MONTAG, 2 0. AUGUST 1951

NUMMER 12*

Freie Wahl des Arbeitsplanes

Keine Einschaltung des Arbeitsamtes mehr bei Lösung von Arbeitsverhältnissen

Dr.St. Das neue, am 14. August in Kraft ge­tretene Kündigungsschutzgesetz befreit, ohne daß die Gesetzesüberschrift dies erkennen läßt, unsere Wirtschaft von einer Fessel, die Sich aus der Zeit der Arbeitseinsatzlenkung mit einer Hartnäckigkeit ohnegleichen in die Demokratie hinüberrettete, und deren Spren­gung sowohl für Arbeitgeber als auch für Ar­beitnehmer von Interesse und Bedeutung ist.

Die Verordnung über die Beschränkung des Arbeitsplatzwechsels vom 1. September 1939 mit ihren Durchführungsverordnungen, nach der Arbeitsverhältnisse nur mit Zustimmung des Arbeitsamtes gelöst werden durften und Einstellungen von Arbeitskräften ebenfalls an die Genehmigung durch das Arbeitsamt ge­bunden waren, ist durch das neue Gesetz außer Kraft gesetzt. Zusammen mit der be­vorstehenden Aufhebung des Kontrollratsbe- fehles Nr. 3 durch die Besatzungsmächte sind alle Hemmnisse hinweggefegt worden, die einer freien Arbeitsmarktpolitik bisher hin­dernd im Wege standen.

Freizügigkeit der Arbeitskraft

Die Beziehungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei der Wahl der Arbeitskraft lnd des Arbeitsplatzes regeln sich künftighin ausschließlich nach dem in der Bundesverfas­sung verankerten Grundrecht, das in Artikel 12 allen Deutschen das Recht einräumt, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Damit hat die Zwangsbewirtschaf­tung der menschlichen Arbeitskraft, die mit der Würde eines freien Menschen in einem de­mokratischen Staat unvereinbar ist, ihr Ende und die Selbstbestimmung der Vertragspart­ner wieder ihre rechtliche Verankerung gefun­den. Die Freizügigkeit der Arbeitskraft ist wieder hergestellt. Jeder Arbeitgeber kann ohne behördliche Bevormundung Lehrlinge, Arbeiter und Angestellte nach eigener Wahl einstellen, und jeder Arbeitnehmer darf seine Arbeitskraft dort anbieten, wo seine berufli­chen und wirtschaftlichen Belange am besten gewahrt sind. Benutzungszwang sowie Ein­stellungsgenehmigung der Arbeitsämter gehören der Vergangenheit an. Niemand darf mehr zu einer bestimmten Arbeit gezwungen

werden, außer im Rahmen einer herkömmli­chen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht. Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentzie- hung'zulässig.

Arbeitsgerichte helfen

Jeder Arbeitnehmer hat in Zukunft das Recht, sein Arbeitsverhältnis unter Einhal­tung der gesetzlichen oder tarifvertraglichen Bestimmungen ohne vorherige oder nach­trägliche Genehmigung des zuständigen Ar­beitsamtes zu lösen, und der Arbeitgeber be­nötigt für Kündigung und Entlassungen, so­weit es sich nicht um sogenannte Massenent­lassungen handelt, nicht mehr die Genehmi­gung des Arbeitsamtes. Hält der Arbeitnehmer jedoch eine Kündigung nicht für gerechtfertigt, so steht es ihm frei, nach Maßgabe der Be­stimmungen des Kündigungsschutzgesetzes, auf die in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen werden soll, die Hilfe der Ar­beitsgerichte (nicht der Arbeitsämter!) in Anspruch zu nehmen, die eine sozial unge ; rechtfertigte Kündigung unter Umständen für rechtsunwirksam erklären können. Die Aufhebung der Arbeitsplatzwechselverordnung macht also den Arbeitnehmer keineswegs schutzlos bei einer Kündigung durch den Ar­beitgeber, gibt ihm aber andererseits volle persönliche Freiheit bei der Wahl oder der

Aufgabe seines Arbeitsplatzes. Gleichfalls gibt sie dem Arbeitgeber freie Hand bei der Aus­wahl und Einstellung von Arbeitskräften.

KeineDruckmittelmehr

Diese umwälzende Neuordnung des Arbeits­marktes durch die Aufhebung der Arbeits­platzwechselverordnung stellt die Arbeits­marktbehörden, die Arbeitsämter und Landes­arbeitsämter vor eine neue Sachlage. Das Kündigungsschutzgesetz sieht an Stelle der bisherigen Zustimmungspflicht der Arbeits­ämter lediglich eine Anzeigepflicht bei Einstellung und Entlassung von Arbeitern, Angestellten, Lehrlingen, Praktikanten und Volontären vor. Darüber hinaus können die Arbeitsämter zwar auch weiterhin Lehrlinge, Arbeiter und Angestellte anbieten und ver­mitteln, haben jedoch, wenn man von der rein formalen Anzeigepflicht bei Einstellungen oder Entlassungen absieht, kein gesetzliches Druckmittel mehr, Arbeitgeber und Arbeit­nehmer zu zwingen, von ihren Einrichtungen Gebrauch zu machen. Sie müssen sich viel­mehr zurückziehen auf die Grundlagen des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeits­losenversicherung vom Jahre 1927, das die Ar­beitsvermittlung der Arbeitsämter auf den Grundsatz der Freiwilligkeit gründet und den freien Willen der Beteiligten in kei­ner Weise einschränkt, und werden durch überzeugende Leistungen zu beweisen haben, daß sie in der Lage sind, die Erwartungen, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer in einer freien Wirtschaft an sie stellen, zu erfüllen.

Faruk - ein teurer König

Verschwendung auf der Hochzeitsreise / Ungelöste Sozialfragen

dsl. KAIRO. Trotz der größten Aufmerk­samkeit des ägyptischen Polizeidienstes, der eifrig bemüht ist, die radikalen Elemente der panarabischen Bewegung und die Opposition gegen den Hof im Zaum zu halten, hat in Alexandrien, Kairo, aber auch in kleineren Orten eine scharfe Propaganda und Intrigen­aktion gegen König Faruk eingesetzt. Sie ar­beitet vor allem mit dem Argument, daß König Faruk in der gefährlichsten Zeit, die der Nahe Osten seit Jahren durchmacht, wäh­rend der international beunruhigenden Öl- Krise in Persien, während der Ermordung

Das Problem der Landarbeiterlöhne

Einzelfragen, nicht Beginn einer dritten Lohnwelle

Durchschnittlich sind es 40 und mehr Pfen­nig, die der Stundenlohn eines Facharbeiters in der Industrie über dem seiner Kollegen in der Landwirtschaft liegt. An dieser Relation hat sich wenig geändert, obwohl der Lohnin­dex in der Landwirtschaft von 100 im Jahre 1939 schon 1950 auf 178 gestiegen .war. Die niedrigen Landarbeiterlöhne sind,- einer, der Gründe geblieben, die für das Andäuern der Landflucht - verantwortlich sind. Die anderen Wohn- und Lebensverhältnisse auf dem Lande gehören in diesen Zusammenhang und stehen mit im Hintergrund der gerade wieder aktu­ellen Lohnforderungen der Landarbeiter in West- und Norddeutschland. Uber die prinzi­pielle Berechtigung dieser Forderung sind sich Arbeitgeberverbände für die Land- und Forst­wirtschaft, sowie die 105 000 Mitglieder zäh­lende Fachgewerkschaft im DGB einig (Ge­samtzahl der Landarbeiter: knapp eine Million). Auch der deutsche Bauernverband ignoriert die Lage der Landarbeiter nicht. Bei der gegenwärtigen, durch Arbeitsniederlegun­gen verschärften Auseinandersetzung geht es um das Ausmaß der Lohnerhöhungen. Die Gewerkschaft besteht auf durchweg 25 v. H. Die Konzessionsbereitschaft der Arbeitgeber ist regional sehr unterschiedlich, geht jedoch soweit wir wissen nirgends über eine Erhöhung des Stundenlohnes um drei bis vier Pfennig hinaus. Nun, letztlich wird man sich in einem Kompromiß einigen, der etwa in der Höhe des in Westfalen-Lippe gefällten

Schiedsspruches liegen wird, der eine monat­liche Zulage von 24 DM für die Landarbeiter und 20 DM für die Landarbeiterinnen vor­sieht.

Das Problem freilich, das jetzt inmitten der Erntezeit so demonstrativ zutage tritt, ist damit nicht gelöst. Die Ursachen der Forde­rungen der Arbeiter in der Landwirtschaft liegen tiefer und werden weiterwirken. Es sind spezifische Probleme dieser Berufsgrupp.e und darum ist es auch falsch, in dem Streik der Landarbeiter den Beginn einer dritten Lohn­welle zu sehen. Diese Lohnwelle wird jetzt nicht kommen, da die, die sie in Bewegung bringen könnten, sehr wohl wissen, daß eine neuePreiswelle" die Folge wäre. Gegen­über den Landarbeitern wird es jedoch auch künftig darum gehen, ihre Lebensverhältnisse zu bessern: Förderung des Landarbeiterwoh­nungsbaus. Gewährung ausreichender Kinder­zuschüsse für die Bezieher niedriger Löhne usw. Sind hier keine Fortschritte möglich, so werden nicht nur in Kürze neue Lohnforde­

rungen der Landarbeiter erhoben werden, der verlassen.

Abdullahs in Jordanien, während der blutigen Mordaktionen im Libanon seine Hochzeitsreise unbekümmert fortsetzt.

Ein weiteres Argument, das auf den roten Flugblättern mit der schwarzen Schrift zu lesen ist, lautet, daß diese Hochzeitsreise pro Tag einen Betrag von nahezu 1000 Pfund Sterling (etwa 11 000 DM) erfordere, nicht ge* rechnet besondere Anschaffungen, wie die in Venedig gekaufte Jacht, die Kosten für den Sonderzug des Königs, der in Turin gebaut wurde und mit 700 000 Pfund Sterling außer­halb des Haushaltsplanes beglichen werden mußte. Die neue Jacht soll 500 000 Pfund Sterling gekostet haben.

Man hält dem König diese Summen und die verschwenderischen Ausgaben deshalb vor, weil er es abgelehnt hat, die Sozialreform, die ihm als dringend notwendig unterbreitet wurde, vor Antritt seiner Hochzeitsreise zu lösen. Es handelte sich in erster Linie um Schulfragen und gesundheitliche Reformen, den Bau von drei Krankenhäusern zur Be­kämpfung der gefährlichen ägyptischen Au­genkrankheit und ähnliche Sozialwerke, die von ihm alsnicht vordringlich zurückgestellt wurden

Der radikale Flügel der panarabischen Be­wegung scheint vorzüglich informiert zu sein und besitzt offenbar in der engsten Umgebung Faruks zuverlässige Vertrauensleute. Es ist bisher nicht geglückt, festzustellen, auf wel­chem Wege die genauen Angaben über die von Faruk bezahlten Hotelrechnungen auf so schnellem Wege nach Kairo gelangen konnten.

Im Hotel Splendid in Lugano ließ er eine besondere Mauer ziehen, um den von ihm ge­mieteten Teil des Hotels von der übrigen Welt abzutrennen. Aber ehe der Mörtel trok- ken war, hatte er wegen des auch in Ägypten stark beachteten Zusammenstoßes mit einem Schweizer Photographen das Hotel schon wie­

sondern auch die Landflucht wird neuen Auf­trieb bekommen. Das aber bedeutet, daß die Steigerung der Produktivität unserer Land­wirtschaft zusätzlich gefährdet werden kann; denn die so oft propagierte Mechanisierung der Landwirtschaft kann nur in einem langen Zeitraum verwirklicht werden. Für absehbare Zeit braucht die Landwirtschaft zusätzliche Arbeitskräfte. H. F.

Man hält es für möglich, daß die Opposition auch die letzten Tage der Abwesenheit des Königs von Kairo noch stark ausnutzen wird, obwohl Faruk durch geschickte Behandlung der militärischen Kreise, durch Begnadigungen und Beförderungen wenige Tage vor seiner Abreise zumindest in diesen für einen Putsch am besten geeigneten Kreisen eine ihm gün­stige Stimmung schuf.

Elektrischer Fischfang

HAMBURG. Drei deutsche Wissenschaftler haben nach mehrjährigen Forschungsarbeiten jetzt eine Methode entwickelt, mit der Thun­fische elektrisch geangelt werden können. Elektrofanggeräte konnten bisher nur in der Süßwasserflscherei verwendet werden, weil der Strom wegen der Leitfähigkeit des Salz­wassers nicht auf die Fische einwirken konnte. Bei dem Gerät werden durch eine tn die An­gelschnur eingeflochtene elektrische Leitung über einenZerhacker" zahlreiche kleine, hef­tige Stromstöße in den Körper des Thunfi­sches geleitet. Der Fisch wird sofort betäubt und kann ohne Gefahr an Bord gezogen wer­den. Bisher rissen sich 90 Prozent der anbei­ßenden Fische von den Angelgeräten wieder los. Ausländische Fischer, die mit Angelgeräten Schwertfische, Haie und andere Großfische fangen, interessieren sich lebhaft für das neue Gerät. Die drei Wissenschaftler arbeiten jetzt an einer Methode, Fische durch elektrischen Strom in die Fangnetze zu treiben.

Geheimagenten unter sidi

TURIN. Dieser Tage hat det Generalstaats­anwalt von Turin die Weiterleitung eines Aus­lieferungsantrags gegen zwei amerikanische Geheimagenten abgelehnt, die im Jahre 1944 in ihrem Schlupfwinkel hinter der deutschen Front ihren Vorgesetzten, Major Hol oh an, ermordet hatten. Der Antrag war von dem Staatsanwalt der oberitalienischen Stadt Ver- bania (Novarra) gestellt worden, in dessen Amtsbereich sich diese Geheimdienstaffäre ab­gespielt hatte.

Nach den bisherigen Ermittlungen wurde Major Holohan von seinen Begleitern, Leut­nant I c a r d i und Sergant Carlo Dolce, er­mordet, weil er sich geweigert hatte, Waffen für die kommunistischen Partisanen in Ober­italien anzufordem. Im vergangenen Jahre war es einem italienischen Polizeioffizier gelungen, zwei Italiener, die sich zur Zeit der Tat bei dem amerikanischen Sonderkommando befunden hatten, zu einem Geständnis zu bewegen. Die Nachforschungen der italienischen Polizei führ­ten zur Auffindung der Leiche Holohans in ei­nem italienischen Alpensee. Von amerikani­scher Seite war bereits darauf hingewiesen worden, daß denangeblich amerikanischen Mördern" in den USA nicht der Prozeß ge­macht werden könne, da sie nach der Tat ehrenvoll aus der Armee entlassen wurden.

HAMBURG. Sozialistische Jugend Vertreter aus 20 Ländern eröffneten am Samstag im Hambur­ger Gewerkschaftshaus den viertägigen Kongreß der Internationalen Union der sozialistischen Ju­gend (IUSJ).

Britische Verluste in Persien

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Die Skizze veranschaulicht den Umfang der bri­tischen Interessen in Persien. Über die Anlagen auf den Ölfeldern im Innern des Landes wird heute praktisch nicht mehr diskutiert. Sie sind von den Engländern bereits abgeschrieben. Et geht nur noch um die Raffinerie in Abadan, dit derzeit noch größte der Welt. Ihren Betrieb möch­ten die Briten da die Perser ihm nicht ge­wachsen sind wenigstens für sich erhalten.

Geschichte in Stockwerken

Die Geschichtsschreibung eines Volkes muß sehr verschiedenartigen Ansprüchen gerecht wer­den alt und jung, umfassend Gebildete und schlichte Leser . Vielbeschäftigte und Menschen, die Zeit zum Lesen haben jeder will einen An­teil daran, der ihm gemäß ist. Immer soll die Forderung reiner Wahrheitsliebe, Treue und Ge­rechtigkeit erfüllt werden. Nur bei sinnvoller Arbeitsteilung kann das erreicht werden: Wer am Bau der Geschichte mitwirken will, muß sich einfügen und in seinem Bezirk ein Meister zu werden suchen. Es sei erlaubt, einmal die Ge­schichtsschreibung mit einem Haus zu verglei­chen. Man mag sich seine Einrichtung etwa so vorstellen:

Im Keller befindet sich die Werkstatt. Dort sitzen erfahrene Handwerker und nehmen sich des historischen Rohstoffes an: Der systemati­schen Aufarbeitung der Überreste der Vergan­genheit: Inschriften, Münzen, Akten, Urkunden und Briefe. Sie entziffern schwer Lesbares, son­dern echt von unecht, sie fertigen Auszüge, und bereiten Übersichten vor für die eigentliche Ar­beit aber selbst Geschichte schreiben und er­zählen das tun sie nicht. Es sind in dieser Werkstatt hervorragende Könner und Könner; viele fühlen sich dort so wohl, daß sie ihr Le­ben hindurch mit dieser Arbeit verwachsen und zufrieden sind. Manche freilich fühlen sich von einer gewissen Unruhe, ja Tragik umwittert und haben die Empfindung, letztlich zu Höherem be­rufen zu sein. Aber sie vermögen das obere Stockwerk nicht zu erklimmen.

Dies nächste Stockwerk zu ebener Erde ist das der Geschichtsschreiber. Hierher gelangt das Rohmaterial, das unten bereitgemacht wur­de, zur Bearbeitung. Hier wird erzählt und dar­gestellt. Hier sitzen die Fachleute, die für die Anspruchsvollen die historische Ware herstellen. Die vorzüglichen Durchschnittserzeugnisse. welche die öffentliche Meinung bestimmen, kommen aus diesem Stockwerk. Sie dienen dem ganzen Hause zur Empfehlung. Ohne die vorbereitende Ar­beit der im Keller Wirkenden wären die Mei­ster hilflos Sie bilden eine festgefügte Zunft und sind gegen alle Eindringlinge empfindlich. Und sie haben immer wieder Anlaß, solche ab­

zuwehren. Es drängen sich nämlich Leute ein, welche kraft Begabung oder eine Konjunktur benutzend ein Anrecht zu haben glauben, in der Gesellschaft der Meister zu wirken, ohne die Vorarbeiten, die aus der Werkstatt kommen, zu benutzen. Sie rechnen mit dem fühlbaren Wa­renhunger, dem die Meister nicht rasch genug gerecht werden können und wollen schnellfertig und unkritisch Geschichte schreiben. Empfindli­cher Gewissensdruck pflegt sie nicht zu belasten. Es sind geschickte Leute mit flinken Federn, manche hochbegabt; sie sind den bisweilen schwerfälligen und schwer verständlichen Mei­stern in der Fähigkeit, packend zu formulieren, überlegen. Was sie bieten, ist leicht verzehrbar und nur von vorübergehendem Interesse; letz­ten Endes scheiden sie von selbst aus, weil nur das Gediegene sich schließlich durchsetzt und Dauer hat. Aber eine Weile kann das täuschen, was sie bieten.

Historische Belletristik hat man diese Litera­tur mit einem sehr passenden Namen genannt. Man darf ihr ein Daseinsrecht nicht ganz abspre­chen. denn es ist ja nicht jedermanns Sache, ein gewichtiges Geschichtswerk zu studieren, und es gibt Bucherscheinunsen, bei denen man unsicher ist, welchem Stockwerk sie ihrer Herkunft nach zu*-weisen sind.

Die Beschreibung des historischen Hauses ist damit noch nicht zu En^e. Es gilt, noch zu einem weiteren Stockwerk aufzusteigen. Das höchste ist vornehm und nicht so dicht bewohnt wie das Erdgeschoß. Hier wirken die seltenen Männer, in deren Arbeitssphäre neben der sublimierten, edlen Darstellung die historische Schau fällt. Zur Darstellung der Vergangenheit tritt das Denken über sie. Wer hier zu Hause ist. bestimmt die Richtung der Geschichtsschreibung im großen und verknüpft sie mit dem Geistesleben in sei­ner Gesamtheit

Es ist die Welt von Herder und Ranke, von Tocqueville, Burckhardt und Toynbee. Ein kleiner Kreis von Denkern die tief in de r Vergangen­heit wurzeln, aber in eine weite Zukunft wir­ken. Auch hier erleben wir es, daß man aus dem Erdgeschoß in diese vornehmsten Bezirke strebt. Es geschieht auf Grund wirklichen Könnens, je­doch auch mit nur eingebildeter Berechtigung

Erfreulicherweise gelingt der Aufstieg in jeder Generation einigen Auserwählten aber man macht doch auch immer wieder die Erfahrung, daß Einzelne sich zuviel Zutrauen, sich überneh­men und nach kurzem Aufenthalt oben das Feld räumen müssen.

Ganz von selbst fällt diesen Meistern, welche das Gewissen der Geschichtsschreibung verkör­pern, auch ein Richteramt zu: Sie stellen nicht zu übersehende Maßstäbe auf und weisen damit jedem Hausbewohner seinen Platz an.

Das Gedeihen des Ganzen hängt davon ab, daß jedem das Seine wird, daß auf jeder Stufe stets die für sie Befähigten in ausreichender Zahl wir­ken, daß ohne Eifersucht und Rivalität, aber mit gesundem Ehrgeiz gearbeitet wird. Dann strahlt das ganze Haus Kräfte aus, welche die Vergan­genheit wach erhalten, die Forderungen des Ta­ges erfüllen und die Zukunft sinnvoll vorberei­ten. Dozent Dr. A. v. Harnack

Schmerzlose Geburt

Durch eine Leserzuschrift an das offizielle Or­gan des Vatikans,LOsservatore Domenica, wurde erneut die Frage erörtert, ob die Bibel die durch moderne medizinische Methoden er­möglichte schmerzlose Kindsgeburt verbietet. Das Blatt stellt nachdrücklich fest, daß in der Bibel ein derartiges Verbot nicht enthalten ist. Zum Nachweis führtLOsservatore Domenica das Gutachten eines katholischen Arztes an. in dem es heißt, in der strittigen Stelle der Genesis: Mit Schmerzen sollst du Kinder haben seien nicht nur die Geburtswehen, sondern auchalle moralischen und physischen Ängste, die eine Mutter wegen ihrer Mutterschaft ausstehen muß, gemeint. Der Bibeitext verbiete keiner Frau, die natürlichen Schmerzerscheinungen der Geburt zu lindern. Wenn man das WortIm Schweiße dei­nes Angesichts sollst du dein Brot essen wört­lich nehmen wollte, dürfte dem Menschen auch nicht gestattet sein, die Bürde seiner Arbeit durch maschinelle Unterstützung zu erleichtern. Das Blatt verweist ferner auf eine Äußerung Papst Pius XII. vor dem Vierten Internationalen Kon­greß katholischer Ärzte, in der sich der Heilige Vater für die Geburtenschmerzlinderung aus-

Mutter und Kind nicht gefährdet wird und sich die mütterliche Zuneigung zu dem Neugebore­nen nicht verändert.

K iiltu rellp Nachrichten

Der 5 4. deutsche Ärztetag findet vom 6. bis 7. Oktober 1951 in München statt. Das Ge­neralthema behandelt die Neuordnung des Ge­sundheitswesens auf dem Gebiete der Gesund­heitsfürsorge und -Vorsorge.

Einer der führenden deutschen Pathologen, Professor Robert R o e ß 1 e , beging in Berlin seinen 75. Geburtstag.

DieBavaria Filmkunst G m b H, der größte in der Bundesrepublik liegende Komplex des ehemaligen reichseigenen Filmvermögens, ist von der Hohen Kommission öffentlich zum Ver­kauf ausgeboten worden.

Eine ,,D achorganisation der Film- sch affenden in Deutschland" (DACHO) mit dem Sitz in München ist am Wochenende von mehreren Verbänden der Filmschaffenden ge­gründet worden. Erster Vorsitzender wurde der Filmregisseur J. v. Baky.

Amerikanische und europäische Archäologen untersuchen seit zwei Jahren die südarabische Ruinenstadt Marib, die verödete Stadt der Kö­nigin von Saba, welche nach der Bibel vom äußersten Ende der Welt mit reichen Ge­schenken zu Salomon kam, um seine Weisheit zu prüfen. Der Leiter der Expedition. Wendell Phil­lips, erklärte am Freitag in London, daß der Temnel von Saba in nächster Zeit ausgegraben werden soll.

In diesen Tagen erschien der 100. Band der von den Professoren Enno L i 11 m a n n , Tübingen, und Helmuth Scheel. Mainz, herausgegebe­nenZeitschrift der Deutschen Mor­genländischen Gesellschaf t, die 1944 ihr lOOjähriges Bestehen hätte feiern kön­nen. Der neue Band enthält neben zahlreichen Aufsätzen und Buchbesprechungen nach langer Zeit auch wieder ein Mitgliederverzeichnis. Dia Zeitschrift wird vom Kommissionsverlag Franz Steiner, Wiesbaden, verlegt.