AUGUST 1951
Belgiens goldenes Mittelmaß
„Schlaraffenland" — aber warum?
BRUSSEL. Auf und über den Häuserfassaden der Place de Brouckere flammen die riesigen Reklamen in giftgrünem, ockergelbem, blaßblauem und blutrotem Neonlicht auf. Die spiegelblank geputzten Cadillacs, Cbryslers und Chevrolets gleiten an der breiten Terrasse des Cafe Metropole vorbei, in dessen Innerem die Musikkapelle Wiener Walzer intoniert, indes die betreßten Kellner in weißen Uniformen eisgekühlte Getränke und starken Cafe filtre servieren. Die gutgekleideten, wohlgenährten, saubergebadeten Menschen, die mit ausgeruhten Gesichtern jetzt an der Hülle und Fülle der hellerleuchteten Schaufenster, deren Auslagen auf jeder Mustermesse erste Preise erhalten könnten, gemächlich vorbeipromenieren, scheinen das Wort vom „Schlaraffenland Belgien“ nur zu bestätigen.
Der Textilfabrikant, der mir heute nachmittag seinen im Vorjahr gekauften Buick für die Hälfte des Kaufpreises offerierte, hatte weniger den Eindrude, im „Mahlstrom des Überflusses“ zu schwimmen. Auch der andere alte Freund, der am gleichen Tag bei vier Kunden vergeblich versuchte, seit Monaten fällige Außenstände einzutreiben, meinte, daß der Geschäftsgang zu wünschen übrig lasse. Trotzdem — mögen die Absatzschwierigkeiten in der Konsumindustrie groß sein (nach Ausbruch der Koreakrise haben sich Hunderttausend« von Familien oft für Jahre reichende Tee-, Kaffee-, Zucker-, öl-, Seifen-, Staffvorräte angelegt), mögen 140 000 Voll- und 50 000 Teilarbeitslose eine Last bedeuten, mögen sich auf der Liste derer, die ihren Konkurs anmelden, einige ganz angesehene Firmen befinden — niemand wird bestreiten können, daß sich das allgemeine Lebensniveau nach dem zweiten Weltkrieg nochmals ruckartig gehoben hat. Auch vor 1939 war Belgien in vielem gepflegter und komfortabler als Frankreich. Heute, wo, abgesehen von der kleinen im Luxus lebenden Schicht, der französische Lebensstandard sich erheblich gegenüber der Vorkriegszeit gesenkt hat, tritt dieser Unterschied der Lebenshaltung für den von Paris nach Brüssel Kommenden noch krasser in Erscheinung. Er sieht, daß hier für die anspruchsvollen Bewohner des zivilisiertesten Landes ln Europa das Beste, was in der Welt fabriziert wird, zum eigenen yerbrauch gerade noch gut genug ist. Er sieht aber gleichzeitig die Gründe, die zu diesem Erfolg führten. Gewiß hat Belgien durch seine Dollarguthaben, die ihm aus den Rohstoffverkäufen. die im Kongo zur Kriegszeit an die USA getätigt wurden, sofort nach dem Krieg wieder ins internationale Geschäft einsteigen können. Doch keine noch so große Dollar- summe hätte geholfen, wenn sie nicht von der beispiellosen Tüchtigkeit der Belgier ln
Kampf ums Matterhora
LONDON. In englischen alpinen Kreisen hat die Meldung vom Bau einer Drahtseilbahn zum Matterhorngipfel beträchtliches Aufsehen erregt. Man spricht davon, daß man kletterfaulen Touristen den Aufstieg zum Berg in einer Drahtseilbahn nicht ermöglichen solle, Ja, daß dies „gefährlich und vandalistisch“ sei. Die „allgemeine Besorgnis“ geht so weit, daß der britische alpine Club das Kabinett Attlee um diplomatische Intervention in Rom und Bern ersucht hat. Lord Henderson, der Unterstaatssekretär im Foreign Office, antwortete im Namen der Regierung, daß dies allein Sache der interessierten britischen Organisationen sei. Das Matterhom ist, obwohl zur Hälfte Schweizer und zur Hälfte italienischer Besitz, seit der Erstbesteigung durch den Engländer Edward Whymperim Jahre 1865 eine Art britisches Nationalheiligtum.
dieser Weise genutzt wäre. Hier gibt es nicht die Kategorie der „Fils ä papa“, die das väterliche Vermögen benutzen, um sich dem „dolce far niente“ hinzugeben. Reich und arm arbeitet unaufhörlich und niemand denkt daran, vor den Schwierigkeiten des Lebens zu kapitulieren. Auch jetzt um Mitternacht werden hier in der Innenstadt im blitzblanken Wurstgeschäft die Kunden genau so bedient wie am Vormittag. Der Inhaber des Schokoladengeschäfts, das ausgestattet ist wie ein Schönheitssalon, wartet geduldig, ob jemand 100 Gramm Pralines kaufen wird. In Bücherladen blättern die Passanten und nehmen noch einen Roman als Einsehlaflektüre mit nach Hause. Auf den Verkaufswagen wird die Schneckensuppe heißgehalten, Langoustinen und heiße Muscheln feilgeboten. Wer jetzt im Cafe-Restaurant Warmes essen will, braucht nicht zu hören, die Küche sei längst geschlossen. In einigen Stunden werden in den Markthallen die Marktfrauen schon um vier Uhr wieder an der Arbeit sein. Wer sich wundert, daß das Kopfsteinpflaster der Straßen so blendend sauber ist, dem sei gesagt, daß jeder Hausbesitzer einmal in der Woche den Bürgersteig vor seinem Hause mit Seifenwasser zu scheuern hat
Hier gibt es nicht die unzähligen Baulük- ken und Stützbalken für zusammenbrechende Häuser, die dem Besucher in Paris auffallen.
Zwischen den alten und uralten, aber solide gebauten und gutgepflegten Häusern steigen überall Neubauten empor und dem sonst in Europa so vergeblich gesuchten Plakat „ä louer“ (zu vermieten) begegnen wir auf Schritt und Tritt. „Amerikanisch“ kann man vielleicht den großen Zentralbahnhof nennen, der unter der St.-Gudula-Kathedrale errichtet wurde und der dann in Benutzung genommen wird, wenn die quer durch Brüssel verlaufende Verbindung zwischen den ebenfalls neuerbauten, mit Rolltreppen und allen modernen Schikanen ausgestatteten Nord- und Südbahnhöfen vollendet ist „Welch ein Blödsinn, diese Jonc- tion“, sagt mein Taxichauffeur. „Versteht denn die Regierung gar nichts vom Geschäft? Wie viele Hunderte von Fahrten machen die Taxis täglich zwischen dem Nord- und Südbahnhof!“
„Dann halten sich die Durchreisenden etwas in Brüssel auf. Sieh mal den schönen Schal, sagt die Madame, der ist nicht teuer, und dann wird dem Herrn noch eine Krawatte gekauft. Jeder gibt dem Commergant etwas zu verdienen und in Zukunft werden die Durchreisenden, die dann im Zug sitzen bleiben, dem Brüsseler Geschäftsleben künstlich femgehalten. Könnten wir nicht mit dem vielen Geld besser eine Untergrundbahn bauen und die verstopften Straßen von den Straßenbahnen befreien und für den Autoverkehr freimachen?“ Nun, er, der Taxichauffeur, versteht, wie jeder hier, das Geschäft und hat seinen De Soto 1951 mit schönen Reisedecken ausgelegt, die der Schwiegervater in der eigenen Fabrik verfertigt. Paulus
Wer Ist der fünfte Mann?
Krisenzeichen auch im Irak / Staatsstreichgerüehte in Bagdad
ISTANBUL. Die Bilanz der Lage im Nahen Ostöl, die man heute in den diplomatisch gut unterrichteten Kreisen in Istanbul, Ankara, Damaskus und Kairo zieht, fällt sehr zuungunsten des politischen Gewichtes Großbritanniens aus.
Man stellt fest, daß im Laufe der letzten Monate nicht weniger als vier wichtige Figuren auf dem diplomatischen und politischen Schachbrett des Nahen Osten ermordert worden sind, die sämtlich für London und die von England vertretene Politik in diesem Raum zum Einsatz kommen sollten.
Mit der Erschütterung der Schlüsselstellung Jordanien durch den Tod König Abdullahs kann das ganze Gefüge der Londoner Politik im Nahen Osten vollends ins Wanken kommen. Die Pfeiler dieser Politik waren in der letzten Zeit die mohammedanischen Führergestalten, General Razmara, der persische Ministerpräsident, der wie König Abdullah erschossen wurde, als er eine Moschee betrat; ferner Dr. Abdul Hamid Zanganeh, der auf den Treppenstufen der Universität von Teheran einen gewaltsamen Tod fand, und Riad El Sohl, der ehemalige syrische Ministerpräsident, der kurz vor der Ermordung König Abdullahs in Amman von arabischen nationalen Fanatikern niedergemacht worden ist, und nicht zuletzt König Abdullah selbst.
Inzwischen liegen aus Bagdad beunruhigende Informationen vor. Die Erhebungen um die Ermordung König Abdullahs haben ergeben, daß der Mörder, Mustapha Shukri Oushu, der Geheimorganisation „Jihad Ai Mi- kaddas“ angehört, ein Name der soviel bedeutet wie .heilige Kampfgruppe“.
Informationen von sehr ernst zu nehmender Seite in Bagdad weisen jetzt darauf hin, daß diese Geheimorganisation im Begriff ist, im Irak einen Staatsstreich vorzubereiten, als dessen erstes Opfer Nuri Said Pascha, der einflußreichste und geschickteste Verfechter einer englandfreundlichen Politik des Irak, außersehen werden soll. Die Macht in Bagdad soll dem aus den Kriegsjahren durch sein antibritisches Wirken bekanntgewordenen ehema
ligen Ministerpräsidenten Raschid Ali Gailani in die Hand gespielt werden. Gailani, der nach seinem mißglückten Aufstand gegen England während des letzten Krieges bei den Achsenmächten Zuflucht gefunden hatte, ist nach dem Kriege aus dem Irak verbannt worden und hat dann in Medina, der zweiten heiligen Stadt neben Mekka in Saudisch Arabien Asyl erhalten. Seit Mitte vergangenen Monats ist Gailani nicht mehr in Medina gesehen worden. Nachrichten aus Bagdad behaupten, daß er in den letzten Wochen verschiedentlich im Trak gesichtet worden sein soll.
Eine akute Krise im Irak würde für die bri-
„Preisabsdiläge zulässig"
KÖLN. In einem Prozeß vor dem Kölner Landgericht wurde der durch seine niedrigen Verkaufspreise in Deutschland schon bekannt gewordene Kleiderfabrikant Alfons Müller von der Anklage des Vergehens gegen das Rabattgesetz freigesprochen. Müller, der im Juni dieses Jahres seine Preise erneut senkte, „da die Wollpreise auf den internationalen Märkten gefallen sind und die Firma die heutigen Stoffe bis zu 30 Prozent billiger als vor einigen Monaten einkaufen konnte“, hatte im Dezember 1949 einen Rabatt von 10 Prozent auf alle Waren angekündigt. In der Verhandlung ergaben sich Schwierigkeiten über die genaue Auslegung des Begriffes „Rabatt". Der Sachverständige jedoch betonte, daß Rabatte in der wirtschaftlichen Praxis „zulässige Mittel zur Preisherabsetzung“ seien. Die Kläger in dem von der Textilindustrie und dem Einzelhandel stark beachteten Prozeß müssen sich nun damit abfinden, daß sie Preissenkungen nicht verhindern können.
tische Politik im Nahen Osten einen weiteren schweren Schlag bedeuten.
Es werden zurzeit hinter den Kulissen eilige Versuche diplomatisch-politischer Art unternommen, um durch die noch von König Abdullah geplante und vorangetriebene Förderation zwischen dem Irak und Jordanien zu einem groß-syrischen Reich eine Ersatzposition für die britische Politik zu schaffen, in Abwehr der Bestrebungen der Arabischen Liga, für deren Ziele das Verschwinden der vier für die britische Politik wichtigsten arabischen Persönlichkeiten im Vorderen Orient, milde ausgedrückt, äußerst gelegen kam.
Die Frage der Thronfolge in Jordanien bedeutet in diesem Spiel ein wichtiges Problem, weil sie für die Möglichkeit eines Zusammenschlusses von Jordanien und Irak von entscheidender Bedeutung sein wird.
Sowohl Nuri Said Pascha, wie der Emir Abdul Illah, der als Regent für den noch minderjährigen König Faisal n. in Bagdad wirkt, treten für eine Zusammenarbeit zwischen Irak und Jordanien im Sinne der britischen Nah-Ost-Politik ein. Diese beiden Männer gelten heute in unterrichteten Kreisen des Nahen Osten als diejenigen Persönlichkeiten, die jetzt am stärksten dem Haß der national-radikalen arabischen Elemente ausgesetzt sind. DSI.
Ostzonale Besucfaerkontrolle
Sicherheitsdienst verschärfte seine Maßnahmen
HELMSTEDT. Während die ostzonale Propagandamaschine immer neue Einheitsparolen und Aufrufe zur Verständigung zwischen Ost und West verbreitet, haben die Sicherheitsbehörden der sowjetischen Besatzungszone eine neue Maßnahme getroffen, um die Verbindungen der Bevölkerung in der Ostzone nach Westdeutschland zu erschweren. In Ausführung des Gesetzes zum Schutze der deutschen demokratischen Republik hat der Staatssicherheitsdienst ein Antragsverfahren eingerichtet, mit dem die Bewohner der Ostzone für ihre Angehörigen aus Westdeutschland Aufenthaltsgenehmigungen bei den Polizeibehörden beantragen müssen. In diesem „Antrag zwecks Aufenthaltsgenehmigung für Angehörige aus Westdeutschland“, wie das entsprechende Formular offiziell bezeichnet ist, müssen die genauen Personalien des Besuchers aus Westdeutschland angegeben werden. Darüber hinaus fordert das Antragsformular aber auch Angaben üben den Beruf und den Arbeitsplatz des Besuchers aus dem Westen.
Den richtigen Aufschluß über die Absichten, die von den Sicherheitsbehörden der Ostzone mit diesen Aufenthaltsgenehmigungen verfolgt werden, geben jedoch erst die weiteren Fragen, in denen Angaben darüber gefordert
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Das Rosenwunder
Von Hon s Erman
Der Sommer hat sich mit lichtgesättigten Tagen und lang dahinschwebenden Dämmerungen •einer Mitte genähert. Es ist die Zeit der Rosen. Sie blühen in den Gärten, im Park, auf den Baikonen, überall. Ihr Duft verzaubert unsere Welt, und wenn am Wege Heckenrosen stehen, wird selbst der alltägliche Gang zum Briefkasten oder sum Bäcker eine Beglückung für uns technisierte Menschen.
Bosen sind schön. Sonst nichts. Sie lassen sich weder als Zellwolle verspinnen, noch sonst, etwa als Streu oder Nahrung, verwerten. Trotzdem werden die Rosen gehegt und gepflegt und geliebt In einer sonst unromantischen und an heiteren Symbolen armen Gegenwart ist sie die Blaue Blume der nach unirdischem Glück verlangenden Sehnsucht. Vielleicht muß die Zeit arm und böse und nüchtern sein, damit man Rosen lieben lernt? Ein braver Historiker, der die poetischen Spuren dieser Blumen verfolgte, würde wohl bemerken, daß gerade in unruhigen, kummervollen Jahren die Dichter Glanz und Wohlgeruch des Sommerkindes gepriesen haben. Glückliche Zeiten machten sich nichts aus der Rose, und so ist es wohl kein Zufall, daß die Geschichten und Legenden vom Garten Eden, von Olymp und Walhall oder Elysium zwar vielerlei Bäume, Sträueher, auch Blumen nennen — von den Rosen wird nicht geredet. In einem Paradies braucht man keine Rosen. Erst als Israel verbannt wurde in das Exil nach Babylon, erwähnen die Verse des Alten Testamentes die Rose, es ist das früheste Zeugnis vom Leben dieser Sommerblume.
Sie war in Palästina nicht heimisch, unsere Gartenrose, sagen die Gelehrten, stammt aus den Bergen Persiens. An den Seen der alten Märchenstadt Schiras, in den berühmten Gärten von Persepolis war ihre Heimat. Ein umständlicher vielverschlungener Weg führte ihre Schönheit an die Küsten des Mittelmeeres, nach Griechenland, nach Rom. Wo die Völker bisher nur das bescheidene Wildröslein gekannt hatten, begeisterten sich Dichter und Könige schnell für die dickbuschige Schönheit der Edelrose. Anakreon und •eitet der kritische Aristophanes lohten ihre Anmut, wie zuvor Römer die „rosenflngrige Eos“
besangen. Vornehmen Römern dienten ihre duftenden Blätter als Lager, Kränze aus persischen Rosen schmückten die schönen Knaben und die lieblichen 'Tänzerinnen. Viele tausend Sesterzien verschwendete Nero für Hosen, die seine Gast- mähler zu üppigen Blumenfesten machten.
Nach Deutschland, wo man zur Zeit der Pfahl- bauem zwar schon die Hagebutten der Wildrose geschätzt hatte, kam die Edelrose wohl um das Jahr 800, wurde von Mönchen im Klostergarten als kostbarer Schatz gehütet. Man soll sich trotzdem von der Pracht dieser ersten im Garten gezogenen Blüten keine übertriebenen Vorstellungen machen: Auch die Rosa persica, von zunächst schöner gelber Farbe, ist eine einfachblättrige Blume gewesen. Und der tausendjährige Rosenstock an Bischof Hezilos Kirche zu Hildesheim, der trotz Bomben und Feuersbrunst noch in Blüte steht, ist ein Vertreter der Rosa canina var. lutetiana, wie die Botaniker sagen, ein einfaches Hundsröschen also. Dem weisen Albertus Magnus, dem gewaltigsten Kopf des Mittelalters waren nur viererlei Rosen bekannt, allesamt einfachblättrige, schnell vergehende Blütenwunder, allesamt kaum anderes als in den Garten verpflanzte Wildsorten. Welche Freude, als Robert von Brie, der edle Ritter, aus dem Kreuzzug die Damaszener Rose auf sein Schloß Frovins in der Champagne brachte, eine Rose, deren Blütengruppen sich nacheinander entfalteten und Glanz und Duft in wechselnder Beständigkeit den ganzen Sommer über schenkte. Nicht sehr viel später blüht in französischen Gärten auch das schönste Rosenwunder — im Jahre 1332 kommt aus Persien die Rosa Centifolia, stärker duftend als alle ihre Artgenossen und, mit stark gefüllten nickenden Blüten, auch schöner als alle anderen.
Es dauert lange, bis die Zahl der Rosen sich mehrt, der Botaniker Kaspar Bauhin zählt unter 2500 Pflanzen, die er 1596 beschreibt, nur 19 wilde und 17 zahme Rosen. Erst zur Zeit der Französischen Revolution bringen Kauffahrer aus Kanton die Bengal-Rose, holländische Matrosen entführen 1807 aus Japan die Banksiarose, 1825 kommt die Teerose aus China nach Europa. Und endlich ist es so weit, daß aller Rosenwunder größtes geschieht. Der französische Botaniker Guärin, die von Blüte zu Blüte fliegenden Bienen beobachtend, glaubt, der Natur nachhelfen zu
können: Im Jahre 1831 führt Guärin in Angers die erste künstliche Befruchtung durch. Guerln kreuzt hierbei zwei von Natur aus völlig verschiedene Sorten. Die gelehrten Männer der Botanik verlangen, daß wir es glauben, und wir müssen es glauben, was so seltsam klingt: Unsere edlen Gartenrosen, wie sie heute allenthalben blühen und so poetische Namen tragen, sind gerade 120 Jahre alt, jünger als das Dampfboot, jünger als die Lokomotiven.
Doch in diesen 120 Jahren haben die Rosen sich wunderbar vermehrt. Ein Katalog von 1845 zählte schon 2500 Varianten auf, der Katalog des Jahres 1950 nennt rund 30 000 Namen. „Covent Garden“, „Night“, „Goldenes Mainz“ — alle Städte, alle Tage, alle Zeiten sind vertreten, schöne Frauen und berühmte Männer standen Pate bei den vielen neuen Rosen. Und Immer wieder versuchen die Züchter ihre Kunst, schaffen Rosen mit 30 und 40, auch mit 70 und 80 Kelchblättern. Weiter und weiter wird der Bereich der Farben, schon das ganze Spektrum beinahe umfassend. Wilhelm Kordes, der bekannte deutsche Blumenzüchter, erhielt nach langem Mühen eine Blüte, deren Basis ein leichtes Blau zeigt. In den Vereinigten Staaten glückte eine . lavendelfarbene Züchtung, In Frankreich ergeben Kreuzungen bereits ein Violett. Es wird, sagen Fachleute, noch vieler tausend Versuche bedürfen, und es wird vielleicht auch noch Jahrzehnte dauern. Aber die Fachleute sind ihrer Sache gewiß, daß die Blaue Blume der Romantik als Blaue Rose unseres naturwissenschaftlichen Jahrhunderts Wirklichkeit werden wird.
Kulturelle Nachrichten
Die überwältigende Mehrheit der Rektorenkonferenz in Köln hat sich erneut gegen die alte Form des Korporationswesens, insbesondere gegen die Mensur und das Farbentragen als „Äußerungen eines feudalen Lebensstils“, ausgesprochen. Das alte Verbandswesen müsse durch eine neue Gemeinschaft ersetzt werden. Schätzungsweise gehörten heute nur etwa 12 bis 15 Prozent der Studenten den Traditionskorps an, von denen aber nur ein Teil Farben trage oder Mensuren ausfechte.
Die „Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft“ hat aus Anlaß ihrer
werden, seit wann der Besucher im Westen wohnt, wo er vorher gewohnt hat, was der Reisegrund ist und an welchem Tage die Reise unternommen wird. Hierzu muß der Bewohner der Sowjetzone, der einen solchen Antrag stellt, seine eigenen Personalien angeben und den Antrag mit seiner Unterschrift versehen. Mit der Einführung dieser Aufenthaltsgenehmigungen, die den bei allen Polizeistellen eingesetzten Beamten des Staatssicherheitsdienstes eine weitgehende Auskunft über die Besucher aus Westdeutschland geben, wollen die Sicherheitsbehörden der Ostzone nicht nur die Verwandtenbesuche aus dem Westen einschränken.
Der wichtigere Grund für diese Uberwa- chungsmaßnahmen ist vielmehr, daß damit die rechtliche Voraussetzung zum Einschreiten des Staatssicherheitsdienstes gegen Besucher aus Westdeutschland geschaffen worden ist. Denn die Anweisungen zur Durchführung dieser neuen Maßnahmen lassen keinen Zweifel darüber, daß Besucher aus Westdeutschland, die keine Aufenthaltsgenehmigungen haben, künftig damit rechnen müssen, von der Polizei verhaftet und genauestens überprüft zu werden. K. H.
am Mittwoch in Köln stattfindenden diesjährigen ordentlichen Mitgliederversammlung ihren zweiten Jahresbericht veröffentlicht. Darin wird festgestellt, daß gegenüber einem Betrage von 1,8 Millionen DM im Jahre 1949/50 im abgelaufe- nen zweiten Arbeitsjahr 8,3 Millionen DM an die deutsche Forschung verteilt werden konnten. Diese Steigerung der Zuwendungen 6ei durch die erhöhten Zuschüsse der Bundesländer, die finanzielle Hilfe des Bundes, die Zuschüsse des Stifterverbandes und vor allem aber durch die Zuwendungen aus den ERP-Mitteln in Höhe von allein 4,1 Millionen DM möglich gewesen.
Für den Bücherfreund
Das Buch, der Sekten
Kurt Hutten, Seher, Grübler, Enthusiasten,
Quell-Verlag der Evangelischen Gesellschaft,
2. Auflage. Stuttgart. 1951. 293 S.
Wenige Monate nach der ersten Veröffentlichung erscheint Huttens inzwischen schon bekanntgewordenes Buch bereits in 2. Auflage- Schön ein Blick auf die Kapitelüberschriften „I® Zauberkreis des Tausendjährigen Reiches“, „Del Bräutigam verzog", „Der Ruf nach Heilung“, „Der Schritt über die Rechtfertigung hinaus u. a. zeigt, auf welche Art Hutten in den Stell eindringt und wie er alle theologischen, geschichtlichen und psychologischen Mittel einsetzt, um die noch heute wirkenden christlichen Sexten und sonstigen Splittergruppen zu schildern und — zu analysieren. Jehovas Zeugen, die katholisch-apostolischen Gemeinden, die Siebenten- Tags-Adventisten, die christliche Wissenschaft, die Christengemeinschaft, die Pflngstbewegung und viele andere werden behandelt, die ihr®“ von der Kirche abseitigen Weg oft mit großer Hingabe aus den verschiedensten Motiven heraus gehen. Biblische Einzelmotive — aus dem Zusammenhang gerissen — und psychologisch Beweggründe sind oft für die Entstehung de Sekten verantwortlich. Hutten geht mit groß Sorgfalt vor. Am Schriftenverständnis der evangelischen Kirche mißt er die religiösen, a<j ebenso oft pseudo-religiösen Motive. Sein Bu. ist nicht nur ein Katalog der von Sehern, Gru lern und Enthusiasten geschaffenen weltanscna liehen Gemeinden, sondern will zugleich eine a fester Grundlage stehende Wertung sein. w