FREITAG, 2 4. AUGUST 1951
WIRTSCHAFT
NUMMER 1S1
Wiederaufbau der Reichs werke in Salzgitter
Zur Schließung einer europäischen Roheisenlücke von 2 Millionen Tonnen
K.H. Der Vorstand der Reichswerke in Salzgitter hat der Stahltreuhändervereinigung einen Antrag auf den Wiederaufbau des demontierten Hüttenwerkes Salzgitter-Watenstedt eingereicht, der von den Stahltreuhändern mit Empfehlungen an die „Combined Steel Group“ weitergegeben werden soll. Mit diesem Antrag ist für die Reichswerke Salzgitter die entscheidende Wendung von der bisherigen Demontage zum Wiederaufbau vollzogen worden.
4 Milliarden t Erze
Ausschlaggebend für diesen Wendepunkt war vor allem die heute im In- und Ausland in gleichem Maße verbreitete Erkenntnis, daß der europäischen Wirtschaft in den nächsten Jahren mindestens zwei Millionen Tonnen Roheisen jährlich fehlen werden. Diese Lücke könnte durch den Wiederaufbau des Hüttenwerkes Watenstedt- Salzgitter mit einer Jahreskapazität von rund 800 000 Tonnen zu einem Teil geschlossen werden. Ein weiterer Grund für den Wiederaufbau des Hüttenwerkes ist die Tatsache, daß nach eingehenden wissenschaftlichen Untersuchungen mehrerer Jahre kein Zweifel mehr darüber bestehen kann, daß im Gebiet von Watenstedt-Salzgitter mit Sicherheit zwei Milliarden Tonnen Erzvorräte liegen, zu denen noch weitere 2 Mrd. t vermutete Erzlager kommen. Da im übrigen seit Jahren durch besondere Aufbereitungsverfahren die Verhüttung dieser sauren Erze keinerlei Schwierigkeiten mehr bereitet, kann aus dem Salzgittererz ein nach Qualität und Preis kon- kurrrenzfähiger Stahl erzeugt werden, wenn die Vorteile der Verhüttung in Werken, die unmittelbar auf dem Erz liegen, ausgenutzt werden können.
150 Millionen Kapitalbedarf
Der Antrag der Reichswerke sieht den Wiederaufbau des Hüttenwerkes in vier Stufen vor, die insgesamt in zwei bis drei Jahren vollendet sein könnten. In erster Linie sollen dabei die demontierten Stahl- und Walzwerksanlagen soweit wieder aufgebaut werden, daß die Roheisenproduktion der noch vorhandenen zwei Hochöfen mit etwa 250 000 bis 300 000 Tonnen jährlich in einer Hitze weiterverarbeitet werden kann. In den weiteren Aufbaustufen würde dann die Verarbeitung der Roheisenproduktion aus den anderen zwei Hochöfen, die nach ihrer Demontage bereits wieder im Aufbau stehen, ermöglicht und damit die volle Kapazität von vier Hochöfen mit jährlich 800 000 Tonnen erreicht werden können. Der erforderliche Kapitalaufwand für den Bau einer Hütte mit 800 000 Tonnen Jahreskapazität würde nach dem heutigen Stande des Hüttenbauverfahrens etwa 800 Millionen DM betragen. Durch die Wiederverwendung der nach der Demontage noch vorhandenen Hallen, Fundamente, Schienen-, Wasser- und Energieversorgungsanlagen wird beim Wiederaufbau der Hütte Watenstedt-Salzgitter jedoch nur ein Investitionsbedarf von rund 150 Millionen DM benötigt.
3000 neue Arbeitsplätze
Die entscheidende Wandlung in der Einstellung zum Wiederaufbau eines Hüttenwerkes bei
Landesproduktenbörse Stuttgart
vom 21. August 1951
Die Angebote in Brotgetreide neuer Ernte haben sich verstärkt und werden seitens der Mühlen auf Basis der vorgeschriebenen Erzeugerhöchstpreise glatt aufgenommen.
Aus den Frühdruschgebieten wird Braugerste reichlicher angeboten. Die Nachfrage ist noch infolge Zurückhaltung der Brauereien und Malzfabriken gering.
Bei Raps besteht weiter Zurückhaltung seitens der Erzeuger. Zu größeren Umsätzen ist es nicht gekommen.
Mehl hat laufenden Absatz.
Die Konsummehlpreise wurden lt. Runderlaß des Wirtschaftsministeriums Württemberg - Baden vom 17. 8. 1951 um 1.10 DM je 100 kg erhöht und betragen heute für W 1600 54.10 DM, R 1370 52.35 DM Großhandelspreis je 100 kg brutto für netto ohne Sack.
MühlennaChprodukte sind nach wie vor gefragt, aber knapp angeboten.
Das Geschäft in Heu Ist belanglos. Stroh hat etwas bessere Nachfrage. Es werden nominell notiert: Wiesenheu, neuer Ernte, 1. Schnitt, lose 5 DM, Rot- kleeheü, neuer Ernte, 1. Schnitt, lose 5.50 DM, Luzerneheu, 1. und 2. schnitt, 6 DM, Roggen- und Weizenstroh, alter Ernte, bindfadengepreßt, 3—3.20 DM, Gersten- und Haferstroh, bindfadengepreßt, 2.75—3 DM je 100 kg frei württ.-bad. Verladestation. Drahtgepreßte Ware mit entsprechendem Aufschlag.
den Reichswerken in Watenstedt-Salzgitter, die jahrelang unter dem Odium eines typischen Unternehmens des Dritten Reiches standen, geht auch aus der Tatsache hervor, daß der jetzige Antrag auf Wiederaufbau der Hütte von der Ruhrindustrie und der europäischen Stahlindustrie positiv beurteilt und unterstützt wird. Der Wiederaufbau der Hütte würde außerdem für das Notstandsgebiet von Watenstedt-Salzgitter rund 3000 neue Arbeitsplätze schaffen, zu denen noch die Arbeitsplätze der erfahrungsgemäß in der Nähe eines Hüttenwerkes entstehenden weiterverarbeitenden Industrien eine weitere Entlastung in der Arbeitslosigkeit bringen würden.
Zementerzeugung und Bauprogramm Außer dem Wiederaufbau der Hütte haben die Reichswerke in Watenstedt-Salzgitter zur besseren Ausnutzung der Nebenprodukte des Hochofenbetriebes in diesen Tagen ein Hochofenzementwerk in Gang gesetzt, das 100 Arbeiter beschäftigt und eine jährliche Produktion von
100 000 Tonnen Hüttenzement erreicht, die sowohl für den Export als auch für die Ergänzung des Inlandbedarfs abgesetzt werden sollen. Ferner hat die Wohnungs-Aktiengesellschaft der Reichswerke in Lebenstedt mit dem Bau von 288 Wohnungen nach einem vom Baudienst der Reichswerke im letzten Jahre entwickelten neuzeitlichen Bauverfahren begonnen. Es handelt sich dabei um dreigeschossige Häuserblöcke, bet denen die tragenden Querwände, die gleichzeitig als Wärmespeicher dienen sollen, unter Einsatz eines fahrbaren Portalbaukranes aus Schüttbeton hergestellt werden. Für die gemauerten Außenwände werden großformatige Ytong-BlöCke verwendet, die aus Abfallprodukten auf dem Hüttengelände der Reichswerke erzeugt werden. Mit diesem neuen Bauverfahren können täglich sieben Wohnungen fertiggestellt werden, bei denen die Baukosten aus der Schnelligkeit in der Erstellung der Häuser noch auf 36.— DM für jeden Kubikmeter umbauten Raumes gesenkt werden konnten.
Wirtschaftsspiegel Bauen wird teurer
DÜSSELDORF. Mit einer Preiserhöhung bis zu 50 Prozent für bestimmte Baumaterialien, wie Ziegelsteine, Dachziegel, Kalksandsteine und Zement sei in nächster Zeit zu rechnen, erklärte ein Sprecher des nordrhein-westfälischen Wirtschaftsministeriums auf einer Pressekonferenz in Düsseldorf.
Die Verteuerung ergebe sich daraus, daß die Baustoffindustrie wegen der geringen Zuteilung an Inlandskohle amerikanische Importkohle verwenden müsse, für die einschließlich der Frachtspesen ab Hamburg der dreifache Preis zu zahlen sei.
BONN. — Flotter Absatz der Babybonds. Der Absatz von Babybonds hat sich in den letzten Tagen wesentlich gebessert. Wie das Bundes- flnanzministerium mitteilt, lassen die bisher vor
liegenden Meldungen der Verkaufsstellen erwarten, daß die erste Serie von fünf Millionen Stüde Babybonds zu je 10 DM bis zum Beginn der ersten Verlosung am 1. September fast restlos abgesetzt sein wird.
DÜSSELDORF. — Neue Kerngesellschaften. Im Rahmen der Montan-Neuordnung werden am 27. August zwei weitere Kerngesellschaften gebildet und zwar die Hüttenwerk-Niederrhein AG., Duisburg, und die Hüttenwerk Oberhausen AG., Oberhausen.
DÜSSELDORF. — Deutsche Musikmesse 1951. Die Deutsche Musikmesse Düsseldorf 1951 bringt in der Zeit vom 31. August bis 5. September neben einer umfassenden Schau sämtlicher Musikinstrumente und Musikalien auch für den musikliebenden Laien vieles Interessante. So wird
„Wiederauferstandener Mergenthau plan“
Proteste gegen geplantes alliiertes Gesetz zur Enteignung deutschen Auslandsvermögens
BREMEN. Das von der Alliierten Hohen Kommission gegenwärtig vorbereitete Gesetz, wodurch das Kontrollratsgesetz Nr. 5 über die entschädigungslose Enteignung der deutschen Auslandsvermögen bestätigt und die bisher noch vorhandenen Lücken geschlossen werden sollen, bezeichnet die Studiengesellschaft für privat- rechtliche Auslandsinteressen als den „Wiederauferstandenen Morgenthauplan“. Die einzige „zeitgemäße“ Veränderung dieses geplanten Gesetzes gegenüber dem Kontrollratsgesetz Nr. 5 bestehe darin, daß an die Stelle des nicht mehr arbeitsfähigen Kontrollrats die Alliierte Hohe Kommission auf dem Petersberg trete.
Der Morgenthauplan, von allen führenden alliierten Politikern aufgegeben oder ausdrücklich als „politischer und wirtschaftlicher Unsinn“ bezeichnet, sah in Ziffer 5 E die Liquidation aller deutschen Auslandsvermögen vor. Das Kontrollratsgesetz Nr. 5 war die Ausführung dieses Programmpunktes. Es sei eine bestürzende Entdek- kung, so schreibt die Studiengesellschaft, daß der Petersberg es für angebracht halte, im Jahre 1951 angesichts der Verhandlungen über den Schumanplan und den deutschen Wehrbeitrag die Fortnahme des deutschen Auslandsvermögens im Werte von etwa 8 Milliarden DM zu bestätigen und zu erweitern, anstatt sie rückgängig zu machen.
Die Studiengesellschaft spricht die Erwartung aus, daß die Bundesregierung sich nicht etwa durch die Sachverständigenbesprechungen mit dem Petersberg an diesem unzeitgemäßen Gesetz mitschuldig machen lasse. —Auch die Arbeitsgemeinschaft der West- und Uberseevertriebene e. V., Bonn, protestiert gegen das geplante alliierte Beschlagnahmegesetz, und stellt fest, es solle ein Verteideigungsbeitrag durch den Bund geleistet werden, während sich gleichzeitig die Westmächte an den mühsam ersparten Groschen der Ausländsdeutschen vergreifen wollten. Ferner haben protestiert: das private deutsche Bankgewerbe, der Deutsche Industrie- und Handelstag sowie die Länder-Auslandsvereinigungen in Hamburg (Afrika-Verein), Ibero-Amerikanischer Verein, Nah- und Mittelostverein, sowie ostasia- tischer Verein. Die Länderauslandsvereinigun
gen fordern die Bundesregierung auf, den bevorstehenden Erlaß dieses Gesetzes zu verhindern und Besprechungen mit gleichberechtigter deutscher Beteiligung zu verhindern. Sie erwarten, daß die Bundesregierung die Entscheidung des internaionalen Gerichtshofes im Haag anru- fen wird, wenn trotz ihres Einspruchs die Alliierte Hohe Kommission das Gesetz erlassen sollte.
Quer durch den Sport
Deutsche Stärke: Leichtathletik Schöne Erfolge unserer Studenten in Luxemburg Bel der internationalen Hochschulsportwoche in Luxemburg haben in den letzten Tagen die deutschen Studenten und Studentinnen in den leichtathletischen Disziplinen schöne Erfolge erzielt, während sie in den anderen Sportarten, vor allem im Schwimmen, der starken internationalen Konkurrenz nicht gewachsen waren. Den 100-m-Lauf gewann der Frankfurter Wittekindt in 11,2 Sek.; über 800 m kam Viebahn (Göttingen) mit 1:53,5 auf den zweiten Platz; weitere deutsche Erfolge: 400 m Hürden durch Sailen (54,1 Sek.), im Hochsprung durch Theilmann (1,90 m), 110 m Hürden, ebenfalls durch Theilmann (15,2 Sek.); bei den Studentinnen kam die Kölnerin Klute im Diskuswerfen mit 36,25 m auf den zweiten Platz.
Wieder Segelfliegerlager Klippeneck Der Württembergische Luftfahrtverband hat das rund 99 Hektar große staatliche Gelände des früheren Segelfliegerlagers Klippeneck sowie ein angrenzendes gemeindeeigenes Gelände von rund 65 Hektar zur Ausübung des Segelflugsportes gepachtet. Die Zulassung des gesamten Geländes als Segelfluggelände ist bereits beim Bundesverkehrsministerium beantragt worden. Der Luftfahrtverband will unmittelbar nach Eingang der Genehmigung durch das Ministerium den Segelflugsport auf Klippeneck aufnehmen.
Kurz berichtet
Der Versuch des belgischen Olympiasiegers Reiff, den 5000-m-W eltrekord von Gundar H ä g g (13:58,1) zu unterbieten, ist gescheitert. Reiff erreichte eine Zeit von 14:18,1 Min.
Der Weltmeister im Halbschwergewicht, Joe
Die neuen Steuerpläne
BONN. Im Bundesfinanzministerium werden noch immer neue Steuerpläne ausgearbeitet, deren Ertrag im laufenden Haushaltsjahr mehrere hundert Millionen Mark erbringen soll. Außer Autobahngebühr und Sonderumsatzsteuer, von denen man zusammen 200 Millionen DM erwartet, wird so vor allem eine nochmalige Erhöhung des Notopfers Berlin erwogen. Die finanzielle Gleichstellung Berlins mit den Bundesländern koste so viel, daß eine Erhöhung de» Notopfers um wenigstens 100 Millionen Mark jährlich für unabweisbar gehalten wird. Damit würden die Erträge aus dem Notopfer Berlin seit dem vorigen Jahr fast verdoppelt, nachdem diese Abgabe bereits Anfang 1951 heraufgesetzt worden war.
Bekannt sind die Pläne über eine Erhöhung der Verkehrssteuern (Wechselsteuer. Börsenumsatzsteuer usw.), mit Hilfe deren die Länder, denen die Erträge dieser Steuern zufließen, stark genug gemacht werden sollen, zugunsten der Bundeskasse auf % ihrer Einnahmen aus Einkommen-, Lohn- und Körperschaftssteuer zu verzichten. Neu jedoch tritt in Erscheinung eine Abänderung des Kraftfahrzeugsteuergesetzes, die den technischen Fortschritt der PS-Leistung im Zusammenhang mit dem Zylinderinhalt des Motors angepaßt werden soll. Eine allgemeine Steuererhöhung für Kraftfahrzeuge werde angeblich nicht geplant, doch dürfte die Berichtigung neben wenigen Steuernachlässen auch eine ganze Reihe von Steuererhöhungen für Kraftfahrzeuge mit sich bringen, die bisher wenig oder gar keine Steuer zahlten.
beispielsweise eine Geigenbauwerkstatt gezeigt, in der während der Messe Geigenbauer von der Staatlichen Fachschule für Geigenbau in Mittenwald arbeiten. Eine Handharmonikafirma wartet mit einer Überraschung auf: Ein Akkordeon mit eingebautem Lautsprecher, der ihm die Klangfülle einer Orgel gibt.
FRANKFURT. — Großes Interesse für Frankfurter Buchmesse. An der Frankfurter Buchmesse 1951 vom 13. bis 18. September werden sich rund 600 Verlage beteiligen; das Ausland ist mit 185 Verlagen vertreten. Hi sollen hauptsächlich schöngeistige Literatur sowie Jugend- und Kinderbücher ausgestellt werden.
MÜNCHEN. — Südamerika für Motorräder aufnahmefähig. Der südamerikanische Markt ist für deutsche Motorräder außerordentlich aufnahmefähig. Vor allem in Argentinien und Brasilien besteht eine lebhafte Nachfrage nach Motorräder aller Klassen.
STUTTGART. — Ansteigende Volksbanken- Spareinlagen. Wie der Württembergische Genossenschaftsverband (Schultze-Delitzsch) e. V., Stuttgart. berichtet, sind bei den ihm angeschlossenen Volksbanken die Spareinlagen im Juli um 1,2 Millionen DM auf 67,8 Millionen DM angestiegen. I
Maxim (USA), hat seinen Titel durch einen klaren Punktsieg gegen den Herausforderer Bob Murphy verteidigt.
DEUTSCHEN
OMNI St}riN*At,(i
w*xr <, 40 *
.iWyfrrtrw I
„Ein viel mißbrauchtes Volk“
wn. Die Staaten Württemberg und Baden entstanden durch einen Tagesbefehl Napoleons I., der damit einen Schlußstrich unter eine Entwicklung zog, die im 5. nachchristlichen Jahrhundert begann, als die Alemannen oder Sueben — die germanischen Vorfahren der Württemberger und Badener — den Nordteil ihres Landes an die Franken verloren und die 536 gezogene Grenze (Donon-Homisgrinde-En- gelberg-Asperg Lemberg-Hohenberg b.Ellwan- gen-Hesselberg) dann im 8. Jahrhundert auch die Grenzen zwischen den fränkischen Bistümern Speyer und Würzburg und den schwä- bischenBischofssitzen Konstanz und Augsburg wurde. Dies war die erste Teilung Schwabens, sagt August L ä m m 1 e , der bekannte Verfasser volkstümlicher Erzählungen in seiner neuesten Schrift „Ein viel mißbrauchtes Volk — Volkstum und Heimat in Baden und Württemberg“ (Verlag A. Dups, Karlsruhe 1951, S. 30, 1 DM). Die letzte Teilung war die des Bonaparte, sieht man von der des Jahres 1945 ab. Lämmle gibt eine Ganzheitsbetrachtung aller Fragen, die mit dem Südweststaat Zusammenhängen. Neben den geschichtlichen Tatsachen, den Grundlagen der Wirtschaft, wie sie sich zwangsläufig aus dem verschiedenartigen Charakter der Landschaften und bedingt durch die fortwährenden obrigkeitsbedingten Grenzveränderungen entwickelten, stehen die Fakten einer gemeinsamen kulturellen Vergangenheit. Trotz aller menschlichen und geistigen Besonderheiten der heutigen Nachfahren des einen Volkes der Alemannen überwiegen die Gemeinsamkeiten. Wir müßten nur mehr um die geschichtlichen Vorgänge wissen, die für den politischen Zustand von heute, die Empfindlichkeiten und Reibereien zwischen Baden und Württemberg verantwortlich zu machen sind. Lämmle will hier helfen. Die Verschiedenheiten sind letztlich nur Varianten desselben Volkes, das „ein viel mißbrauchtes, oft hin und her geschobenes Ding (war), das ge
knechtet und ausgeraubt wurde.“ Im September werden wir zum erstenmal seit mehr als 1500 Jahren gefragt, ob der Zustand der Gemeinsamkeit wieder hergestellt werden, oder die „Zerstückelung und Verstümmelung“ fort- bestehen soll. Werden wir die Zeichen der Zeit und die Lehren der Geschichte verstehen, fragt Lämmle. Das fragen auch wir.
500. Geburtstag Columbus’
Eine Entdeckung macht Weltgeschichte
Geheimnis umgab seither das Geburtsjahr des Christoph Columbus. Man schwankte zwischen den Jahren 1430 und 1457, bis nun Assereto Genueser Gerichtsakten aufspüren konnte, die den Zeitpunkt eindeutig festlegen. Ein Zeugenprotokoll vom 31. 10. 1470 weist aus, daß Columbus damals selbst erklärte, er sei „über 19 Jahre“ alt. Eine andere Akte vom 25. 8. 1479 über einen von ihm geführten Prozeß betont: „Er wurde befragt, wie alt er sei; er antwortete, er sei 27 Jahre alt.“ Hieraus ergibt sich zwingend, daß Columbus zwischen dem 25. August und 31. Oktober 1451 geboren worden sein muß. Wir begehen somit in diesen Tagen den 5 0 0. Geburtstag des großen Entdeckers Amerikas.
Die Lebensgeschichte dieses Mannes, die wir nur ln kurzen Zügen zeichnen können, verdient höchstes Interesse. Als ältester Sohn des Tuchwebers Domenico Colombo ergreift Christoph anfänglich das väterliche Gewerbe, macht aber schon als Jugendlicher kleine Seereisen und Handelsgeschäfte im Mittelmeer. Der uralte Zwist zwischen Venedig und Genua scheint ihn dabei gelegentlich zu Draufgängertum zu verleiten, denn eine venezianische Seebehördenakte warnt vor einem „Piraten" Colombo. Um 1471 ist er auf der Insel Chios, um 1477 in England, von wo er den Atlantik bis über Island hinaus befährt. In Lissabon befindet er sich um 1480, wo er eine Vornehme aus dem Hause Perestrello ehelicht. Um diese Zeit endet die erste Phase seiner Seefahrten mit zwei Reisen nach Afrikas Guineaküste (1482 und 1484) und es folgt die Periode des Studiums und Ausreifens des großen Planes.
Dieser Plan gewinnt greifbare Gestalt durch mehrere Umstände: das Weltbild Pertus’ von Alliaco, wonach das Festland auf Erden bei wei
tem überwiege und das zwischen Ost und West befindliche Wasser nicht von beträchtlichem Umfange sein könne, die Angabe im Buch Esra, nur der siebente Teil der Erde sei von Wasser bedeckt, der Hinweis Senecas auf neue, weit hinter Thule liegenden Welten, sowie Marco Polo» Nachricht von dem der Ostküste Asiens vorgelagerten Zipangu (Japan). Allein, es fehlen Columbus, der glaubt, im Westen unter Vermeidung der Umseglung Afrikas lediglich Indien zu erreichen, die erforderlichen Seekarten. Da erfährt er von einer Anfrage des portugiesischen Königs an den Florentiner Toscanelli nach dem leichtesten westlichen Seeweg nach Indien und von einer Karte hierzu. Er verschafft sich eine Kopie der letzteren und stellt an die Krone einen Antrag auf Ausrüstung der geplanten Entdeckungsfahrt, den die portugiesische Junta jedoch, nicht zuletzt wohl wegen zu hoher Forderungen Columbus’, ablehnt.
Columbus wendet sich daraufhin an Spanien. Man nimmt ihn freundlich auf (1486), kann seinen Plänen aber wegen ungünstiger politischer Lage kein Gehör schenken. Nach jahrelangem Warten macht er sich 1491 nach Frankreich auf. Da trifft ihn eine Aufforderung der Königin Isabella, in das Kriegslager Granada zu kommen, das als letzte spanische Stadt soeben den Sarazenen wieder entrissen wird, womit die Voraussetzungen für ein Übereinkommen mit Spanien endlich gegeben sind. Am 17. April 1492 wird der denkwürdige Staatsvertrag unterzeichnet, der Columbus die erbliche Würde eines Großadmirals und Vizekönigs aller von ihm zu entdeckenden Länder verleiht.
Mit drei kleinen Segelschiffen und 120 Mann Besatzung tritt Columbus am 3. August 1492 von Palos an der Guadalquivirmündung die erste Fahrt an. Havarie zwingt zu mehrwöchigen Reparaturarbeiten auf den Kanarischen Inseln. Am 6. September beginnt der Vorstoß ins Ungewisse. Fünf lange, bange Wochen währt die erste Überfahrt: am 12. Oktober 1492 setzt Columbus als erster Europäer den Fuß auf eine kleine Insel südöstlich Florida, genannt Guana- hani, San Salvador oder Watlings-Insel: Amerika ist entdeckt.
Aber der Stern des unermüdlichen Seefahrers, dem zwei Brüder und zwei Söhne zur Seite stehen, verblaßt. Die Anzeichen mehren sich, daß
Columbus gar nicht in Indien gelandet ist. Di« Hinweise werden zur Gewißheit, namentlich durch Vasco da Gamas erste direkte Fahrt nach Ostindien über Südafrika. Columbus beharrt jedoch auf seiner falschen Meinung, und so berührt fast tragisch, wie vereinsamt er in den letzten Lebensjahren mit seiner Geographie dasteht. Al» Columbus am 20. Mai 1506, erst fünfundfünfzig- jährig, in Valladolid stirbt, ist er von seinen Zeitgenossen schon fast vergessen.
Werner Heybrock
Kulturelle Nachrichten
Der saarländische Dichter Johannes Ki r s c h - w e n g ist am Mittwoch im 51. Lebensjahr in Saarlouis gestorben. Kirschweng, der der einzig« Saarländer ist, dessen Werk in Literaturgeschichten Erwähnung fand, galt als einer der feinsten Prosaisten der kleinen Form.
Der Mathematiker Helmut G r u n s k y, Trossingen, wurde zum Professor an der Universität Mainz ernannt. Grunsky war beim internationalen Mathematiker-Kongreß Mitglied der deutschen Delegation.
Die Bregenzer Festspiele, in deren Mittelpunkt die Aufführungen der Operette „Zigeunerbaron“ auf der Bühne im Bodensee standen, sind von insgesamt 60 000 Personen besucht worden. Allein bei den Seeaufführungen wurden 40 000 Besucher gezählt.
Die M a x-D authende y-G esellschaft, die 1935 aufgelöst werden mußte, ist in Würzburg neu gegründet worden.
Filmnotizen
Der Filmproduzent Friedrich A. Mainz plant die Verfilmung des Buches „Der Fragebogen* von Ernst von Salomon. Wie Mainz in einer Pressekonferenz mitteilte, will Ernst Rowohlt, der Verleger des Buches, der darin auch selbst auftritt, die Zustimmung zur Verfilmung nur unter der Bedingung geben, daß er selbst mitspielen darf.
Der in London mit Erfolg gezeigte Film „No Highway“ mit Marlene Dietrich und James Stewart wird demnächst auch in Deutschland mit dem anderen Dietrich-Film „Der Garten Allahs“ zu sehen sein.