HEIMATBLATT FÜR

FREITAG, 3. AUGUST 1951

ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG

7. JAHRGANG / NR. II»

Petsdie troij Bestätigung vor sehr schweren Aufgaben

Mehrheit in der Nationalversammlung gesichert / Komplizierte Kabinettsbildung

PARIS. Der mit der Regierungsneubildung beauftragte unabhängige Finanzminister Mau­rice P e t s c h e stellte sich gestern der Natio­nalversammlung vor, die seine Beauftragung bestätigen muß. Es gilt als sicher, daß Petsche die für seine Investitur erforderliche Stimmen­mehrheit erhält. Die Hauptschwierigkeiten er­warten ihn erst anschließend bei der Kabi­nettsbildung.

In seiner Regierungserklärung sagte Petsdie zu den außenpolitischen Problemen, er hoffe, daß Frankreichin den Monaten, in denen über das Gleichgewicht Europas und viel­leicht über den Frieden in den kommenden Jahren entschieden wird, nicht vom Welt­geschehen abgeschnitten sei. Es sei unannehm­bar, fügt er hinzu, daß Frankreich als letztes Land die Diskussion über den Schumanplan beginne und bei der Vorbereitung des japa­nischen Friedensvertrages ohne Regierung sei. Frankreich laufe ferner Gefahr, ohne ausrei­chende Vorbereitung auf der Herbstkonfe­renz der atlantischen Gemeinschaft zu erschei­nen. Doch werde es die vor ihm stehenden Aufgaben bewältigen, wenn die republikani­sche Mehrheit das wolle.

Die französische Presse sagt gestern über­einstimmend, daß Petsche in der Nationalver­sammlung die notwendige Stimmenzahl erzie­len werde. Sie sieht aber das Problem in der Bildung eines arbeitsfähigen Kabinetts, da offen sei, ob sich die Sozialisten an der neuen Regierung beteiligen werden.

Die Bemühungen zur Beendigung der seit dem 10. Juli andauernden Regierungskrise scheiterten bisher hauptsächlich an der Forde­rung der katholischen Volksrepublikaner, daß der Staat die katholischen Schulen subventio­nieren solle. Die Krise war durch den Rück­tritt des radikal-sozialistischen Ministerpräsi­denten Henri Queuille im Anschluß an die Nationalwablen entstanden.

Die ehemaligen Widerstandskämpfer unter den französischen Parlamentariern haben sich

am Mittwoch zu einer Gruppe zusammenge­schlossen, der Angehörige aller politischen Richtungen angehören. Zum Vorsitzenden wurde der ehemalige sozialistische Minister Daniel Mayer gewählt. Die ehemaligen Wi­derstandskämpfer begründen die Notwendig­keit einer engeren Organisation mit der neuen Aktivität, die die Vichy-Anhänger nach dem Tode Marschall Petains entfaltet hätten.

Die französische Regierung hat eine größere Zahl modernster britischer Düsenjäger vom TypSea Venom bestellt, die auf Flugzeug­trägern stationiert werden können. Weiter werden an Frankreich vier britische Untersee­boote für die Dauer von vier Jahren ausge­liehen.

Ohne Fortsdiritte in Käsong

Keine Einigung über neutrale Zone

KÄSONG. Auch die 18. Sitzung der Waffen­stillstandskonferenz in Käsong endete am Don­nerstag nach nur 80 Minuten Dauer, ohne daß Fortschritte in der kritischen Frage der neu­tralen Zone bekanntgegeben werden konnten. Die alliierten und die kommunistischen Unter­händler vereinbarten für den Freitag eine neue Sitzung.

Vizeadmiral Turner J o y, der alliierte Dele­gationsführer, war noch vor der Sitzung von der letzten Erklärung des amerikanischen Au­ßenministers A c h e s o n unterrichtet worden, daß die kommunistische Forderung auf Errich­tung einer Pufferzone entlang des 38. Breiten­grades unannehmbar sei.

Auch der nordkoreanische Rundfunk wies in scharfer Form den alliierten Vorschlag zurück, die neutrale Zone entlang der gegenwärtig fast ganz in Nordkorea verlaufenden Frontlinie zu errichten.

Die Lage an der Front ist abgesehen von ein­zelnen Stoßtruppunternehmen im allgemeinen ruhig. Die UN-Luftstreitkräfte flogen am Don­nerstag rund 500 Einsätze gegen den kommu­nistischen Nachschub.

Morrison-Erklärung in russischer Presse

Mit Gegendarstellungen / Die Nummern waren in Moskau Bestseller

MOSKAU. Nachdem diePrawda die Er­klärung des britischen Außenministers Mor­rison zusammen mit einer doppelt so langen Gegendarstellung schon am Mittwoch gebracht hatte, folgten nun gestern vier weitere große Moskauer Blätter. Sämtliche Organe veröffent­lichten Morrisons Erklärung im vollen Wort­laut und anschließend den Kommentar der , prawda.

Gleichzeitig wird aus Moskau von einem Angebot der neuen, in englischer Sprache er­scheinenden WochenzeitschriftNews berich­tet, Artikel amerikanischer Journalisten zu veröffentlichen, die der Anbahnungfreund­schaftlicher Beziehungen zwischen der Sowjet­union und den Vereinigten Staaten dienten. Dieses Angebot erfolgt auf einen Vorschlag derNew York Times, die den freien Aus­tausch von Personen und Ideen als geeignetes Mittel zur Verbesserung der gegenseitigen Be­ziehungen ansieht. Da diese Zeitschrift aber in englischer Sprache erscheint, dürfte sie in der Sowjetunion nur einen ganz kleinen Le­serkreis haben.

Bund erhielt größte ECA*Hi!fe

105 160 000 Dollar im 1. Quartal

WASHINGTON. Präsident Trum an hat dem amerikanischen Kongreß gestern den Vierteljahresbericht der Marshallplanverwal- tung (ECA) vermittelt. Darin wird hervorge- hobenj daß der Marshallplan in Westeuropa einen bemerkenswerten wirtschaftlichen Wie­deraufbau gezeitigt und eine gesunde Grund­lage für die neuen Verteidigungsaufgaben der Atlantikpaktstaaten geschaffen habe.

Die ECA-Bewilligungen beliefen sich für das erste Quartal 1951 auf 430100 000 Dollar (1 Dollar = 4.20 DM). Die gesamten Bewilli­gungen seit Anlaufen des Planes vor drei Jah­ren erhöhten sich damit auf 10 700 000 000 Dol­lar.

Die einzelnen Länder erhielten in den ersten drei Monaten dieses Jahres folgende Beträge: Deutsche Bundesrepublik 105 100 000 Dollar, Frankreich 77 900 000 Dollar, Italien 48 100 000 Dollar, Österreich 35 800 000 Dollar, Belgien/ Luxemburg 14 200 000 Dollar, Dänemark 11900 000 Dollar, Holland 25 500 000 Dollar, Norwegen 8 100 000 Dollar, Schweden 8 700 000 Dollar, Türkei 12 500 000 Dollar.

In dem Bericht wird hinzugefügt, daß die Produktion sich auf dem höchsten Stand des vorhergehenden Quartals gehalten habe und omit 39 Prozent über dem Vorkriegsausmaß liege.

Morrison verwahrt sich in seinem Aufsatz gegen die sowjetische Behauptung, daß die britischen Politiker Kriegshetzer seien und die Sowjetunion angreifen wollten. Morrison er­klärte, in der Sowjetunion gebe es keine Frei­heit der Rede, und keiner habe die Möglich­keit, zu erfahren, wie die übrige Welt lebt und wie sie denkt.Diese Ignoranz, so schreibt Morrison,läßt Furcht und Mißtrauen vor den Absichten anderer Völker entstehen. Selbst die britischen Rundfunksendungen für die Sowjetunion werden künstlich und absicht­lich von der sowjetischen Regierung gestört. Warum? Was hat Eure Regierung zu fürch­ten? Ich wünsche, sie würde sich unserer Pra­xis anschließen die englischen Sendungen aus der Sowjetunion können frei abgehört werden, und nicht nur die Tageszeitungen der britischen Kommunisten, sondern selbt die Prawda kann gekauft werden.

Die bei den Vorverhandlungen erwähnten Befürchtungen derPrawda, daß der Ab­druck des Morrison-Artikels ihren Absatz be­einträchtigen werde, hat sich nicht bewahr­heitet, Die Mittwochausgabe des Parteiorgans mit Morrisons Artikel fand vielmehr reißen­den Absatz und größtes Interesse bei der Mos­kauer Bevölkerung. Um 10 Uhr vormittags war diePrawda in den meisten Kiosken ausverkauft.

Die Delegation der Vereinten Nationen in Käsong während einer Besprechungspuase. Von unkt nach rechts: General Craigie, General Paik, Vieeadmiral Joy,'General Ho des und Gene - ral Burke. Foto ap

Politik und Geschäftsordnung

h.f. Wenn der Bundestag im September wie­der Zusammentritt, wird er 88 Gesetzesvorla­gen zum Teil noch aus dem Jahr 1949 und 227 Anträge zu behandeln haben, wobei die Vorlagen und Anträge, die bis zum Ende der Parlamentsferien noch eingebracht werden kön­nen, nicht eingerechnet sind. Allein diese Zah­len genügen, um deutlich zu machen, daß eine Rationalisierung der Arbeit in Angriff genom­men werden muß. Die neue Geschäftsordnung soll das besorgen. Unmittelbar nach den Par­lamentsferien wird sie im Plenum zur Diskus­sion stehen, um die bisherige vom Reichstag übernommene Geschäftsordnung abzulösen. Ein Redaktionsausschuß des Bundestagsausschusses für Geschäftsordnung und Immunität hat jetzt während der Parlamentsferien im idyllischen Bebenhausen dem Entwurf, über den das Ple­num entscheiden soll, den letzten Schliff ge­geben. Die Erfahrungen, die der Bundestag im Verlauf seiner Arbeit machte, sind dabei be­stimmend gewesen und zrwei Ziele wurden ver­folgt: 1. die Rationalisierung der Arbeit und 2. die parlamentarische Arbeit soll lebendiger werden als bisher, den Auseinandersetzungen soll der Sauerstoff der parlamentarischen Dis­kussion zugeführt werden.

Unter Berücksichtigung dieser Ziele ist eine monatliche Fragestunde vorgesehen, in der das Parlament die Regierung fragt und diese ant­worten muß. Auch wenn im Verlauf dieser Stunde keine Aussprache erfolgen, aber Zusatz­fragen möglich sein sollen, wird sie sowohl die Diskussion stärken, als auch viele Anträge und Anfragen überflüssig machen. Vor der Einfüh­rung dieser ln England selbstverständlichen und im bayerischen Landtag bewährten Aus­sprache zwischen Legislative und Exekutive steht jedoch noch ein Hindernis. Es heißt, die Minister sollen vorher über die sie erwartenden Fragen unterrichtet werden. Wielange vorher? Zwei oder 24 Stunden oder gar acht und mehr Tage vorher? Der Entwurf präzisiert diesen Zeitraum nicht, was jedoch notwendig ist, soll diese Fragestunde nicht sehr akademischen Charakter bekommen. Soll sie einen lebendigen Parlamentarismus ausdrücken, so kann dieses Vorher nur heißen: möglichst am Tage zu­vor, aber nicht nach Beginn der Fragestunde. Bis jetzt scheinen sich Regierung und Oppo­sition noch nicht ganz einig in dieser Frage. Die einen möchten ihre Minister nicht in Verle-

Schulgeldfreiheit in Wörtt.-Badjen

Landesverfassung nach vier Jahren erfüllt / Durchführung bis 1957

STUTTGART. Der württemberg-badische Landtag hat gestern in namentlicher Abstim­mung mit 67 Stimmen bei 17 Enthaltungen der CDU das Gesetz über Schulgeld- und Lernmit­telfreiheit in allen öffentlichen Volks-, Berufs­und Höheren Schulen in dritter Lesung ange­nommen.

Damit sind nach mehr als vierjähriger Bera­tung über dieses Gesetz die diesbezüglichen Be­stimmungen der Landesverfassung erfüllt. Ein entsprechender Gesetzentwurf Whr im frühe­ren Landtag mehrfach an der Ablehnung der CDU gescheitert. Durch das jetzt angenommene Gesetz soll die Schulgeld- und Lernmittelfrei­heit aus finanziellen Gründen nur etappenweise und erst bis zum Beginn des Schuljahres 1957 voll verwirklicht werden.

Die CDU bezeichnete die Verabschiedung des Gesetzes als ein parteipolitisches Manöver, da es nach der Volksabstimmung über den Süd­

weststaat im jetzigen Land Württemberg-Ba­den keine Wirksamkeit erlangen werde. Das Gesetz lege nicht nur dem Staat, sondern auch den Gemeinden schwere finanzielle Belastun­gen auf.

Gegenwärtig ist die Schulgeld- und Lernmit­telfreiheit in den Ländern Bayern, Hessen, Bre­men, Hamburg und Berlin in vollem Umfange, in Schleswig-Holstein, Württemberg-Hohenzol- lem. Südbaden und Rheinland-Pfalz mit Ein­schränkungen in Kraft.

Das Schulgeld an den Höheren Schulen, das bereits am 1. September 1949 auf die Hälfte der früheren Beträge gekürzt worden war, wird in den nächsten Jahren jeweils um weitere zehn Prozent gesenkt werden, so daß vom Jahre 1956 an auch an den Höheren Schulen volle Schul­geldfreiheit bestehen wird Das Gesetz gibt ferner die Möglichkeit, Erziehungsbeihilfen an Schüler und Studenten zu gewähren.

genheit bringen und die anderen sehen natür­lich keinen Grund, es nicht zu tun.

Ebenfalls als offen kann auch noch die Frage der Fraktionsstärke angesehen werden. Der Entwurf des Ausschusses sieht eine Mindest­zahl von 15 statt 10 Abgeordneten vor. Das würde bedeuten, daß voraussichtlich das Zen­trum, die Bayernpartei, die WAV, die KPD und die Nationale Rechte endgültig keine Fraktio­nen mehr bilden können. Wird aber die CSU bereit sein, der Bayempartei diese Eigenschaft abzuerkennen? Einigkeit besteht darüber, daß die Ausschußsitzungen mit geringen Einschrän­kungen nicht öffentlich bleiben sollen. Die in Vorbereitung befindliche Ehrenordnung des Bundestages wird in der neuen Geschäftsord­nung wohl angekündigt, doch gibt es eine be­trächtliche Zahl von Abgeordneten, die sich von einer solchen Ordnung wenig Erfolg verspre­chen. Die Vermehrung der Kompetenzen des Bundestagspräsidenten in der Leitung der Sit­zungen wird dagegen von einer eindeutigen Mehrheit gestützt. Das gleiche gilt von der Be­tonung der Verpflichtung der Abgeordneten, an der parlamentarischen Arbeit teilzunehmen. Darüber, ob nur bei unentschuldigtem Fehlen ein Teil der Aufwandsentschädigung zurückbe­halten wird oder ob bei vorsätzlichem Fern­bleiben eine bestimmte Summe alsBuße von dem betreffenden Abgeordneten bezanlt wer­den soll, wird das Plenum das letzte Wort spre­chen.

Es gehört in diesen Zusammenhang, wenn künftig die freie Rede die parlamentarischen Diskussionen bestimmen soll und es nur noch Ausnahmen sein dürfen, wenn Reden von Ma­nuskripten abgelesen werden. In der Vergan­genheit waren es gerade die Verlesungen wohl­präparierter Erklärungen, die das Zustande­kommen einer echten Diskussion im Bundestag verhinderten. Eine große Zahl nicht alle der Abgeordneten verlas lediglich die Ansich­ten der Fraktion ohne auf die in der Diskussion zum Ausdruck gekommenen Meinungen des Gegners Bezug zu nehmen. Es wurde zum Fen­ster heraus gesprochen, aber nicht diskutiert. Nur zu häufig war das, wie der FDP-Abgeordr- nete Dr. Mende es formuliert,eine Sünde wi­der den Parlamentarismus. Der Bundestag hatte sich damit auf eine Ebene gestellt, die unter der seinen liegt; denn auch darin hat Dr. Mende recht, daß es dem Bundestag wie man­cher schönen Frau ergeht: er ist besser als sein Ruf. Auch diesen Ruf soll und kann die neue Geschäftsordnung weiter verbessern, wenn nicht die vorgesehenen Reformen durch tak­tische politische Überlegungen auf beiden Sei­ten des Hauses verwässert werden. Leider ist die Betonung dieses Vorbehalts notwendig, ob­wohl es nicht um eine parteipolitische Fräge, sondern um grundsätzliche Probleme des Par­lamentarismus geht.

Warenverkehr gestoppt

BONN. Heute nacht um 12 Uhr wurde der gesamte legale Warenverkehr aus der Bundes­republik in die Sowjetzone eingestellt. Diese Maßnahme wurde von der Bundesregierung getroffen, weil die Verlängerungsfrist des al­ten Interzonen-Handelsabkommen zu diesem Zeitpunkt abgelaufen ist. Die Unterzeichnung eines neuen [Interzonen-Handelsabkommens ist bisher an den sowjetischen Beschränkungen des Westberliner Warenverkehrs gescheitert.