FREITAG, 2 7. JULI 1951
WIRTSCHAFT
NUMMER 115
Eine Lanze für die Sparer
Sparkassen fordern allgemeine Sparerentschädigung / Neuer Stichtag 20. Juni 1948
In Anbetracht der großen Bedeutung, die der Frage der Sparerentschädigung für die weitere Spartätigkeit und Kapitalbildung zukommt, hat die Arbeitsgemeinschaft deutscher Sparkassen und Giroverbände und Girozentralen e. V. an die Mitglieder des Unterausschusses Altsparer im Bundestag ein Schreiben gerichtet, in dem es u. a. heißt:
„Wir schlagen deshalb vor, die Sparerentschädigung als eine besondere Entschädigungsgruppe neben der Hauptentschädigung in das Lastenausgleichsgesetz aufzunehmen.
Wir schlagen ferner vor, bei den Sparbuchsparern, die die größte geschlossene Gruppe von Geschädigten überhaupt darstellen und die auch durch die Anrechnung der sogenannten Kopfquote und der Festkontenstreichung die am meisten geschädigte Gruppe sind, vom Stichtag 1.1. 1940 abzugehen und statt dessen den Währungsstichtag 20. 6.3948 festzusetzen, und sehen darin die beste Lösung, die für diese Geschädigten- gruppe einfach und wohl auch sozial am gerechtesten wirkt.
Für die Wiederbelebung des Kapitalmarktes und die Stärkung der Investitionsfinanzierung, so heißt es weiter, stellt die Entschädigung der toäh- rungsgeschädigten Sparer nach unserer Auffassung das entscheidende Mittel dar, zumal dadurch das Unrecht der Festkontenstreichung und der Anrechnung der Kopfquote endlich beseitigt wird.“
80 —90 Prozent gingen leer aus
Während man bisher daran gedacht hatte, die durch die Abwertung in Not geratenen Altsparer ebenso wie die anderen Geschädigten in die „Hauptentschädigung“ einzubeziehen, ihnen also eine laufende Rente oder eine einmalige Aufbauhilfe zu gewähren, haben neuere Überlegungen
Landwirtschaft
BONN. Die unzureichende Subventionierung des Dieselkraftstoffpreises für die Landwirtschaft wird vom Informationsdienst des deutschen Bauernverbandes kritisiert. Der Bundesfinanzminister behalte von den 40 Millionen DM, die er zur 'Verbilligung der Abgabe von Dieselkraftstoff an die Landwirtschaft ausgeben wollte, denjenigen Betrag ein, der zur Finanzierung der Frühdruschprämie erforderlich ist.
„Praktisch bedeutet das“, so wird erklärt, „daß die etwa 150 000 landwirtschaftlichen Dieselkraftstoffverbraucher die Frühdruschprämie bezahlen.“ Der Bauer werde es sich in Zukunft überlegen müssen, ob er den Parolen für die Mechanisierung und Intensivierung der Landwirtschaft folge oder gezwungenermaßen extensiver wirtschafte.
jetzt in eine andere Richtung gewiesen. Es ist festgestellt worden, daß die Guthaben von etwa 80—90 Prozent der Sparer unter die Bagatell- klausel fallen würden. Etwa 25 Millionen Sparkonten, die unter 1100 Mark liegen, würden damit überhaupt unberücksichtigt bleiben. Andererseits würden die übrigen Sparer sehr hoch entschädigt werden, und zwar durchschnittlich 90 Prozent ihrer RM-Konten in DM aufgewertet erhalten.
Aufwertung von 6,5 auf 10 Prozent
Nach dem Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Sparkassen- und Giroverbände soll im Lastenausgleich eine besondere Entschädigungsgruppe für Altsparer gebildet werden, deren Konten über die bisherigen 6,5 Prozent hinaus auf 10 Prozent aufgewertet werden sollen. Während die ursprünglich geplante Einbeziehung der größeren Altsparer in die Hauptentschädigung des Lastenausgleichs nur für etwa 10 Prozent der Altsparer Vorteile gebracht hätte, würden nach dem Vorschlag der Sparkassen alle Altsparer entschädigt werden. Der notwendige Aufwand wird auf 2,1 Milliarden DM geschätzt; währungspolitisch bezeichnet man ihn als nicht bedenklich, da die aufgewerteten Gelder für längere Zeit gesperrt blieben und nur nach und nach freigegeben würden. Die Verwaltungsarbeit würden die Sparkassen übernehmen. Auf diese Weise könnte das Unrecht der Benachteiligung der Altsparer im Vergleich zu den Hypotheken - Gläubigem, Darlehensgläubigern und Bausparern beseitigt werden, deren Guthaben auf 10 Prozent aufgewertet sind.
Für die junge Generation
Durch den Vorschlag der Sparkassen würde auch der alte Streit darüber beendet, welches
April in Sigmaringen beschlossenen Tarife vorsorglich gekündigt und eine Angleichung der Landarbeiterlöhne an die Löhne der Industriearbeiter gefordert. Die Arbeitgeberverbände anerkannten diese Forderung zwar grundsätzlich, sahen sich aber außerstande, ihnen zuzustimmen, ehe nicht die Einnahmen der Landwirtschaft aus der bevorstehenden Ernte zu übersehen seien. Die Gewerkschaftsvertreter anerkannten diese Begründung nicht. Es wurde daraufhin vereinbart, einen Tarifschiedsausschuß einzusetzen, dem unter Vorsitz einer neutralen Person je drei Vertreter der Gewerkschaft und der landwirtschaftlichen Arbeitgeberverbände angehören werden. Der Schiedsausschuß soll bereits in der kommenden Woche zusammentreten.
Dieselkraftstoff unzureichend verbilligt
Stichdatum für die Entschädigung der Altsparer zu gelten hat. Nach dem bisher vorliegenden Gesetzentwurf sollte der Kontenstand vom 1. Januar 1940 gelten. Diese Festsetzung brächte aber — ganz besonders für die Jugend und die ehemaligen Wehrmachtsangehörigen — eine ungerechte Benachteiligung die um so unklüger wäre, als ja gerade aus dieser Generation die künftigen Sparer kommen müssen. Außerdem fehlen auch vielfach für ein so weit zurückliegendes Datum die erforderlichen Unterlagen. Die Wahl des Stichtages 20. 6. 1948 nach dem Sparkassenvorschlag verdient daher entschieden den Vorzug.
w-t.
Kein Zwang zur Auskunfterteilung
BADEN-BADEN. Nach Mitteilung der Arbeitsgemeinschaft der eüdbadischen Indus tri e- und Handelskammern, die ihrerseits eine entsprechende Auskunft vom Landeskommissariat für das Land Baden erhalten hat, besteht für deutsche Firmen kein Zwang, Auskunftsersuchen von Dienststellen der Besatzungsmächte zu beantworten, mit Ausnahme solcher Gebiete, die der Überwachung durch das militärische Sicherheitsamt unterworfen sind. Die Unternehmer können frei entscheiden, wie sie sich im Falle solcher Auskunftersuchen verhalten wollen.
Wirtschaftsspiegel Berufsverbot für Steuersünder
BONN. Im Bundesfinanzministerium wird zurzeit ein Gesetzentwurf ausgearbeitet, der es der Finanzverwaltung erleichtern soll, Berufsverbote gegen Steuersünder auszusprechen. Das Bundeskabinett wird sich in Kürze mit diesem Plan befassen.
Nach der Absicht des Bundesfinanzministeriums sollen die Oberfinanzdirektionen in Zukunft in der Lage sein, Berufsverbote zu verhängen, wenn gerichtlich festgestellt worden ist, daß Steuern hinterzogen oder Geschäftsunterlagen bewußt mit dem Ziel gefälscht wurden, Steuern zu hinterziehen. Das Berufsverbot soll nicht nur gegen selbständige Gewerbetreibende, sondern auch gegen deren Angestellte ausgesprochen werden können.
BONN. — Einengung der Reisespesen gefordert. Vertreter der Bundesländer haben das Bundes- flnanzministerium aufgefordert, neben den Bewirtungsspesen auch die Reise - Aufwendungen der Kaufleute in ihrer steuerlichen Begünstigung einzuschränken. Während die Finanzminister der Spesenordnung zustimmten, wurden sie von den Länderwirtschaftsministern abgelehnt. Ihre Bedenken richten sich vor allem gegen die festgesetzte Höchstgrenze von 10 DM für die Bewirtung von Ausländern. Daneben wurden die vom Bundesfinanzminister gestellten Anforderungen an die Belege als praktisch nicht erfüllbar kritisiert. Der Bundesrat will sich heute erneut mit der Verordnung befassen.
TÜBINGEN. — Keine Steuerbegünstigung für Mehrarbeitslohn mehr. Die Arbeitgeber müssen den Mehrarbeitslohn seit dem 30. Juni wieder mit dem Normalarbeitslohn zusammenrechnen und die Lohnsteuer von dem zusammengerechneten Arbeitslohn nach der für den jeweiligen Lohnzahlungszeitraum in Betracht kommenden Lohnsteuertabelle einbehalten. Die Oberfinanzdirektion ln Tübingen, die auf diese Änderung hinweist, teilt außerdem mit, daß die gesetzlichen oder tariflichen Zuschläge für Mehrarbeit wie für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit wie bisher steuerfrei bleiben, wenn der Arbeitslohn
ohne diese Zuschläge insgesamt 7200 DM im Kalenderjahr nicht übersteigt.
BONN. — Teuerungszulage an die Empfänger von Arbeitslosenunterstützung gefordert. Die Ar- beits- und Sozialminister der Bundesländer haben in ihrer letzten Sitzung erneut ihre Forderung unterstrichen, die Teuerungszulage von drei DM auch an die Empfänger von Arbeitslosenunterstützung zu zahlen. Die Minister wollen ln der nächsten Bundesratssitzung einen Initiativgesetzentwurf einbringen, der ihre Wünsche berücksichtigt. Sie wünschen auch, daß die Einkommenshöchstgrenze, über die hinaus eine Teuerungszulage nicht gewährt werden soll, für die Empfänger von Renten nach dem Bundesversorgungsgesetz nicht gilt.
DÜSSELDORF. — DAG gegen IG-Entflech- tung. Die Deutsche Angestelltengewerkschaft hält die Entflechtung des früheren IG-Farbenkomple- xes für überflüssig und schädlich. Weder juristisch noch praktisch sei die in Deutschland vorgeschlagene Zersplitterung beispielsweise in USA in einem ähnlichen Vorgehen verankert.
MAINZ. — Schleppende Hänteauktion. Die 27. südwestdeutsche Häuteauktion, auf der am Dienstag in Mainz das hessische und rheinlandpfälzische Gefelle versteigert wurde, stand im Zeichen einer uneinheitlichen Tendenz infolge geringer Kauflust. Insgesamt brachte die Auktion einen Preisabschlag von zirka 10 Prozent.
BONN. — Zahlreiche Verstöße gegen Metall- Richtpreise. Im Bundesgebiet sind zahlreich» Preisverstöße gegen den Erlaß des Bundeswirtschaftsministeriums über Richtwerte für Alt- und Umschmelzmetallpreise, der die Wiederherstellung gesunder Preisrelationen auf dem inländischen Metallmarkt anstrebt, aufgedeckt worden, teilt das Bundeswirtschaftsministerium mit. Den Staatsanwaltschaften liegen Anzeigen über größere Richtpreisüberschreitungen vor, bei denen Geldstrafen bis zu 100 000 DM, Gefängnt»- und Zuchthausstrafen ausgesprochen werden können. In zahlreichen Fällen sind von den Preisüberwachungsbehörden bereits Geldbußen bis zu 20 000 DM verhängt worden.
Werden die Kleider billiger oder teurer?
Produktionseinschränkungen durch Rohstoff-, Kohle- und Kapitalmangel / Wolle durchschnittlich
BÜHL. — Marktordnung für Obst und Gemüse. Auf Veranlassung von Bürgermeister Dr. K i s t weilten als Vertreter des Bundesernährungsministers Gartenbaureferent Klötzscher und Ministerialrat Stalmann, Referent für Grundsatzfragen im Außenhandel, in Bühl, um mit den mittelbadischen Obstbausachverständigen Wege für die Absatzförderung des mittelbadischen Obstes zu finden. Dabei gab Ministerialrat Stalmann bekannt, daß im gesamten Bundesgebiet eine Marktordnung für Obst und Gemüse eingeführt werde.
SIGMARINGEN. — Keine Einigung über Landarbeiterlöhne. Die Lohnverhandlungen zwischen den landwirtschaftlichen Arbeitgeberverbänden der Länder Württemberg-Baden, Württemberg- Hohenzollern und Baden und der Gewerkschaft Gartenbau. Land- und Forstwirtschaft, die am vergangenen Mittwoch stattfanden, sind ergebnislos verlaufen. Die Gewerkschaft hatte die im
Landesprodufetenbürse Stuttgart
vom 24. Juli
Sowohl in Brot- als auch in Futtergetreide finden keine Umsätze statt, da aus alter Ernte keine nennenswerten Bestände mehr vorhanden sind und neue Ware noch nicht am Markt ist.
Das Rapsgeschäft hat immer noch keine Belebung erfahren, da die Erzeuger zu den augenblicklich erzielbaren Preisen nicht abgeben wollen.
Mehl: Die etwas freundlichere Tendenz in Mehl hält an und Abrufe erfolgen laufend.
In Mühlennaehprodukten ist das Geschäft wegen geringem Angebot nach wie vor sehr klein. Besonders Weizenkleie ist gesucht.
Frühkartoffeln sind wieder stark angeboten bei weiter ermäßigten Preisen. Die Nachfrage ist zurzeit unbedeutend. Es werden notiert: 12.75, 13.25 DM je 200 kg lose oder in Leihsäcken Großhandelsabgabepreis waggonfrei Stuttgart.
jk. Der Präsident des Bundesverbandes der Bekleidungsindustrie, Dr. Kurt Becker, wandte sich im Anschluß an eine Präsidialsitzung dieses Verbandes in Mannheim mit Worten des Vorwurfs an die Regierung. Wenn ln „amtlichen Prognosen“ immer wieder fallende Preise in Aussicht gestellt würden, so verlasse der Staat die ihm in der Marktwirtschaft zukommende Neutralität. Die Kaufzurückhaltung der Konsumenten werde zu Arbeitslosigkeit, und später zu Preiserhöhungen führen. Die Umsätze in der Bekleidungsindustrie seien laufend weiter zurückgegangen, der Auftragsbestand sei minimal. Die Industrie sei nicht in der Lage, auf Vorrat zu arbeiten, um der spätestens im Herbst zu erwartenden aufgestauten Kaufwelle mit einem ausreichenden Warenangebot begegnen zu können.
Dem Verbraucher zur Mahnung
Diese Worte der Mahnung sollten auch vom Verbraucher nicht überhört werden. Wir haben unsererseits schon vor einer Woche — Nr. 110 vom 18. Juli — mit einem Beitrag „Textilumsätze auf äußerstem Tiefstand“ zu dieser Frage Stellung genommen und glaubten dabei auch, Voraussagen zu dürfen, daß die relative Stabilität oder gar rückläufige Tendenz der Textilpreise in absehbarer Zeit einer umgekehrten Entwicklungsrichtung Platz machen werde. Zwar ist der Index für die Bekleidungskosten der zu statistischen Zwecken angenommenen vierköpfl- gen Arbeitnehmerfamilie nach einer längeren Periode steigender Preise von Mitte Mai bis
Mitte Juni erstmalig zurückgegangen. Aber einmal beträgt dieser Rückgang nur 0,2 Prozent, und zum andern werden auch hier die Notverkäufe eine gewisse Rolle spielen, bei denen es ja tatsächlich zu größeren Preisnachlässen, ja zu ausgesprochenen Schleuderpreisen gekommen ist.
Einengung der Produktion
Diese Gewinne indessen sind für den Verbraucher, im Rahmen der wirtschaftlichen Gesamtsituation betrachtet, nur Augenblicksgewinne, denen kurze Zeit später entsprechende, wenn nicht höhere Verluste folgen müssen. Die Produktion beispielsweise von Textilwaren erfährt im Augenblick von zwei Seiten her eine allmählich stark fühlbar werdende Einschränkung. Einmal verhindert die Unsicherheit der kommenden Absatzentwicklung und der Mangel an flüssigen Mitteln den Handel daran, für das Herbst- und Wintergeschäft so zu disponieren, wie er es eigentlich müßte. Zum andern führt auch der Mangel an Kohle und gewissen Rohstoffen zu einer an sich schon höchst bedauerlichen Einengung der Produktion. Es liegt auf der Hand, daß die augenblickliche Kaufzurückhaltung einer erneuten Kaufwelle Platz machen muß, wenn sich die eingeengte Produktion mit Knappheitserscheinungen und Preiserhöhungen bemerkbar macht.
Eine unbequeme Wahrheit
Abgesehen vom normalen Sommerschlußverkauf, der hier außer Diskussion stehen soll, kann
14mal teurer als 1938/39
man es dem Handel auch nicht verübeln, wenn er die jetzt erlittenen Verluste im kommenden Geschäft wenigstens zum Teil wieder hereinzuholen trachtet. Das mag eine unbequeme Wahrheit sein, aber die Erfahrung hat gelehrt, daß mit ihr zu rechnen ist. Bei Rückkehr zu einer normalen, korrekten Kalkulation ist die Berücksichtigung der augenblicklichen Ausfälle sowie der sich erst jetzt im Endprodukt nach und nach voll auswirkenden Rohstoffverteuerungen unvermeidlich. Unsere Mittwochausgabe enthält im Wirtschaftsteil eine kurze Notiz über die Woll- preise. Aus ihr geht hervor, daß die Wolle selbst unter Berücksichtigung der seit April stattgehabten wiederholten Preisrückgänge, einen Jahresdurchschnittspreis erzielt hat, der nahezu vier- zehnmal so hoch ist als in der Wollsaison 1938/39. Daß von diesen Preiserhöhungen in unseren Fertigwarenpreisen für Bekleidungsgegenstände bisher nur ein Bruchteil zum Ausdruck kommt, steht außer jedem Zweifel.
Die Preise werden wieder steigen Der Verbraucher hat gegenwärtig eine fast einmalige Gelegenheit, zu einigermaßen erträglichen Preisen zu kaufen. Auch wenn der Koreakrieg beendet wird: die Rüstungsanstrengungen der westlichen Welt und damit auch die Beanspruchung der Rohstoffmärkte werden weitergehen. Alle Anzeichen sprechen also dafür, daß die Preise für Bekleidungsgegenstände nach einer kurzen, verhältnismäßig flachen Absenkung ihrer Kurve wieder steigen werden.
Aus der christlichen Welt
„Bruderschaft aller Menschen“
Mehr als 50 führende Geistliche und Leiter religiöser Körperschaften aus zahlreichen Ländern Europas, Kanada und den Vereinigten Staaten trafen sich dieser Tage auf Einladung des interkonfessionellen Versöhnungswerkes der World Brotherhood in Hattenheim (Rhein), um unter dem Motto „Brüderlichkeit in der Unterschiedlichkeit des Glaubens“ Brücken des Geistes und der helfenden Liebe zwischen Menschen verschiedener Rassen und verschiedenen Glaubens zu schlagen. Im Namen des deutschen Zweiges begrüßte der Chefredakteur der „Herder-Korrespondenz“, Karlheinz Schmidthils (Freiburg), die Teilnehmer. Der Präsident des Internationalen Rates der Christen und Juden, Everet R. Clinchy (New York), betonte, man sei zu einem brüderlichen Gespräch zusammen gekommen, damit nicht Unfriede die Menschheit zerreiße und nicht Mißverständnisse und Intoleranz die Völker vergifteten.
Der evangelische Bischof von Luxemburg, Housse, bezeichnete es bereits als einen Erfolg dieser Bemühungen, wenn einmal Deutsche und Franzosen, Protestanten und Katholiken und Männer der verschiedensten Auffassungen für mehrere Tage eine Tischgemeinschaft bilden. Zum Thema „Christliche und jüdische Brüderlichkeit in der Vergangenheit“ sprachen der Chef der jüdischen amerikanischen Feldgeistlichen, Henry Tavel, der katholische Professor Jean Da- nielou (Paris) und von protestantischer Seite Professor Dr. Günther Harder (Berlin). Sie stellten als wichtigste Forderung für eine Neuordnung des Zusammenlebens die Barmherzigkeit heraus und kennzeichneten als größte Gefahr für ein friedliches Nebeneinander der Menschen den Glaubenszerfall unserer Tage.
Zu dem zweiten Thema des Kongresses. „Die Tragödie der Feindschaft“ sprachen die Professoren Neuß (Bonn) und Wolf (Göttingen) sowie Andrö Zaoui (Paris). Sie zeigten, zu weich schweren Verlusten auf allen Lebensgebieten jede 5/'™ der Unduldsamkeit für die Beteiligten Jhhre. Die Konferenz war von der einmütigen “Erzeugung getragen, daß jede Form von In
toleranz und Feindschaft und alle nationalen, rassischen und religiösen Vorurteile, die das Zusammenleben der Menschen vergifteten, überwunden werden müßten.
Macht endlich reinen Tisch!
Die Studiengruppen der Europäischen Laienkonferenz in Bad Boll befaßten sich am Mittwoch mit der Verantwortung der im öffentlichen Leben stehenden Christen gegenüber dem un- christlichen Nationalismus und Chauvinismus, der in Europa wieder auflebe und das größte Hindernis einer europäischen Einigung darstelle.
In einer Plenarsitzung zu diesem Thema appellierte der württembergische Altlandesbischof Dr. Theophil Wurm an die Konferenzteilnehmer, auf ihre Regierungen einzuwirken, damit endlich in Europa reiner Tisch gemacht und die schmerzlichen Überreste des zweiten Weltkrieges beseitigt würden. Auch in der Politik gebe es den biblischen Ruf nach Gerechtigkeit. Wenn dieser notwendige Schlußstrich einmal gezogen sei, werde der Weg zu einer Vereinigung Europas wesentlich leichter sein. Die Christen, die als erste nach diesem Kriege sich über die Grenzen hinweg die Hände gereicht hätten, seien auch berufen, dieses Werk der Versöhnung vorwärts zu treiben.
Kirche ohne Männer?
Auf einer Evangelischen Woche in Detmold befaßte man sich in aller Offenheit mit der Tatsache, daß die Kirche heute eine „Kirche ohne Männer“ geworden sei. Der tiefste Grund hierfür sei die Glaubens- und Gebetsnot, die Ge- meinschaftslosigkeit und ein falsches Gemeindeverständnis. Die Gemeinde sei kein Verein zur Befriedung religiöser Bedürfnisse, sondern der Leib Christi, an dem jedes Glied seine ganz bestimmte Funktion auszuüben habe. — Viele Männer, so wurde weiterhin betont, hätten heute Angst vor der Verantwortung und eine Scheu vor dem Bekenntnis zu Christus selbst im Familienkreise. Der Mann sei im irdischen Beruf weithin Spezialist und mündig, habe aber für Gott keine Zeit mehr und verhalte sich der Bibel gegenüber hilflos wie ein unmündiges Kind. Auf der anderen Seite stelle die Kirche auch
keine Forderungen an den Mann und dränge ihn in die Passivität des reinen Zuhörers. Der Mann müsse jedoch Aufträge bekommen, die seiner als Christ und Teilhaber an der Gnade Gottes auch würdig seien.
Freiheit und Autorität
In einem Schreiben an den päpstlichen Legaten beim Interamerikanischen katholischen Erzieherkongreß in Rio de Janeiro, Kardinal de Barros Camara, erklärte Papst Pius XII.: Die Kirche sei stets den Fortschritten der Wissenschaft gegenüber aufgeschlossen, aber im Geiste des Evangeliums gebunden. In einer Epoche der Verherrlichung der Freiheit dürfe der katholische Erzieher keine Furcht zeigen, wenn es gelte, den Begriff der Freiheit der dem Schöpfer gebührenden Autorität unterzuordnen. Angesichts der Krise der Autorität bedürfe es einer Organisation in den katholischen Lehranstalten, in der die Schüler ihrer persönlichen Verantwortlichkeit nachkommen und zugleich die Notwendigkeit der Unterordnung unter eine leitende Autorität im Interesse des Gemeinwohls erkennen. Die katholischen Lehrer dürften sich dabei nicht von modernen Theorien bestechen lassen, die vom Materialismus angekränkelt seien. „Was wir an den modernen Schulen bewundern", so schließt das päpstliche Schreiben, „ist das, was sie von der christlichen Tradition kopiert haben.“
DJK will keinen Sport im Getto
HAGEN. In einer Ansprache beim Dekanatssportfest der katholischen Jugend in Hagen erklärte der Generalpräses des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend, Prälat Ludwig Wol- ker, jeder Sport, den die katholische Jugend pflege, stehe unter der Flagge der Deutschen Jugendkraft (DJK), die vor ihrer Auflösung im Jahre 1933 über 400 000 Mitglieder gezählt habe. Die DJK wolle keineswegs eine „Spaltung" in die Gemeinschaft des deutschen Sports hineintragen. Sie lehne aber jede Monopolstellung einzelner Verbände ab. Die katholischen Gemeinschaften wollten keinen Sport im Getto betreiben, sondern in enger Zusammenarbeit mit den anderen.
Ostdeutsches Kirchenliederbucfa
PADERBORN. Für die im St. Hedwigswerk vereinigten katholischen Heimatvertriebenen ist für den Gebrauch bei Heimatandachten ein „Ostdeutsches Kirchenliederbuch" erschienen, zu dem Erzbischof Dr. Lorenz Jäger von Paderborn ein Geleitwort schrieb. Jeder katholische Heimatvertriebene, so heißt es darin, müsse die Pflege des religiösen Kulturgutes der Heimat als Verpflichtung betrachten. Das Vätererbe des kirchlichen Brauchtums stelle für die Heimatvertriebenen eine reiche Kraftquelle inmitten einer glaubenslos gewordenen Welt dar.
STUTTGART. Am kommenden Sonntag wird in den evangelischen Kirchen des Schicksals de» jüdischen Volkes gedacht. In der Stuttgarter Markuskirche spricht am Sonntagabend der Vizepräsident der „Internationalen juden - christlichen Allianz" Lic. Ellison, London, über „Christ und Jude ln Israel".
ETTAL. Zum neuen Abt der Benediktinerabtei Ettal wählte der Konvent den bisherigen Prior des Klosters Scheyern, P. Dr. phil. Johan- es Evangelist Hock. Als Prior von Scheyern war Höck zugleich Novizenmeister und Direktor de» byzantinischen Instituts.
ALTÖTTING. Bayerns volkstümlichster Wallfahrtsort Altötting begeht vom 29. Juli bis «. August das Jubiläum seines 1200jährigen Bestehens, nachdem die bereits 1948 fällige Jubiläumsfeier wegen der damals herrschenden Typhusempidemie verschoben werden mußte.
TRIER. Das diesjährige Deutschlandtreffen der katholischen Jungen-Mannschaft findet vom 29. Juli bis 5. August in Trier statt. Es wird mit einem Vortrag von P. Manfred Hörhammer, München, über „Ünsere Not in der Kirche" eröffnet.
WARSCHAU. Zum Bischof-Koadjutor für da» Erzbistum Gnesen wurde der Salesianerpater Anton Baraniak, der Sekretär des polnischen Primas und Erzbischofs von Warschau und Gnesen, Mgr. Wyszinsky, ernannt Der neue Koadjutor hatte Erzh , ‘-'h.~< ~ ' ~ '--ii auf seiner
Reisp n-