MONTAG, 23. JULI 1951

NUMMER 118

Nah-Ost in Aufruhr

Mittelmeer-Verteidigung / Anerkennung Israels / Die Erdölfrage

Von unserem Nah-Ost-Korrespondenten Franz v. Caucig

Dieser Artikel wurde wenige Tage vor der Ermordung König Abdullahs von Jorda­nien geschrieben und ist daher heute von be­sonderer Aktualität. Die Red.

ISTANBUL, im Juli

Bei einer Verteidigung des Mittelmeeres ist es nicht so bedeutsam, daß sein Westen als vielmehr der Osten mit den Meerengen, dem Suez-Kanal, den Erdölreservoiren im Hinter­lande, gesichert wird. Die Aufmerksamkeit des ganzen Orients wandte sich daher schon seit Monaten nach London und Washington, wo über die Verteidigung beraten wurde, ohne Einigung zu erzielen. Die Ernennung des ame­rikanischen Admirals Camey zum Oberbe­fehlshaber Mittelmeer-West hat noch keines­falls befriedigt, geschweige denn beruhigt.

Die Einigung zwischen London und Washing­ton über alle Fragen, die den Nahen Osten betreffen, läßt viel zu lange auf sich warten. Die Auseinandersetzungen, Verhandlungen, Besprechungen dauern zu lange an, so daß immer wieder Schwierigkeiten und Verzöge­rungen eintreten. Der Besuch z. B., den kürz­lich der jordanische König Abdullah in An­kara abstattete oder der Aufenthalt des Ge­neralsekretärs der Arabischen Liga, Azzam Pascha, in der türkischen Hauptstadt, haben die Türken und die arabische Welt zwar ein­ander näher gebracht, aber der volle Effekt dieser Verhandlungen mußte Natürlich aus- bleiben, weil man heute im Nahen Osten noch immer nicht weiß, ob die Türkei zum At­lantikpakt zugelassen wird oder ob ein Nah- Ost-Verteidigungssystem aufgebaut wird. Diese Uneinigkeit der Westmächte führt dazu, daß einerseits die USA auf einen Nah-Ost-Zu- «ammenschluß drängen was schon dadurch dokumentiert wird, daß sowohl König Abdul­lah als auch Azzam Pascha nach der ent­scheidenden USA - Botschafterkonferenz in Istanbul ihre Reisen antraten, um mit den Türken ins Gespräch zu kommen, anderer­seits aber auch die Orientländer sehr skep­tisch, ja sogar abweisend dem Truman-Hilfs- programm gegenüberstehen, da sie fürchten, daß die geringen Summen, die ihnen bewil­ligt werden, an politische Bedingungen ge­knüpft werden. Syrien hat z. B. den Tru- man-Kredit, der die lächerlich kleine Summe von 120 000 Dollar ausmachte, abgelehnt.

Die Nah-Ost-Länder führen indessen gegen England, gegen die USA und auch gegen Frankreich eine sehr heftige Pressekampagne. Man erklärt eindeutig, daß man sich mehr und mehr von fremden Einflüssen lösen will, »eitdem man die zögernde und uneinheitliche Haltung des Westens dauernd vordemonstriert bekommt. Vor Wochen hat man Entscheidun­gen im Hinblick auf das Mittelmeer erwartet sie sind bis heute ausgeblieben; seit Mona­ten verlangt die Türkei ihren Beitritt zum Atlantikpakt sie wurde wiederholt abge­wiesen; die arabische Welt verlangt Waffen,

Auswandererlager

MÜNCHEN. In Anwesenheit des Vorsitzen­den der amerikanischen DP-Kommission in Washington, Jon G i b s o n, wurde in Karls­feld bei München ein Auswandererlager für Volksdeutsche feierlich eröffnet. Durch dieses und ähnliche Lager in Hanau und in Wen­torf bei Hamburg sollen bis zum 30. Juni 1952 Heimatvertriebene geschleust werden, die auf Kosten der deutschen Bundesregierung, der amerikanischen Regierung und privater ame­rikanischer Hilfsorganisationen in die USA auswandem können.

Nach einem vor Jahresfrist vom amerikani­schen Kongreß verabschiedeten Gesetz kön­nen zusätzlich zu den bereits zugelassenen DPs 75 000Verschleppte, darunter 54 000 deutsche Heimatvertriebene, in die Vereinig­ten Staaten einwandem. 12 000 Deutsche wur­den im Rahmen dieses Gesetzes schon in Bre­merhaven eingeschifft.

wenn sie Truppen stellen soll, die im Rahmen der UN einmal aufgerufen werden sollten man hat an die Lieferung von Waffen die Bedingung der Anerkennung Israels geknüpft. Nun hat man insbesondere in der Türkei das Empfinden, als ob England jetzt als Vermittler im wichtigsten Nah-Ost-Problem, nämlich dem von Israel, auftreten würde. Man weiß, daß die Araber niemals einer Koa­lition beitreten werden, der auch Israel an­gehört, denn dies würde einer Anerkennung des Judenstaates gleichkommen, die die Ara­ber rundweg ablehnen. Bereits vor einiger Zeit wurde nun angeregt, Israel nur als mi­litärischen Stützpunkt aufzufassen, und die­ser Gedanke scheint jetzt von England auf ge­griffen zu werden. Israel würde ein Stütz­punkt für die USA-Streitkräfte werden, je­doch außerhalb eines Nah-Ost-Paktes stehen, dem wiederum England seine Hilfe gewähren würde. Man fragt sich allerdings, ob die USA einem solchen System die nötigen Garantien geben würden. Auch hier ein Kluft, die kaum überbrückbar erscheint.

Bekanntlich sind die USA durch ihren Bot­schafter in Teheran im Öl-Konflikt als Ver­mittler aufgetreten. Eine Wahrung der eng­lischen Position schien schon seit langem aus­geschlossen. Im gleichen Augenblicke nun, da

England sich zurückzog, mit einer beinahe theatralischen Geste den Persern die Kon­zession vor die Füße warf und verkündete, daß Persien mangels Einnahmen zugrunde gehen müsse, als zu befürchten war, daß Ruß­land in diese Bresche springen könnte, gaben die Import-Export-Bank und die Internatio­nale Wiederaufbaubank beides amerika­nische Einrichtungen große Kredite an Te­heran. Die USA haben damit den Einfluß des Westens soweit man jetzt voraussehen kann gerettet und sichtlich an Prestige im Orient gewonnen. Wird sich etwas Ähnliches auch demnächst im Irak zutragen? Man er­klärt hier ganz offen, daß die USA heute die einzige Macht darstellen, die in der Lage ist, neben der Türkei genügend Truppen ins Feld zu stellen, um den Orient zu schützen, wo­bei man nicht die englische Luft- und Flot­tenstärke übersieht, aber gerade darum argu­mentiert, daß die Briten und Amerikaner sich einigen müßten, damit gemeinsam ein wirk­liches Verteidigungssystem aufgebaut werde.

Der Vordere Orient würde sich verteidigen, sagte Azzam Pascha, wenn es um die Frei­heit der Menschen geht. Und die Presse be­tont, daß es kaum anderswo so sichere Kämp­fer gibt, wie innerhalb der Islamvölker. Aber diese Kräfte liegen brach, da die Einflüsse, denen der Nahe Osten unterworfen ist, nicht einheitlich ausgerichtet sind. Noch ist es Zeit, daß London und Washington zur Einsicht ge­langen, daß nur eine gemeinsame Linie dazu führen kann, den Orient für das Wohl der freien Menschheit an sich zu fesseln.

Investitionskapital durch Rationalisierung

Große Reserven der westdeutschen Industrie

H. v. St. DÜSSELDORF. Das mit einem Bun­deszuschuß von 500 000 DM im Haushaltsjahr 1950/51 unterstützte und damit offiziell aner­kannte Rationalisierungskuratorium der deut­schen Wirtschaft mit seinen Bezirksstellen in Düsseldorf, Hannover, Frankfurt, Stuttgart und München entfaltet gerade jetzt im Rin­gen der Wirtschaft um Produktionssteigerung bei gleichzeitiger Arbeitskostensenkung eine beachtenswerte Aktivität.Wieviel Kapital kann gespart werden, wenn man einmal die Betriebe auf ihre Arbeitsweise untersuchen und auf konsequent^ Rationalisierung um­bauen würde, wird' in Düsseldorf gefragt. Die Rationalisierungsexperten haben auch, gleich Beispiele zur Hand: In einem Stein­ofenwerk wurde durch den Einbau eines ein­fachen Schüttelrostes in den Ofen eine mehr als 20prozentige Kokseinsparung erzielt. Der Schüttelrost soll nun auch in anderen Stein­ofenbetrieben Anwendung finden.

In einem Werk für autogenes Schneiden und Schweißen wurden durch Vereinfachung der Arbeitsgänge im Jahre 1950 57 Prozent des bisher notwendigen Materials gespart, bei 53 Prozent weniger Ausschuß und einer Produk­tionswertsteigerung um 23 Prozent je Stunde. In einem anderen Betrieb wurden durch ein­fache Umkonstruktion einer Ankerkette 70 Prozent Material gespart bei einer Nutzlast­steigerung um 35 Prozent und einer Verbil­ligung um 18 Prozent. Die Kette, die bisher ein Eigengewicht von 3,4 t (jetzt 1 t) hatte, eine Nutzlast von 15 t (jetzt 20 t) bewältigen konnte, kostet heute DM 2420. je 100 Meter gegenüber DM 2924. vor der Ra­tionalisierung. Durch Verwendung von Git­terziegeln, die ein Maurer bedeutend leichter als Normalziegel greifen kann, wurde 1 cbm Mauerwerk in dreieinhalb Stunden mit 148 Gitterziegeln statt bisher in sechs Stunden mit 400 Normalziegeln errichtet.

Das Rationalisierungkuratorium ist gegen­wärtig vor allem darum bemüht, einen Er­fahrungsaustausch zwischen Betrieben der gleichen oder ergänzender Branchen herbei­zuführen. So haben sich Firmen des Maschi­nenbaus, der Hüttenindustrie, der Werkzeug-, Blechwaren-, chemischen, Glas- und Papier­industrie zusammengetan und über die Ver­besserung und Vereinfachung der Arbeitsgänge

diskutiert. Das Motto hierfür lautet:Was bei der Firma A. zu einem wirtschaftlichen Erfolg führte, kann auch der Firma B. helfen.Im Mittelpunkt aller Betrachtungen steht jedoch der Mensch, stellte der Leiter der Düssel­dorfer Bezirksgruppe für Rationalisierung fest. Bei weniger Handarbeit soll mehr Kopfar­beit geleistet und dadurch der allgemeine Le­bensstandard der Bevölkerung gehoben wer­den. Daher ist es auch begreiflich, daß die Gewerkschaften sehr interessiert an diesen Bestrebungen mitarbeiten und nach Äuße-

Mama Lucia

SALERNO. Die 62jährige Italienerin Lucia A p i c e 11 a, die in den letzten fünf Jahren in der Umgebung von Salerno mehr als 800 im Kriege gefallene deutsche Soldaten ausfin­dig gemacht und dem Volksbund für Kriegs­gräberfürsorge übergeben hat, ist auf Einla­dung des Martens-Verlages und derMünch­ner Illustrierten zu einem Besuch nach Mün­chen abgereist.

Mama Lucia, wie sie allgemein genannt wird, hat sich in der Gegend von Salerno im Laufe der Jahre einen legendären Ruf erwor­ben. Jeder, dem die in schwarz gekleidete kleine Frau auf einer der Gebirgsstraßen be­gegnet, ist glücklich, sie ein Stück im Wagen mitnehmen oder einen der kleinen Zinnsärge, in denen sie die Gebeine der gefallenen deut­schen Soldaten abholt, in die Stadt bringen zu können. Auf ihrer Reise nach München bringt sie 108 dieser Särge den Angehörigen der gefallenen Deutschen mit.

rungen der Rationalisierungsfaehleute bereits manchen guten Vorschlag vorgelegt haben.

Der Ruf nach gesteigerter Produktivität der westdeutschen Wirtschaft wird jedoch nicht nur von deutschen Stellen, sondern vor allem von Amerika im Hinblick auf das bevor­stehende Ende des Marehallplanes erhoben. Wie in allen anderen Marshallplanländern wur­de auch in Deutschand eine sogenanntePro­duktivitätszentrale aufgebaut, deren Aufgabe: Hebung der Produktivität sowie Nutzbarma­chung der technischen Hilfe, die der Marshall­plan bietet, vom Rationalisierungskuratorium übernommen wurde. Technisch-wirtschaftliche Anfragen deutscher Firmen werden über das Rationalisierungskuratorium von amerikani­schen Stellen beantwortet. Kosten sparende Standardisierung wollen deutsche Firmen in Amerika studieren. In Deutschland würde bei­spielsweise durch eine Begrenzung der gegen­wärtig über 90 Herdtypen auf ein Dutzend eine Kostensenkung möglich sein.

Unsere Arbeit hat aber auf die Dauer nur wenig Erfolg, wenn nicht der Handel seiner­seits auch rationalisiert und auf die oft über­holt hohen Handelsspannen verzichtet", klagen die Rationalisierungsexperten,die Techni­ker tun alles, damit die Waren billiger und die Lebenshaltung besser werden.

Mit 250000 DM In den Westen

Ostzonenreferent setzte sicherfolgreich ab

mg. HAMBURG. Von frühester Jugend an wurde der jetzt 31jährige Udo Gümpel in kommunistischer Denkungsart erzogen. Er war ein gelehriger Schüler, und also brachte er es nach dem Einmarsch der Russen schnell bis zum persönlichen Referenten des Leiters der Außenhandelsstelle bei der Deutschen Wirt­schaftskommission der Ostzone. Im Range eines Regierungsrates stehend, hatte er dort die Aufgabe, aus den Satellitenstaaten ange­kaufte Güter möglichst günstig auf Ulegalem Wege in den Berliner Westsektoren in DM- West zu verwandeln. Diese Geschäfte gingen glänzend, die Panzerschränke der Außenhan­delsstelle waren meist gespickt voll mit West­mark. Auch Gümpel profitierte nicht schlecht davon.

Warum er dann trotzdem nach seinen eigenen Angaben 1949 plötzlich begonnen hatte, für die Amerikaner Spionage zu trei­ben und ihnen ständig Kopien der von der DWK getätigten Handelsabkommen zu liefern, blieb im Dunkeln. Als erfahrener Ostzonen­beamter wußte er jedenfalls im Herbst 1950, als man ihn nach Karlshorst beorderte, was die Stunde geschlagen hatte. Statt nach Karls­horst zu gehen, wandte er sich nach West- Berlin, allerdings nicht ohne vorher einen tiefen Griff in den nächsten Panzerschrank' seiner Dienststelle getan zu haben. Dabei blieb rund eine Viertelrnillion DM (West) in seinen Händen kleben. Dieser Griff war es, der ihn jetzt vor die Schranken eines Hamburger Ge­richtes brachte.

Das Gericht befand sich in einiger Verle­genheit. Möglichkeiten zur Nachprüfung der Angaben Gümpels hatte es nicht. Der Ange­klagte hatte sich in West-Berlin ein Haus ge­kauft, dann ein Grundstück in Hamburg und schließlich eine Autovermietung eröffnet. Da aber noch immer ein beträchtlicher Betrag übrig war, inserierte er nach einer guten Ka­pitalanlage. Das wurde ihm zum Verhängnis, denn nun interessierte sich die Hamburger Polizei für ihn. Er gab alles zu und rechtfer­tigte sich damit, daß seine ostzonale Dienst­stelle dieses Geld ja auch nicht auf legale Weise verdient hätte. Der Vorsitzende meinte, dann hätte er es wenigstens der Bundesregie­rung zur Verfügung stellen müssen. So aber sei Egoismus als Triebkraft erkennbar. Dafür seien neun Monate Gefängnis nicht zuviel. Und so geschahs.

Skokiaan

STELLENBOSCH (Kapland). Auf einer hier stattfindenden Landwirtstagung berieten die Farmer der Umgegend u. a. auch darüber, wie man den Eingeborenen ein Getränk namens Skokiaan wieder abgewöhnen kann, das eine verheerende Wirkung hat. Folgendes Re­zept der Mischung wurde dabei mitgeteilt: gekeimtes und gegorenes Kaffernkom, Hefe, Melassezucker, Weinbeerschalen, Inhalt einer beliebigen Medizinflasche, Dagga (Haschisch), denaturierter Brennspiritus und Karbid.

Schuld und Sühne

Von Max Mattheiß

Die Falkin" das ist der Titel einer neuen Bertelsmann-Volksausgabe hat sich lange Jahre bemüht, ihren Mann vom Schmuggeln und Wildem abzuhalten. Er aber hörte nie auf de, und nun ist es zu spät zu einer Umkehr, wie der folgende Ausschnitt schildert.

Nicht so gleichgültig dagegen nahm die Fal­kin die Veränderung ihres Mannes hin, die «ie seit jenem Herbsttag an ihm beobachtete. Er kam nur selten heim, und diesmal stand er herum, als wäre er sich selber fremd ge­worden.

Des Nachts, da er lange schlaflos lag, nahm sieh die Minni ein Herz, ihn ob seiner Ver­schlossenheit zu befragen:

Es gefällt dir wohl nimmer daheim?" be­gann sie.

Er war zu überrascht, als daß er gleich Ant­wort hätte geben können. Erst nach einer Weile faßte er sich:Von ,daheim redst du! Eine schöne Heimat, in der man nicht ein­mal mehr sicher ist.

Was wollte dieser Hohn besorgen?

Aus ihrem Eigendenken entgegnete sie schlichtend:Laß mich nur sorgen, Martin, daß ich den rechten Weg für dich noch finde. Spar dir das, murrte er,mich bekehrst du nimmer.

Sie wollte ihn zur Einsicht mahnen:Schand­bar, wie dus heuer wieder treibst! Machst dir denn gar kein Gewissen draus?

Diese Frag stünd mir wohl besser zu; denn solche Schuld wie du hat sich noch nie ein Hohenschwaiger aufgeladen.

Merkwürdig, ohne sonderliche Erregung nahm die Minni den Anwurf hin. Sie sagte nur darauf:Ein bissei überhoben hat sich da der Wildererhäuptling, dem, wie ich glaub, nicht einmal ein Menschenleben heilig ist, wenns drauf ankommt.

Was hatte sie da angerichtet? Gerade jetzt, *n diesen Tagen solche Rede! Der Martin fuhr

auf, und wenn das Dunkel seinen Blick auch barg, so konnte ihn die Minni doch brennend auf sich fühlen.

Wehr ist kein Verbrechen, brachte er aus schwerem Atem vor.

Beschwörend mutete die Minni diese Ant­wort an, daß sie davor erschrak. War das noch als Erwiderung zu verstehen, oder hatte es gar für etwas Bestimmtes zu gelten? Sie wagte nicht zu fragen.

Dies Schweigen aber nahm dem Falk die letzte Sicherheit.

Weißt dus denn schon? verriet er sich.

O Gott, da mußte Schweres geschehen sein!

Der Martin redete der Besorgten und noch mehr sich selber Fassung zu.

Es fehlt ja nicht so weit, soviel ich noch geschwind hab sehen können. Und dann sind ihm ja die andren gleich zu Hilf gekom­men."

Furcht und Abscheu empfand die Minni vor jedem seiner Worte, und als er wieder seine Tat zu mildem suchte, da verwahrte sie sich, ihn noch weiter anzuhören.

Schon beim ersten Morgengrauen machte sich der Martin reisefertig. Trotz der leisen Schritte entging der Lauschenden nicht die Hast seiner Vorbereitungen. Gut schien er sich auszurüsten; denn die Kastentüre quiekte immerzu. Er kam dann vorsichtig herein, legte seine Stiefel an und steckte sich noch einen dicken Brotkeil ein. Überlegend stand er da, der Minni abgewandt, bis er endlich wagte, nach ihr zu blicken.

Ich muß jetzt auf längere Zeit verschwin­den, erklärte er abschiednehmend und fügte nachdenklich hinzu:Es könnt auch sein, daß wir uns nimmer sehen.

Was hast du vor? bangte sie ihn an.

Da drückte draußen jemand auf das noch versperrte Haustürschloß. In dieser Früh ein Nachbar? Nein, das Schreckgesicht des Falken ließ anderes ahnen. Er horchte mit Mund und Augen, indes er mit verkrampftem Griff die Minni abhielt zur Tür zu gehen. Wie von

Fluchtgedanken angetrieben spähte er die Fenster ab. Alle Läden waren noch geschlos­sen, ein Glück.

He, aufgemacht! dröhnte ein herrischer Ruf.

Geratter an der Klinke und schwere Stie­felstöße gaben ihm gehörigen Nachdruck. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr.

Der Martin sprang hinaus ins Stübel, das Fenster ging und nun konnte die Minni be­freiter atmen. Dennoch stand sie reglos, lau­ernd.

Ein berstendes Geräusch, das Schloß war abgesprengt, und schon war sie von zwei Ge­wehren zu Stand und Red gezwungen.

Wo ist er?"

Die beiden warteten die Antwort gar nicht ab, rannten die Schreckerstarrte rauh zur Seite, durchstöberten die Stuben. Sie mochten suchen.

Da gellte es von ferne durchs offene Fen­ster:Halt!Halt!"

Ein Schuß! Ein zweiter, dritter.

Die Minni stürzte hinaus, suchte irren Blik- kes des Gelände ab. Nichts!

Entkommen also. Getrost konnte sie sich hauswärts wenden. Aber was sprang der Ka- jet jetzt so schreiend die Stiege herunter! Hatte er etwa von droben aus mehr als sie gesehen! Die Minni blickte nochmal um. Aus den verstreuten Büschen traten zwei Grüne hervor. Sie strebten der Brandwiese zu. hat­ten es nicht eilig und näherten sich einem Ziele, vorsichtig wie dem Hirsch im Wund­bett.

Oh, wie weiteten sich jetzt der Minni die Augen, wie würgte sie das Ahnen! Nun ging sie mit ihrem Buben dieser Stelle zu.

Einer der Männer war schon angelangt. Er bückte sich nieder, erhob sich aber kurz dar­auf. Die Minni schaute unverwandt nach ihm.

Nein, er redete nichts zu Boden, und auch Jede Handreichung galt ihm schon als müßig.

Sie haben unsern Vater erschossen, stieß der Kajet aus.

Für den Bücherfreund

Unsere kleine Stadt

Die kleine Stadt und Ihre Men­schen. Bilder Erlebnisse Gedichte. Von P. Philippl mit 43 Kunstdrucktafeln, darunter 14 Vierfarbendrucke und einer Einführung von Carl Meißner. Walter Hädecke Verlag, Stuttgart-Well der Stadt.

Aus den vorbildlich reproduzierten Bildern des Malerhumoristen Philipp! spricht eine innige Herzlichkeit, die den Beschauer Blatt um Blatt genießen läßt und ihn aus der Hetze des Alltags herausführt Philippi fand die meisten Vorbilder für seine behaglich-idyllischen Klein­malereien in Rothenburg ob der Tauber. Da­zwischen weiß der Spitzweg unserer Zeit man­cherlei Vergnügliches von seinen Modellen und aus ernsten und heiteren Mußestunden zu erzäh­len. Auf diese Weise ist ein Feiertagsbuch ent­standen, eine rechte Geschenkgabe für alle Ge­legenheiten. ik.

Kulturelle Nachrichten

Etwa 70 Vertreter aus allen von Friesen be­wohnten Gebieten Hollands, Deutschlands und Dänemarks kamen in Leeuwaarden, der Haupt­stadt der holländischen Provinz Frieslands, zu einem Friesenkongreß zusammen, der vor allem einem gegenseitigen Austausch von Anga­ben und Unterlagen auf den Gebieten der To- ponomie und der Geschichte dienen soll. Außer­dem sollen Voraussetzungen für eine wissen­schaftliche Zusammenarbeit geschaffen werden. Verhandlungssprachen des Kongresses, der von der friesischen Akademie Leeuwaarden veran­staltet wird, sind friesisch, holländisch und deutsch.

Unter dem TitelKennwort: Unterneh­men Heartbreak erscheint Im Herbst im Verlag Scherz & Goverts, Stuttgart-Hamburg, die deutsche Ausgabe eines Romans von Duff Coo- per, der in England einen sensationellen Erfolg hatte. Der britische konservative Politiker und ehemalige Minister Duff Cooper, dessen Talley- rand-Biographie seinerzeit in Deutschland sehr erfolgreich war, erzählt in seinem ersten Roman ein wahres Begebnis aus der Tätigkeit des briti­schen Geheimdienstes im zweiten Weltkrieg.

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