NUMMER 114

MITTWOCH, 25. JULI 1951

Bemerkungen zum Tage

Nicht ins Pantheon

hr. Das Schicksal hat es gewollt, daß die beiden Gegner von Verdun, der deutsche Kron­prinz als Chef der Heeresgruppe Kronprinz und der französische Marschall Petain fast gleichzeitig starben. Beide Männer hat ihr Lebensweg zu gewaltigen Höhen geführt, den einen auf Grund seiner Geburt, den anderen nach einer durch den Erfolg bestätigten mili­tärischen Konzeption des starren Durchhal­tens. Beide sind so tief gestürzt, wie sie hoch- gestellt waren. Während aber der Hohenzol- lernsproß über den Untergang der Dynastie in ritterlicher Muße auf der Stammburg nach­sinnen konnte, verbrachte der französische He­ros Henri Philippe Petain seine letzten Le­bensjahre in der Kasematte eines alten Insel­forts. Wir wissen nicht, ob der Marschall den ganzen Ruhm Frankreichs auf seinen Schul­tern zu Recht vereinigte. Es war seine Bestim­mung, daß sich in ihm alle die Gefühle trafen, die sich in den Franzosen seit jenem ersten von der Hohenzollemmonarchie herbeigeführ­ten Versailles angestaut hatten. Und es war eine Laune derselben Bestimmung, daß sie ihn nochmals an die Spitze Frankreichs stellte, als das Land im tiefsten Unglück war, diesmal militärisch viel entscheidender geschlagen als zu den Zeiten eines MacMahon und eines Gambetta, politisch zerrissen und ohne Hoff­nung. Vielleicht hat der greise Marschall in der zurückhaltenden Kollaboration mit Hitler das einzig Mögliche getan, um seinem Lande größere Schäden zu ersparen, vielleicht aber überstieg auch die Aufgabe tatsächlich seine Kräfte, die er bis dahin nur als Militär, nicht als Politiker bewiesen hatte. Vielleicht wäre es seine Pflicht als nationaler Heros gewe­sen, sich und viele andere in der Niederlage zu opfern.

Der Tod Petains hat die französische Re­gierung aus einem Dilemma befreit: Sie konnte den alten Mann weder rehabilitieren, noch konnte sie weiterhin Steine auf ihn werfen. So wird es Aufgabe einer künftigen geschicht­lichen Betrachtung sein, seinen Weg wertend zu beurteilen. Sie wird dabei zu unterschei­den haben zwischen Petain als dem Menschen und Soldaten, der er in Wirklichkeit waf, und dem Marschall Petain, als dem Idol, zu dem ihn Nationalgefühl und politische Lei­denschaften machten.

Regierungskrise gelöst

Italienische Anti-Inflationspolitik bleibt

ROM. Der mit der Regierungsbildung beauf­tragte bisherige Ministerpräsident Alcide de G a s p e r i hat die seit einer Woche andau­ernde Kabinettskrise dadurch gelöst, daß er das bisherige Schatzamt dem Ministerium für den Haushaltsplan und dem Finanzministe­rium angliederte. Diese Mitteilung machte der bisherige Leiter des Schatzamtes, Giuseppe P e 11 a, der in der neuen Regierung das Mi­nisterium für den Haushaltsplan überneh­men soll. Damit würde die scharfe Anti-Infla­tionspolitik in Italien weiter verfolgt werden. Pellas Rücktritt hatte am 14. Juli die Regie­rungskrise verursacht.

Gewinn und Ver'ust

Prof. Erhard warnt

BREMEN. Bundeswirtschaftsminister Prof. Erhard warnte in einem Vortrag vor dem zweiten Halbjahr 1951 als dem gefährlichsten Abschnitt in der Entwicklung der deutschen Nachkriegswirtschaft. Wenn sich die deutsche Wirtschaft über die Engpässe Kohle und Eisen hinweg durchsetzen könne, werde auch der Weg zu einer wachsenden Beschäftigung und damit zu einem steigenden Sozialprodukt ge­funden werden. Die Preisbewegungen erfor­derten größte Aufmerksamkeit. Er sei kein Laubfrosch und könne die Preisentwicklung nicht auf lange Zeit voraussehen. Die Markt­wirtschaft erfülle ihre Aufgaben, wenn sie dem Käufer den günstigen Preis biete. Im übrigen müsse ein Unternehmer, der bei einer gün­stigen Konstellation Gewinne einstreiche, auch den Mut besitzen, Verluste hinzunehmen.

Marschall Petain gestorben

Bestattung in Verdun abgelehnt

ILE DYEU. Nach monatelangem zähem Ringen mit dem Tode ist Marschall Philippe P 61 a i n am Montagvormittag in der Villa Luce auf der kleinen Insel dYeu vor der bre- tonischen Küste im Alter von 95 Jahren ge­storben. Petain, der bereits vor vier Monaten schwererkrankt war, litt zuletzt an einem Brand am rechten Fuß, Herzanfällen und Atemnot.

Petain wird heute entsprechend den Wün­schen der französischen Regierung auf der In­sel dYeu beigesetzt. Er selbst hatte vor sei­nem Ableben mehrfach den Wunsch geäußert, in Verdun unter den Soldatengräbern bestat­tet zu werden. Doch wurde dieser Wille vom Präfekten des Departements Vendee abschlä­gig beschieden. Es wurde nur gestattet, daß' acht Verdunkämpfer des ersten und zwei ehe­malige Kriegsgefangene des zweiten Weltkrie­ges den Sarg tragen.

Pötain ist genau sechs Jahre nach seinem ersten Erscheinen vor dem Pariser Obersten Staatsgericht, das ihn seinerzeit zu lebens­länglicher Haft und nationaler Unwürdigkeit verurteilte, gestorben. In der Villa, die ihm als Militärlazarett in seinen letzten Tagen zugewiesen wurde, ist er in der khakifarbigen Uniform und mit der Militärmedaille als ein­ziger Auszeichnung auf der Brust aufgebahrt. Der Marschallstab fehlt. Er war nach seiner Verurteilung eingezogen worden. Die franzö­sische Presse nimmt am Ableben des Helden des ersten Weltkrieges großen Anteil.

König Abdulah beigesetjt

5001000 Personen verhaftet

AMMAN. König Abdullah von Jorda­nien wurde am Montag unter dem Donner unzähliger Salutschüsse mit allen mohamme­danischen Zeremonien auf dem Königlichen Friedhof neben dem Palast in Amman beige­setzt Vor der Beerdigung erwiesen die Kom­

mandeure der Arabischen Legion, die religiö­sen Führer Jordaniens, die Prinzen der Ha- schemiten-Familie, mehrere Ministerpräsi­denten der arabischen Staaten, das Diploma­tische Korps, der Regent des Irak (ein Neffe Abdullahs) und der neue Regent Jordaniens, Prinz Naif, dem verstorbenen Herrscher die letzte Ehre.

Die Truppen der Arabischen Legion hatten scharfe Sicherheitsvorkehrungen getroffen. An jeder Ecke der Stadt waren Soldaten in voller Ausrüstung postiert. Zusammen mit der jor­danischen Polizei setzte die Arabische Legion ihre Razzien in allen Ortschaften und Städten fort.

Die Altstadt Jerusalems, wo König Abdul­lah ermordet worden ist, glich am Montag einem Heerlager. Wie in Amman patrouillier­ten kriegsmäßig ausgerüstete Truppen der Arabischen Legion durch die engen Straßen. Bei der Suche nach den Mitgliedern einer Ter­rororganisation, der die Ermordung König Ab­dullahs zugeschrieben wird, sind inzwischen in Jerusalem mindestens 100 Personen festge­nommen worden, in ganz Jordanien wird die Zahl der Verhafteten auf 5001000 geschätzt

Stephanus Sapieha f

Der letzte freie Kardinal im Osten

WARSCHAU. Der Erzbischof von Warschau, Kardinal Sapieha soll am Montagmor.^n im Alter von 84 Jahren in Warschau gestorben sein. Er war der letzte Kardinal in den Län­dern hinter dem Eisernen Vorhang, der sich noch frei bewegen durfte. Der Papst erteilte ihm am 12. Mai, als im Vatikan bekannt wurde, daß er krank sei, seinen Segen. Der Kardinal hatte Rom zum letzten Male im Jahre 1950 besucht. Während seiner Abwesen­heit war in Warschau das Abkommen zwi­schen dem polnischen Staat und der katholi­schen Kirche unterzeichnet worden.

Kleine Weltchronik

STUTTGART. Die Junge Union, die befürch­tet, daß die DVP und die SPD den Südwest­staat nach zentralistischen Gesichtspunkten glie­dern wollen, hat nach Besprechungen der Lan­desvorsitzenden von Nordwürttemberg und Würt- temberg-Hohenzollern am vergangenen Wochen­ende die Parteien aufgefordert, ihre Ansichten über die Gliederung des neuen Staatswesens in Südwestdeutschland bekanntzugeben.

BONN. Der Gesamtaufwand im Jahre 1950 für die Bekämpfung der Tuberkulose in der Bundes­republik dürfte die Summe von 300 Millionen DM erreichen, teilte das Statistische Bundesamt mit. In den nächsten Jahren werde es kaum möglich sein, diese Ausgaben zu senken.

HAMBURG. Die Alliierte Hohe Kommission hat am Dienstag die rechtsradikale Hamburger Reichszeitung wegen Verstoß gegen das Presse­gesetz Nr. 5 für die Dauer von 90 Tagen verbo­ten. Es ist dies die erste rechtsgerichtete Zei­tung, die von einer solchen Maßnahme betrof­fen wird.

LONDON. Großbritannien hat sich grundsätz­lich bereit erklärt, an einer Zusammenkunft von technischen Sachverständigen mehrer west- und osteuropäischer Länder, einschließlich der So­wjetunion, teilzunehmen, in der die Möglich­keiten zu Besprechungen über den Getreidehan­del geprüft werden sollen. Nach Meldungen aus Paris wollen die Sowjetunion, Polen und Un­garn an den Erörterungen über die Ausweitung des Handels zwischen Ost- und Westeuropa sich beteiligen.

PARIS. Eine Konferenz über den Bau eines Montblanc-Tunnels begann am Montag mit französischen, italienischen und schweizerischen Sachverständigen in Paris. Sie wollen einen Kon­zessionsvertrag für das Montblanc-Tunnel-Pro- jekt und die finanzielle Beteiligung der interes­sierten Länder an diesem Vorhaben erörtern.

WARSCHAU. Der Warschauer Rundfunk mel­dete am Montag, der frühere SS-General Jürgen Stroop und sein Mitangeklagter Hauptmann Franz Konrad seien wegen Ausrottung der jüdi­schen Bevölkerung im Warschauer Ghetto am Montag zum Tode verurteilt worden.

MOSKAU. Vier verschiedene britische Reise­gruppen, zusammen die stärkste britische Besu­cherzahl seit Kriegsende, halten sich gegenwär­tig in der Sowjetunion auf. Es handelt sich um Abordnungen der Gesellschaft für anglo-sowje- tische Freundschaft, der Gesellschaft für schot­tisch-sowjetische Freundschaft und der Gesell­schaft für kulturelle Beziehungen mit der So­wjetunion sowie um eine Gruppe britischer Quä­ker.

KAIRO. Ägyptens Außenminister Salaheddin Pascha erklärte, Ägypten werde keinen militä­rischen Beitrag für den Westen leisten, solange Großbritannien die Suezkanalzone besetzt halte und die Vereinigung des Sudans mit Ägypten unter der ägyptischen Krone ablehne.

KAIRO. Der ehemalige Reichsbankpräsident Dr. Hjalmar Schacht, dem in Kairo vom Wirt­schafts- und Finanzministerium ein Empfang gegeben wurde, hat angekündigt, daß er sich nach Beendigung seines Indonesienaufenthalts, wo er, wie berichtet, als wirtschaftlicher Bera­ter der Regierung tätig sein wird, zu einem per­sönlichen Besuch zu der persischen Regierung nach Teheran begeben werde.

WASHINGTON. Die tschechoslowakische Re­gierung hat das Ersuchen der USA abgelehnt, den wegen angeblicher Spionage eingekerkerten AP-Korrespondenten William Oatis umgehend frizulässn

DUMMERSTON (USA). Der weit über die Grenzen seiner Heimat hinaus bekannte ameri­kanische Forscher und Dokumentarfilmschöpfer Robert Flaherty ist am Montag in seinem Heim in Dummerston (Vermont) nach längerem Lei­den im Alter von 67 Jahren gestorben.

ST. LOUIS. Amerikanische Pioniereinheiten kämpfen am Unterlauf des Missouri noch immer mit den Fluten, die die Deiche zu sprengen dro­hen. Die genaue Zahl der Toten, Verletzten und Vermißten des großen Hochwassers steht bisher noch nicht fest. Die Zahl der Evakuierten, in ihren Häusern Eingeschlossenen, Obdachlosen und Gestrandeten erreicht fast eine Million. Der Schaden hat die Eine-Milliarde-Doliar-Grenze bereits überschritten

Ende Juli Auszahlungen

r Die Rentenzulagen

BONN. Die vom Bundesparlament beschlos­senen Rentenzulagen sollen, wie das Bundes­arbeitsministerium bekanntgab, ab Ende Juli durch die Post ausbezahlt werden. Die Rent­ner der Invaliden-, Angestellten- und der Knappschaftsrenten-Versicherung erhalten bei der ersten Zahlung gleichzeitig die Rentenzu­lage für Juli und August. Die Zulage für Juni wird Ende August nachgezahlt. Für Grenzfälle, in denen keine Erhöhung der Renten eintre- ten würde, tritt das vom Bundestag gleich­zeitig beschlossene Teuerungszulagegesetz ein. Diese Rentner erhalten für sich, ihre Frau und alle zuschußberechtigten Kinder je 3 DM, so­fern ihr Einkommen bestimmte Grenzen nicht überschreitet. Gleich hohe Teuerungszulagen bekommen auch die Empfänger von Aus­gleichs- und Elternrenten, von Arbeitslosen- fürsorgeunterstützung, von Unterhaltshilfe nach dem Soforthilfegesetz und von Kranken­geld aus der Kranken- und Unfallversiche­rung. Renten aus der Unfallversicherung sol­len wie die Bezüge aus den gesetzlichen Ren­tenversicherungen behandelt werden. Das ent­sprechende Gesetz wird gegenwärtig vorbe­reitet.

Die durch den Wegfall bestimmter Subven­tionen eingetretene Preiserhöhung bei einigen Grundnahrungsmitteln ist nach den Ausfüh­rungen des Bundesarbeitsministeriums bei den Rentnern, die die durchschnittlich 25prozentige Zulage erhalten, abgegolten. Erklärt wird, daß die Erhöhung der Renten in den meisten Fäl­len beträchtlich größer sei als die Zunahme der Lebenshaltungskosten, weshalb-die Rent­ner, die die Rentenzulage erhielten, nicht auch noch in die Teuerungszulage von 3 DM einbe­zogen werden könnten.

Offensichtlich vera^et

Kontrollratdirektive Nr. 40 aufgehoben

BONN. Die Alliierte Hohe Kommission hat die Kontrollratdirektive Nr. 40Richtlinie für deutsche Politiker und die Presse für die Bundesrepublik außer Kraft gesetzt, teilte ein alliierter Sprecher am Montag mit. Die unter Mitwirkung der Sowjets am 12. Oktober 1946 erlassene Direktive verbot die Veröffent­lichung von Artikeln, in denennationalisti­sche, pangermanische, militaristische, faschisti­sche oder antidemokratische Ideen enthalten sind. Das gleiche gilt auch für Artikel und Re­den deutscher Politiker, die darauf abzielten, die Einheit der vier Besatzungsmächte zu un­tergraben.

Diese Verordnung war offensichtlich veral­tet, erklärte der Sprecher der Hohen Kom­mission. Heute sähen die Dinge wesentlich an­ders aus als 1946. Von einer Einheit der vier Besatzungsmächte könne nicht mehr gespro­chen werden. Außerdem existiere der Kon­trollrat nicht mehr und habe die Al­liierte Hohe Kommission das Pressegesetz Nr. 5 erlassen, in dem ein Teil der alten Vor­schriften enthalten sei.

Verträumte Beamtenstuben

Gengier gegen alte Oberämter

TUTTLINGEN. Der Präsident des Landtags von Württemberg-Hohenzollern, Karl Geng­ier, nahm auf einer Kreiskonferenz der CDU Tuttlingen gegen einen Initiativantrag der CDU-Abg. Schneider (Rottenburg) und Dr. Krezdorn (Waldsee) auf Wiederherstel­lung der alten Oberämter Stellung. Gengier vertrat die Ansicht, daß die konstante Wirt­schaftspolitik einer Stadt und einer Gemeinde mehr helfen alsverträumte Beamtenstuben. Im Hinblick auf den kommenden Südweststaat könneman bei der Wiederaufrollung derKirch­turmsfrage der alten Oberämter nicht von überzeugender politischer Vernunft reden.

MAINZ. Am kommenden Freitag sollen erst­mals Besprechungen über einen Staatsvertrag für den Südwestfunk zwischen Vertretern der Landesregierungen von Rheinland-Pfalz, Süd­baden und Württemberg-Hohenzollern in Mainz etattflnden.

EITERES J>PIEL

IM NECKARTAL

Ein fröhlicher Roman von Else Jung

2] Copyright by Verlag Bechthold

Thilo bist du plötzlich wahnsinnig ge­worden?

Nein, nur fristlos entlassen.

Isa rutschte von der Leiter herab. Diese Kunst hatte sie ihrem Schimpansen Rumba vortrefflich abgeguckt.

Rede! befahl sie kurz und tippte mit einem sehr schmutzigen Zeigefinger gegen Thilos Brust.

Wollen wir uns nicht erst hinsetzen? fragte Thilo.

Isa sah sich um.

Das Durcheinander war furchtbar. Nichts stand auf dem richtigen Platz, und aus dem anstoßenden Schlafzimmer kamen die empör­ten Laute der verbannten Tiere.

Ich habe sie alle rausgeschmissen, sagte Isa lachend, fegte einen Haufen Mappen vom Divan und drückte den Bruder auf das Pol­ster.Nun schieß los, ich habe nicht viel Zelt, wie du siehst. Bin gerade dabei, meinen Zoo in ein Festgemach zu verwandeln. Also fristlos entlassen bist du? Großartig, dann kannst du mir nachher bei meinen Vorberei­tungen helfen.

So war Isa. Tatsachen nahm sie als etwas Selbstverständliches hin, und hatte sie vor einer Minute noch Rede und Antwort gefor­dert, so schien sie es bereits vergessen zu haben. Jetzt fiel ihr Rumba ein, der seine Milch noch nicht bekommen hatte. Sie stürzte in die kleine Küche, um das Fläschchen warm zu machen.

Hach, sagte sie,ich weiß kaum mehr, wo ich zuerst anfangen soll! Entschuldige Thilo, aber ich glaube, es ist doch besser, du ver­schwindest und kommst erst am Abend wie­der. So eine Geburtstagsfeier stellt alles auf den Kopf. Hast du mir überhaupt schon gratu­liert? Natürlich nicht!

Die letzten Worte sprach sie schon draußen. Als sie wiederkam, hielt sie ein Saugfläschchen in der Hand und drückte es prüfend an die Wange.

Fünfundzwanzig Jahre, mein Lieber, die wollen erlebt sein! sagte sie erschüttert und tat, als habe sie eine ungeheure Last zu tra­gen. Dabei sah sie so jugendfrisch und unter­nehmungslustig aus, daß Thilo laut auflachte.

Komm her, altes Mädchen, laß dir Glück wünschen.

Und was schenkst du mir? fragte Isa.

Das da!

Thilo zog ein kleines Kästchen aus der Tasche und ließ den Deckel aufspringen.

Menschenskind!

Es war alles, was Isa über die Lippen brachte. Sogar der erwartete Schrei blieb aus. Dafür flog sie dem Bruder um den Hals und küßte ihn stürmisch, wobei ihr das milch­gefüllte Saugfläschchen aus der Hand fiel.

Entsetzt starrte Isa die Scherben und das weißrinnende Bächlein an.

Daran bist du schuld, du mit deinem Ring ach Thilo! Mit einem Male hatte sie Tränen in den Augen.Wie kommt ein fristlos Entlassener dazu, so kostbare Ge­schenke zu machen?

Ich würde es dir ja gern erzählen, wenn du nur ein bißchen Zeit für mich hättest.

Hab ich, mein Junge, hab ich! Komm, setze dich zu mir. Du mußt mir nur versprechen, nachher in die Drogerie hintunterzuspringen und ein neues Fläschchen für Rumba zu kau­fen.

Thilo versprach es, und weil er seine Schwe­ster kannte, hielt er sich nicht lange bei der Vorrede auf, sondern berichtete kurz und bün­

dig von den Ereignissen dieses für alle Zeiten denkwürdigen Vormittages.

Und was wirst du jetzt tim? fragte Isa, die schon auf dem Sprung ins Nebenzimmer war, weil der Zoo ungebärdig murrte.

Nix, antwortete Thilo,faulenzen werde ich. Ferien machen. Morgen reise ich los, irgendwohin.

Mit der Bahn?

Mit einem Auto wäre es mir lieber.

Isa steckte den Kopf durch den Türspalt und wisperte zärtlich mit ihren Tieren.

Ein Auto, sagtest du? Ich habe mir gestern eins gekauft. Walter Kersten wollte seinen Wagen loswerden, du weißt doch, den kleinen Silbergrauen, kennst ihn ja. Er gab ihn mir billig. Fünfhundert Mark auf den Tisch, und schon hatte ich ihn. Jetzt fehlt mir bloß noch der Führerschein.

Thilo staunte.

Fünfhundert Mark konnte Isa so ohne wei­teres auf den Tisch legen?

Ich bekam vor vierzehn-Tagen einen dicken Auftrag, da durfte ich mir das Vergnügen leisten, erklärte Isa einfach.

Nun ja, sie besaß ein nettes Bankkonto und war nebenbei fleißig, sparsam und sehr ge­schäftstüchtig. Thilo war acht Jahre älter als die Schwester, aber in diesem Augenblick stellte er beschämt fest, daß er noch sehr viel von ihr lernen könnte. Er bewunderte sie ehr­lich und sagte es auch.

Du übertreibst mein Guter, doch wenn du mir dein Wort gibt, daß du dich während deiner Ferien nach einer neuen und besser bezahlten Stellung umsehen willst, leihe ich dir den Wagen. Fahren kannst du ja und wirst mir den Silbergrauen nicht gleich ka­putt machen.

Nun war es an Thilo, der Schwester um den Hals zu fallen und ihr zu danken.

Erst hole mir das Fläschchen, befahl Isa, und als Thilo in der Drogerie stand, um eine Flasche aus Jenaer Glas zu kaufen, ging ihm erst auf, was Isa ihm damit angetan hatte.

Das leise Lächeln der hübschen Verkäuferin ließ darauf schließen, daß sie ihn für einen glücklichen, jungen Vater hielt, und dabei handelte es sich doch nur um einen Affen.

Zweites Kapitel

Den Silbergrauen hatte Thilo schon gestern besichtigt. Er stand noch in der Garage des Filmschauspielers Walter Kersten, von dem Isa zu sagen pflegte, daß sie bei seinem An­blick jedesmal ein leichtes Gruseln überfiele, so unwahrscheinlich interessant sehe er aus.

Kersten wohnte in Halensee.

In einer Villa.

Sie war fast noch interessanter als ihr Be­sitzer. Sie wimmelte von Götzenbildern und Masken aus dem finsteren Asien und Afrika, die dem ahnungslosen Besucher aus allen Ecken, Winkeln und von allen Wänden herab schreckenerregend die Zähne entgegenfletsch­ten. Thilo hätte nicht um viel Geld mit diesen Fratzen eine Nacht unter dem gleichen Dach zubringen mögen.

Der Silbergraue hingegen war ganz normal. Er sah aus wie ein richtiges Auto und be­nahm sich auch so.

Als Thilo ihn aus der Garage steuerte, stand Kersten dabei und machte ein unglaublich gelangweiltes Gesicht.

Warum haben Sie ihn an Isa verkauft? fragte Thilo.

Kersten steckte die Hände in die Taschen seiner weiten grauen Hose und hob müde die gepolsterten Schultern.

Weiß selber nicht warum. Vielleicht well Isa ihn gern haben wollte."

Ein mißtrauischer Blick aus Thilos Augen streifte den Schauspieler.

Sollte etwas an dem Gerücht wahr sein, daß Isa und Kersten?

Ausgeschlossen!

Er vielleicht aber nicht sie.

Na, ihm konnte es egal sein. Der Wagen ge­hörte jetzt Isa, und wenn sie ihn so billig be­kommen hatte, mochte sie das mit Kersten abmachen. (Fortsetzung folgt)