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HEIMATBLATT STADT UND LAND

MITTWOCH, 25. JULI 1951

UBIBFABTEILICHETAGESZEITUNG

7. JAHRGANG / NR. 114

Blücher: Wiedervereinigung als Ziel aller Politik

Eine Rede vor der Studentenschaft in Tübingen/Gedanke der Gewinnbeteiligung

Links: Der in der Nacht vom Sonntag auf Montag verstorbene 95jährige französische Marschall Henri Philippe Pitain. Rechts: Der Ende vergangener Woche einem Mordanschlag zum Opfer gefallene König Abdullah von Jordanien Foto: AP

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Italiener wollen Klarheit

Von unserem Mailänder Korrespondenten Carlo G. Mundt

TÜBINGEN. (Eig. Bericht.) Zwei Dinge seien es, die ihn zn einem Besuch in Tübingen be­wogen hätten, führte Vizekanzler Franz Blü­cher zu Beginn seiner gestrigen Rede im Festsaal der Universität vor der Studenten­schaft aus: Die Sorge um die zunehmende Entfernung zwischen Regierenden und Staats­bürgern und die damit zusammenhängende Verpflichtung, in Rede und Gegenrede das demokratische Interesse und die Liebe zu den politischen Dingen zu fördern. Während man das Versinken in das Detail geradezu als die deutsche Tragödie der Gegenwart bezeichnen könne, sei es das Vorrecht der Jugend, heute wie einst, nach den Sternen zu greifen. Das Ziel jeder deutschen Politik, wenn sie auf diesen Namen Anspruch erhebe, dürfe nur die deutsche Wiedervereinigung sein.

In Verfolgung dieses Zieles sei die Lebens- fähigmachung der Bundesrepublik, die Stär­kung ihrer sozialen, wirtschaftlichen und poli­tischen Kraft als nächste Aufgabe gestellt. Blücher kam damit auf die verwaltungsmä­ßige Schwäche des Bundes zu sprechen, dessen Exekutive jeder Unterbau fehle. Nach einem Bekenntnis zu den kulturellen Gütern, die die reiche staatliche Gliederung in der Vergan­genheit Deutschland gebracht habe, fragte er, ob man nicht diese Vorzüge erhalten könne insbesondere sprach er sich für Wahrung, ja 8tärkung der Selbstverwaltung aus und doch zu einer sinnvollen Straffung kommen könne. Das müsse vor allem für die Rechts­einheitlichkeit gelten.Der Gedanke des Staatenbundes darf nicht den Gedanken des Bundesstaates überwuchern!

Die Vertriebenenfrage wollte Blücher im größeren Zusammenhang der sozialen Frage gesehen haben: Nicht Mildtätigkeit oder Leut­seligkeit tue Not, sondern Arbeit müsse für jeden da sein und das Gefühl, daß erhöhte XMstung_zu erhöhtem Lohne führe. Jede So­zialpolitik, die dem einzelnen das Bewußt­sein nehme, daß er arbeiten müsse, die ihn zum Staatsrentner degradiere, führe auf lange Sicht unweigerlich zum Untergang.

BONN. General Eisenhower soll, wie das Bundespresseamt am Montag bekanntgab, gebeten werden, bei der Bereinigung der deutsch-französischen Meinungsverschieden­heiten innerhalb der Pariser Plevenplan-Ver- handlungen mitzuwirken. Die Plevenplan- Konferenz werde das Atlantikpakt-Oberkom­mando zu einer engen Zusammenarbeit und Mitwirkung bei der Lösung der zu behandeln­den Fragen einladen. Damit werden in der letzten Zeit umlaufende Gerüchte bestätigt.

In dem Kommunique des Bundespresseam­tes wurde mitgeteilt, daß der Zwischenbericht über die Plevenplan-Verhandlungen fertigge­stellt sei und von den Delegationschefs nun­mehr unterzeichnet werden solle. In den letz­ten zwei Wochen sei in wesentlichen Punkten Einigung erzielt worden. Doch blieben . eine Anzahl von Fragen noch offen. Trotzdem werde die Konferenz ohne Unterbrechung wei­ter tagen und in erster Linie Detailfragen in Fachkomitees erörtern.

Ein maßgebender Beamter der Alliierten Hohen Kommission erklärte, wenn Eisenhower bestimmen würde, daß die deutschen Einhei­ten entgegen den Empfehlungen der französi­schen Politiker mehr als 5000 Mann umfassen sollten, so wäre es für die Franzosen leichter, diese Lösung zu akzeptieren. Die französischen Politiker wären dann ihren Wählern gegen­über der Verantwortung enthoben, bei der Frage der deutschen Wiederbewaffnung zu nachgiebig gewesen zu sein. Die französische Regierung könne erklären, daß sie an die mi­litärischen Entscheidungen des Oberkomman­dierenden der Atlantikstreitkräfte gebunden sei und ihnen entsprechen müsse.

Die militärischen Experten der drei Besat- rungsmächte stimmten darin überein, daß der

Fortsetzung der Verhandlungen

Kommunisten unnachgiebig?

TOKIO. Heute werden in Käsong die Waf­fenstillstandsverhandlungen, die auf Ersuchen der Kommunisten vertagt worden waren, wie­der aufgenommen. Der Leiter der UN-Delega- tion, Vizeadmiral J o y , kehrte bereits am Montag mit endgültigen Anweisungen des UN- Oberbefehlshabers, General R i d g w a y, für die weitere Verhandlungsführung nach Korea «urück.

Der nordkoreanische Sender Pjöngjang deu­tete am Dienstag an, daß die Kommunisten bei der Wiederaufnahme der Besorechungen weiterhin auf der Erörterung des Abzugs aller ausländischen Truppen aus Korea bei einer Waffenstillstandskonferenz bestehen würden.

Ausführlich stellte der Vizekanzler seine und seiner Parteifreunde von der FDP Gedanken zum Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern dar. Er forderte, auf das Bei­spiel von Siemens verweisend, eine Gewinn­beteiligung für den Arbeitnehmer, die das beste Mittel sei, sein Zugehörigkeitsgefühl zum Be­triebe zu stärken und sein eigenes Interesse an der betrieblichen Leistung zu heben. Aus diesem Gedanken entwickelte er dann seine Kritik am Mitbestimmungsrecht, das in seiner gegenwärtig propagierten Form am Ziele vor­beischieße, indem es, anstatt den einzelnen einzuschalten und zur Mitarbeit zu bringen, bestimmte Mächtegruppen, die betriebsfremd seien, stärker mache. Damit werde statt dem erstrebten Frieden nur ein dauernder Kampf erreicht.

Zum Ausgangspunkt zurückkehrend wurde festgestellt, daß riesige Opfer notwendig seien, wenn man die deutsche Wiedervereinigung verwirklichen wolle. Nicht nur für die Hebung des Lebensstandards der Bevölkerung im kommunistisch besetzten Gebiet, der in diesen Jahren schon unvorstellbar gesunken sei, son­dern ganz allgemein, denn wenn man im Frie­den mit der Ostzone Zusammenkommen wolle, so werde man das nicht umsonst erreichen.

Viel habe Deutschland seit 1945 an Wieder­gutmachungsleistungen erbracht, das man in der Welt zu übersehen geneigt sei: 1. die Überwindung des allgemein verbreiteten Ni­hilismus durch das deutsche Beispiel tatkräf­tigen Aufbaus: 2. das von der Bevölkerung Berlins gelieferte Vorbild für die freien Völ­ker; 3. das stille Martyrium der Menschen im Osten, das als Mahnung wirken müsse und wirke; als letztes, und dies bleibe allerdings noch zu tun, seien die für die deutsche Wie­dervereinigung zu bringenden Opfer zu nen­nen. Ihm schwebe ein deutsches Vaterland vor, in dem die Jugend wieder den Mut habe, sich zu den Leistungen und der Art ihrer Vä­ter zu bekennen und daraus aktiv mitarbei­tend die Folgen zu ziehen

Bundesrepublik schon aus Gründen der mili­tärischen Schlagkraft Einheiten in Divisions­stärke zugebilligt werden müßten. Offiziell lehnten die alliierten Militärfachleute es je­doch ab, zu diesem Problem Stellung zu neh­men, da sich die Politiker gegenwärtig noch mit dieser Frage befaßten.

Die Delegationen der an der Pariser Ple- venplan-Konferenz teilnehmenden Länder ha­ben am Montag ihren Regierungen über das Ergebnis der viermonatigen Beratungen be­richtet. In Paris -verlautet hierzu, der näch­ste Schritt werde nunmehr die Einberufung einer europäischen Verteidigungskonferenz sein, an der die Außenminister und die Ver­teidigungsminister aller an den Verhandlun­gen beteiligten Staaten teilnehmen.

Der Leiter der deutschen Plevenplan-Dele- gation, Theodor Blank, hielt sich am Mon­tag kurz in Bonn auf, wo er eine Bespre­chung mit dem Staatssekretär für Äußeres, Prof. Walter H a 11 s t e i n , hatte.

WASHINGTON. Präsident Tr um an kün­digte am Montag in einem Halbjahres-Wirt- schaftsbericht an den Kongreß eine weitere Erhöhung der militärischen Ausgaben und die Möglichkeit einer Verstärkung der Streitkräfte über das gegenwärtige Ziel von 3,5 Millionen Mann hinaus an.

Die militärischen Ausgaben sollen innerhalb des nächsten Jahres von derzeit 35 auf 65 Mil­liarden Dollar (273 Milliarden DM) jährlich er­höht werden. Die Auslandshilfe in Höhe von 8,5 Milliarden Dollar ist darin eingeschlossen.

Truman versicherte, daß die im ersten Jahr des Koreakriegs verdreifachte Produktion von Flugzeugen, Panzern u. a. Rüstungsmaterial bis Juni 1952 mindestens noch einmal verdrei­facht würde und einen Stand von drei Milliar­den Dollar im Monat erreichen müsse. Hier­bei handle es sich um ein militärischesMin­destprogramm". das um der nationalen Sicher­heit willen zu erfüllen sei. Die Prüfung der strategischen Lage im Licht der letzten Ereig­nisse habe diese Steigerung der Rüstungsan­strengungen erforderlich gemacht,gleichgül­tig, ob es in Korea zu einem Waffenstillstand komm! oder nicht.

Der Erfolg der neuen Anstrengungen hänge in erster Linie von einer Verschärfung der Preiskontrolle, der Bewilligung höherer Ver-

ROM, im Juli

Der Staat sollte heute darauf verzichten, die öffentlichen Gebühren zu erhöhen, den Benzinpreis, den Preis für Gas usw. in die Höhe zu schrauben, die Bankkartelle müssen beseitigt werden, die Soncjfrgesetze fallen, aus den Ministerien der Parasitengeist verschwin­den, die unrentablen halbstaatlichen Gesell­schaften aufgelöst werden, forderte der ehe­malige Führer der alten katholischen Volks­partei Don Sturzo, als man ihn vor der Krise befragte, die zum Rücktritt des 6. Kabinetts de Gasperi führte. Die Unzufriedenheit der Italiener ist allgemein, die Vorwürfe sind hef­tig. Nach Ansichten eines Flügels der Christ­lich Demokratischen Partei (Dosettianer) wer­den Produktionssteigerung und Bekämpfung der Arbeitslosigkeit vernachlässigt.

Der Mann auf der Straße bedauert die Streiks, die hinkende Agrarreform, das Aus­breiten der Bürokratie, die die Investierungs­politik behindere. Da die Preise seit dem Ko­reakonflikt angestiegen sind, Italien auch wei­terhin arm ist, Lohnerhöhungen auf sich war­ten lassen, wird das Land unruhig. Hinzu kommt, daß der Wähler den Eindrude hat, als ob die Regierung ohne festes Programm ist, bzw. zu viele Dinge angefaßt hat, die sie alle zusammen nicht durchführen kann. Alles dies wäre ohne Folgen, wenn Italien nach außen hin wieder einige Erfolge hätte Aber die bisher immer abgelehnte Revision des Friedensvertrages durch die Westmächte und das Hinauszögem der Rückgabe von Triest haben die Massen auf das höchste irritiert. De Gasperi, der die Stimmung seiner Italie­ner kennt, hat die Gelegenheit beim Schopf ergriffen, um eine allgemeine Klärung her­beizuführen.

Die Atlantikpolitik steht nicht zur Debatte,

teidigungsausgaben, Steuererhöhungen und scharfen Wirtschaftskontrollen auf mehreren Gebieten ab Truman wandte sich gegen die Extremisten, die beim ersten Zeichen eines Friedens in Korea bereit sind, das ganze Sy­stem der Inflationskontrollen zu beseitigen oder es zu durchlöchern. Andere seien dazu übergegangen, nach einer Kürzung des Vertei­digungsprogramms zu rufen. Jede dieser Be­strebungen sei ein kostspieliger Fehler. Der Anteil der Verteidigungsposition an der na­tionalen Gesamterzeugung habe im Vorjahr sechs Prozent betragen, werde in diesem Jahr auf elf Prozent steigen und 1952 den Stand von 20 Prozent erreichen. Die Auslandshilfe mache 15 Prozent des Verteidigungsprogramms und nur zwei Prozent der Gesamterzeugung aus. 1944 sei dagegen die Hälfte des National­produkts für die militärischen Erfordernisse abgezweigt worden. Truman warnte nach­drücklich vor einer Kürzung der Auslands­hilfe.

Auf Grund des neuen Programms soll die Gesamterzeugung der USA um fünf Prozent, die Zahl der Beschäftigten um zwei Millionen Menschen erhöht werden. Die Rohstahlerzeu­gung solle Ende 1952 von 107 auf 120 Millio­nen steigen, die Aluminiumproduktion ver­doppelt werden.

auch wird die Aktion gegen die Kommuni­sten keine Unterbrechung erfahren. Es liegt aber auf der Hand, daß die kommende italie­nische Regierung außenpolitisch den West­mächten gegenüber in energischer Form auf- treten wird, falls diese sich nicht bereiterklä­ren sollten, dem verbündeten Italien entgegen­zukommen. Der römische Korrespondent des Daily Telegraph schreibt ganz klar von der Schuld der Alliierten, die durch ihre Kurz­sichtigkeit die Stimmung in Italien gegen die schwache Regierung de Gasperi genährt hätten. Friedensvertrag und Triest würden ohne Zweifel die Angelpunkte des Palazzo Chigi sein und wenn die Westmächte kein Einsehen hätten, bestehe die Wahrscheinlich­keit, daß Italien den Friedensvertrag aufsage und für Triest Änderungen fordere. Es liegt auf der Hand, daß vor allen Dingen das For­eign Office die Kraft des italienischen Natio­nalismus unterschätzt hat. Ganz Italien stände bei einer solchen Entscheidung hinter seiner Regierung. Das beweist aber auch, wie sehr jedes Kabinett mit diesen Gefühlen rechnen muß. Die Krise ist heute die schwerste seit dem Jahre 1947, in dem die Kommunisten vor die Tür gesetzt wurden, schreiben italienische Blätter.

Außenminister Sforza ist eines der roten Tücher für die Kommunisten und die Natio­nalisten, da er einmal klar für den Westen eintrat, zum anderen aber auch die Sünden der Faschisten liquidieren mußte. Schatzmini­ster Pella, der den Slogan geprägt hatNur über meine Leiche zur Inflation, hat den Feh­ler begangen, bei der Verteidigung der Lira zu starr zu bleiben, so daß er auch neben den In­dustriellen viele Feinde in seiner eigenen Par­tei bekam. Er bewies noch im letzten Augen­blick seine Hartnäckigkeit, als er mit aller Macht seine Demission aufrechterhielt und so das gesamte Kabinett zu Fall brachte. Die italienische Finanzpolitik wird weiterhin eine Verteidigung der Währung sein, aber nicht mehr unbedingt, um mit den Ereignissen Schritt halten zu können. Die Krise löste be­zeichnenderweise helle Freude an der Börse aus.

Daß de Gasperi, der seit Dezember 1945 Mi­nisterpräsident ist, im Rahmen der politischen und vor allen Dingen wirtschaftlichen Mög­lichkeiten alles getan hat, das streitet ihm niemand ab. Aber die dauernden Umbildun­gen der Regierungen, das Ausscheiden der Li­beralen und Sozialdemokraten hatten zu einer Verwässerung des Programms geführt. Das Gleichgewicht zwischen der sozialen, wirt­schaftlichen und militärischen Politik fehlt. In der Kammer kam es vor kurzem dazu, daß sich bei der Abstimmung über die Schaffung einer ArtHeimatmiliz 50 katholische Abge­ordnete der Stimme enthielten, 10 dagegen stimmten und die Regierung nur mit 18 Stim­men (sonst 100) obsiegte. Die große Zeitschrift Tempo gibt de Gasperi. der immer noch als Leiter des kommenden 7. Kabinettes ange­sehen wird, folgende Ratschläge für einegute Regierung, die bezeichnend sind: 1. nur tüch­tige Minister, 2. weniger, aber besser machen, 3. erst dringliche Dinge erledigen, 4. sich als Premier strenger gegen die Minister beneh­men, die die Arbeit für die Parteiversamm­lungen in Stich lassen. Und zum ersten Male taucht in der nichtkommunistischen Presse die These auf, daß die Ereignisse eine Vorverle­gung der für 1953 angesetzten politischen Wahlen ezrwingen könnten

Eisenhower soll vermitteln

Zwischenbericht der Plevenplan-Konferenz fertiggestellt

Weitere Verteidigungsausgaben

Halbjahres-Wirtschaftsbericht Trumans / 1952: 65-Milliarden-Miiitäretat