MITTWOCH, 15. AJÜGUST 1951

NUMMER 126

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Kein außenpolitischer Kurswechsel

Kanzler trotz Rückschlägen noch immer zuversichtlich / Depression in Bonn

BONN. Die Bundesregierung sei entschlos­sen, den bisherigen Kurs ihrer Außenpolitik auch künftig weiter zu verfolgen, verlautete am Montag aus Kreisen, die dem Bundeskanz­ler nahestehen. Bundeskanzler Adenauer denke nicht daran, seine Außenpolitik in ihren Grundsätzen zu revidieren. Die Bemühungen des Kanzlers um die deutsche Eingliederung in die westliche Welt hätten in den vergangenen zwölf Monaten große Fortschritte gemacht. Dies bewiesen die Verhandlungen über den Schuman- und den Plevenplan.

Es sei eben in den letzten Tagen zu einem unglücklichen Zusammentreffen von Differen­zen gekommen. Die Entscheidungen der Ruhr­behörde über die deutschen Kohlenexporte seien für die Bundesrepublik sehr bitter. Sie verlören jedoch an Bedeutung, wenn man sie von einer europäischen Warte aus sehe. Wenn erst der Schumanplan in Kraft sei, gebe es keine Ruhrbehörde und keine derartigen Ent­scheidungen mehr. Ähnlich müsse man das Saarproblem betrachten. In einem Vereinigten Europa spielten nationale Erwägungen, die heute noch vorherrschten, nur eine unterge­ordnete Rolle. Auch die Besatzungskosten wür­den bei einer erfolgreichen Fortsetzung der bis­herigen Außenpolitik der Bundesregierung künftig nur noch Verteidigungsbeträge sein, und diese Verteidigungsbeiträge würden im gesamteuropäischen Rahmen der einzelnen eu­ropäischen Partnerstaaten nur ihrer Leistungs­fähigkeit entsprechend aufgebürdet werden. Aus diese grundsätzlichen Erwägungen heraus wolle die Bundesregierung weiterhin den von ihr eingeschlagenen dornenvollen außenpoli­tischen Weg gehen.

Der Deutschlanduniondienst der CDU/CSU stellte dagegen nicht ganz in Einstimmung mit der obigen Erklärung in Bonn fest, der Ge­danke der Partnerschaft zwischen Deutschen

und Alliierten durch die letzten alliierten Ent­scheidungen über die Besatzungskosten und die Kohlenexportquote gelitten haben. Die alliierte Deutschlandpolitik befindet sich auf einer fal­schen Ebene. Viel schärfer noch äußert sich die freie demokratische Korrespondenz, das FDP- Presseorgan, das zu dem. negativen Ausgang der Besatzungskostengespräche auf dem Pe­tersberg und den Beschlüssen der Ruhrbe­hörde schreibt, Europa habe in diesen Tagen eine Schlacht verloren. Die Allierten hätten vergessen, daß es für das junge Bonner Staats­wesen um Sein oder Nichtsein gehe. Die Besat­zungskostenrechnung sei nicht auf befreundete Bundesgenossen, sondern auf sich auf das Sie­gerrecht stützende Okkupanten zugeschnitten. Es gehe auch nicht an, daß neben der Forde­rung nach deutschen Verteidigungsleistungen gleichzeitig in der Ruhrbehörde über deutsche Köpfe hinweg eine Kohlenausfuhr beschlossen werde, die im Inland für eine die Verteidi­gungslasten tragende Produktionsausweitung gebraucht werde.

In scharfer Form wandte sich auch der Vor-

Landarbeiterstreik beendet

Schiedsspruch in Schleswig-Holstein HANNOVER. Der am 4. August begonnene Landarbeiterstreik in Niedersachsen wurde gestern vorläufig unterbrochen. Die Gewerk­schaft stellt fest, daß die Landarbeiter damit ihr Verantwortungsbewußtsein gegenüber der Bevölkerung beweisen wollten. Die Unterbre­chung des Streiks solle ferner die Verhand­lungen mit den Arbeitgebern fördern.

Für Schleswig-Holstein fällte eine Schieds- stelle unter Vorsitz des Oberlandesgerichtsprä­sidenten Dr. S c h e e r am Montag in Kiel eine Entscheidung, die für beide Tarifpartner ver­

sitzende des Bundes der Heimatvertriebenen und Entrechteten, Waldemar Kraft, gegen die Höhe der Besatzungskosten. Er erklärte, es müsse erfolglos bleiben, einen echten deut­schen Verteidigungsbeitrag zu erwarten, so­lange nicht die Vertriebenen und anderen Op­fer des letzten Weltkrieges sozial befriedet seien. Eine solche Befriedung sei aber nach den letzten Maßnahmen der Alliierten prak­tisch unmöglich geworden.

Die Besprechungen zwischen Bundeskanzler Adenauer und Bundesfinanzminister Fritz Schäffer auf dem Bürgenstock sind been­det worden. Über den Inhalt der Gespräche wurde noch nichts bekannt. Man nimmt aber an, daß Adenauer und Schäffer davon ausgin­gen, daß die Weigerung der alliierten Finanz­experten, eine Herabsetzung der Besatzungs­kosten vorzunehmen, nicht als endgültige Stel­lungnahme der Hohen Kommission zu betrach­ten sei. Man glaubt vielmehr, daß die nächste Phase direkte Verhandlungen zwischen Bun­deskanzler Adenauer und den Hohen Kom­missaren sein würden. Durch die bisherige alli­ierte Weigerung, die Besatzungskosten herab­zusetzen, ist im gegenwärtigen Bundeshaus­halt ein Fehlbetrag von etwa 1,6 Mrd. DM ent­standen.

bindlich ist. Dana diverpflichten sich die Ar­beitgeber, die Löhne der Landarbeiter rück­wirkend vom 1. August um etwa zehn Prozent zu erhöhen, sobald Hamburg und Schleswig- Holstein den Milchpreis erhöht haben.

Aus Kassel wird gemeldet, daß die Tarif­kommission des land- und forstwirtschaft­lichen Arbeitgeberverbandes Hessen am Mon­tag beschloß, allen Landarbeitern eine ein­malige Emtezulage zu gewähren. Dieser Be­schluß wurde den Landwirten als Empfehlung zugeleitet, die die Zulage nach eigenem Ermes­sen zahlen sollen. Weitere Schlichtungsver­handlungen dauern zurzeit in den Ländern Rheinland-Pfalz und Bayern an.

Kleine Weltdironik

Abstimmunostermin soll bleiben

Forderung Tübingens und Stuttgarts STUTTGART. Die Regierungen von' Würt­temberg-Baden und Württemberg-Hohenzol- lem haben es am Montag in einem gemein­samen Telegramm an Bundesinnenminister Lehr auf das entschiedenste abgelehnt, die Volksabstimmung über den Südweststaat hin­auszuschieben. Die beiden Länderregierungen verlangen, daß gegebenenfalls vor einer Ent­scheidung über die Note der südbadischen Re­gierung ihre Stellungnahme eingeholt werde. Das Telegramm, das gleichzeitig auch an den Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer ge­richtet wurde, ist vom stellvertretenden Mini­sterpräsidenten von Württemberg-Baden, Dr. Hermann Veit und vom Staatspräsidenten von Württemberg-Hohenzollem, Dr. Gebhard Müller, unterzeichnet.

Slürmisdie Nordsee

Norwegischer Dampfer gesunken HAMBURG. Dem schweren Sturm, der seit Tagen über der Nordsee tobt, ist am Montag der norwegische DampferBeß zuip Opfer ge­fallen. An der Suche nach den Schiffbrüchigen beteiligten sich deutsche, dänische, norwegische und holländische Schiffe. Flugzeuge suchten die Unfallstelle ab. Der deutsche Fischlogger Adolf rettete am Montag neun Überlebende derBeß, darunter den Kapitän. Dieser gab an, er habe selbst gesehen, wie sein unter­gehendes Schiff ein Rettungsboot mit Passa­gieren und Mannschaften mit sich in die Tiefe riß. Von den übrigen 22 Passagieren und Be- satzungsmitgliedem fehlt bis jetzt jede Spur.

Inzwischen wurden zwei weitere Schiffsun- fälle aus der Nordsee gemeldet. Der deutsche KüstenfrachterMaja" ist mit schwerer Schlag­seite von einem Schlepper nach Cuxhaven ein­gebracht worden. Der deutsche SchlepperSee­falke, der sich ursprünglich an der Suche nach dem norwegischen Dampfer beteiligt hatte, lei­stete dem hilflos mit Maschinenschaden nach Osten treibenden Costarica-DampferCarena Hilfe.

HOF. Eia Uransuchtrupp der Wismuth-AG. in der Sowjetzone und zwei sowjetische Soldaten wurden nach Mitteilung der Grenzpolizei am Montag in der Nähe von Münchenreuth auf bayerischem Gebiet festgenommen. Bei der Ver­nehmung ergab sich, daß der Suchtrupp den Auf­trag hatte, Vermessungen an der Zonengrenze vorzunehmen. Den Spezialisten, unter denen sich ein sowjetischer Ingenieur befinden soll, waren die Soldaten zum Schutz beigegeben.

FRANKFURT. Der Oberstaatsanwalt beim Landgericht Frankfurt hat gegen den seines Am­tes enthobenen Frankfurter Polizeipräsidenten Willy Klapproth wegen Meineides, erfolgloser Anstiftung zum Meineid, aktiver Bestechung und Anstiftung zum Asservatenbruch Anklage erhoben.

DUISBURG. Im Duisburger Hafen ist am Mon­tag das 2000 Personen fassende Passagierschiff Westmark der Rederei Luwen völlig ausge­brannt. Der Schaden beträgt 600 000 DM.

ST. GOARSHAUSEN. An dem großen euro­päischen Jugendlager auf der Lorelei nahmen bisher 8175 Jugendliche aus 18 Nationen teil. Auf dem sagenumwobenen Rheinfelsen herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Immer neue Ju­gendgruppen treffen ein.

DELMENHORST. Die Landsmannschaft Schle­sien will der Bundesregierung ein Neun-Punkte- Programm vorlegen, in dem Sitz und Stimme für Schlesien im Bundesrat verlangt wird.

BREMEN. Alle kommunistischen Angestellten und Funktionäre der Industriegewerkschaft Me­tall im Bundesgebiet sollen aufgefordert werden, eine Erklärung zu unterschreiben, daß sie künf­tig nicht mehr innerhalb der Gewerkschaften für die Kommunistische Partei arbeiten werden, teilte der Vorsitzende des DGB in Bremen, Oskar Schulz, am Montag mit.

BERLIN. Der SPD-Vorsitzende Dr. Kurt Schu­macher wird sich von heute bis Ende der Woche in Berlin aufhalten und am Donnerstagnachmit­tag auf der Berliner Pressekonferenz im Schöne­berger Rathaus sprechen. Für Freitagabend ist eine große Kundgebung am Funkturm anläßlich der kommunistischen Weltjugendfestspiele vorge­sehen. Dr. Schumacher wird schon heute in ver­

schiedenen Auffanglagern in Westberlin mit FDJ-Angehörigen Zusammentreffen.

BERLIN. Die Ostberliner Straßensperren an der Sektorengrenze wurden am Montag nach Einbruch der Dunkelheit im Auftrag des Ost­magistrats zum Teil wieder entfernt. Bürger­meister Kreßmann vom Bezirk Kreuzberg im amerikanischen Sektor hatte an diesen Sperren am vergangenen Freitag große Tafeln aufstellen lassen mit der Frage:Ist das Einheit?

BUKAREST. Vier Rumänen, darunter ein ehe­maliger höherer Offizier der Luftstreitkräfte, sind in Bukarest wegen Hochverrats und Spio­nage zugunsten der Vereinigten Staaten und Grobritanniens zum Tode verurteilt worden. Nach Meldungen der rumänischen Nachrichten­agentur waren die Verurteilten in vollem Um­fange geständig.

KAIRO. Das ägyptische Außenministerium hat bekanntgegeben, daß der Sonderbeauftragte des Präsidenten Truman, Averell Harriman, nach Abschluß seiner Mission in Teheran die Rück­reise aus Persien in Kairo unterbrechen werde. Nach bisher noch unbestätigten Berichten soll Harriman versuchen, in dem britisch-ägyptischen Konflikt über die Suezkanalfrage zu vermitteln.

BAGDAD. Ein neues anglo-iranisches Ölab­kommen, nach dem der Irach 50 Prozent der Ge­winne erhalten wird, wurde am Montag in Bag­dad unterzeichnet. Das Abkommen betrifft die irakische Ölgesellschaft, die Basra-Ölgesellschaft und die Mossul-Ölgesellschaft.

HONKONG. Aus China ausgewiesene katholi­sche Missionare berichten in Hongkong, daß die kommunistische Regierung alle christlichen Kir­chen mit Ausnahme der von ihr geschaffenen Reformkirche beseitigen wolle. In Peking be­fänden sich bereits alle christlichen Missionare im Gefängnis oder unter Hausarrest. Die katholi­sche Kirche scheint in erster Linie das Ziel der kommunistischen Angriffe zu sein.

NEW YORK, Der frühere russische Minister­präsident Aexander KerenskiJ ist aus New York in Mün ' _ eingetroffen, um an einer antt- kommuni;,liehen Konferenz russischer Emigran­ten teilzunehmen.

Umoiganibation der Oelindustrie

Der Plan der englischen Regierung

LONDON. Außenminister Morrison ver­handelte am Montagvormittag mit Schatzkanz­ler Gaitskell und Sachverständigen des Außenministeriums über einen Entwurf für die Umorganisation der persischen Ölindustrie. Der Plan, der Vorschläge zur Bildung mehrerer in ihren Funktionen ineinandergreifender Ge­sellschaften für die Ausbeutung des persischen Öls enthält, ist Persien von der britischen Re­gierungsdelegation überreicht worden.

Nach Mitteilungen des britischen Delegations­führers, Lordsiegelbewahrer Stokes, soll Persien damit Garantien gegen eine künftige Einmischung Großbritanniens in die inneren Angelegenheiten Persiens erhalten. Entspre­chend einem früheren Angebot will Großbri­tannien die Anlagen der Anglo-iranischen Öl­gesellschaft einschließlich der Raffinerien von Abadari vorbehaltlich einer späteren Entschä­digung der persischen Regierung übereignen, gleichzeitig aber durchsetzen, daß die Ölindu­strie in Südpersien gemeinsam geleitet wird.

Stationierung auf dem Kontinent

Alle britischen Verbände

LONDON. In London wurde amtlich bestä­tigt, daß fast die gesamte aktive britische Ar­mee einschließlich der in Großbritannien ent­behrlichen Jagdflieger verbände und taktischen Luftstreitkräfte mit Ausnahme der Übersee­truppen künftig in der Bundesrepublik, in Bel­gien und Holland stationiert werden solle.

Es wird dazu betont, daß dies keine Ände­rung der bisherigen britischen Verteidigungs­politik, sondern eine Verwirklichung der be­reits im Vorjahr veröffentlichten strategischen Planungen sei, die Verteidigung Europas so­weit wie möglich im Osten aufzubauen. Wie­weit man die Verteidigung tatsächlich nach Osten vor^chieben könne, werde im übrigen weitgehend von den Entscheidungen über einen deutschen Verteidigungsbeitrag abhängen.

Bedingungslose Spanienhilfe

Vorerst 400 Millionen Dollar

WASHINGTON. Der Außenpolitische Aus-, schuß des USA-Senats sprach sich für eine wirtschaftliche und militärische Hilfe an Spa­nien in Höhe von vorerst 400 Millionen Dollar (über 1,6 Mrd. DM) aus, die ohne besondere Bedingungen gewährt werden soll.

Ein Unterausschuß des amerikanischen Se­nats hatte nach einem Besuch Spaniens im Juni empfohlen, die Hilfe nur zu bewilligen, wenn die spanische Regierung die von der spa­nischen Bevölkerung geforderten Freiheiten gewähre. Der Außenpolitische Ausschuß be­schloß jedoch nunmehr, von diesem Vorbehalt abzusehen. Zu dem Beschluß kam es, als der Außenpolitische und Militärausschuß des Se­nats das neue Auslandshilfsprogramm Tru- mans in Höhe von 8,5 Milliarden Dollar am Montag gemeinsam zu prüfen begannen.

Nach den bei den Verhandlungen vorgeleg- ten Berichten verfügt Spanien gegenwärtig über 22 Divisionen, darunter eine schlecht aus­gerüstete Panzerdivision. Spanien könne je­doch innerhalb von 30 Tagen 500 000 Mann und innerhalb eines Jahres eine Million Mann mo­bilisieren, wenn die notwendige Ausrüstung vorhanden wäre. Spanien soll ferner bereit sein, im Ernstfall Truppen nördlich der Pyre­näen einzusetzen.

Südwestfunkvertrag

Tübingen stimmt zu

TÜBINGEN. Das Staatsministerium von Württemberg-Hohenzollem hat dem unlängst zwischen den Staatschefs der Länder Rhein­land-Pfalz, Baden und Württemberg-Hohen­zollem besprochenen Entwurf eines Staatsver­trags über den Südwestfunk zugestimmt. Nach Billigung durch die beiden anderen Kabinette wird der Staatsvertrag dem Landtag von Würt­temberg-Hohenzollem zur Beschlußfassung vorgelegt.

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WEITERES v5pIEL

IM NECKARTAL Ein fröhlicher Roman von Else Jung 14] Copyright by Verlig Bechthold

Kersten hatte ihn darin bestärkt: Es könne unmöglich einen guten Eindrude machen, wenn Thilo sich bei seiner Bewerbung auf seine kleine Freundin berufe.

Laß dir Zeit, hatte er gesagt,du brauchst nichts zu überstürzen. Mein Haus in Halensee steht dir offen, bis du eine geeignete Stel­lung gefunden hast.

Dieses großzügige Angebot hatte Thilo um so lieber angenommen, weil ihm der Schwa­ger während der gemeinsam verlebten Rei­setage brüderlich nahegekommen war.

Die Geschwister trennten sich in Wiesbaden, Thilo wollte noch am Rhein bleiben und bummelte mit dem Silbergrauen bis Worms. Hier überkam ihn die Sehnsucht nach der Bergstraße und ihren berühmten Weinstädt­chen, aber sowohl der köstliche Rebensaft als auch der burgenreiche, bewaldete Höhenrücken der Bergstraße vermochten es nicht, ihm die beschwingte Laune und die romantische Ver­zauberung der ersten Ferienwochen zurückzu­geben.

Imma fehlte.

Wohl suchten seine Gedanken die Verlorene an den lieblichen Ufern des Neckars, und ein Gefühl sagte ihm, daß die mehrmals erwähnte Muschi bei den Neckartaler Kunsthandwerk­stätten einen gewichtigen Posten bekleiden müsse. Er ging sicher nicht fehl in der An­nahme, daß es diese Muschi sei, bei der er sich unter Berufung auf Imma vorstellen sollte.

Aber Kersten hatte schon recht: Ein Mann, der auf sich und seine Fähigkeiten etwas hielt, durfte sich nicht auf die Empfehlung eines jungen Mädchens verlassen, auch wenn es die Macht haben sollte, verschlossene Tü­ren zu öffnen. Ein Mann erobert sich seinen Posten selbst.

In Weinheim traf Thilo einen Textilreisen­den. Er hieß Binder und war auf der Fahrt nach Darmstadt.

Herr Binder kannte die Neckartaler Kunst­handwerkstätten und ihre Besitzerin. Er nannte sie eine reizvolle, grundgescheite Frau, und das Bild, das er von dem ausgedehnten Betrieb entwarf, verlockte Thilo beinahe, sei­nem Vorsatz untreu zu werden.

Die Vereinigung der verschiedensten Rich­tungen des Kunsthandwerks in einem Unter­nehmen. das war eigentlich das, was er sich in seinen kühnsten Berufsträumen vorgestellt hatte.

Die Versuchung war groß, doch Thilo wi­derstand ihr.

Ein Betrieb, den eine Frau leitete, war viel­leicht doch nicht das Richtige für ihn.

Wie es dann dazu gekommen war, daß er mit Herrn Binder über seine Stellungsnöte gesprochen hatte, wußte er selber nicht. Wahr­scheinlich war es der Wein, der ihm die Zunge gelöst hatte. Auf jeden Fall war es nicht un­klug gewesen.

Der Reisende, der die ganze Gegend wie seine Tasche kannte, hatte ihm geraten, doch einmal bei der Firma Karl Wörth & Co. in Darmstadt anzufragen.

Zufällig weiß ich, daß dort ein Musterzeich­ner für Handwebdrucke gesucht wird, hatte er gesagt und war von Thilos Entwürfen die­ser Art begeistert gewesen. Er war überzeugt, daß Thilo mit seiner Bewerbung dieses Mal Glück haben werde.

Also auf nach Darmstadt!

Herr Wörth war ein kleiner, jovialer Herr mit runder Glatze und fröhlichen Augen. Sein

Anblick flößte Vertrauen ein. Etwas väterlich Wohlwollendes ging von ihm aus.

Thilo faßte sich kurz:

Das und das habe er bisher getan, und jetzt wolle er Musterzeichner für Handwebdrucke werden.

Ob er Proben seiner Kunst und Zeugnisse vorweisen könne?

Bitte schön!

Eine Mappe öffnete sich, ein Blatt Papier mit dem Firmenaufdruck Hoppe & Borrmann, Berlin, breitet sich vor Herrn Wörths freund­lich prüfenden Augen aus.

Minuten der Spannung folgten, die Thilo sich mit einer eingehenden Betrachtung der spiegelnden Glatze und konzentriert ruhigen Atemzügen zu erleichtern trachtete. Alle seine Wünsche und Gedanken beschworen Herrn Wörth mit fast magisch zu nennender Gewalt.

Es mußte klappen!

Und es klappte!

Herr Karl Wörth war bereit, Herrn Thilo Falck sofort einzustellen. Die Vertragsbedin­gungen wurden nach einigem Hin und Her zur beiderseitigen Zufriedenheit festgelegt, ausgefertigt und unterschrieben, und Thilo schied von seinem neuen Chef mit einem herz­lichen Händedruck.

Vergnügt pfeifend stieg er in den Silber­grauen, der ihm in diesem guten und zukunft­gesicherten Augenblick den gloriosen Gedan­ken eingab, ihn von Isa käuflich zu erwerben. Sie brauchte ihn ohnehin nicht mehr, wenn sie Frau Isa Kersten wurde.

Sechstes Kapitel

Der Sonntag des siebten Augusts war ein Regentag.

Thilo fluchte über das Mistwetter, als er den Wagen aus der Garage holte. Es war noch früh, und die Fahrt zum Dilsberg durch sprit­zende Pfützen und strömenden Regen würde kein Vergnügen sein. Auch stand zu befürch­

ten, daß Imma sich von der unfreundlichen Witterung abhalten lassen könne, wenn sie die Verabredung nicht schon gänzlich verges­sen hatte.

Der Silbergraue brauste in südlicher Rich­tung die Bergstraße hinab. Hinter Bickenbach nahm er das Hindernis eines quer über die Straße führenden Bahngleises zu schnell und unvorsichtig und blieb mit einem Achsenbruch mitten auf der Strecke stehen.

Entsetzt und ratlos sah Thilo sich den Scha­den an.

Verdammtes Pech!

Es war, um sich die Haare auszuraufen.

Wie kam er jetzt nach Dilsberg? Wo konnte er Imma erreichen? Es war nicht anzunehmen, daß sich bei der alten Linde an der Stadt­mauer ein Telefonapparat befinden würde.

Imma hätte ihm lieber einen Gasthof als Treffpunkt angeben sollen!

Verflucht und zugenäht! Da stand er jetzt im Regen, und weit und breit ließ sich kein Fahrzeug blicken, das den Silbergrauen hätte ins Schlepptau nehmen können.

Nach einer Viertelstunde vergeblichen War­tens näherte sich ein Auto. Der Lenker am Steuer bedauerte höflich, er habe es sehr eilig, und fuhr weiter.

Der ihm nachfolgende Kraftfahrer führte kein Seil bei sich, um Thilos Wagen anhängen zu können, und als der Silbergraue endlich an einem. Lastwagen baumelte, waren kostbare anderthalb Stunden vergangen.

In Bensheim setzte ihn der Wagenführer ab. Der Monteur in der Reparaturwerkstätte kratzte sich den Kopf und erklärte, daß er mindestens drei Tage brauche, um den Wagen wieder fahrbereit zu machen.

Thilo fang die Hände ung flehte den Mann an, ihm ein gebrauchsfähiges Auto für eine Tagesfahrt zu leihen, aber die beiden Miet­wagen der Werkstatt waren schon vergeben.

(Fortsetzung folgt)