Auswärtiges Amt konstituiert
Ein Schritt zur Normalisierung der Auslandsbeziehungen / Personalfragen Drahtbericht unserer Bonner Redaktion
BONN. Die „Verbindungsstelle zur Hochkommission“ ist in das Außenministerium eingegliedert worden. Bisher gehörte sie unter der Leitung -von Ministerialdirektor Blan- k e n h o r n zur Bundeskanzlei. Mit ihrer Übernahme in das Auswärtige Amt ist jetzt die Konstituierung des Außenministeriums abgeschlossen worden. Darin liegt jedoch auch ein Politikum: die Bundesregierung bringt zum Ausdruck, daß sie die Beziehungen zur Hochkommission als eine Aufgabe der Außenpolitik gegenüber den USA, Frankreich und England ansehen will. Das ist wieder ein kleiner Schritt — noch sehr viele sind zu machen — auf dem Weg zur Normalisierung der deutsch-allüerten Beziehungen. Im AA ist der Abschluß des organisatorischen Aufbaus zwangsläufig mit Personalveränderungen verbunden, was auch darin seinen Grund hat, daß sich die Auffassungen Außenminister Adenauers und seines Staatssekretärs Prof. H a 11 s t e i n allmählich in den Vordergrund schieben. Wenn auch der Außenminister selbst bisher mit den leitenden Beamten seines Ministeriums kaum Kontakt aufnahm, so hat sich doch der Staatssekretär um die Führung der Geschäfte zu kümmern begonnen. An den Grundzügen des organisatorischen Aufbaus, um den sich der jetzt für einen Auslandsposten vorgesehene Bremer Staatsrat Haas sehr verdient gemacht hat, wird Hallstein nichts ändern. Auch die noch im Entstehen befindlichen Abteilungen für Kulturfragen und Außenhandel sollen nach den ursprünglichen Plänen der Dienststelle für Auswärtiges vollendet werden. Bei der personellen Besetzung in der Koblenzer Straße 125 in Bonn und in den neuen Auslandsvertretungen wird jetzt allerdings Legationsrat D i 11 -
„Kleine Luftbrücke“
Für den Westberliner Export
BONN. Die Alliierten haben die ersten konkreten Maßnahmen getroffen, um durch eine „kleine Luftbrücke“ die wichtigsten Westberliner Exportgüter über die sowjetischen Kontrollen hinweg in die Bundesrepublik zu fliegen. Wie aus unterrichteten Kreisen verlautet, ist zunächst geplant, mit Privatflugzeugen einen regelmäßigen Warenflugdienst zwischen Westberlin und der Bundesrepublik einzurichten.
Seit Wochen liegen in-Westberlin Millionenwerte von Exportwaren fest, da die sowjetischen Behörden es ablehnen, die bisher üblichen Warenbegleitscheine für den Transport durch die sowjetische Zone zu genehmigen.
Der Rat der Alliierten Hohen Kommission, der am Donnerstag auf dem Petersberg zu seiner Routinesitzung zusammentrat, befaßte sich unter Vorsitz John M c C1 o y s vor allem mit den Finanzierungsmöglichkeiten der „kommerziellen Luftbrücke“ für Berlin.
Der LastenausHeidhsen^wurf
Zur Beratung im September fertig
BONN. Die Unterausschüsse des Lastenausgleichsausschusses beim Bundestag haben ihre Arbeiten soweit abgeschlossen, daß der Gesetzentwurf zum Lastenausgleich im September als Ganzes noch einmal durchgearbeitet werden kann, wie ihr Vorsitzender mitteilte.
Die verschiedenen Währungsgewinnabgaben seien jetzt in eine einheitliche Abgabe zusammengefaßt worden, von der die Landwirtschaft befreit werde. Unernehmen, die die Allgemeinheit versorgen, sollen ebenfalls grundsätzlich von den Abgaben befreit sein. Dies gelte z. B. für Gas-, Wasser- und Elektrizitätswerke mit ihren Lieferungen an Haushalte, öffentliche Betriebe, die im Wettbewerb mit der Privatwirtschaft stehen, sollten genau so belastet werden wie die Privatwirtschaft. Auch die ausländischen Gesellschaften in Deutschland sollen wie jeder deutsche Betrieb zu den Abgaben herangezogen werden.
mann als neuer Chef der Personal-und Verwaltungsabteilung ein gewichtiges Wort mitsprechen. Dittmann — im Gegensatz zu Haas Katholik — steht zu seinem Minister in einem relativ engeren Verhältnis als sein Vorgänger. Hoffen wir, daß das damit gegebene Übergewicht der katholischen Konfession in der Personal- und Verwaltungsabteilung nicht zu neuen Auseinandersetzungen um die „konfessionelle Parität“ im AA führen muß. Gegenwärtig ist das Verhältnis zwischen den Konfessionen etwa so, daß auf drei evangelische Beamte ein Katholik kommt. Ungeklärt ist noch die Neuverwendung von Ministerialdirektor Blankenhorn, dessen Verhältnis zu
Hallstein bereits zu der Erörterung von Plänen führte, die Blankenhorn die Leitung einer Vertretung im Ausland geben wollen.
Grundsätzlich ist in der Errichtung der Auslandsvertretungen ein starker Wille zur Beschleunigung zu registrieren, und über den größten Teil der vom Haushaltsausschuß bewilligten Außenstellen hat der Außenminister noch vor seinem Urlaubsantritt disponiert. Bis zum Ende der Parlamentsferien werden es vermutlich mehr als dreißig Länder sein, zu denen die Bundesrepublik normale diplomatische Beziehungen unterhält. Erhebliche Schwierigkeiten bereitet noch die wiederholt diskutierte Frage der Beteiligung von Sozialdemokraten am Auswärtigen Dienst. Nachdem die SPD an ihrer Forderung auf Besetzung einer der drei wichtigsten Auslandsvertretungen festhält, ist es noch völlig offen, ob und wieweit es „im Auswärtigen“ zu einer Zusammenarbeit kommen kann.
„Noch Hoffnung auf Verständigung“
Erklärung des DGB-Informationsdienstes / Fette präzisiert Forderungen
DÜSSELDORF. Der Informationsdienst der DGB-Pressestelle vermerkt, daß man nach der ' Fühlungnahme zwischen dem DGB und der Bundesregierung am Montag noch auf eine Verständigung hoffen könne. Es sei zwar durchaus noch keine neue Lage entstanden, schreibt der Informationsdienst zu der Aussprache Blücher-Fette, jedoch habe sich gezeigt, daß man verhandeln könne. In den nächsten Tagen und Wochen werde sich entscheiden, welchg Haltung die Gewerkschaften einnehmen werden.
Christian Fette, der Vorsitzende des DGB, erklärte am Mittwoch in einer Rundfunkansprache, bei den Besprechungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes mit der Bundesregierung hätten beide Seiten betont, daß man nicht an einer Vertiefung der sozialen Spannungen interessiert sei. Alle vom Deutschen Gewerkschaftsbund kritisierten Punkte seien offen und ausführlich behandelt worden. Das Ziel des DGB sei nicht eine Restaurierung, sondern eine wirkliche Neuordnung der Wirtschaft.
In einem Überblick über die Forderungen der Gewerkschaften verlangte Fette, daß die
Grundstoffindustrien in eine gemeinwirtschaftliche Ordnung überführt werden. Die Bundesregierung solle sich bei der alliierten Hohen Kommission dafür einsetzen, daß der vorgesehene Umtausch der Aktien der alten Konzerne in Papiere der neuen Kerngesellschaften in der Stahl- und Kohleindustrie für die alten Aktionäre unterbleibe, bis das Parlament endgültig über das Eigentum entscheidet. Das Mitbestimmungsgesetz müsse erweitert werden. Es solle nicht nur für Kohle und Eisen, sondern auch in den anderen großen Wirtschaftszweigen gelten.
Auf einer Kundgebung in Köln forderten rd. 1500 Versicherungsangestellte eine Urabstimmung darüber, ob zur Verwirklichung der gewerkschaftlichen Lohnforderungen gestreikt werden solle. In Bayern begannen am Mittwoch über 2000 Landarbeiter zu streiken. Sie fordern vom 1. August an eine Lohnerhöhung von 25 Prozent. Der bayerische Gewerkschaftsbund rechnet damit, daß Mitte nächster Woche etwa 25 000 Landarbeiter in Streik getreten sein werden.
Kleine Weltchronik
KRONACH (Bayern). Im Laufe des gestrigen Tages und des Mittwoch trafen immer wieder vereinzelt oder in kleinen Gruppen Jugendliche aus der Sowjetzone im bayerischen Kreis Kro- nach ein, die sich der Teilnahme an den kommunistischen Weltjugendfestspielen in Ostberlin entziehen wollen.
BONN. Bundeskanzler Dr. Adenauer wird am kommenden Samstag von 19.40 bis 20.00 Uhr anläßlich der kommunistischen Weltjugendfestspiele, die am Sonntag in Ostberlin beginnen, über den Südwestfunk sprechen.
BONN. Mit Wirkung vom 2. August hat Jugoslawien den Kriegszustand mit der Bundesrepublik beendet.
DÜSSELDORF. Ministerpräsident Karl Arnold begründete die Begnadigung des früheren Düsseldorfer Gauleiters Karl Florian am Mittwoch vor dem Landtag von Nordrhein-Westfalen damit, daß, nachdem bei der Mehrheit des deutschen Volkes das demokratische Staatsbewußtsein bereits stark verankert sei, die Demokratie jetzt ihre Gegner von gestern nicht mehr zu fürchten brauche. '
HAMBURG. Die Empfehlung der Bundesregierung an die Länder, den Rat der kommunistischen Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) zu verbieten, ist bisher in Rheinland- Pfalz, Hamburg und Niedersachsen verwirklicht worden. Hamburg und Niedersachsen haben darüber hinaus die Gesamtorganisation der VVN für ihr Gebiet verboten, die Geschäftsstellen geschlossen und cjfls Vermögen sichergestellt.
BERLIN. Der Schiffsführer und Eigner der „Heimatland“, Erich Weise, dessen Schiff am 5. Juni bei Treptow ausbrannte, wobei über 30 Berliner Kinder das Leben ließen, wurde am Mittwochabend vom Ostberliner Landgericht zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt.
LONDON. Die britische Admiralität hat angeordnet, daß die Schnorchelanlagen in allen U- Booten der A-Klasse abgebaut und durch neue
ersetzt werden müssen. Der Beschluß wurde im Hinblick auf den Untergang der „Affray“ gefaßt.
PARIS. Die französische Regierung hat in einer Erklärung offiziell gegen die in letzter Zeit in Ungarn vorgenommenen Massendeportierungen aus Budapest protestiert. Ein ähnlicher Protest erfolgte aus London. Beide Regierungen kündigen die Weiterleitung des Beweismaterials für die Verletzung der Menschenrechte an die Vereinten Nationen an.
SAINT JEAN DE LUZ. Prinz Heinrich von Bayern, Sohn des Prinzen Rupprecht und Sohn der Prinzessin Antonia von Luxemburg, ist am Mittwoch mit der französischen Adeligen Anne Marie de Lustrac kirchlich getraut worden. Der 29jährige Prinz ist Angestellter der New Yorker „Grace-Bank“. Die Trauungsfeier fand im engsten Familienkreise statt.
BERN. „Lebendige Demokratie, sozialer Friede und eine starke Armee“ — unter dieser Devise beging die Schweiz am Mittwoch ihren Bundesfeiertag. Die Feiern waren in diesem Jahre besonders stark besucht. Am Abend flammten auf den Schweizer Bergen die traditionellen Höhenfeuer.
KAPSTADT. Im „Veld“ von Südwestafrika sind riesige Steppenbrände ausgebrochen, die zur schlimmsten Katastrophe des Landes seit Menschengedenken zu werden drohen. Tausende von Antilopen, Gazellen und anderer Steppentiere befinden sich in wilder Flucht vor den Flammen, denen bereits über 70 000 Hektar Land zum Opfer gefallen sind. Die Flammenfront ist an einigen Stellen mehrere hundert km breit.
WASHINGTON. Zum Nachfolger des verstorbenen Chefs der US-Marine, Admiral Sherman, hat Präsident T r u m a n den bisherigen Oberbefehlshaber der amerikanischen Atlantikflotte, Admiral William M. F e c h t e 1 e r, ernannt. Durch Fechtelers Ernennung wird die Besetzung des Oberkommandos der atlantischen Seestreitkräfte wieder offen, für das er vorgesehen war.
Israelische Koalitionssorgen
Araber „Zünglein an der Waage“
TEL AVIV. Das amtliche Ergebnis der Parlamentswahlen in Israel ergibt für die Arbeiterpartei (Mapai) 39 Prozent, Allgemeine Zionisten (rechts gerichtet) 17 Prozent, Mapara (Linkssozialisten) 12 Prozent. Die übrigen Stimmen verteilen sich auf die Splitterparteien. Bei einer Wahlbeteiligung von 70 bis 80 Prozent sind die Verhältnisse im neuen israelitischen Parlament sehr unklar. Der bisherige Ministerpräsident Ben Gurion stößt bei der Suche nach einer stabilen Mehrheit für eine neue Regierung auf große Schwierigkeiten. Die kommunistenfreundliche Mapam-Partei hat wohl vier Sitze verloren, aber bei den vielen Splitterparteien können eventuell die acht — früher drei — arabischen Abgeordneten das Zünglein an der Waage bilden.
Die kommunistische Partei Israels forderte gestern die Bildung einer ausschließlichen Arbeiterregierung, nachdem in der Legislative 79 sozialistische Abgeordnete bei insgesamt 120 Abgeordneten vertreten seien.
Verhandlungsbeginn Samstag?
Britische Mission noch nicht gestartet
TEHERAN. In persischen Regierungskreisen glaubte man gestern, daß die britische Delegation zur Wiederaufnahme der im Juni abgebrochenen Ölverhandlungen noch Ende dieser Woche in Teheran eintreffen werde. Gleichzeitig erklärt das britische Außenministerium in London, eine Mitteilung des amerikanischen Sonderbeauftragten Averell Harriman aui Teheran gebe Grund zur Hoffnung, daß eine derartige Delegation entsandt werden könne.
Harriman hatte die britische Regierung über die jüngste Entwicklung der persischen Zustimmung zur allgemeinen Besprechungsgrundlage unterrichtet. Jetzt bliebe nach persischer Ansicht nur noch Zeit und Ort der Konferenz festzulegen.
Die anglo-iranische Ölgesellschaft hat vorsorglich zehn Plätze in einem Flugzeug belegt, das heute abend von London nach Teheran startet. Es wird angenommen, daß die britische Delegation unter Lordsiegelbewahrer S t o k e i zu diesem Zeitpunkt abfliegen wird.
Doch nidit Saarerörterung
Adenauer will noch warten
STRASSBURG. Nach Mitteilung deutscher Konferenzkreise wird der Bundeskanzler die Saarfrage im Straßburger Ministerausschuß voraussichtlich doch nicht anschneiden Aui deutscher Seite wird die Auffassung vertreten, daß man zunächst die Antwortnote der Westmächte auf die letzte Saarnote der Bundesregierung abwarten wolle.
Frankreich, Großbritannien und die Vereinigten Staaten bereiten, wie Reuter aus Paris meldet, zurzeit eine gemeinsame Note zui Saarfrage an die Bundesregierung vor. Es verlautet, daß die drei Regierungen ihre bisherig« Haltung bekräftigen werden, daß nämlich der Status des Saarlandes im Friedensvertrag mit Deutschland endgültig geregelt werden soll. In Straßburg rechnet man damit, daß der französische Außenminister Robert Schum an und Dr. Adenauer in einem persönlichen Zusammentreffen in Straßburg die Frage besprechen werden. Der englische Außenminister Morri.son ist bereits eingetroffen. Die Sitzungen begannen gestern nachmittag.
Rätse raten um McC oy
Nachfolger Robert Murphy?
LONDON. In London verlautete, die Vereinigten Staaten planten tiefgreifende Personalveränderungen in der Leitung der Hohen Kommission in Deutschland. Nach diesen Quellen soll in den nächsten Monaten u. a. der Hohe Kommissar, John McCloy, durch den jetzt in Brüssel als US-Botschafter tätigen Robert Murphy abgelöst werden. Murphy war früher bereits politischer Berater des US-Militfir- gouverneurs Lucius D. Clay. Der politische Berater McCloys. Samuel Reber, soll als stellvertretender Hoher Kommissar vorgesehen sein.
EITERES J>PIEL
IM NECKARTAL
Ein ft öhlicher Roman von Else Jung 7] Copyright by Verlag Bechthold
„Wundervoll!“ sagte sie und klatschte in die Hände. „Es war eine ganz große Szene, Walter. So echt hast du noch niemals gespielt.“
„Ich spiele nicht!“ brüllte er außer sich. „Und wenn du nicht mit deinem Gespöttel auf der Stelle Schluß machst, vergreife ich mich an dir.“
Isa kam auf ihn zu. Süß sah sie aus, aufreizend süß, als sie sich wie ein neugieriges, kleines Mädchen vor ihn hinstellte, bittebitte machte und sagte: „Ach ja, tu das doch mal, Walterchen.“
Da hatte er sie auch schon umfaßt, hob sie hoch und preßte sie so fest an sich, daß ihr der Atem verging. Sie fühlte seinen Mund auf ihren Lippen und Küsse, die schwindelerregend waren. Schreien wollte sie, aber es war nur ein ersticktes Mmm Mmm, das sie hervorbrachte. Mit den Beinen zappelnd, mit beiden Fäusten die Schulter des Mannes bearbeitend, wehrte sie sich. Doch gegen die Muskelkraft des Angreifers kam sie nicht auf, schlapp hing sie in seinen Armen, ein wenig erschöpft und ein wenig betäubt.
Endlich bekam sie wieder Luft, aber ehe sie noch etwas sagen konnte, flog sie in sausendem Schwung auf den Divan.
„Na“, fragte Kersten, „genug?“
Er stand über sie gebeugt, lachend, mit erhitztem Gesicht.
Mit blizelnden Augenlidern schaute Isa zu ihm auf. Ihre Lippen leuchteten blutrot
und warm, und dann sagte sie wieder eins ihrer echten Isaworte:
„Donnerwetter, du bist ja wirklich und wahrhaftig ein Mann!“
Für dieses Lob küßte Kersten sie noch einmal und erlebte die Genugtuung, daß ihm ihr Mund weich und aufgeschlossen entgegenkam.
Nachher saßen sie friedlich nebeneinander und lasen Thilos Karte.
„Was hältst du davon?“ fragte Isa. „Der Junge spinnt.“
„Wenn man verliebt ist, hat man sozusagen die Pflicht und das Recht, sich anders zu benehmen als gewöhnliche Sterbliche.“
Sie gab ihm einen Stoß.
„Ach du, mit dir kann man ja auch nicht mehr vernünftig reden. Und dabei bin ich in so großer Sorge um Thilo.“
Kersten meinte, daß dazu kein Grund bestehe. Thilo sei alt genug, um zu wissen, was er tue. Außerdem befinde er sich am schönen Rhein, und wenn Isa wolle, könnten sie morgen auch dorthin reisen. Sein neuer Wagen stehe schon in der Garage und warte nur darauf, eingeweiht zu werden. Im Atelier würden augenblicklich ein paar Szenen gedreht, in denen er nichts zu tun habe. Also — nicht lange besinnen und ja sagen.
Er hielt Isa die Hand hin, und sie schlug ein.
„Aber nur unter einer Bedingung, Walter.“
„Und — die wäre?“
Sie hob den Finger und drohte ihm.
„Daß du nicht wieder in deinen alten Adam zurückfällst, den ich nun einmal in den Tod nicht leiden kann.“
Kersten versprach es. Er würde vom heutigen Tage an ein ganz anderer Mensch werden, würde die Gespenstervilla mit allem Drum und Dran verkaufen und alle verrückten Sammelleidenschaften aufgeben. Alles wolle er tun, was Isa wünsche, wenn sie ihn nur ein kleines bißchen liebhaben könne —.
„Hör auf!“ — Isa rang die Hände. — „Men-
schenskind, begreifst du denn nicht, daß eine Frau wie ich nur befiehlt und wünscht und ein ausgewachsenes Mannsbild tyrannisiert, wenn sie merkt, daß dieser Esel nach ihrer Pfeife tanzt?“
Etwas verdattert sah Kersten sie an, dann breitete sich ein strahlendes Lächeln des Verstehens über sein Gesicht.
„Ach, so ist das also!“ sagte er beglückt. „Na, dann sollst du in der Zukunft dein blaues Wunder an mir erleben. Von jetzt an befehle ich! Morgen punkt sieben Uhr hole ich dich ab. Dein Koffer ist gepackt, du erscheinst sehr hübsch angezogen und sauber gewaschen —.“
Isa sprang auf.
„Es geht ja doch nicht, Walter!“ rief sie bekümmert.
„Warum nicht? — Soll ich etwa noch kommen, um dich zu bezahlen?“
„Quatsch!“ Isa schüttelte lachend den Kopf. — „Aber ich kann doch meine Tiere nicht allein und ohne Pflege im Atelier lassen."
In diesem schwierigen Fall bewies sich Kersten wirklich als der Mann, der sich vorgenommen hatte, jeder verwickelten Lage entgegenzutreten.
„Heute abend schicke ich dir meinen Chauffeur mit dem Wagen. Du verpackst unterdessen alle deine Tiere in Käfige, stellst eine Liste auf, wie, womit und wann deine Lieblinge gefüttert werden sollen, und überläßt alles Weitere mir“, sagte er mit einer Miene, die Widerspruch nicht aufkommen ließ.
Isa sah ihn bewundernd an und meinte nur, daß sie es noch nicht fassen könne, wie sich ein Affe in so* kurzer Zeit in einen regelrechten Menschen habe verwandeln können, worauf sie zur Strafe noch einmal erdulden mußte, daß ihr boshafter Mund mit einem atemberaubenden Kuß geschlossen wurde.
Viertes Kapitel
Thilo hatte seine Mappen zuunterst in den Kofferraum des Silbergrauen gestopft und
hatte sie mit keinem Blick mehr angesehen. Das Zusammensein mit Imma nahm ihn so völlig in Anspruch, daß er auch den eigentlichen Zweck seiner Reise vergessen hatte, nämlich: eine Stellung zu suchen.
Imma hatte ihn wohl einmal gefragt, ob er denn gar nichts zu tun habe, und was er im bürgerlichen Leben für ein Amt bekleide.
Seine Antwort war vergessen: Er sei Künstler — Maler und Zeichner —, wenn sie e< durchaus wissen wolle.
Ein richtiger Maler?
Nein, mehr ein kunstgewerblicher Zeichner.
Daraufhin hatte Imma die Brauen hochgezogen und „Ach!“ gesagt.
Ein einfaches, kleines Ach kann sehr vieldeutig klingen, man muß es nur verstehen, die richtige Betonung hineinzulegen.
Aus Immas Ach hörte Thilo Überraschung und Interesse heraus.
Das hatte sich gestern zugetragen, al* sie bei herrlichstem Sonnenschein in den Ruinen des Drachenfels umhergeklettert waren. Imma hatte zum erstenmal ein Kleid angehabt, ein duftiges, blumiges Sommerkleid, und dazu helle Seidenstrümpfe und rote, geflochtene Ledersandaletten.
Es war Thilo ein Rätsel, wie sie zu diesen hübschen Sachen gekommen war. Gekauft hatte sie sich nichts, denn sie besaß ja angeblich kein Geld. Trotzdem stand ein Kotier in ihrem Zimmer, und der Himmel mochte wissen, welche unbekannte Macht ihn dort hineinpraktiziert hatte,
Als Thilo sich danach zu fragen getraute, hatte Imma in schöner Selbstverständlichkeit geantwortet, daß ihn der Hausdiener von der Post geholt habe. Ihre Weinsberger Verwandten hätten ihr das Gepäck auf ihren Wunsch postlagernd nach Linz geschickt, und deshalb habe sie vorgestern so fest darauf bestanden, einen Tag und eine Nacht in Linz Station zu machen. (Fortsetzung folgt)