NUMMER 123
FREITAG. 10. AUGUST 1951
„Weitjugendfestspiele“ wenig gefragt
80 000 Teilnehmer an einem Tag in den Westsektoren gezählt
Sicherheitsrat vertagt
England läßt Truppen in Ägypten NEW YORK. Die für gestern angesetzte Sicherheitsratsitzung über die Frage der Suezkanalblockade ist abgesagt worden. Die Sitzung wurde, nach noch unbestätigten Meldungen, auf Donnerstag nächster Woche neu anberaumt.
Der ägyptische Beobachter beim Wirtschaftsund Sozialrat der Vereinten Nationen, Mamoud A z o n i , erklärte am Mittwoch, Ägypten werde „in wenigen Wochen“ den anglo-ägyp- tischen Vertrag über die Sudankonvention kündigen. Nach Angaben diplomatischer Kreise in London soll jedoch Großbritannien entschlossen sein, auch ohne Billigung der Kairoer Regierung Truppen in Äypten zu belassen und eine einseitige Kündigung des anglo-ägyptischen Vertrages aus dem Jahre 1936 nicht anzuerkennen. Andererseits ist offensichtlich, daß beinahe alle ägyptischen Staatsmänner sich einig sind in dem Wunsch, die Engländer aus dem Lande zu vertreiben und den anglo-ägyptischen Sudan Ägypten an- zugliedem.
Der Außenminister von Saudi-Arabien, Emir F e i s a 1, hatte am Mittwoch eine längere Unterredung mit dem britischen Außenminister Morrison in London über die politische, wirtschaftliche und militärische Lage in der arabischen Welt. Insbesondere sollen erörtert worden sein: die Lage im Nahen Osten seit der Ermordung Abdullahs, die Pläne der drei Westmächte zur Verteidigung des Mittelmeers und die Erweiterung des britisch-saudiarabischen Handels. Durch eine Verbesserung der Beziehungen zu Saudi-Arabien will London die Einbußen wettmachen, die es durch die Rüdeschläge in Persien, Ägypten, im Irak, in Syrien und in Jordanien erlitten hat.
Vertrauen für de Gasperi
Erhebliche Opposition
ROM. Der italienische Senat sprach Ministerpräsident de Gasperi mit 151:101 Stimmen bei acht Enthaltungen am Mittwoch das Vertrauen aus und bestätigte damit das vor zwei Wochen gebildete siebte Kabinett.
Voraus ging eine energische Erklärung de Gasperis, der versicherte, daß seine Regierung den Kommunismus und den wiederauflebenden Faschismus in Italien bekämpfen werde. Die Stimmengewinne der neofaschistischen Gruppen in den letzten Wahlen zeigten deutlich den „Rückfall in die alten Irrtümer“.
In den vergangenen zwei Wochen haben beide Häuser des Parlaments endlose Debatten über die Regierungserklärung de Gasperis geführt, und die Abstimmung ständig hinausgeschoben. Das Abstimmungsergebnis im Senat spiegelt deutlich die erhebliche Opposition gegen die neue Regierung de Gasperis wider, die sich sogar bis in die Reihen der christlich-demokratischen Partei erstreckt.
Für legalen Interzonenhandel
„Unkontrollierbare Transitgeschäfte“
BONN. Die in der Arbeitsgemeinschaft Interzonenhandel zusammengefaßten Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft forderten Vizekanzler Blücher in einem Telegramm auf, dafür zu sorgen, daß der legale Interzonenhandel schnell wieder aufgenommen werde, da sie befürchten, „daß die Einstellung des legalen Interzonenhandels zu einem Anwachsen der unkontrollierbaren Transitgeschäfte über dritte Länder und zur Verstärkung des illegalen Güterverkehrs führen wird“.
Die alliierten Hohen Kommissare besprachen am Donnerstag auf dem Petersberg gleichfalls das Problem des Interzonenhandels, die „kleine Luftbrücke“ nach Berlin und die sowjetischen Transportbeschränkungen für den Westberliner Handel. Bekanntlich ruht seit vergangenen Freitag der gesamte legale Interzonenhandel, da das alte Abkommen abgelaufen und nicht mehr verlängert worden ist.
BERLIN. In den letzten Tagen besuchen immer mehr Jugendliche der „Weltjugendfestspiele“ Westberlin, da sie an ihren Veranstaltungen, außer den sportlichen, kein Interesse zeigen. Am Dienstag wurde die Rekordzahl von 80 000 in den Westsektoren gezählt. Der Zustrom nimmt laufend zu, so daß bis jetzt mindestens jeder dritte Teilnehmer der am Sonntag eröffneten „Festspiele“ in Ostberlin sich mehrere Stunden in Westberlin aufgehalten hat. Die Zahl der seit Sonntag nach Westberlin geflohenen Jugendlichen, die um politisches Asyl nachgesucht haben, ist inzwischen auf 200 angestiegen.
Auf den Güter- und Verschiebebahnhöfen Ostberlins herrscht nachts ein reger Betrieb. Tausende von Teilnehmern der kommunistischen Weltjugendfestspiele wurden bereits wieder in ihre Heimatorte zurückgeschickt, während neue Transporte aus allen Richtungen der Sowjetzone meist in Güterzügen in Berlin eintrafen. Der Verkehr über die „grüne Grenze“ hat in Hessen-Thüringen fast’ ganz aufgehört, während im Bezirk des Grenzpolizeikommissariats Hof noch immer Gruppen von Jugendlichen versuchen, die Grenze zu
Nodi immer Streikgefahr
Milchwirtschaft lehnt Schiedsspruch ab
STUTTGART. Die Gefahr eines Streiks in den Molkereien der drei südwestdeutschen Länder Württemberg-Baden, Württemberg- Hohenzollern und Südbaden konnte, nach einer Erklärung der Arbeitgeber, noch immer nicht völlig abgewendet werden. In dem Konflikt zwischen der Gewerkschaft „Nahrung, Genuß und Gaststätten“ und den südwestdeutschen Milchbetrieben um die Lohnerhöhung der Molkereiarbeiter haben die Arbeitgeber mitgeteilt, daß sie sich dem vom württemberg-badischen Arbeitsminister, David St etter, vorgeschlagenen Schiedsverfahren nicht unterwerfen wollten. Die Gewerkschaft „Nahrung, Genuß und Gaststätten“, die einen Schiedsspruch anerkennen wollte, dürfte nunmehr entsprechend ihrer Ankündigung zu
ÜBERLINGEN. Auf der 12. Bodenseekonferenz, die von Vertretern der CDU aus den badischen Bodenseekreisen und Württemberg - Hohenzol- lerns abgehalten wurde, empfahlen Tagungsteilnehmer, an die Stelle der in den Karlsruher Beschlüssen vorgesehenen vier Landesbezirke eine achtfache Gliederung treten zu lassen. Für den Landesbezirk, dessenHauptstadtSigmaringen oder Ravensburg werden sollte, wurde eine Zweiteilung mit den Landesbezirkshauptstädten Konstanz und Ulm angeregt.
BONN. Der Vorsitzende der SPD, Dr. Kurt Schumacher, ist am Mittwoch von einem dreiwöchigen Erholungsurlaub in Österreich nach Bonn zurückgekehrt.
HANNOVER. Der Innenminister von Niedersachsen, Barowski, hat die ihm untergeordneten Dienststellen angewiesen, das öffentliche Auftreten des SRP-Vorstandsmitglieds, Emst Otto Remer, zu verbieten. Remer hat, wie jetzt erst bekannt wird, in einer internen Versammlung Anfang der Woche in Nürnberg die SRP gegründet. Das geschah dadurch, daß die bisherige Sozialradikale Deutsche Arbeiterpartei (SRDAP) in Nürnberg ihren Übertritt zur SRP erklärte. Es ist dies das erste Auftreten der SRP in Bayern.
HANNOVER. In Niedersachsen hat sich am Dienstag der 5. Bundesflaggendiebstahl in den letzten sechs Wochen ereignet. Von den Tätern fehlt jede Spur.
SAARBRÜCKEN. Der Grenzverkehr zwischen dem Saargebiet und Frankreich ist wegen der Gefahr einer Verbreitung der an der Saar herrschenden Kinderlähmung stark eingeschränkt worden. Auf Anweisung der bischöflichen Ordinariate sind im Saarland die Kindergottesdienste bis zum Abflauen der Epidemie eingestellt.
überschreiten. Einer größeren Abteilung gelang es, bei Mühldorf die Grenze zur Tschechoslowakei zu passieren. Wie das bayerische Innenministerium am Mittwoch bekanntgab, kam es in der Gegend von Hofheim in Unterfranken zu einer größeren Auseinandersetzung mit etwa 1000 Jugendlichen. Diese versuchten, mit Knüppeln und Schlagringen bewaffnet, den illegalen Übertritt in die Sowjetzone zu erzwingen. Ein Polizist mußte von der Schußwaffe Gebrauch machen und schoß einen Angreifer ins Bein.
Wie der Westberliner „Telegraf“ am Mittwoch berichtet, sollen der zentrale FDJ-Orga- nisationsstab und das vorbereitende Komitee der FDJ-Festspiele von SED-Generalsekretär Walter Ulbricht aufgelöst worden sein, weil sie in ihrer Arbeit völlig versagt haben. Als Grund für die Verhaftung wird das sich ständig vergrößernde Verpflegungschaos bezeichnet. Zahlreiche Jugendliche, die sich am Dienstag in den Westberliner Jugendheimen einfanden, gaben an, noch keinerlei Verpflegung empfangen zu haben.Das Rote Kreuz hat die Bevölkerung zu Lebensmittelspenden aufgerufen.
einer Urabstimmung über den Streik aufru- fen.
Die Milchversorgungsbetriebe begründen ihre Ablehnung damit, daß die Molkereien, im Gegensatz zur gewerblichen Wirtschaft, ihre höheren Löhne nur nach unten, auf die Bauern, abwälzen könnten. Das sei aber bei der gegenwärtigen Preisregelung nicht mehr möglich.
In landwirtschaftlichen Arbeitgeberkreisen ln Norddeutschland wird mit einer Entspannung der Streiklage im Landarbeiterstreik, der Teile Hessens und Niedersachsens sowie Schleswig-Holsteins erfaßt hat, gerechnet. Die Beteiligung der Landarbeiter sei sehr unterschiedlich, da eine Anzahl nichtorganisierter Betriebe Zulagen bewilligt habe. Zum großen Teil sind freiwillige Arbeitskräfte zum Einbringen der Ernte angeworben worden. Die Einbringung der Ernte sei gesichert.
Auch die luxemburgisch-saarländische Grenze ist gesperrt worden.
LONDON. Koks wird in Großbritannien wieder rationiert. Vom Ministerium für Brennstoff Versorgung verlautete, daß in den nächsten Tagen eine entsprechende Verordnung'zu erwarten sei. Die Versorgung der Haushalte mit Koks war seit Januar 1950 frei.
LISSABON. Der neue portugiesische Ministerpräsident, Staatspräsident General Francisco Craveiro Lopes, leistete am Donnerstag in der portugiesischen Nationalversammlung den Eid auf die Verfassung.
TEL AVIV. Im neuen israelischen Parlament erhält nun endgültig die sozialdemokratische Ma- pai 45 (46) der insgesamt 120 Sitze. Die Allge- mein-Zionisten stellen mit 20 (7) Abgeordneten die zweitstärkstePartei. Von den übrigen Parteien erhielten die linksgerichteten Mapam 15 (20), die Kommunistin 5 (3), der religiöse Blöde 15 (15), die rechtgerichtete nationale Freiheitspartei 8 (14) Sitze.
WASHINGTON. Die USA beabsichten, Nationalchina in einem neuen militärischen und wirtschaftlichen Hilfsprogramm 307 Millionen Dollar zur Verfügung zu stellen.
DALLAS (Texas). Eine schwere Hitzewelle, die seit Tagen den amerikanischen Südstaat Texas heimsucht, hat allein in den Großstädten Dallas und Houston 15 Todesopfer gefordert.
WHITESANDS (New Mexiko). Eine fünf Tonnen schwere Viking-Rakete, die bei einer Geschwindigkeit von 6560 km/st eine Höhe von 216 Kilometer erreichte — sie blieb zehn Minuten in der Luft und landete 22 km vom Abschußpunkt entfernt — hat einen neuen Höhen- und Geschwindigkeitsrekord aufgestellt.
Kleine Weitchronik
EITERES vSpIEL
IM NECKARTAL
Ein fröhlicher Roman von Else Jung
11] Copyright by Verlag Bechthold
„Ich schlage vor, daß wir hier übernachten“, sagte sie, als sie vor einem Hotel hielten, „steig’ aus, Imma! Während die Männer die Wagen in der Garage unterbringen, wollen wir die Zimmer bestellen und uns ein bißchen waschen und auffrischen.“
Auch Thilo und Walter Kersten hatten Brüderschaft gemacht. Seit einer Viertelstunde Saßen sie auf der Hotelterrasse, rauchten und warteten.
„Imma ist entzückend“, sagte Kersten, „liebst du sie?“
Thilo wurde pathetisch.
„Lieben ist gar kein Ausdruck! Sie ist die erste Frau, die ich vom Fleck weg heiraten könnte, wenn ich eine gute Stellung hätte vad wüßte, wer sie eigentlich ist.“
„Was! — Das weißt Du nicht?“ — Kersten sah den Schwager verblüfft an.
„Leider nicht." — Thilo erzählte, in welcher verzweifelten Lage er Imma zum ersten Male begegnet sei und wie sie sich einander vorgestellt hätten.
Kersten fand das zwar sehr romantisch, wenn auch unpraktisch, und meinte, man müsse es auf jeden Fall herausbekommen.
„Nimm an, Imma ginge dir unterwegs verloren, daim kennst du nicht einmal ihren Namen und weißt nicht, wo du sie suchen sollst.“
Thilo lächelte überlegen.
So etwas könne ihm gar nicht passieren. Imma habe nämlich kein Geld und sei auf ihn
angewiesen. Sie werde ihm schon eines Tages sagen, wo er sie hinbringen solle.
In diesem Augenblick trat Isa an den Tisch. Sie trug eine frische, weiße Bluse und hatte ihre graue Kostümjacke lose über die Schultern gehängt.
„Ist Imma noch nicht da?“ fragte sie verwundert. „Ich hörte vor etwa fünf Minuten ihre Tür klappen und glaubte, sie sei schon vorausgegangen.“
Thilo wurde unruhig.
„Ich werde mal nachsehen“, sagte er, doch Isa kam ihm zuvor. Sie war schon auf dem Sprung.
„Laß nur, ich gehe selber. Ihr könnt mir unterdessen ein saftiges Schnitzel bestellen.“
Für Thilo dehnten sich die Minuten zur Ewigkeit, bis Isa wiederkam. Ihr Gesicht hatte einen ratlosen Ausdruck.
„Sie ist nirgends zu finden“, sagte sie, und nur dem aufmerksamen Kersten fiel ein verstecktes Lächeln auf, das um ihren Mund spielte.
Thilo war schon aufgesprungen, und Isa rief ihm die Zimmernummer nach.
Die Treppe hinaufrasend, zählte er, während er durch den Gang lief, sechzehn, siebzehn, achtzehn und klopfte an.
Keine Antwort.
Er drückte auf die Klinke, fand die Tür unverschlossen und trat ein.
Das Zimmer war leer und sah so unberührt aus, als sei es gar nicht bezogen worden. Keine Kleider lagen herum. Kein Koffer stand auf dem Ständer neben dem Schrank. Die Handtücher hingen unbenützt über dem Halter.
Thilo öffnete den Schrank.
Nichts.
Als er an dem kleinen Schreibtisch vorüberkam, sah er etwas Weißes auf der Löschunterlage liegen.
Ein Brief!
Die Aufschrift trug seinen Namen.
Sein Herz machte einen zitternden Sprung, als er den Umschlag aufnahm und öffnete, aus dem ihm ein beschriebener Bogen und ein paar Geldscheine entgegenfielen.
Geld?
Er schob es beiseite und begann zu lesen. Seine Knie waren ihm so weich geworden, daß er sich setzen mußte.
Imma war ausgerissen!
„Lieber Thilo“, hatte sie geschrieben, „sei mir nicht böse, daß ich mich so heimlich und ohne Abschied von Dir fortgestohlen habe. Eine alte und weise Regel sagt: Wenn es am besten schmeckt, soll man aufhören. Die Tage mit Dir waren wunderschön, ich werde sie nie vergessen — und Dich auch nicht. Du warst bis zum Schluß Thilo von Stolzeneck, mein ritterlicher Freund, und dafür bin ich Dir dankbar. Und — wenn ich ganz aufrichtig sein soll, bist Du mir noch mehr geworden. Aber davon wollen wir sprechen, wenn wir uns Wiedersehen, denn wir werden uns Wiedersehen, das weiß ich. Aus der beiliegenden Abrechnung ersiehst Du, daß ich mein Versprechen gehalten habe, Dir alle deine Auslagen zu ersetzen. Es ist ein stattliches Sümmchen geworden. Du wirst es noch gut gebrauchen können. Doch nun will ich Dir noch einen Tip geben: Fahre zu den Neckartaler Kunsthandwerkstätten. Sie liegen in einem versteckten Tal bei Neckarsteinach unterhalb der Burg Rabeneck, deren Anblick Deinen romantischen Sinn befriedigen wird. Stelle Dich dort vor und berufe Dich auf mich. Wenn Du Glück hast, wird man Dich gebrauchen können. Aber sei bescheiden in Deinen Forderungen und nimm an, was man Dir bietet. Du weißt ja: Der Spatz in der Hand ist immer besser als die Taube auf dem Dach, und bekanntlich sind dem Tüchtigen keine Grenzen gesetzt. Wer sich bewährt, steigt schnell auf. Mit diesen herzlichen und gutgemeinten Ermahnungen grüßt und küßt Dich
Deine Imma.
v. Weizsäcker beigesefjt
Trauerpredigt von Bischof D. Wurm
STUTTGART. Am Mittwoch wurde im Familiengrab auf dem Friedhof des Schlosses Solitude bei Stuttgart der ehemalige Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Emst von Weizsäcker, beigesetzt. An der Beerdigung nahmen außer den Familienmitgliedern etwa 300 Trauergäste teil, unter ihnen als Vertreter von Bundeskanzler Dr. Adenauer der Chef des Protokolls im Auswärtigen Amt, v. Herwarth, ferner zahlreiche Angehörige des früheren deutschen diplomatischen Korps.
Alt-Landesbischof D. Theophil Wurm führte in seiner Trauerpredigt aus, daß v. Weizsäcker der Menschheit nach bestem Wissen und Gewissen habe dienen wollen; er sei weder ein Matador des Dritten Reiches, noch ein Fahnenträger der Widerstandsbewegung gewesen. Der älteste Sohn des Verstorbenen, der Göttinger Universitätsprofessor Karl Friedrich v. Weizsäcker, sagte am Grabe, sein Vater habe nicht den Anspruch erhoben, alles richtig gemacht zu haben; er sei jedoch in Nürnberg „unschuldig angeklagt und zu Unrecht verurteilt“ worden.
McCioy setjt sich duich
Der Fall Kemritz
BERLIN. Die vierte Zivilkammer des Westberliner Landgerichts hat entsprechend der Anweisung des amerikanischen Hohen Kommissars den Vollzug der gegen den Doppelagenten Dr. Kemritz ergangenen Gerichts- entscheidungeen ausgesetzt. Auf Grund der ausdrücklichen Erklärung der amerikanischen Hohen Kommission, Kemritz sei ihr Beauftragter gewesen und die ganze Angelegenheit falle demzufolge unter die Vorbehalte der alliierten Besatzungsmächte, kam das Gericht zu der Auffassung, daß auf den Fall Kemritz das Gesetz Nr. 7 sowie § 2 des Besatzungsstatuts Anwendung finden könnten,- die die Gebiete festlegen, die unter die Jurisdiktion der Besatzungsmächte und somit nicht unter die Zuständigkeit deutscher Gerichte falle.
Nach Meldungen aus Washington stellte der amerikanische Außenminister Acheson zum Fall Kemritz fest, dies sei eine Angelegenheit, in die er sich nicht einmischen werde. Die „Washington-Post“ erklärte: „Es wäre wohl etwas anderes, wenn die Besatzungsbehörden beweisen könnten, daß Kemritz die Verbrechen, die ihm von einem deutschen Gericht zur Last gelegt werden, nicht begangen hat. Ein reguläres Gerichtsverfahren jedoch durch die einseitige Anwendung von Macht aufzuheben, bedeutet nichts anderes, als die amerikanischen Besatzungsbehörden der Unaufrichtigkeit zu bezichtigen.' McCioy hat die Lage dadurch noch verschlimmert, daß er erklärte, die USA würden sich dieses einseitige Recht der Aufhebung von (deutschen) Gerichtsbeschlüssen auch noch nach der Erlangung der vollen Souveränität durch die Bundesrepublik in einigen Monaten Vorbehalten.“
Junizuschlag Ende August
Die Auszahlung der Rentenzulagen
BONN. Vom Bundesarbeitsministerium wird darauf hingewiesen, daß der Zuschlag zur Invaliden-, Angestellten- und Knappschaftsrente nach dem Rentenzulagegesetz für Juni Ende August zusammen mit den Septemberrenten ausbezahlt werden wird. Der Zuschlag für Juli wurde bereits Ende Juli zusammen mit den Augustrenten ausbezahlt.
Es wurde noch einmal festgestellt, welche Gruppe von Rentnern nach dem Gesetz keine Rentenzulage erhalten können, weil sie bereits früher durch Aufbesserung berücksichtigt wurden. Die Zulagen werden nicht gewährt an Invalidenrentner, die vor dem Inkrafttreten des Sozialversicherungsanpassungsgesetzes von 1949 Renten in Höhe von 22,60 bis 34,90 DM bezogen haben. Für Witwenrenten betragen die entsprechenden Zahlen 18.10 bis 27.90 DM, und für Waisenrenten 16.60 bis 23.90 DM.
PS. Grüße auch Isa und Walter Kersten. Solltest Du die Stellung erhalten, dann sei am Sonntag, dem 7. August, um elf Uhr auf dem Dilsberg bei der Bank unter der großen Linde vor der Stadtmauer.“
Der zweite Satz dieses Postskriptums war dick unterstrichen, und er fiel Thilo wie ein belebender Lichtstrahl in sein verdüstertes Herz.
Imma war fort, aber sie gab ihm die Hoffnung auf ein Wiedersehen. Sonntag, den 7. August, um elf Uhr auf dem Dilsberg. Bei der Bank unter der großen Linde an der Stadtmauer.
O, er würde pünktlich dort sein, auch wenn er die Stellung nicht bekäme. Ein zweites Mal sollte Imma ihm nicht entwischen.
Er steckte Brief und Geld ein und schlich sich bedrückt die Treppe hinunter. Als er zu Isa und Kersten an den Tisch trat, schaute er so kläglich und erbarmungswürdig drein, daß ihm der Schwager rasch einen Stuhl hinschob.
„Was ist los . . . wie siehst du denn aus?“ fragte Isa. „Hast du sie nicht gefunden?“
Thilo schüttelte den Kopf.
„Nur einen Brief.“
„Und?“
„Sie ist auf und davon.“
Isa sah ihren Verlobten an, und beide lächelten sich verstohlen zu.
Der arme Junge. Er hatte keine Ahnung, daß kurz vor ihrem Eintreffen im Hotel ein Mann in brauner Chauffeuruniform einen Brief für Imma beim Portier abgegeben hatte.
„Ich möchte bloß wissen, woher sie mit einem Male das Geld bekommen hat? fragte Thilo nachdenklich und sah die Schwester an. „Hast du es ihr gegeben?“
Isa verwahrte sich entschieden gegen diese Vermutung. Auf dieser Reise habe Walter die Kasse, sagte sie. Sie hätte dem Bruder wohl Aufschluß geben können, aber sie hatte Imma versprechen müssen, nichts zu verraten.
(Fortsetzung folgt)