MITTWOCH, 2 2. AUGUST 1951
NUMMER 130
„An der Grenze herrscht Krieg ..
Der hohe Schmuggel verdienst lockt immer wieder / Internationale Gangster
„Ein Herr aus Antwerpen wünscht Sie am Telefon zu sprechen, Herr Finanzpräsident!“ Erwartungsvoll hebt der Beamte im Bonner Bundesfinanzministerium den Hörer ab. Mit fremdländischem Akzent dringt die Stimme herüber: „Allo! Was bieten Sie mir, wenn ich Sie aufmerksam mache auf eine große Affäre von Schmuggel?“-Nun, für solche Fälle sind Belohnungen ausgesetzt; man ist sehr rasch einig. Wenige Tage später wird an der Grenzübergangsstelle bei Aachen ein Güterzug angehalten, der nach dem Warenbegleitschein auf mehreren Waggons 289 Sack Mais geladen hat. Als die Säcke geöffnet werden, enthalten nur 89 Säcke Mais, die übrigen 200 sind bis an den Rand mit Rohkaffee gefüllt. Mindestens 8 Mark verdienen die Großschmuggler an jedem Pfund Kaffee, das sie aus Belgien nach Deutschland bringen, 300 Mark an einem Zentner. Bei 200 Säcken wird ein Gewinn von 60 000 Mark erzielt. Das Zollamt beschlagnahmt und verkauft den Kaffee, der belgische „V-Mann“ erhält einen kleinen Prozentsatz vom Erlös. Alle können zufrieden sein außer der Frankfurter Empfangsfirma, die mit hohen Strafen praktisch ruiniert wird.
Panzerauto und Rabbatzbande
An den grünen Grenzen, bei Bad Reichenhall, bei Lörrach und am „Loch im Westen" bei Aachen, dagegen herrscht — der Oberfl- nanzpräsident sagt es mit gefurchter Stirne — „wirklicher Krieg“. Drei Tote zählt der Zollgrenzschutz seit Anfang des Jahres auf seiner Seite; bei den „andern“ sind es weniger. Vor wenigen Tagen ist ein schwarzer Cadillac gefangen worden, der nachts durch den Schlagbaum gebraust war. Der Zöllner schoß hinter ihm her, zwei Kilometer weiter fuhr der Fahrer, nervös geworden, in den Straßengraben. Da fand man ihn am Morgen, vor der Windschutzscheibe noch die schwarze Panzerplatte und im Chassis ein paar rohe Kaffeebohnen — sieben Zentner hatten die Schmuggler während der Nacht noch mit einem Lastkraftwagen abgeholt, der Rest der 80 Zentner verschwand spurlos in den umliegenden Häusern. Den Wagen kannten die Zollbeamten schon seit langem; sie hatten ihn schon einmal aufgebracht und versteigert, die Schmuggler hatten es verstanden, ihn wieder ln ihre Hand zu bringen. — „Hallo, Konrad! Hier spricht Anton, bitte melden!“ so klingt es alle paar Minuten aus dem Lautsprecher der kleinen, flinken Zollwagen, die von ihrer Zentrale aus Tag und Nacht durch Funk auf verdächtige Wagen angesetzt werden, sie verfolgen und nach Möglichkeit stellen.
Im Aachener Revier ist der Kampf am härtesten — darin stimmen alle erfahrenen Zollbeamten überein. Wohl gibt £S auch im Reichenhaller Gebiet und neuerdings sogar ln Baden den Bandenschmuggel, wie er sich nach diesem Kriege im Aachener Gebiet entwickelt hat. Aber nirgends hat er solchen Umfang angenommen. Zwischen 30 und 50 Marin zählt •ine Schmugglerbande, die mit allen militärischen Sicherungen — Vortrupp, Seitensicherung und Rückendeckung — über die Grenze schleicht. Jeder trägt 50 bis 60 Pfund Kaffee ln einem Rucksack. Geradezu berühmt ist die Aachener „Rabbatzkolonne“ geworden, die mit besserer Waffenausrüstung als der Zollschutz
Das Recht der 131er
Im Hansischen Gildenverlag, Joachim Heitmann & Co., Hamburg 13, ist eine kleine Broschüre erschienen: „Das Recht der 131er“, verfaßt von Dr. Dennewitz und Dr. Jeß. Das Problem der Rechtsansprüche der 131er ist auch nach der bundesgesetzlichen Regelung noch nicht allen politischen und juridischen Streitigkeiten entzogen. Die angezeigte Broschüre versucht von der rechtlichen Seite her, die nun, nachdem der Gesetzgeber gesprochen hat, allein entscheidend sein sollte, die Grundfragen aufzuhellen.
in einer Stärke von 200 Jungen und Mädchen zwischen 12 und 20 Jahren bei hellichtem Tage durch die Wälder über die Grenze geht. Frauen, die den Kaffee in nicht sehr appetitlicher Weise auf dem Körper durch den Zoll zu bringen suchen, und vermeintlich raffinierte Autofahrer, die ihren Benzintank unterteilen und den größeren Teil mit Kaffee füllen, sind die weit harmloseren Erscheinungen unter der anscheinend unermeßlichen Fülle der Schmuggler.
Eine kleine Rechnung
Liegt es an der Arbeitslosigkeit? Wenigstens im Aachener Gebiet schütteln die Zollbeamten energisch den Kopf. Die Aachener Industrie klagt über Arbeitermangel. Auch auf den Bauernhöfen der Umgebung ist Arbeit zu finden. Aber es ist bequemer, einmal in der Woche einen Gang über die Grenze zu mähen, als sechs Tage angestrengt zu arbeiten, um zu dem gleichen Erlös von 100 bis 150 Mark zu kommen, und mancher Bauernsohn mäht nah seiner Tagesarbeit nachts noch den Weg über die Grenze, aus Abenteuerlust oder wegen des zusätzlichen Verdienstes. In einem kleinen Eifeldorf bei Monschau mußte kürzlich die Hälfte der männlichen Einwohner, 40 an der Zahl, verhaftet werden; alle erhielten Gefängnisstrafen wegen Schmuggels. — Oder entshuldigt die unerhörte Höhe der Abgaben, die auf Kaffee und Zigaretten lasten, den Schmuggler, der die gleiche Ware billiger ins Land bringt? Ist der Shmuggler nur ein Instrument der Nothilfe des geplagten Staatsbürgers? Die Beamten im Bundesfinanzministerium schla
gen eine kleine Rechnung auf: Der Finanzminister, das wissen wir alle, braucht jede Million, die er aus den Steuern ziehen kann. Um den üblichen Shmuggelpreis von 12 Mark für ein Pfund Kaffee zu erreihen, müßte die Kaffeesteuer mindestens von 5 Mark auf 1.50 Mark gesenkt werden. Wollte der Minister dann trotzdem den gleichen Erlös aus der Steuer ziehen, dann müßte sih der Kaffeeverbrauh shon verdoppeln — und daran glaubt der Minister niht, und außerdem macht er darauf aufmerksam, daß man dann auh die doppelte Menge der knappen Devisen für die Einfuhr benötigte.
So bleibt nihts anderes übrig, als den Kampf aufzunehmen. Es ist ein Kampf, der manhmal beinahe komishe Seiten hat. So trat ein Beamter des Zollfahndungsdienstes kürzlich als Käufer auf, ließ sih zu einem gut getarnten Kaffeeversteck in einer Scheune führen, zahlte den Preis für 10 Zentner bar auf den Tisch und zog dann die Pistole. Neun Personen wurden verhaftet. Ein andermal folgte er einer Dame, die ihn zu einem Devisenschmuggler brachte. Für 600 000 Mark „kaufte“ er belgishe Franken, dann „kaufte“ er sih den Shmuggler mit seinen drei Kumpanen. Aber die harten, brutalen Seiten überwiegen. Einer der wertvollen Zollhunde wurde vor kurzem erstohen aufgefunden. Ständig fühlen sich die Beamten bei ihrem Dienst bedroht. Mit kargem Gehalt, dessen Höhe allzu leicht eine Verlockung für die Annahme von Bestehungsgeldern bildet, und unter harten Bedingungen versehen sie bei Tag und Naht ihren Dienst. Es stimmt niht, daß sie an der Beute beteiligt werden. Aber man denkt in Bonn allen Ernstes daran, Sonderprämien für besondere Leistungen einzuführen, um einen Ausgleich für die Gefahren und Nöte der Männer an der grünen Grenze zu schaffen.
W. W.
Ohne ausländische Hilfe unmöglich
Vor neuen Verhandlungen über die Lösung des Flüchtlingsproblems
Bisher sind nur 25 Prozent der nah dem Gesetz in diesem Jahr von Schleswig-Holstein, Bayern und Niedersachsen in andere Länder umzusiedelnden Flüchtlinge an ihren „Bestimmungsorten“ eingetroffen. Niemand glaubt, daß die vorgesehenen Zahlen 1951 noh erreicht werden und wir damit dem Flüchtlingsausgleich zwischen den elf Ländern der Bundesrepublik näher kommen können. Diese Lage ist nur eins der Beispiele dafür, wie schwierig es ist, selbst kleine Teillösungen im Rahmen des großen Flüchtlingsproblems zu verwirklichen. Eine generelle Lösung zeichnet sih noh niht einmal am Horizont der fernen Zukunft ab. Das bekannte Sonne-Gutachten, das Vorshläge für eine solhe Generalbereinigung mäht und dafür 13 Milliarden DM disponiert, ist wohl eine vortreffliche Arbeit, aber auh kein praktishes Programm. Dem könnte shon die Arbeit des Sachverständigenausschusses beim Straßburger Ministerrat näher kommen, vor allem soweit es um die tatsächliche Internationalisierung des deutshen Flüchtlingsproblems geht.
Es ist shon ein erster Erfolg, wenn sih nun im September Sahverständige der europäischen Regierungen mit Experten der US-Regierung und der Weltbank zum zweiten Mal zusammensetzen werden, um — wie es offiziell heißt — „vor allem das deutsche Flücht- llnsgproblem zu behandeln“. Die Zusammensetzung dieser Konferenz zeigt bereits ihren Zweck: die Möglichkeit eines Auslandskredits soll erörtert werden. Ohne diesen Kredit und andere ausländische Hilfe (Erleichterung der Auswanderung) wird die Bundesrepublik die mehr als neun Millionen Flüchtlinge nie in die westdeutsche Wirtshaft eingliedern können. Diese Einsiht hat sih bei den Straßburger Beratungen durhgesetzt und das Ausland hat gleihzeitig erkannt, daß die Auswanderung von Flüchtlingen nur eine sehr begrenzte Möglichkeit ist. Freilih, daß wir einen nen- neswerten Kredit in absehbarer Zeit erhalten werden, dafür sind die Aussihten in einer
von der Rüstungswirtshaft bestimmten Welt gering. Es sei denn, in Washington und in der Weltbank gewinnt die von der Bundesregierung vertretene These an Boden, daß alle Gelder, die für eine Lösung des Flüchtlingsproblems aufgewendet werden, Verteidigungsausgaben sind, die zur Erhöhung der westlichen Siherheit beitragen. Man hat den Eindruck, als würde vielfah noh immer viel zu wenig erkannt, daß diese Siherheit niht nur eine Frage von Divisionen und Luftgeshwa- dem ist. Wenn es der Straßburger Sachverständigenkommission gelingen würde, diese Einsiht auh jenseits des Atlantiks zu wecken und gleihzeitig nah der Schaffung eines europäishen Flüchtlingsamtes in sogenannten Modellösungen vorzuexerzieren, wie mit europäischer Kooperation und amerikanischen Dollars das Flühtlingsproblem einer Lösung näher gebraht werden kann; es wäre ein ganz großer Erfolg für Deutschland und Europa. Leider: es wäre . . . wenn ... H. F.
Prinzessin Margaret ist volljährig
BALMORAL. Prinzessin Margaret von England feierte gestern auf dem schottischen Königsshloß Balmoral ihren 21. Geburtstag. Zur Feier des Tages war reihlih beflaggt, die Glocken der umliegenden Dörfer läuteten, Dudelsackpfeifer spielten zum Tanze auf, und am Abend wurden auf den umliegenden Höhen Freudenfeuer angezündet. Der 13% kg schwere Geburtstagskuchen wurde von der Prinzessin selbst angeshnitten. Er ist 45 cm hoch und hat einen Durchmesser von einem Meter.
Wiedereingepflanzte Zähne KIEL. Der Kieler Professor H. Hammer mähte die Feststellung, daß ausgebrochene Zähne dann wieder anwahsen, wenn die Wurzelhaut erhalten oder fast unbeshädigt ist. Er hat auh kranke Zähne, die unter anderen Umständen entfernt werden mußten, vorsichtig herausgenommen, Granulome im Zahnfach
Die Glocke von Roverelo
„Maria Dolens“ läutet heute für die deutschen Kriegsopfer
Hunderte von Kilometern entfernt, in Oberitalien, hängt im Kriegsmuseum von Rovereto die „Glocke der Gefallenen“. Nur wenige wissen von ihr. Von der Glocke, die — drei Meter hoh und breit und 165 Doppelzentner shwer — auf der Plattform des Kastells bis weit hinaus ins Land zu sehen ist.
Auf Anregung des italienishen Geistlichen Don Antonio Rossaro wurde sie am 30. Oktober
*
1924 unter Salutschüssen in Trient gegossen und am 24! Mai 1925 mit dem Wasser aller Flüsse, die in den vergangenen Kriegen Schauplatz blutiger Shlahten waren, auf den Namen „Maria Dolens“ — Schmerzensmutter — getauft. König Victor Emanuel III. weihte sie und widmete sie allen Gefallenen der Kriege ohne Untershied des Glaubens und der Nationalität.
Allabendlich ertönt die Glocke zur gleihen Zeit. Fünf Minuten lang in hundert Anschlägen. Im Winterhalbjahr um 20.30 Uhr und im Sommer eine Stunde später. „Einmal im Jahr" — so heißt es im dritten Absatz des Glockenstatuts — „nah dem gewöhnlichen Geläute für alle im Kriege Gefallenen, wird die Glocke zum Gedächtnis jedes einzelnen Volkes zu hören sein.“ So ist den Gefallenen jeder Nation ein bestimmter Tag gewidmet. Am 22. August läutet die Glocke für Deutschland.
„Maria Dolens“ gehört zu den drei größten Glocken der Welt. Sie ist die einzige „Glocke der Gefallenen“. Ihnen sind die allegorischen Darstellungen auf dem drei Meter hohen Glok- kenguß gewidmet: die Kampf truppe im Trauerzug des unbekannten Soldaten, der apokalyptische Ritt des Krieges und die anderen Szenen,, Abschied“, „Aufbruch“, „Die Flüchtlinge“, „Die Verwundeten“, „Die Gefangenen“, „Ver- herrliciäfv&j* des imbekannten Soldaten“ und „Der im oberen Teil der Glocke ist
das £f .t. des Kruzifix als Symbol der leidenden Menschheit zu sehen. In ihrem Innern sind 19 Sterne eingraviert. Sie sollen die 19 Staaten versinnbildlichen, die am ersten Weltkrieg teilgenommen haben.
Der zweite große Krieg hat neue Millionen von Toten gefordert. Am 22. August gedenkt eine Glocke in einem fremden Land der deutschen Gefallenen. Sie sind in der Welt nicht vergessen. L’angusta Campana dei caduti läutet — zum Gedenken und zur Mahnung. D. H.
beseitigt und die Wurzelkanalbehandlung und -füllung außerhalb des Mundes am Zahn durchgeführt. Er hat Wurzelspitzen entfernt und die endgültige Füllung am Zahn selbst angebracht, alles natürlich schmerzlos, da ja der Zahn „gezogen“ war. Dann wurde der außerhalb des Mundes behandelte Zahn in die Alveole, das knöcherne Zahnfach, aus dem sie herausgenommen war, gebracht und einige Tage lang in seiner endgültigen Stellung fixiert, bis er angewachsen war. Solch eingepflanzte Zähne haben meist noch viele Jahre lang gehalten.
Klimaknr statt Medikamente
Der Kreislauf verrät das passende Urlaubsziel
Die Urlaubssaison 1951 hat die Klimaforscher einen bedeutenden Schritt vorwärts gebracht. Wer in den nächsten Jahren während der Sommerferien etwas für seine Gesundheit tun will, wird voraussichtlich mit einem neuartigen Gerät das für ihn günstige Reiseziel bestimmen lassen. Der Arzt Dr. Horst Jungmann von der For- •chungsabteilung des Meteorologischen Amtes in Hamburg hat jetzt eine Methode praktisch erprobt, nach der er aus dem Blutkreislauf ablesen kann, in welchem Klima sich der Patient am besten erholt.
Dr. Jungmann ging von der Erfahrung aus, daß einzelne Urlaubsreisende sich nach einem Kuraufenthalt schlechter als vorher fühlen, obwohl aie sich in einem für Ihr Leiden günstigen Klima aufgehalten hatten. Im Sommer 1950 hatte er 150 Asthmatiker untersucht, die auf die Nordseeinsel Wangerooge zur Kur geschickt wurden. Die mei- aten kehrten erholt und wesentlich gebessert zurück. Bei sieben Kranken hatte sich das Leiden aber verschlimmert, weil sie das sonst für Asthmatiker günstige Klima nicht vertrugen. Sie hätten das Reisegeld sparen können.
Man kann also nach dem neuesten Stand der Forschung nicht mehr schematisch jeder Krankheit ein entsprechendes Heilklima zuordnen. Die besonderen Reaktionen jedes einzelnen Menschen müssen berücksichtigt werden. Das war bisher aber nicht möglich. Ursprünglich ist die Anpassung an ein neues Klima Nervensache. Die Klimareize wirken über die Nervensysteme auf den ganzen Körper ein. Exakte Messungen über die Beanspruchung der Nerven können aber vorläufig noch nicht ausgeführt werden. Dagegen ist ln den letzten Jahren ein enger Zusammenhang zwischen den Nervensystemen und dem Blutkreislauf festgestellt worden. Und auf diesem Gebiet hat Dr. Jungmann jetzt wichtige Kennzeichen gefunden.
Er Ist mit einem Kreislauf-Meßgerät, das bisher nur in wissenschaftlichen Laboratorien benutzt wurde, während dar Saison 1951 in die Kurorte gefahren und maß gleichzeitig den Blutkreislauf an der Halsschlagader und in der Leistenbeuge. So waren Pulsgeschwindigkeit, Blut
druck und viele andere Merkmale des strömenden Blutes bei einer einzigen Untersuchung zu berechnen. In Oberstdorf suchte er sich Patienten aus, die das Höhenklima entweder ausgezeichnet oder gar nicht vertrugen. Die Nebelhornbahn beförderte tags darauf zwanzig seiner Patienten gratis auf den Gipfel. In 2000 Meter Höhe wurden dann die gleichen Messungen wiederholt. Dr. Jungmann beobachtete, daß die Kranken, die das Hochgebirgsklima nicht vertrugen, an typischen Veränderungen ihres Blutkreislaufs zu erkennen waren.
Während der Badesaison dieses Sommers setzte er seine Versuche auf Wangerooge fort. Wieder ermittelte das Kreislauf-Meßgerät größere Unterschiede in der Blutzirkulation zwischen den beiden Gruppen der mit dem Klima zufriedenen und der unzufriedenen Kurgäste.
Als Dr. Jungmann seine ersten Ergebnisse vor kurzem in einem kleinen Kreis von Fachleuten zur Diskussion stellte, wies er darauf hin, daß künftig den nervösen und überreizten Menschen, die nicht regelrecht organisch krank sind, besser geholfen werden könne. Eine Klimakur sei für diese Opfer des aufregenden Alltags grundsätzlich erfolgreicher als jedes Medikament. Die Methode soll jetzt so ausgebaut werden, daß der Hausarzt schon vor der Abreise erkennen kann, ob sieh der Erholungsbedürftige das richtige Reiseziel ausgesucht hat.
Dr. Herbert L. Schräder.
Festival de Musique in Menton
In zehn „Soirdes musicales“ in der bezaubernden Atmosphäre des Mentoner Vorplatzes Saint Michel inmitten der Altstadt empfing der deutsche Besucher unvergeßliche Eindrücke und Anregungen stärkster Art. Er begegnete hier an der herrlichen Cöte d’Azur zunächst Münchin- ger mit seinen Leuten vom Stuttgarter Kammerorchester; sie eröffneten das Fest mit einem Mozart-Abend (mit Jacques Thibaud als Geigensolisten) und brachten an zwei weiteren Abenden ein Bach- und ein gemischtes Programm (u. a. Hindemith und Honegger). Die Begeisterung des internationalen Publikums war groß: Die drei Abende gehörten mit zum Stärksten, was diese Tage boten. Groß war auch der Erfolg des deutschen „Collegium pro arte“ (Redel, Lechner, Win-
schermann, Bochmann), die Kammermusik von Joh. Seb. Bach und seinen Söhnen darboten. Als bemerkenswerter Klangkörper, der vor allem in den Bläsern sehr gut dotiert ist, erwies sich das Mailänder Orchester „I Pomeriggi musicali“. Wundervoll schließlich der Abend des französischen Bläserquintetts R a m p a 1, das ein Zusammenspiel von erlesener Delikatesse bot, und der Klavierabend des großen französischen Künstlers Robert Casadesus, der Beethoven ebenso vollendet spielte wie Chopin und Debussy.
Für den Bücherfreund
Theologisches Schrifttum — Kurz angezeigt
Paul Althaus, Goethe und das Evangelium, Claudius-Verlag, München 1951, 24 S., DM 1.80.
Ernst Benz, Die Monologe des Judas Ischa- rioth, ebenda, 48 S., 2.70.
Augustinus. Bekenntnisse und Gottesstaat, ausgewählt von Joseph Berhart, Alfred-Kömer-Verlag, Stuttgart 1951, 360 S., 1 Abb., DM 9.50 (Körnersche Taschenausgabe Bd. 80).
Für die Festschrift zum 10. Geburtstag des evang. Landesbischofs von Bayern, Hans Mei- ser, schrieb der Erlanger Theologieprofessor Paul A11 h a u s den Aufsatz über Goethe und das Evangelium. Nach ihm kann uns Goethe nicht „zureichender Interpret des Evangeliums sein, geschweige denn es ersetzen“. Zahlreiche Anmerkungen weisen den Leser auf weiteres Schrifttum. — Der Marburger Kirchenhistoriker Ernst Benz, der mit Arbeiten über die Ostkirche hervorgetreten ist, gibt in seinen „Monologen“ eine ebenso geistreiche wie dichterische Antwort auf die Frage, was in der Seele des Judas vor sich ging, seit er Christus verriet. Ernst Benz fand eine Vorlage in den uralten Hymnen der Orthodoxie. — Der 1500. Todestag Augustinus wurde, wie der Herausgeber der Bekenntnisse und des Gottesstaates des großen Philosophen und Theologen des christlichen Altertums einleitend bemerkt, der Geburtstag der Krönerschen Auswahl, die nunmehr in der 5. Auflage erschien. Sie bietet das Wichtigste der Hauptwerke und will nicht allein den Theologen ansprechen, sondern in erster Linie dem Laien den Zugang zur Welt Augustinus erschließen helfen. Professor
Bernhart, der imlängst seinen 70. Geburtstag begehen konnte, wählte aus und schrieb die Einleitung. Die Übersetzungen stammen zumeist von Hermann H e f e 1 e und J. P. S i 1 b e r t.
wn.
Die „Blauen Bücher “
Paul B o n a t z und Fritz Leonhardt, Brücken, 112 S.: Einführungstext mit 6 Federzeichnungen, 104 Bildseiten, DM 4.80.
Elly Heuß-Knapp, Das Blaue Buch vom Rhein, 112 S.. 109 Bildseiten und 2 Karten, DM 4.80.
Hans Brandenburg, Deutsches Hochgebirge, 112 S., 109 Bildseiten und 2 Karten, DM 4.80 — alle drei Titel gehören zu den „Blauen Büchern“, Langenwiesche Bücherei, Verlag Karl Robert Langenwiesche, Königstein im Taunus, 1951.
Die „Blauen Bücher“ des Langenwiesche-Ver- lages sind schon seit langem zu einem festen Begriff für Qualität und kulturelle Verantwortung geworden Sie bieten eine handwerklich geschickte Arbeit, vorzügliche Fotos sowie sachliche Einführungen, die sich teilweise als sprachliche Stimmungsbilder erweisen. Die „Blauen Bücher" sind nicht zu verwechseln mit der Legion ähnlicher Unternehmungen, die längst Vertrautes wieder und immer wieder publizieren. Die drei neuen Bände enthalten eine Fülle von seltenen Kostbarkeiten, die selbst dem Weitgereisten fremd sein werden. -e.
Kulturplle Nnchnchtpn
Eine Festwoche für Johann Jakob Christoffel von Grimmelshausen wurde in Gelnhauseii, der Geburtsstadt des vor 275 Jahren als Schultheiß der mittelbadischen Stadt Ren- chen verstorbenen Dichters des „Simplizissimus“ eröffnet.
Die 12. internationalen Filmfestspiele in Venedig wurden am Montag mit Walt Disneys Zeichenfilm „Alice im Wunderland“ eröffnet.
Der Schriftsteller Walter B1 o e m ist im Alter von 83 Jahren in Lübeck gestorben. Bloem, der ursprünglich als Rechtsanwalt tätig war, schrieb nach dem ersten Weltkrieg eine Reihe von Romanen mit vorwiegend nationalen Themen. Besonders bekannt wurde der Verstorbene durch seinen Studentenroman „Der krasse Fuchs“.