MITTWOCH, 15. AUGUST 1951
NUMMER 126
„Ihnen eine Freude machen ..
Stimmungsbild von den „Weltfestspielen“
„Ich möchte sehr viel Geld haben, um all diesen armen Burschen und Mädeln eine Freude machen zu können“, hörte ich eine Dame am Kurfürstendamm spontan ausrufen, die dort einer jener vielen Diskussionsgruppen xuhörte, wie sie sich jetzt Tag für Tag um die Westberlin besuchenden Teilnehmer an den „Weltfestspielen“ bilden. Dieses Wort gibt vielleicht die Stimmung Westberlins am treffend- »ten wieder.
Während die Ostberliner Zeitungen sich in Lobeshymnen über die Großartigkeit der kulturellen und sportlichen Veranstaltungen ergehen und die Westberliner Blätter alle organisatorischen Mängel und politischen Gehässigkeiten dick unterstreichen, kümmert sich die große Masse der Festspielteilnehmer offensichtlich nicht im geringsten um das politische Drum und Dran, sondern will nur einmal das Erlebnis Berlin, womöglich auch Westberlin, genießen. Die „Weltfestspiele“ sind eben in Ost- wie in Westberlin zweifellos weiter Gesprächsthema Nr. 1, aber die Westberliner, die Jetzt jeden Tag die Blauhemden der FDJ zu Zehntausenden auf ihren Straßen sehen, denken dabei überhaupt nicht an Politik, sondern sind nur von dem einmütigen Wunsche beseelt, wie es jene Dame am Kurfürstendamm ausdrückte, „diesen armen Burschen und Mädeln sine Freude zu machen“, die durch ihr fast durchweg schäbiges Schuhwerk, die abgerissene Kleidung und die hungrigen Augen, mit denen sie die Herrlichkeiten der westlichen Schaufenster betrachten, ein Gegenstand des rein menschlichen Mitleides sind, und diese Herzlichkeit, um nicht zu sagen Liebe, die ihnen überall in Westberlin entgegengebracht wird, dürfte für viele zu den stärksten Erlebnissen gehören, die sie nach Hause mitnehmen.
Unterdessen läuft das offizielle Programm der Festspiele weiter ab, die 370 Kulturveranstaltungen und 87 Kulturwettbewerbe, an denen sich 50 Länder in 28 Theatern und Freilichtbühnen mit ihren nationalen Programmen beteiligen, dazu die Massensportveranstaltungen. Die große Mehrzahl der nach Berlin gekommenen Festspielteilnehmer nimmt aber an diesen Veranstaltungen überhaupt nicht teil. V» Million auswärtige Gäste sind nach östlichen Angaben zurzeit in Berlin anwesend, ein Teil tat schon abgereist, neue sind dafür angekommen, aber nur wenige zehntausend Karten stehen täglich insgesamt für alle Veranstaltungen zur Verfügung. Auf je 50 Teilnehmer entfiel für die Vorführungen der nationalen Kulturensembles eine Karte, errechnete eine Zeitung; die übrigen Hunderttausende müssen sich auf eigene Faust amüsieren und überfluten die Straßen von Ost- und Westberlin.
Bei einem Abendbummel durch die von Festtrubel erfüllten Straßen Ostberlins sah ich sie
Verschuldung derLandwirtsdiaft
DÜSSELDORF. Die Verschuldung der Landwirtschaft in der Bundesrepublik nimmt, wie *m Montag beim nordrhein-westfälischen Landwirtschafts- und Emährungsministerium fest- gestellt wurde, ständig zu. Sie habe am Tage nach der Währungsreform rund 2.48 Milliarden DM, am 1. Juli 1949 rund 3.09 Milliarden und am 1. Juli 1950 rund 3.71 Milliarden betragen. Die Zahlen für 1951 werden erst gegen Ende dieses Jahres vorliegen. Es wird aber angenommen, daß die Verschuldung wie bisher angestiegen ist.
Die Verschuldung wird nicht nur in ihrer Höhe, sondern auch in ihrer Zusammensetzung als bedrohlich angesehen. Die Vorkriegsschulden im Jahre 1939 in Höhe von 6.18 Mrd. für das damalige deutsche Gebiet setzten sich zu 70 Prozent aus ersten Hypotheken, zu 7 Prozent aus Verpflichtungen für Altenteile und zu 23 Prozent aus kurzfristigen Verschuldungen zusammen. Der Anteil der langfristigen Hypothekenschulden war 1950 auf 52 Prozent zurückgegangen. Die unbezahlten Rechnungen und Kontokorrentschulden machten 33 und die Altenteile 15 Prozent aus.
auf dem Marx-Engels-Platz (wo ehedem das kaiserliche Schloß stand) tanzen; das war zur gleichen Stunde, als fünftausend Gäste in der Wemer-Seelenbinder-Halle in Anwesenheit von Wilhelm Pieck dem besonders gefeierten chinesischen Nationalprogramm zusahen. Getanzt wurde auch auf dem Ernst-Thälmänn- Platz (dem ehemaligen Wilhelmplatz) und auf dem Alexanderplatz; dort hatten sich die Burschen und Mädel bei den Händen gefaßt und schritten um das weite Rund des Platzes scheinwerferangestrahltim Volkstanzrhythmus, ein malerischer Anblick. Im Licht der Scheinwerfer steht auch das dieser Tage eingeweihte Stalin-Denkmal in der Stalin-Allee (der ehemaligen Frankfurter Allee).
Die Geschäfte in den Hauptstraßen Ostberlins sind bis in die Nacht hinein geöffnet und bis Mitternacht klingt aus den vielen, vielen Lautsprechern imunterbrochen Gesang „neudeutscher“ Lieder oder die Übertragung irgendeiner Veranstaltung, ab und zu unterbrochen von dem Fanfarensignal der Weltfestspiele, das irgendeine Sondermeldung einleitet. An vielen Stellen stehen Tische, auf denen man sich in eine Grußadresse für Stalin einzeichnen kann. Unter den Linden reihen sich überlebensgroße Bildnisse von Volkstypen der teilnehmenden Länder, über jedem steht in der betreffenden Landessprache das Wort
„Frieden“, auch die westlichen Länder fehlen nicht, sie werden auch in der Ostpresse immer besonders hervorgehoben, so insbesondere die Delegationen aus USA, England, Frankreich, Italien, bis zu Schweden und Dänemark. — An der Ecke der Wilhelmstraße wird auf eine Giebelwand ein Film projiziert, den sich mehr als tausend Jugendliche stehend anseher», es ist ein Dokumentarfilm aus Rot-China. Übrigens sind zehn sowjetische Kameramänner dabei, den offiziellen Weltfestspielfilm zu drehen.
Diese „Weltfestspiele“, die eine Weltstadt einen halben Monat in Atem halten, sind schon eine große Sache, aber man sollte deshalb ihre politische Bedeutung doch nicht überschätzen. Von westlicher Seite hätte man es gar nicht nötig, die zweifellos vorhandenen erheblichen organisatorischen Mängel, wie sie bei solchen beispiellosenMassenveranstaltungenwohlkaum ganz vermeidbar sind, so groß anzuprangern, daß z. B. in einer Schlagzeile von einem „Zusammenbruch der Weltfestspiele“ die Rede war. Trotz solcher Mängel, die namentlich bei der Verpflegungsverteilung vorkamen, wird der Besuch in Berlin für alle Teilnehmer doch ein großes Erlebnis sein; daß dieses Erlebnis nicht gar zu sehr im Sinne der sowjetischen Propaganda ausfällt, dafür sorgt das bloße Vorhandensein Westberlins mit seinem unvergleichlich höheren Lebensstandard, der vielen Ostteilnehmern geradezu märchenhaft erscheint, und die freundliche menschliche Anteilnahme der Westberliner. — Es ist dafür gesorgt, daß die östlichen Bäume nicht in den Himmel wachsen. O.
An der Schwelle eines neuen Zeitalters?
Das Sternbild des Wassermann soll angeblich die nächsten 2000 Jahre bestimmen
In astrologischen Zeitschriften ist seit einiger Zeit zu lesen, daß die Menschheit an der Schwelle eines neuen großen Zeitalters, des „Wassermann-Zeitalters'*’ stehe. Gewiß, wir leben in einer Epoche, die auf vielen Gebieten des Lebens fast täglich große Umwälzungen bringt und wir können noch kaum absehen, wie unsere Welt vielleicht schon in wenigen Jahrzehnten aussehen wird. Wie begründen aber die Astrologen ihre Prophezeiung, die in weiten Kreisen schon zur Gewißheit geworden zu sein scheint?
Tierkreiswanderung
Jeder hat schon beobachtet, wie die Achse eines in Drehung versetzten Kreisels eine langsame Bewegung um die Senkrechte zur Erdoberfläche äusführt, die sog. Präzession. Genau so ist es bei der Erde selbst. Die Erdachse zeigt nicht stets in dieselbe Richtung im Raum, der Nordpol des Himmels liegt nicht immer in der Gegend des nach ihm benannten Polarsterns, wie es gegenwärtig der Fall ist, sondern er führt in rund 26 000 Jahren eine Umdrehung um einen Punkt des Himmels aus, den Pol der Ekliptik, des Tierkreises. Das hat zur Folge, daß der Frühlingspunkt, an dem die Sonne jedes Jahr am 21. März steht, langsam durch den Tierkreis wandert und nach und nach dessen sämtliche Sternbilder durchläuft. Gegenwärtig tritt er in das Sternbild Wassermann ein und die Folge sei nun, so behaupten die Astrologen, daß dieser Wassermann seinen Charakter dem kommenden, 2000 Jahre umfassenden Zeitalter aufdrückt, genau so wie das Sternbild Fische seinen Charakter der Zeit von Christi Geburt bis zur Gegenwart übertragen habe. Das erscheint ganz plausibel und macht auf den Unbefangenen großen Eindruck, zumal es ja bald alle Spatzen von den Dächern pfeifen, daß in unseren merkwürdigen Zeitläuften etwas „in der Luft zu hängen scheint“. Und stand nicht auch die Geburt Christi am Beginn eines neuen Zeitalters?
Leider ein Denkfehler
Wenn wir aber einmal tiefer schürfen, so finden wir sehr rasch, daß jene schönen Prophezeiungen des „Geisteszeitalters Wassermann“, das z. B. nach Hilarion (die Deutungen schwanken auch hier bei den einzelnen Astrologen)
eine Verinnerlichung, Vergeistigung und Vervollkommnung der Menschen bringen soll, leider auf einem peinlichen Denkfehler, einer logischen Diskrepanz beruhen, die der Astrologie alle Ehre macht. Einige Astrologen haben dies zwar schon bemerkt, aber wie soll man die riesige Propaganda-Lawine noch aufhalten? Im übrigen merkt es ja doch kaum einer!
Durch die Präzession der Erdachse fällt heute Jener Abschnitt des Tierkreises, der beim Frühlingspunkt beginnt, nicht mehr, wie vor 2000 Jahren, mit dem Sternbild Widder zusammen, sondern mit den Fischen. Trotzdem behauptet die Astrologie, dieser Raumabschnitt auf dem Tierkreis, der heute auf das Sternbild Fische fällt, beeinflusse etwa einen neugeborenen Erdenbürger im Sinne des Widdercharakters. An sich ist das physikalisch sinnlos. Ein leerer Raum soll einen Einfluß ausüben können? Wir möchten hier die bunt schillernden Erklärungsversuche, die uns die Astrologen inzwischen für diese mysteriöse Angelegenheit gegeben haben, übergehen, wichtig ist nur, daß es nicht das Stern b i 1 d Widder ist, das den Widdercharakter formt, sondern ein bestimmter Raumabschnitt, genannt Tierkreis- Zeichen Widder, das aber mit dem gleichnamigen Sternbild nichts zu tun hat.
Und nun kommt das Interessante: Wenn der Frühlingspunkt in das Sternbild Wassermann rückt, und diese Stemgruppe (der Einfluß geht also von Körpern aus!) den Wassermanncharakter den kommenden 2000 Jahren mitgebe nsoll, dann erhebt sich die Frage: Was soll nun gelten? Einmal soll es ein Tierkreis- Zeichen X sein, das den Charakter von Fräulein Y bei ihrer Geburt geformt hat, ein andermal das Tierkreis Sternbild X, das auf ein ganz anderes Zeichen fällt und doch ein ganzes Zeitalter genau im Sinne seines gleichnamigen Sternbilds beeinflussen soll. Beides sind aber logischerweise nicht zu vereinende Dinge.
Trotzdem wird weiterhin lustig über die Folgen, die das kommende neue Zeitalter auf die Menschheit haben wird, lebhaft diskutiert, werden an jedem Tag Hunderte von Horoskopen den DM zahlenden Kunden ausgestellt, treu dem Lichtenbergschen Wort, daß Wahrsagen einträglicher ist als die Wahrheit sagen.
Joachim Herrmann
264 Heimkehrer im Juli
BONN. Im Juli sind in den Entlassungslagern des Bundesgebietes insgesamt 264 Heimkehrer registriert worden. Unter ihnen befanden sich 99 Heimatvertriebene. Die meisten Heimkehrer kamen aus Frankreich, nämlich 121. Darunter waren 91 Zivilarbeiter und vier Fremdenlegionäre. Aus der Sowjetunion kehrten 42 Mann zurück, darunter 37 Holländer. Außerdem kamen 37 Zivilarbeiter aus Jugoslawien, 32 aus Polen, 3 aus der Tschechoslowakei, je 2 heimkehrende Zivilarbeiter aus Großbritannien und Belgien und 10 aus anderen Ländern. Endlich wurden im Heimkehrerlager Friedland 388 Flüchtlinge aus Litauen registriert.
Filme mit Duft
MAILAND. In Kürze dürfte über den Kinos etwa folgende Reklame zu lesen sein: „Genießen Sie den Blumenduft eines Südseeinselparadieses in dem erregenden Liebesfilm ..." — oder: „Spannung und Gefahren des größten Autorennens aller Zeiten, das je verfilmt wurde, können direkt miterlebt werden im Dunst brennenden Gummis und blauer Auspuffgase...“. Der 28jährige italienische Erfinder Alberto Basso-Ricci hat eine Maschine in der Größe eines Radioempfängers konstruiert, die für jede Filmszene die jeweils passende Duftbegleitung abgibt Der Apparat hat eine „Kapazität“ von 1500 Kinosesseln und kostet rund 16 000 DM. Schon jetzt kann das Filmzusatzgerät mehr als 30 verschiedene Düfte, Gerüche, Aromen, Gase und gewisse penetrante Arten von Gestank durch ein Röhrensystem direkt an den Sessel des „Verbrauchers“ leiten. Der kann die Duftintensität beliebig verstärken.
Scotland-Yard in Aktion
LONDON. Auf höchster Alarmstufe hat Großbritanniens Kriminalzentrale Scotland- Yard alle längst abgelegten Akten über jeden bekannten Sittlichkeitsverbrecher wieder geöffnet, um den — oder die — Mörder von vier kleinen Mädchen zu ermitteln, die vor einigen Wochen vergewaltigt und erwürgt aufgefunden wurden. Gleichzeitig geht in der Umgebung der Tatorte die Großfahndung weiter. Noch immer befinden sich mehrere geisteskranke Verbrecher, die kürzlich aus der Heilanstalt Broad- moor entwichen, auf freiem Fuß.
Binnen vier Wochen sind in England vier Mädchen zwischen sechs und elf Jahren ermordet worden. Die hellblonde, siebenjährige Christine B u t c h e r war das erste Opfer. Sie verschwand am 8. Juli in der Nähe von Schloß Windsor auf dem Wege zum Trainingslager des amerikanischen Boxers „Sugar“ Ray Robinson, der sich damals auf seinen Titelkampf gegen Randolph Turpin vorbereitete. Eine Woche später, am 15. Juli, kam die sechsjährige Bren- da Goddard vom Spiel nicht nach Hause. Ihre Leiche lag in einem Gehölz unweit des Elternhauses, 100 km südlich Windsor. Nicht einmal 14 Tage später fand man die hübsche elfjährige Sheida Attwood aus Birmingham mit schweren Kopfverletzungen tot in Nachbars Garten auf. Die Kette der Morde war damit noch nicht zu Ende. In demselben Unterholz am Stadtrande von Bath, wo der Mord an Brenda Goddard verübt wurde, fand man kurz darauf den Leichnam der zehnjährigen Cecily Batstone.
Oelproduktion im Nahen Osten
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Der verzauberte Möndi
Eine spanische Geschichte Spaniens Sonne glühte vom wolkenlosen Himmel auf die sandige Bergstraße, die sich öde nach Alcala hinzog. Fabio, der Klosterbruder, war nun schon eine Stunde lang schweigend neben seinem Weggenossen hergegangen, als ihm Hitze und Mattigkeit Seufzer entlockten: „Die Hölle muß qualvoll sein, Alfonso, das fühlt mein lechzender Gaumen.“
„Sei geduldig“, tröstete der andere, „bald nimmt uns die Stadt auf, dann wird ein Becher kühlen Weins dich köstlich laben.“
„Wie soll das sein, Alfonso, da wir keinen Heller haben. Willst du Kutte oder Sandalen für «inen Labetrunk verkaufen?“
„San Pedro, der die Pilger schützt, weiß Rat und gute Wege. Komm, Fabio, fasse Mut! Es wird am Ort sich alles finden.“
Die ersten kalkweißen Häuser hatten sie schon hinter sich gelassen. Derb und laut fiel ihnen Straßenlärm und Kinderschreien ins Ohr, aber gemesesn und würdig ging ihr Schritt an aller bunten Welt vorbei. Alfonso lenkte ein in die schmale, verschattete Gasse am M#rkt:, wohin ihm Fabio zügemd folgte. Da saßen Bauern, Seidenhändler und Messerschmiede unterm gastlichen Vordach der Bodega, schlürften den feurigen Rebensaft und legten frischen Ziegenkäse aufs Brot. Wie eine Brandung schwollen ihre Worte im Bieten Handeln und Feilschen, derweil die Lasttiere draußen auf dem Platz an ihren zweirädrigen Karren müde die Köpfe senkten.
„Ruhe dich aus, Fabio, trinke mit Maß und warte hier, bis ich wiederkomme. Sorge nicht, ich will für alles aufkommen.“ So nötigte Alfonso den Bruder an einem kleinen Holztisch, und ein leises Lächeln verwehrte alle neugierigen Fragen.
Fabio folgte ihm mit den Augen, aber gleich war er im Marktgetümmel verschwunden.
Alfonso ging stracks zu jenem schönbemalten Wagen, der herrenlos beim hochragenden Glok- kenturm stand, und spannte den grauen Zottelesel aus. Halb zögernd, halb willig trippelte das Tier ihm nach, von sanftem Zuspruch mitgezogen, bis es- nach kurzer Wanderung im offenen Stall des Händlers anlangte. „Nehmt, Herr, die
sen Vierbeiner“, begann Alfonso, „dem Abte scheint er entbehrlich. Er ist treu zur Arbeit und gering im Futter. Gebt mir, was recht ist und lasset mich weitergehen.“ Zwei Silberstücke machten den Kauf gültig, und kurz darnach trat der Mönch selbst zwischen die Holmen des verwaisten Fahrzeuges, hob sie vorsichtig auf und legte den Jochgurt über seine Schultern.
Er stand da ruhig eine Weile, von keinem beachtet, als er den schweren Tritt des Bauern vernahm, der mit weinrotem Gesicht die Heimfahrt antreten wollte. Jetzt rief Alfonso mit lauter Stimme: „Gelobt sei Jesus Christus in alle Ewigkeit! Tausend Jahre war ich für meine Todsünde in einen Esel verwandelt. Heute aber hat die gnadenvolle Stunde meiner Erlösung geschlagen!“
Dem Bauern traten die Augen aus den Höhlen. „Ehrwürdiger Vater“, stammelte er, „welches Wunder des Himmels! Ich war wohl oft recht hart zu Euch; verzeiht mir und gehet hin im Frieden!“ Da ließ Alfonso die Deichselbalken niedergleiten, löste den Riemen und schlug für sie beide das Zeichen des Kreuzes. Wie einen Heiligen verfolgte ihn des Bauern Blick, und mit gelassener Freude gesellte sich der Bewunderte zum Bruder Fabio, der ihn staunend begrüßte.
Der Bauer, nicht gesonnen, sein eigenes Zugtier zu sein, machte Sich in betäubtem Mißmut auf zum Händler, um für sein mühsam Verdientes wohl oder übel einen Esel zu erwerben. Aber welche Begegnung widerfuhr ihm, als er die Reihe der braven Langohren musterte! Ein Kamerad, so wohlbekannt, — dastand er wirklich und wahrhaftig. Nein, den wollte er nicht haben, bei allen HeiligenJ Er meinte, seine Sinne müßten ihn trügen, und konnte doch nicht Lügen strafen, was er hier leiblich sah. Da beugte er sich herab zu dem guten Tier und flüsterte das scheue Mitleidswort: „Aber Hochwürden, was habt Ihr denn schon wieder angestellt?“ Sprach’s und kaufte einen andern.
Übersetzt von M, Fehdmer
Kulturelle Nachrichten
Kürzlich hat die Privilegierte Württembergi- sche Bibelanstalt in Stuttgart, deren Direktor Emil D i e h 1, Ehrendoktor der Evang. Theolog. Fakultät der Universität Tübingen ist, die 15.
Auflagedes novum Testament um Graece et L a t i n e herausgebracht. Der griechische Teil entspricht der 20. griechischen Auflage von 1950, während der Seite für Seite gegenüberstehende Teil des lateinischen Neuen Testamentes mit der Ausgabe des Jahres 1936 in dem textkritischen Apparat übereinstimmt. Beide gehen zurück auf die Arbeiten von Eberhard und Erwin Nestle. Daß dieses wertvollste Buch — ewiges Fundament abendländischer Kultur — nach vielen Jahren in sorgfältigster Ausstattung auf feinstem Papier schön gedruckt, in schwarzem Leder gebunden und mit Goldschrift verziert, neu erscheinen konnte, wird im In- und Ausland mit großer Freude begrüßt werden.
Der diesjährige Staatshaushalt Württemberg- Hohenzollerns sieht 5,4 Millionen DM an Zuschüssen für die Tübinger Universität vor. Das entspricht pro Kopf der Bevölkerung einem Betrag von 4,10 DM. Die Tübinger Universität unterhält 8 Kliniken, 28 Institute und 13 Seminare. Sie beschäftigt insgesamt mehr als 1500 Beamte, Angestellte und Arbeiter, darunter 72 ordentliche und 30 außerordentliche Professoren. Die Universität Freiburg hat vergleichsweise 68 ordentliche und 18 außerordentliche Professoren, Würzburg 51 bzw. 19, Marburg 61 bzw. 18, Göttingen 96 bzw. 15, Bonn 93 bzw. 27, Kiel 66 bzw. 20 und Heidelberg 58 bzw. 19 (66).
Das Landespräsidium Nordbaden beabsichtigt, im Frühjahr 1952 in Karlsruhe eine Staatsprüfung für das künstlerischeLehr- a m t an höheren Schulen — Fachrichtung Kunsterziehung — abzuhalten.
\ Eine Ökumenische Hochschule, die den akademischen Nachwuchs nach beendetem Studium über die Aufgaben und Ziele des ökumenischen Gesamtwerkes unterrichten will und für den Dienst der zwischenkirchlichen Verständigung ausrüsten soll, wird in Bossey bei Genf errichtet werden.
Professor Fritz Spannagel, der als Fachmann für Holzhandwerk und Holzgestaltung bekanntgeworden ist, vollendete in Ravensburg das 60. Lebensjahr.
Die goldene Mozartmedaille der Stadt Salzburg wurde dem amerikanischen Präsidenten Truman verliehen.
Für den Bücherfreund
Ein Roman von Stefan Andres Stefan Andres, Die Liebesschaukel, R. Piper- Verlag, München 1951, 250 S„ DM 7.80.
Ein Roman, der vor Jahren unter dem Titel „Der gefrorene Dionysos“ schon erschien, aber auch heute noch nichts von seinem dramatischen Inhalt, seiner Lebensweisheit und geistvollen Ironie eingebüßt hat. In Citta morta, der kleinen Stadt an der Sorrentiner Küste, lebt der Bildhauer Ulrich Huhl, den man den gefrorenen Dionysos nennt. Er ist an sich und der Welt gescheitert und trägt schwer an der Bürde einer Schuld. Erst die Wiederbegegnung mit der Frau, die sein Schicksal bestimmte, führt den Einsamen in eine von menschlicher Wärme erfüllte Welt zurück. Für Nichteingeweihte sei bemerkt, daß auch der bekannte Gräzist und Mythologe, Professor Kerenyi, zu den handelnden Personen dieses Romanes gehört. an.
- Telegramm-Adreßbuch neu erschienen
Die 24. Auflage 1951 des im In- und Ausland geschätzten Nachschlagewerkes, des einzigen, das auf Grund eines Vertrages-mit dem Bundespostministerium herausgegeben wird, liegt jetzt fertig vor. Als Nachfolgewerk des schon vor dem Krieg international bekannten Reichs-Telegramm-Adreßbuches ist es seit Jahrzehnten bei der deutschen Wirtschaft und im Ausland gut eingeführt. Das Werk wird jetzt unter dem neuen Buchtitel „Telegramm- Adreßbuch für die Bundesrepublik Deutschland und Berlin-West mit Auslandsteil“. Dieser ausgezeichnete Führer durch die deutsche Wirtschaft ist geeignet, den Warenaustausch mit der Bundesrepublik weitgehend zu fördern, denn alle Export- und Importfirmen benutzen Telegramm-Adressen. Das Werk enthält alle Inhaber von Telegramm-Adressen in vierfacher alphabetischer Gliederung, und zwar nach Telegramm-Adressen, Firmennamen, Ländern und Orten, Branchen und Bezugsquellen Besonders bedeutungsvoll für die Werbekraft des Werkes ist die öffentliche Auslage im Inland bei allen größeren Postanstalten, Industrie- und Handelskammern, Konsulaten, Regierungsstellen und größeren Zeitungsverlagen. Im Ausland ist es bei den deutschen Auslandsvertetungen und Konsulaten, den Industrie- und Handelskammern und den wichtigsten
Das Werk kann direkt beim Verlag angefordert oder durch jede Buchhandlung bezogen werden. Preis: 2 Bände DM 80.—. Vorbestellpreis: 25. Aus=- gäbe DM 64.—. Verlag: Deutscher Adreßbuch-Verlag für Wirtschaft und Verkehr GmbH., Darmstadt, Holzhofallee 38.