die Dachrinne macht, ist noch nicht soviel kaputt. Auch wenn einer irgendwo ein eisernes Gitter demontiert, ist der Schaden noch übersehbar. Aber da gibt es Ein­griffe, die den allgemeinen Nachrichtenverkehr und sonstige wichtige Verbindungen stören. Wenn ein tief in die Erde verlegtes Kabel mit motorischer Hilfe herausgerissen wird, wenn Bahnsignale usw. wegeholt werden, ist vielleicht noch etwas anderes im Spiel als bloß die Ge­winnsucht und die hohen Preise, die heute für Altmetall bezahlt werden.

Der Präsident des Landesbezirks Nordbaden, Dr. Unser, hat kürzlich in einem Rundschreiben an die Polizeidienststellen den Verdacht ge­äußert, daß so mancher von diesen Altmetall­dieben sein dunkles Handwerk in der bestimm­ten Absicht betreibt, Sabotage an der Wirtschaft der Bundesrepublik zu üben. Es wird im einzel­nen Fall schwer nachzuweisen sein, ob ein Alt- metalldiebstahl aus politischen Gründen oder bloßer Gewinnabsicht begangen worden ist. Eben deshalb wird gewissen Elementen, die in öst­lichem Auftrag arbeiten, diese Art von Schädi­gung unserer Wirtschaft (es handelt sich manch­mal um Zehntausende von DM) besonders risiko­los erscheinen. Die Tatmotive müssen daher durch genaue Untersuchungen zutage gefördert werden. Im Sabotagefall sind dann aber nur wirklich drastische Strafen am Platz.

Unser Osten muß wieder deutsch werden

Eröffnung 4er AusstellungDeutsche Heimat im Osten durch Bundesminister Kaiser

th. Stuttgart. Die AusstellungDeutsche Hei­mat im Osten, die bereits in Berlin, Düssel­dorf, München und Landau (Pfalz) gezeigt wor­den ist, wurde am Freitagvormittag mit Anspra­chen des Bundesministers für gesamtdeutsche Fragen, Jakob Kaiser, des Innenministers Ulrich und des Oberbürgermeisters Dr.K 1 e 11 auf dem Killesberg eröffnet.

Minister Kaiser ging in seiner Rede von den sog. Weltjugendfestspielen in Berlin aus und sagte, die brennendste Forderung, die die ge­einigte Jugend der Sowjetzone an ihn herange­tragen habe, sei gewesen, mehr aktiven Sinn im Westen in bezug auf die Wiedervereinigung Deutschlands zu zeigen. Europa könne es sich nicht leisten, den Beitrag des deutschen Volkes zur Entfaltung und Ausbreitung abendländischer Kultur in den östlichen Gebieten Deutschlands auslöschen zu lassen. Wer diese Ausstellung sehe, könne sie nur mit dem heiligen Willen verlas­sen: Dieses Land muß wieder die Heimat unse­rer Vertriebenen und ihrer kommenden Genera­tionen werden. Wenn er sagemit heiligem Wil­len, so meine er damit einen Willen ohne Haß und Gewalt,denn wir wollen Haß und Gewalt in der Welt durch die Gerechtigkeit verdrängen. Es müsse wieder ein deutsches Breslau, eine deutsche Marienburg, ein deutsches Stettin ge­ben.Unsere Heimatvertriebenen werden sich fähig und stark genug fühlen, ein drittes Mal deutsches Leben in Ost- und Westpreußen, in Schlesien, Pommern und Brandenburg zu schaf­fen.

Die Leistungen des deutschen Ostens Wegen ihrer Vielseitigkeit wird die Ausstel­lung vermutlich ein starker Anziehungspunkt sein, sowohl für die einheimische Bevölkerung,

Kurze Umschau im Lande

Der deutsche Milchhandel tagt vom 27. bis 39. August im Kursaal Bad Cannstatt. U. a. wird Bundesemährungsminister Niklas sprechen.

21 009 DM hatten vor einiger Zeit zwei 17, bzw. 18jährige Postfacharbeiter in Stuttgart unter­schlagen. Sie hatten sich fein ausstaffiert und waren feudal im Land herumgefahren. Als sie gefaßt wurden, hatten sie nur noch 1500 DM, eine neu angeschaffte Schlafzimmereinrichtung und zwei Schäferhunde. Die Burschen bekamen nun Vit Jahre Jugendgefängnis.

Seine Kinder schwer mißhandelt hatte ein Landarbeiter aus Durlangen, Kreis Schwäbisch Gmünd. Er bekam zwei Monate Gefängnis.

Eine Riesengnrke von 33 cm Länge, 35 cm Dicke und über drei Pfund Gewicht erntete ein Gärtner in Ellhofen bei Lindau.

Ein alemannisches Handharmonikatreffen, zu dem sich bereits 30 Orchester mit nahezu 1000 Spielern angemeldet haben, wird zusammen mit dem Bund der Harmonikafreunde Trossingen am 8,/9. September in Freiburg durchgeführt.

Mit dem Taschenmesser auf seine Frau losge­gangen ist ein Mann in Bruchsal, als er sie auf einem Spaziergang mit einem andern Mann über­raschte. Er brachte ihr eine 7 cm tiefe Stich­wunde in der linken Brust bei, so daß sie ins Krankenhaus eingeliefert werden mußte. Der Mann wurde festgenommen.

307 Orgelpfeifen aus Zinn, ein Altarkelch und silbernes Taufgerät wurden aus der evangeli­schen Kirche in Friesenheim bei Lahr gestohlen. Zur gleichen Zeit wurden in der katholischen Kirche drei Opferstöcke erbrochen.

Seinem Bruder in den Tod gefolgt ist ein 60- jähriger Mann in Linkenheim bei Karlsruhe. Als der 70jährige Bruder bei Dacharbeiten tödlich abgestürzt war, erhängte sich der 60jährige aus Gram darüber.

Eine Dose mit glühenden Kohlen hatte ein Brandstifter in einer Scheuer in Schriesheim bei Heidelberg ins Stroh gelegt. Als es zu qualmen begann, wurde der Hofbesitzer aufmerksam und konnte das entstehende Feuer noch rechtzeitig lö­schen. Der Brandstifter konnte noch nicht ermit­telt werden.

Seine neue Winterkollektion zeigt der Pariser Modekünstler Jean Patou zum erstenmal am 1./2. September in Baden-Baden.

Die Berufstanzpaare von Europa treffen sich am 8.'9. September im Kurhaus von Baden-Baden zum internationalen Berufstanztumier um den Großen Preis von Europa.

Zwölf ehemalige französische Kriegsgefangene sind gegenwärtig auf Besuch in Eutingen, Kreis Pforzheim, wo sie 194345 bei Bauern gearbeitet haben. Sie brachten sogar ihre Frauen mit. Der Führer der Gruppe dankte den Bürgern von Eutingen in einer kurzen Grußansprache für die menschliche Behandlung, die sie als Kriegsgefan­gene hier erfahren hätten.

43 000 DM veruntreute ein 48jähriger kaufmän­nischer Angestellter in Mannheim im Verlauf von anderthalb Jahren. Seine Unterschlagungen deckte er durch eine doppelte Buchführung. Er erhielt ein Jahr Gefängnis und muß 1000 DM Geldstrafe zahlen.

4000 Liter Wein flössen bei Krumbach im Oden­wald auf die Straße, als ein Lastzug in einer Kurve gegen einen Baum prallte und die Wein­fässer auf die Straße rollten und zerschellten.

Im Mannheimer Hafen ertrunken ist ein neun­jähriger Junge, der seine Schulferien bei Be­kannten auf einem Rheinschiff verbrachte.

Ein Stier, der sich in einem Stall in dem schweizerischen Ort Münsterlingen losgerissen hatte, ging auf den Bauern los, als dieser ihn wieder anbinden wollte. Der 68jährige Mann er­litt so schwere Verletzungen, daß er im Kranken­haus starb.

der durch diese Schau der deutsche Osten nahe­gebracht werden soll, als auch für die Ostver­triebenen selbst, die aus dem Erinnerungsbild und der Dokumentation ihrer vielhundertjähri­gen Geschichte neue Kraft schöpfen werden. Die Ausstellung weist nicht nur auf die enge Ver­flechtung zwischen dem westlichen und östlichen Teil Deutschlands hin, sondern zeigt auch die Zu­gehörigkeit der dem Westen zunächst verloren­gegangenen Ostgebiete zur abendländischen Welt auf.

Die Ausstellung berichtet über die wirtschaft­lichen und kulturellen Leistungen der deutschen Ostgebiete jenseits der Oder-Neiße-Linie, im Su­detenland und im Südostraum. Sie berührt Kunst, Schrifttum, Wirtschaft und Industrie und nötigt dem Besucher große Achtung für die auf diesen Gebieten geleistete Arbeit ab. Karten, Statisti­ken, Schaubilder und Modelle beherrschen die Schau, es sind aber auch eine Fülle von Urkun­den, historischen Dokumenten und kostbaren Schaustücken zusammengetragen worden. Neben den AbteilungenKultur und Geschichte (mit einer besonders sehenswerten Nebenabteilung Kunst) undIndustrie und Landwirtschaft ist eine AbteilungBolschewisierung der russischen Besatzungszone zu sehen, die in sachlicher Form die gegenwärtigen Verhältnisse im deutschen Osten darstellt.

Die Bahn gewährt im Umkreis von 100 km auch dienstags und freitags Sonntagsrückfahr­karten nach Stuttgart. Die Ausstellung ist bis 16. September geöffnet.

25 000 DM Kaution im Stich gelassen

Stuttgart. Drei Teilhaber eines Feinkostgeschäfts in Stuttgart, das Münchner Ehepaar Abraham und Sarah Kesselbrenner, und der Stutt­garter Nekemie W u 1 k a n, die sich am Mittwoch wegen Devisenvergehen vor dem amerikanischen Bezirksgericht in Stuttgart verantworten sollten, sind vor Gericht nicht erschienen. Das Gericht hat darauf die von dem Ehepaar gestellte Kau­tion von 25 000 DM eingezogen und gegen die Angeklagten Haftbefehl erlassen. Die Gerüchte, wonach das Ehepaar Kesselbrenner nach Palä­stina abgereist ist, haben sich noch nicht bestätigt.

Die drei Angeklagten waren im Mai dieses Jahres von der Zollfahndung mit ihrem Pkw

Au» Baden

Direktor Warlimont tödlich verunglückt Mannheim. Direktor Josef Warlimont, eine der führenden Persönlichkeiten der deut­schen Elektroindustrie und langjähriges Vor­standsmitglied der Firma Brown, Boveri & Cie AG in Mannheim wurde bei einem Autounfall in der Nähe von Siegburg getötet. Der Fahrer wurde schwer verletzt. ,

Kennkarte genügt nicht Lörrach. Das Bundesinnenministerium gab die­ser Tage bekannt, daß für den kleinen Grenzverkehr mit der Schweiz mit sofor­tiger Wirkung Spezialausweise mit dreitägiger Gültigkeit ausgegeben werden. Die deutschen Grenzbehörden machen darauf aufmerksam, daß alle im Bundesgebiet ansässigen deutschen Staatsangehörigen in den Besitz eines solchen Grenzscheines gelangen können, sofern sie einen gültigen Reisepaß vorlegen. Die Kennkarte ge­nüge nicht. Die Spezialausweise werden in Baden von den Landratsämtern Donaueschingen, Frei­burg, Konstanz, Lörrach, Müllheim, Neustadt, Säcckingen, Stockach, Überlingen und Walds^wt sowie von der Polizeidirektion Freiburg ausge­stellt.

Beim Läuten schwankt der Turm Konstanz. Beim Läuten der großen Glocke im 60 m hohen Turm der Stephanskirche in Konstanz wurde festgestellt, daß der an sich schon etwa 20 cm nach Süden und Osten geneigte Turm in der Schwingrichtung der Glocke pendelt und di« Pultdachmauer des Zwischenbaus etwa 45 mm ausschlägt. Die Ursache suchen die Sachverstän­digen im Baugrund.

auf der Autobahn bei Kirehheim/Teck festgenommen worden. Die Beamten konnten da­bei 1700 Dollar in amerikanischem Besatzungs­geld, größere DM-Beträge, elf Goldbarren und nach der Einlieferung in die Haftanstalt weitere 2000 Dollar sowie PX-Bezugscheine für nahezu 37 000 amerikanische Zigaretten sicherstellen.

Bei einer umgehenden Durchsuchung des Fein­kostgeschäfts wurden größere Mengen unverzoll­ter Waren, hauptsächlich Kaffee, sowie erheb­liche Beträge in ausländischer Währung, die sich meist unter den Fußböden und hinter Regalen befanden, konfisziert.

Aus Südwiirffemberg

Die Studentin an der Universität Tübingen

Tübingen. An der Unitersität Tübingen stellten im Wintersemester 1950/51 die Studentinnen 21/ der 4135 eingeschriebenen ordentlichen Hörer. In der Pharmazie stellten die Studentinnen fast die Hälfte. Bei 10/» lag die zahlenmäßige Beteiligung der Studentinnen in den Fächern Theologie, Rechtswissenschaft, Volks- und Betriebswirt­schaft, Physik, Chemie sowie Geologie und Mi­neralogie.

Durch Rohrsplitter tödlich verletzt Reutlingen. Ein Schmiedemeister in Will- mandingen, Kreis Reutlingen, verunglückte, als er ein 5 m langes, halbzölliges Rohr, das er erhitzte, geradebiegen wollte. Das Rohr platzte

Hncfr ba* matte betidftet

Mach, daß zum Deifel komm seht! schrie ein schwäbischer Bauer eine Henne an, die er brütenderweise im Heu aufgestöbert hatte. Wenn er jedoch die Folgen vorausgesehen hätte, dann wäre die Verwünschung wohl nicht ausgesprochen worden. Denn die Henne sprang erschreckt zur Scheuer hinaus, als eben ein Fuchs vorbeistrich und die Sünderin beim Kragen packte. Als der Bauer dies sah, meinte er zerknirscht:Ha, so han i's au wieder net gmoint!"

Als ein Arbeiter sich nächtlicherweile im För­ster Wald bei Dürkheim auf dem Heimweg befand, begegnete er einer Wildsau, die jedoch zunächst keine Notiz von ihm nahm. Als er je­doch einen Stein nach dem Tier warf, kehrte der Schwarzkittel um, ging zum Gegenangriff über und trieb den erschreckten Mann auf den Mast einer Lichtleitung, auf dem er bis zum anbre­chenden Morgen von dem wütenden Borstentier

belagert wurde. Der Mann beschloß, nicht mehr mit Steinen zu werfen. Nicht einmal auf Schweine.

In einem Ort bei Heidenheim sperrte eine Großmutter ihr 18 Monate altes Enkelkind län­gere Zeit in den Gänsestall, der von zwei Dut­zend Gänsen bevölkert war. Das Kind sollte sich auch von dem Futter ernähren, welches den Tie­ren vorgeworfen wurde. Bei ihrer Festnahme gab die offenbar geisteskranke Frau an,- sie habe die Kleine für ihre uneheliche Geburt bestrafen wol­len.

*

Eine prominente Persönlichkeit des öffentlichen Lebens aus Berlin verbrachte ihren Urlaub im Bayerischen und wurde auch einmal einge­laden, sich ins Gästebuch einzutragen. Nachher prangte auf dem Papier die sinnige Widmung: Die Saupreußen grüßen aufs allerherzlichste die Knödelbayern. Es war sehr schön, darum auf Wiedersehn!

und die Splitter verletzten -den Schmiedemeister tödlich und den Lehrling so schwer, daß er ins Krankenhaus eingeliefert werden mußte.

Die ganze Ernte verbrannt Biberach. Am Donnerstagnachmittag brannte das große Ökonomiegebäude des etwa 110 ha gro­ßen Gutes in Gutenzell, Kreis Biberach, bis auf die Grundmauern nieder. Die gesamte Getreideernte, ein großer Teil der Futtervorräte und zahlreiche . Geräte und Fahrzeuge wurden ebenfalls ein Opfer der Flammen. Der Gebäude­schaden allein wird auf 40 000 DM geschätzt. Die Brandursache ist noch nicht bekannt. Nur mit Mühe gelang es den aus der Umgebung heran­gezogenen Feuerwehren, ein Weitergreifen des Brandes zu verhindern.

Gemeinsame Freizeit der Jugendverbände Friedrichshafen. In Verbindung mit dem Tü­binger Kultministerium veranstaltet der Landes­jugendausschuß von Württemberg - Hohenzollern vom 23. August bis 2. September in der neuen Jugendherberge Friedrichshafen eineFreizeit, die der staatsbürgerlichen Bildungsarbeit dienen soll. Nach dem Einführungsvortrag über Persön­lichkeit und Selbsterkenntnis wird die Stellung des Jugendlichen in der Familie, der Gruppe und der Gemeinde erörtert. Vorgesehen ist auch eine Aussprache mit Bundestags- und Landtagsabge­ordneten. An der Freizeit nehmen etwa 70 Ju­gendliche aus den Jugendverbänden Württem- berg-Hohenzollems teil.

Wie wird das Wetter?

Aussichten bis Sonntagabend: Am Samstag Durchzug einer schwachen Störung mit Bewöl­kungszunahme und vereinzelten gewittrigen Schauern, am Nachmittag Temperaturen bis nahe 25 Grad ansteigend. Am Sonntag wolkig, doch nicht ausgesprochen unfreundlich, Tagestempe­ratur zwischen 20 und 25 Grad, verbreiteter Dunst und Frühnebel.

Bartgeier

Von Richard Gerlach

Quebranta-huesos nennen ihn die Spanier, ossifraga nannten ihn die Römer: beides bedeu­tet Knochenzersplitterer. Dieser größte euro­päische Raubvogel läßt aus dem Fluge Knochen Und Schildkröten auf einen Felsblock prallen und wiederholt das Spiel zwanzigmal. Schließlich zerklopft er die noch nicht zerkleinerten Teile am harten Boden und verschlingt die Splitter. Ein Bartgeier soll es gewesen sein, der dem grie­chischen Dichter Äschylos eine Schildkröte aufs Haupt warf. Dieses tragikomische Ende mag Er­findung sein. Doch kannte Äschylos den Bart­geier. In der Tragödie Agamemnon verglich er die zornmütigen Atriden, die nach Troja zogen, den Raub der Helena zu rächen, Bartgeiern, die in wildem Schmerz um die entwendeten Jungen aufschrien und den Horst umkreisen. Der Dichter muß das schrille Pfeifen der Vögel selbst gehört haben. Zu seiner Zeit waren sie in Griechen­land häufiger als heute.

Erst im vorigen Jahrhundert wurden sie in der Schweiz, in Steiermark und in Kärnten ausge­rottet. Am 19. Oktober 1913 wurde der letzte Bartgeier in Valle dAosta in den Graj Ischen Al­pen erlegt. Noch vor hundert Jahren war der Bartgeier in Wallis, Graubünden, Uri und im Tessin so verbreitet, daß Schußprämien ausge- Oetzt wurden. Der gewaltige Vogel fegte Gemsen Und Ziegen, wenn er plötzlich heranrauschte, mit dem Hieb seiner Flügel in den Abgrund, holte die Lämmer aus den Herden und verschleppte <K>gar hie und da ein kleines Kind. Doch wurden die Missetaten übertrieben, und man schrieb sel­ber Kühnheit zu, was der Steinadler angerichtet hatte. Dieser bringt alljährlich zwei und manch­mal drei Junge hoch, der Bartgeier nur eins.

Der Knochenzerschmetterer findet in den zivili­sierten Ländern kaum noch Kadaver. Seine Fänge sind zu stumpf, um lebendes Wild zu erdolchen, und nur Tiere, die an einem Abhang stehen, kann er hinabschleudern. Hasen und Murmel­tiere erwischt er bloß ab und zu, Vögel über­haupt nicht. In Sardinien, Spanien und auf dem Balkan gibt es noch Bartgeier. In Zentralasien kommen sie von Turkestan bis zum Altai vor, und ln Afrika lebt eine sehr ähnliche Unterart. Die beiden schönen Bartgeier des Züricher Zoo­

logischen Gartens stammen aus Abessinien. Ge­fangene Bartgeier wurden mit besonderem Er­folg in Sofia weitergezüchtet, und einer von die­sen bulgarischen Vögeln paarte sich in Berlin mit einem abessinischen. Das Junge war schlich­ter gefärbt als die Alten, oben schwarzbraun, unten graubraun. Es hatte zunächst keine weißen Schaftstriche auf dem Rücken, und sein Gefieder war nicht wie vom Hauch der Bergwolken über­reift. Auch hatte die Hornhaut seines Auges noch nicht jenes Purpur, das die elfenbeinfarbene Iris bei den alten Bartgeiern so brennend umrandet. Die Blendung des Schnees im Hochgebirge hat das Auge so werden lassen. Das Junge hatte schon einen borstigen, schwarzglänzenden Bart, der sich steif über dem langen Hakenschnabel streckte. Möglich, daß dieser Bart dazu da ist, dem fliegenden Vogel, der sich von den Luft­strömungen tragen läßt, die leisesten Schwan­kungen der Windrichtung fühlbar zu machen.

Verschollene und Vergessene

Die Klasse der Literatur derAkademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz, de­ren Präsidium Alfred D ö b 1 i n innehat, eröff- nete ihre SchriftenreiheVerschollene und Ver­gessene mit einem Band, der Theodor Däubler gewidmet ist. Das einfach und doch geschmack­voll ausgestattete Heft erschien gerade rechtzeitig zum 75. Geburtstag des Dichters. Mit der Her­ausgabe dieser Reihe entledigt sich die Mainzer Akademie einer freiwillig übernommenen Pflicht, einige bedeutende Dichter der vergangenen Jahrzehnte, die infolge der Zeitverhältnisse zu Unrecht in Vergessenheit geraten sind, der Öf­fentlichkeit, vor allem der Jugend, zu empfeh­len. Für weitere Veröffentlichungen innerhalb der Serie wurden repräsentative Proben aus den Werken von Arno Holz, Max Hermann-Neiße, Alfred Mombert, Rudolf Borchardt und Else Lasker-Schüler angekündigt, die jeweils mit ei­nem einführenden Kommentar versehen werden sollen.

Die Auswahl aus dem Werk Theodor D ä u b 1 e r s besorgte mit geschickter Hand Hanns Ulbricht. Außerdem hat er mit der Be­scheidenheit des echten Biographen mit wenigen aber sicheren Strichen das Bild jenes panischen Nordlichtsängers gezeichnet. Vieles von dem rauschhaft Hervorgebrachfen wird man heute

entbehren können. Es ist nicht alles bleibend, was uns der ewige Wanderer, der von Küste zu Küste, singend und den Gott suchend, zog, Un­terlassen hat. Auf diese Weise rettet die Aus­wahl manches Bleibende vor dem Untergang im breiten Fluß imendlich dahinströmender Rhyth­men. Theodor Däublers Hand konnte das end­gültige Gesicht seines Oeuvres nicht mehr be­stimmen. Er starb 1934, von den Menschen kaum beachtet, im Schatten der Despotie, die seine Heimat beherrschte.

Ulbricht gibt auf hundert Seiten Proben aus dem Däublerschen Werk. Hier offenbart sich das glühende Schaffen eines hymnischen Sängers, den man am liebsten noch einmal im echten und ursprünglichen Sinn des Wortes einen .Barden* nennen möchte. Sänger ist er zeit seines Lebens gewesen. Auch seine Prosa, von der hauptsäch­lich Dichterporträts abgedruckt sind, ist hymnisch feiernd und in der Form beinahe rhythmisch gegliedert. Dieser Geist dringt gläubig und schau­end in die Bereiche des Mythos vor. Von hier wird der unerschöpflich scheinende dichterische Quell gespeist. Natur, Geist und Gott werden in mächtigen Gesängen gefeiert.Die Erde braust ist eines der Gedichte überschrieben, und daneben wirdPan gefeiert. Und es sind nicht nur die natürlichen Kräfte, die Däublers Dich­tung bestimmten. Er entzündet sich auch an Se­kundärem und verherrlichte in einem langen und begeisterten GedichtDante.

Wir haben heute bereits einen gewissen Ab­stand von dem Werk Theodor Däublers. Doch eins ist uns aufgegeben, angesichts der sich ver­strömenden Verse: Unserer Zeit dieseVerschol­lenen und Vergessenen zurüekzugewlnnen und dafür zu sorgen, daß der Geist in Zukunft das Echte und Wirkliche als unveräußerlichen Be­sitz bewahre, damit die Nachwelt nicht Perlen aus dem Schutt einer schuldigen Zeit herauslesen muß. Konrad Winkler

Für den Bücherfreund

Das Schicksal eines Gouverneurs

Robert P. W a r r e n . Der Gouverneur, Wolf­gang Krüger Verlag, Hamburg 1951, 656 S.

Dieser großangelegte Roman des Amerikaners Robert Penn Warren brachte seinem Verfas­ser den Pulitzerpreis ein und wurde unter sei­

nem OriginaltitelAll the Kings Men verfilmt. Warren schildert den Aufstieg, Ruhm und die schließliche Niederlage eines unverbildeten Bau­ernsohnes, der sich zum Gouverneur eines Bun­desstaates der Vereinigten Staaten aufgeschwun­gen hatte. Soweit die Handlung, die dem Autor die Möglichkeit bot, ein Zeitbild zu zeichnen, das uns die Entwicklung jener Demokratie zei­gen kann, die heute Wirklichkeit und in vielem jedoch vom Ideal noch entfernt ist. Der Gouverneur ist derBoß; er handelt entsprechend, nur daß er schließlich den Nonsens seines Tuns einsehen muß. Warren schreibt eine realistische, um nicht zu sagen eine derbe Sprache in diesem farben­reichen und spannenden Roman, der übrigens in alle Weltsprachen übersetzt wurde. -e.

Kulturelle Nachrichten

Ein Kongreß führender katholischer Theologen, der vom 27. Oktober bis 1. November in Rom tagen wird, soll die Einwände der nlchtkatholl- schen Theologie gegen das Dogma von der Himmelfahrt Marias prüfen.

In Frankfurt wird eine Hochschule für inter­nationale pädagogische Forschung er­richtet.

Führende Verbände der westdeutschen Eisen­industrie stifteten 60 000 DM für einKunst­preisausschreiben Eisen und Stahl. Die Eisenindustrie will damit den Künstlern helfen und neue Mäzene finden.

Die deutsche Gesellschaft für Soziologie ver­anstaltet am 27. und 28. September in Mainz dl« 2. anthropologisch-soziologisch« Konferenz, deren Protektorat das Präsidium des deutschen Forschungsrates übernommen hat.

Filmnotizen

Beim 24. Internationalen Wettbewerb für wis­senschaftliche und Dokumentarfilme ln Venedig erhielt der Erich-Menzel-FilmGraue Zeu­gen des Mittelalters einen ersten Preis.

Die ersten großen internationalen Film- festspiele in Asien sollen Ende dieses Jahres in Bombay stattfinden. Deutschland wird neben anderen europäischen Ländern ebenfalls vertreten sein