ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG

7. JAHRGANG/NR. 115

FREITAG, 27. JULI 1951

Truman: UN-Korea-Aktion verhinderte dritten Weltkrieg

Morrison für deutschen Verteidigungsbeitrag / Einigung über Europa-Armee

Die Beisetzung von Kronprinz Wilhelm auf der Burg Hohenzollern. Links: Kronprinzessin Cecilie am Arme ihres Sohnes, Prinz Louis Ferdinand, im Trauerzug. Rechts: Der mit der Fahne des Kaiserhauses bedeckte Sarg unterwegs zur Gruft. Aufnahme: Göhner

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Krise der eigenstaatlichen Finanzpolitik

WASHINGTON. Durch das entschlossene Handeln der Vereinten Nationen in Korea sei möglicherweise ein Weltkrieg verhindert wor­den, schreibt Präsident T r n m a n in einem Brief, den er gestern dem amerikanischen Kon­greß vorgelegt hat. Der Widerstand der UN In Korea habe klargemacht, daß es einem Ag­gressor nicht gestattet werde, seine Opfer eins nm das andere zu isolieren und zu vernichten.

Wahrscheinlich diente der Angriff auch dem Zweck, durch ein erwartetes Versagen der UN für die Zukunft jedes wirksame Eingrei­fen der Vereinten Nationen gegen eine Aggres­sion auszuschalten, stellt Truman fest. Der Präsident fährt fort, das Verhalten Amerikas sei nicht von irgendwelchen materiellen ameri­kanischen Interessen diktiert gewesen, denn die USA hätten niemals irgendeine Sonder­stellung oder Sonderrechte in Korea ange­strebt, sondern allein durch die tiefe Über­zeugung, daß es darauf angekommen sei, einen Zusammenbruch des Systems der internationa­len Sicherheit zu verhindern.

Für einen deutschen Verteidigungsbeitrag sprach sich am Mittwoch der britische Außen­minister Herbert Morrison in seiner ersten großen außenpolitischen Hede vor dem Unter­haus seit seinem Amtsantritt aus. Morrisons Rede fand in der britischen Presse eine geteilte Aufnahme und starke Kritik. Besonders kriti­siert wurd ( e seine Haltung gegenüber dem Schumanplan und ferner die Opposition gegen­über der Einbeziehung Spaniens in das west­liche Verteidigungssystem

Die fünf an der Plevenplan-Konferenz be­teiligten Staaten sind übereingekommen, ihre bereits bestehenden und noch aufzustellenden Streitkräfte für 50 Jahre unter einer überna­tionalen Kommandobehörde zu vereinigen. Sie haben am Dienstag in Paris die erste Phase Ihrer vor fünf Monaten begonnenen Beratun­gen mit einem Zwischenbericht abgeschlossen.

In folgenden Punkten besteht zwischen den Mächten Frankreich, Belgien, Luxemburg, Ita­lien und der Bundesrepublik Einigkeit: 1. Alle Streitkräfte zur Verteidigung Europas müssen

BONN.Die Bundesregierung würde es im Interesse des gesamten deutschen Volkes tief bedauern, wenn die bisherige Mitarbeit der Gewerkschaften eingestellt würde, erklärte ein Regierungssprecher nach einer Sondersit­zung des Kabinetts am Mittwoch.

Das Bundeskabinett war am Mittwochvor­mittag unter Vorsitz von Vizekanzler Blü­cher zu dieser Sondersitzung zusammenge­treten, um zu dem am Vortage gefaßten Be­schluß des DGB-Bundesvorstandes Stellung zu nehmen. Der DGB-Bundesvorstand hatte aus Protest gegen die wirtschaftspolitische Ent­wicklung in der Bundesrepublik dem Bundes­ausschuß des DGB empfohlen, die Mitarbeit der Gewerkschaftsführer in allen Gremien der deutschen Wirtschaftspolitik einzustellen. Die endgültige Entscheidung der Gewerkschaften über diesen Schritt wird der DGB-Bundesaus- schuß auf seiner nächsten Sitzung treffen.

Der Pressedienst der CDU/CSU vertritt die Auffassung, daß der letzte Schritt des DGB- Vorstandes nur als eine Abkehr von der Mitt­lerrolle betrachtet werden könne, die der DGB unter Führung von Hans B ö c k 1 e r mehr als fünf Jahre hindurch gewahrt habe. Der DGB setze plötzlich jene außerparlamentarischen Mittel ein, die schon mehrfach in kritischen Situationen drohend genannt worden seien.

Das Auswärtige Amt

Vor personellen Veränderungen?

bf. BONN. Mit der Überführung der Ver­bindungsstelle für die Hohe Kommission von. der Bundeskanzlei in das Auswärtige Amt ist der Aufbau dieses Ministeriums weitgehend abgeschlossen. Vermutlich wird es im Laufe der letzten Organisationsarbeiten zu einer Ver­änderung in den leitenden Stellen kommen. So soll der bisherige Leiter der Personal- und Verwaltungsabteilung, Staatsrat Haas, als Botschafter nach Tokio oder Neu Delhi gehen, während seine Nachfolge Legationsrat Wittmann antreten soll, der bisher unter Blankenhorn in der Verbindungsstelle der Hohen Kommission arbeitete.

Die bekannten Gegensätze zwischen Staats­sekretär Hallstein und Ministerialdirigent Blankenhorn werden vermutlich auch bei der Verwendung Blankenhoms zu neuen Dispo­sitionen führen. Informierte Kreise im Aus­wärtigen Amt sprechen bereits davon, daß Blankenhorn, der lange Zeit der außenpoliti­sche Vertraute des Bundeskanzlers war, einen Botschafterposten erhalten soll.

unter einer übernationalen Behörde ver­schmolzen werden; 2. eine parlamentarische Versammlung müsse diese Behörde kontrol­lieren; 3. es müsse ein Gerichtshof geschaffen werden; 4. die Mittel für den Unterhalt einer Europaarmee müssen aus einem gemeinsamen europäischen Fonds aufgebracht werden.

Meinungsverschiedenheiten bestehen nach wie vor über die Höchststärke der nationalen Kontingente. Gewisse Vorbehalte von deut­scher Seite sollen dem Zwischenbericht in ei­nem Anhang beigefügt sein. Weder der Wort­laut des Zwischenberichts noch die deutschen Vorbehalte werden vorläufig veröffentlicht.

Tagesordnung liegt lest

Einigung in Käsong

TOKIO. Das Hauptquartier General Rldg- ways gab gestern mittag bekannt, daß die al­liierte und die kommunistische Delegation sich auf eine fünf Punkte umfassende Tagesord­nung für die Waffenstillstandsverbandlungen geeinigt haben. Die Delegationen können nun­mehr heute mit den eigentlichen Waffenstill­standsverhandlungen beginnen.

Die Einigung wurde auf der gestrigen 10. Sitzung auf der Grundlage eines kommunisti­schen Kompromißvorschlages erzielt, durch den das Haupthindernis für eine Verständigung, die Frage, ob der Abzug der ausländischen Truppen aus Korea auf die Tagesordnung der Waffenstillstandsbesprechungen gesetzt wer­den soll, beseitigt wurde. Man hat sich jetzt auf eine Tagesordnung von fünf Punkten ge­einigt, die ein umfassendes Programm für die Erörterung der Maßnahmen zur Beendigung der Feindseligkeiten darstellt. Dazu gehört die Errichtung einer militärischen Demarka­tionslinie und die Schaffung einer entmilitari­sierten Zone zwischen den feindlichen Fronten, ferner Maßnahmen in bezug auf die beidersei­tigen Kriegsgefangenen. In der Tagesordnung wird die Frage des Abzugs der ausländischen Truppen, auf dem die Kommunisten ursprüng­lich bestanden haben, nicht erwähnt.

Der Bundesregierung nahestehende Kreise äußerten die Befürchtung, daß ein Macht­kampf zwischen der Bundesregierung und den Gewerkschaften unmittelbar bevorstehen könnte. Sie erblicken in der Empfehlung des DGB-Vorstandes den Versuch, den Koalitions­parteien und dem Kabinett ein anderes Wirt­schaftssystem aufzuzwingen. Zwischen dem 1. DGB-Vorsitzenden Christian Fette und den radikalen Kräften innerhalb des DGB sind nach den Vermutungen dieser Kreise Mei­nungsverschiedenheiten über die weitere Ge­staltung des Verhältnisses zwischen Gewerk­schaften und Bundesregierung entstanden.

PARIS. Gegenwärtig verhandelt in Paris der rechtsstehende Unabhängige Paul R e y n a u d mit den Parteien, ob er den Auftrag des fran­zösischen Staatspräsidenten Auriol zur Re­gierungsbildung annehmen kann. Reynaud war von Auriol zu sich berufen worden, da Bidault den Staatspräsidenten gebeten hatte, ihn der Aufgabe der Regierungsbildung zu entbinden, da er sie unter den gegenwärtigen Umständen nicht ausführen könne.

Bidault war am Mittwochmorgen um die Regierungsbildung gebeten worden, nachdem die Nationalversammlung dem Radikalsoziali­sten Renö Mayer das Vertrauensvotum ver­weigerte. Mayer hatte nur 241 statt der 314 notwendigen Stimmen erhalten. Gegen Mayer stimmten zwar nur die Kommunisten, doch enthielten sich die Volksrepublikaner und die Sammlungsbewegung des Generals de Gaulle der Stimme. Die Enthaltung der Volksrepubli­kaner, deren Stimmen für eine Regierung der Mitte absolut notwendig sind, wurde damit begründet, daß Mayer kein befriedigendes Programm für eine staatliche Unterstützung der katholischen Schulen vorgelegt habe.

Damit ist die lötägige französische Kabi­nettskrise undurchsichtiger als je zuvor. Der 72jährige Paul Reynaud, der 1940 in den schwersten Tages des Landes Ministerpräsi­dent war, sieht sich bei den Verhandlungen mit den Parteien denselben Schwierigkeiten gegenüber wie Mayer und Bidault. Die fran­zösische Presse räumt ihm in ihren gestrigen Ausgaben nur geringe Erfolgsaussichten ein. Es sei zweifelhaft, ob Reynaud in der Natio­nalversammlung die erforderliche Mehrheit von 514 Stimmen für seine Investitur erhalten

jk. Ein unausgeglichener Bundeshaushalt mit unübersehbaren, ständig wachsenden Lasten; Erschöpfung der steuerlichen Einnahmequellen bis zur äußersten Grenze; allgemeine Ausweg­losigkeit in der Finanzwirtschäft der öffent­lichen Hand und stärkster Druck in Richtung auf eine defizitäre Finanzpolitik hin mit ihren verheerenden Folgen für Wohlfahrt und Wäh­rung: in diesem ungesunden finanzpolitischen Klima erblickt der Staatshaushalt für das Land Württemberg-Hohenzollern das Licht der Öf­fentlichkeit. Ein kleines Land mit zwar soli­den, aber im Verhältnis zu seinen Aufgaben schließlich doch nur schlecht ausreichenden Einnahmequellen hat immer seine Sorgen. Auch die seit der Geldneuordnung vergangenen Jahre waren gewiß nicht frei davon. Die ge­strige erste Beratung des Staatshaushalts für 1951 aber trug die Zeichen äußersten Ernstes. Wohl haben dte Schatten der Bonner Finanz­nöte zweifellos zu ihrem gewichtigen Teil An­laß hierzu gegeben. Unverkennbar jedoch stel­len die großen Lasten, die sich den bestehen­den seit der Verabschiedung des Haushalts 1950 im eigenen Bereich hinzugesellt haben, auch ein Land vor außerordentlich schwere und unauswBichliche Fragen, das sich in seiner Finanzpolitik äußerster Vorsicht, Gewissenhaf­tigkeit und Sparsamkeit zu befleißigen ge­wohnt ist

Ein Defizit von 71 Millionen im neuen Haus­haltsplan und von über 22 Millionen aus dem vorvergangenen Haushaltsjahr kann nicht ernst genug genommen werden. Wohl wurde der Haushaltsplan 1951, abweichend von der frü­heren Übung, im Plenum erstmalig beraten, bevor er dem Finanzausschuß zur Bearbeitung überwiesen wurde. Abänderungen als Ergeb­

werde, wenn er nicht über die Unterstützung des linken Flügels der Mittelparteien oder die der Gaullisten verfüge.

Die Kritik an denparteipolitischen Manö­vern, die die Regierungskrise in Frankreich verlängerten, wird in der Presse immer schär­fer. Der linksstehendeCombat bezeichnete die Regierungsbildung als Quadratur des Krei­ses und vermutet, daß Reynaud seinen Auftrag zurückgeben werde.

Holland beendet Kriegszustand

Stikker: Normalisierung der Beziehungen

DEN HAAG. Holland hat gestern um 12 Uhr den Kriegszustand mit Deutschland aufgeho­ben. Ein entsprechender königlicher Beschluß, der den Charakter einer Proklamation hat, ist im holländischen Staatsanzeiger erschienen. Er enthält eine Reihe von Vorbehalten im Hinblick auf holländische Rechte und An­sprüche mit der Begründung, daß noch kein endgültiger Friedensvertrag geschlossen wor­den sei.

Der holländische Außenminister Dirk Stik­ker erklärte zur Beendigung des Kriegszu­standes, daß sie sich auf alle Deutschen, also auch die in der Sowjetzone, beziehe. Doch unterhalte Holland mit der sogenanntenDeut­schen Demokratischen Republik keine Be­ziehungen, so daß sich die Beendigung des Kriegszustandes in dieser Hinsicht nicht aus­wirke. Im ganzen bedeute die Maßnahme, daß die Alliierten ihre Beziehungen zur Bun­desrepublik soweit, wie es in diesem Stadium nur möglich sei, normalisiert hätten.

nis der Arbeit des Finanzausschusses wären somit durchaus noch denkbar. Es soll auch nicht unterlassen werden, darauf hinzuweisen, daß ein Haushaltsplan im allgemeinen ja die oberste Grenze der vertretbaren Staats­ausgaben enthält, während andererseits ge­wisse Einnahmen vor allem die Steuern im voraus schwer abzuschätzen sind.

Das alles vermag aber wenig am Ernste der Situation zu ändern, denn den Korrekturmög­lichkeiten des Finanzausschusses steht die Un­absehbarkeit der Leistungen gegenüber, die der Bund schließlich durchsetzen wird. Heute schon übersteigen sie, wie aus der Haushalts­rede des Staatspräsidenten zu entnehmen war, die ursprünglich im Haushaltsplan 1951 vorge­sehene Rate nicht unerheblich. Die geplante Erhöhung der Verkehrssteuem, die den Län­dern als Ersatz für einen größeren Anteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer zu­gedacht ist, kann nicht skeptisch genug beur­teilt werden. Bestenfalls würde das Land si­chere Einnahmequellen gegen höchst unsichere eintauschen, denn die Einnahmen aus Verkehrs­steuem sind sehr stark von der wirtschaftli­chen Struktur eines Landes und von dessen wirtschaftlicher Entwicklung abhänigig.

Etwas anderes stimmt aber bei diesem Haushaltsplan noch sehr nachdenklich. Es ist die Tatsache, daß überall Grenzen erreicht erscheinen, an denen die Erfüllung der Staats­aufgaben die natürlichen Kräfte eines kleinen Landes übersteigt. Hat sich diese Frage un­seren verantwortungsbewußten Staatsmännern schon seit Jahren gestellt denn anders hät­ten sie sich mit der gleichen Überzeugung ja nicht für eine Länderneuordnung im Südwest­raum einsetzen können, so ist sie nun un­überhörbar geworden. In welchem Mißver­hältnis steht doch beispielsweise ein Etat von nahezu 9 Millionen (5,4 Millionen im ordent­lichen und fast 3,6 Millionen im außerordent­lichen Haushalt) der Universität zu den be­scheidenen Finanzkräften des Landes. Die Be­deutung von Lehre und Forschung kann wahr­lich nicht überschätzt werden, der Aufwand dafür nicht hoch genug sein wie denn auch tatsächlich die Aufwendungen des Landes für die Universität Tübingen sich stolz mit denen größerer Länder für ihre Universitäten mes­sen können; nur bedürfen sie eben einer weit tragfähigeren Basis, als das kleine Land Würt- temberg-Hohenzollem zu bieten vermag.

Die finanzpolitischen Aufgaben des Landes haben sich bisher mit Mühe und viel gewis­senhafter Sparsamkeit einigermaßen bewälti­gen lassen abgesehen vom unausgegliche­nen Haushaltsdefizit des Jahres 1949/50. Die Linie eines ausgeprägten Verantwortungsbe­wußtseins begegnet uns im neuen Haushalts­plan wieder. Verständlich und zu begrüßen, daß bei den Einnahmevoranschlägen in einer fi­nanzpolitisch und wirtschaftlich so schlecht übersehbaren Zeit ein Höchstmaß an Vorsicht gewaltet hat. Sympathisch und bezeichnend für die maßvolle Haltung der Verantwortli­chen u. a. auch die Tatsache, daß der an sich reizvollen Versuchung widerstanden wurde, in die demnächst zu erwartende Länderneu­ordnung mit einem staatlichen Bestand an planmäßigen Beamten durch Erhöhung der Planstellenzahlen hineinzugehen. Die Bewe­gung hält sich in ganz normalen Grenzen. Wenn das Land bei so ernster Auffassung und so mustergültiger Sparsamkeit heute vor der schwierigsten finanzpolitischen Situation seit Begründung seiner eigenstaatlichen Existenz steht, so tragen dafür wahrlich tragische Um­stände die Verantwortung, die außerhalb sei­ner Einwirkungsmöglichkeit liegen.

Vor Machtkampf Regierung DGB?

Bonner Erklärung zu dem Dienstagbeschluß des DGB-Bundesvorstandes

Nach Mayer und Bidault jetzt Reynaud

Französische Regierungskrise hält an / Mayer und Bidault gescheitert