rniSITAG, 13. JULI 1951
NUMMER 1*9
Wie kann ich meine bürgerlichen Rechte durchsehen?
Grenzen, die die Polizei einhalten muß / Vorladungen und Verhöre
Es. nützt uns qüt nichts, wenn, die Bürgerrechte des Deutschen in den Verfassungen geschrieben stehen, ohne in der tagtäglichen Praxis des öffentlichen Lebens von den Behörden auch wirklich beachtet zu werden. Diese Freiheitsrechte sollten im demokratischen Staate nicht nur farblose Theorie, sondern lebendige Wirklichkeit werden, der Einzelne muß imstande sein, sie im. Konfliktsfalle wirksam gegen jedermann zu verteidigen!
Ich, erhalte eine behördliche Vorladung und bin natürlich zunächst als getreuer Staatsbürger, sprich; Untertan, ohne weiteres geneigt, Folge zu leisten. Zugleich aber bäumt sich in mir ein Geist des Widerspruchs auf, der darauf hinweist, daß ich ja in einem „Rechtsstaate“ lebe, und ich prüfe, ob ich einer solchen Vorladung nach dem Gesetze Folge leisten muß. Es ist also letztlich auch hier ein Frage der Zivilcourage, die mich bestimmt, einfach zu zu Hause zu bleiben; eine weitere Aufforderung erhalte ich nicht mehr. Seit dem Gesetz vom 12. 9. 50 ist nämlich das Vorladungs- und Vernehmungsrecht staatlicher Behörden erheblich eingeschränkt worden, was jeder Bürger wissen sollte. Man sieht, daß die Bürgerrechte uns mehr in Fleisch und Blut übergehen sollten, damit wir nicht mehr jeglicher Willkür ausgeliefert sind.
Auch ein Ministerium kann mir nicht ohne weiteres befehlen, in den geheiligten Räumen zu erscheinen, sondern kann allenfalls eine höfliche Bitte an den Bürger richten. Diese Höflichkeit wird sich in Zukunft auch für jede Behörde, aus rein psychologischen Gründen bereits, empfehlen! Aber auch hier liegt es leider immer noch im argen! Wir halten also fest, daß einem freien Bürger, der keine strafbare Handlung begangen hat, auch freistellt, ob er überhaupt vor einer Behörde erscheinen will oder nicht. Nur ein dienstlicher Untergebener kann von seinem Vorgesetzten notfalls gezwungen werden, Rede und Antwort zu stehen. Gewöhnen wir uns ruhig an, in solchen Fällen unberechtigter obrigkeitlicher Ersuchen kurz und höflich darauf hinzuweisen, daß wir Wert darauf legen, die rechtsstaatlichen Formen gewahrt zu sehen.
Nicht einmal die Polizei hat ein Recht, den freien, unbescholtenen Bürger zu sich zu laden, denn darüber steht im Gesetze überhaupt nichts. Allerdings ist nach den Polizeiverwaltungsgesetzen die Möglichkeit gegeben, zur Ermittlung oder Aufklärung eines Tatbestandes den Bürger vorzuladen, und zwar dann, wenn Verdacht eines Verbrechens oder Vergehens gerechtfertigt ist. Es leuchtet ein, daß eine solche Bestimmung dazu verführt, sie von seiten der Polizei möglichst großzügig und weit zu interpretieren, manchmal sogar einer
Hinter westdeutschen Fassaden
Beobachtungen eines Amerikaners
NEW YORK. Der nach fünfjähriger Tätigkeit als Leiter des Bremer Büros der amerikanischen Hilfsorganisation CRALOG wieder in USA eingetroffene Dr. Eldon Burke hob in «ihem Bericht vor Vertretern der amerikanischen Wohlfahrtsarbeit hervor, daß unter keinen Umständen schon die Zeit für eine Einschränkung der amerikanischen Hilfeleistungen gekommen sei. Zwar habe man in Deutschland die Jahre der größten Not überwunden, aber bis zu einer völligen wirtschaftlichen Gesundung würden noch' viele Jahre vergehen. Etwa 90 Prozent der westdeutschen Bevölkerung hätten wieder einen Mindest-Le- bensstandard erreicht, die übrigen aber nicht einmal das Existenzminimum. „Die Preise für Nahrung und Kleidung sind dort ungefähr so hoch wie in den Vereinigten Staaten, nur die Mieten sind niedriger. Die Löhne und Gehälter dagegen betragen nicht mehr als ein Viertel des amerikanischen Niveaus. Mit einer von der Regierung gewährten Unterstützung können die Leute nur gerade am Leben bleiben, aber nichts weiter.“ Nach außen gebe es in Deutschland zwar Wohlstand und normales Leben, aber in ganz New York z. B. finde man nicht eine solche Armut, wie sie in Deutschland hinter den Fassaden der wohlgefüllten Läden und verkehrsreichen Straßen bestehe.
Willkür und einem behördlichen Mißbrauch Vorschub zu leisten. Dagegen wollen wir uns aber mit aller Konsequenz zur Wehr setzen, denn das sind Residuen des Polizeistaates und des Dritten Reiches, die es endlich zu überwinden gilt!
Der Staatsbürger kann selbstverständlich seine Aussage als Zeuge oder Beschuldigter vor der Polizei kurzerhand verweigern, indem er verlangt, alsbald vom zuständigen Richter vernommen zu werden, was er auch schriftlich tun kann. Wird ein Beschuldigter etwa zwangsweise der Behörde vorgeführt, so muß er sofort vom Richter vernommen werden und darf auf keinen Fall über den nächstfolgenden Tag hinaus festgehalten werden. Wer einmal in die unglückliche Lage kommen sollte,
als Beschuldigter verdächtig zu sein, muß wissen, daß er auch in dieser Lage nicht schutzlos der Willkür preisgegeben ist. Der Richter hat einem solchen Menschen au eröffnen, was ihm im einzelnen zur Last gelegt wird, und zu fragen, was er zu seiner Verteidigung vorzutragen habe, d. h. er muß jede Möglichkeit erhalten, den gegen ihn vorliegenden Verdacht zu entkräften und Enfla- stungsmaterial zu beschaffen. Im übrigen ist er aber auch dann nicht verpflichtet, zur Sache selbst irgendwelche Angaben zu machen, sondern er braucht nur seine Personalien zu offenbaren; allerdings darf er sich dann nicht wundem, wenn man u. U. aus seinem Stillschweigen zu seinen Ungunsten negative Schlüsse zieht.
Wie eminent wichtig die genannten Schutzbestimmungen sind, zeigen die bedauerlichen Vorgänge anläßlich der Frauenvemehmungen in Weinheim und Garmisch. Leider haben die Betroffenen offenbar keine Kenntnis von die-
Nur Zerstörung — Elend - Not
Korea ist durch den Krieg an den Bettelstab gekommen
SEOUL. Staub, feiner, sandiger, blaugrauer Staub ist das Kennzeichen Koreas geworden. Staub, der sich in Nasen und Ohren festsetzt, der die Kleidung verschmutzt und zum Husten reizt.
Es ist die Asche der zerstörten Dörfer und Städte, der verbrannten Erde, die Asche der ungezählten Toten, die im höllischen Inferno dieses Krieges umkamen.
Soweit das Auge reicht, nur Zerstörung, Elend und Not. Für Korea ist das Jahr Null gekommen. Kein Weg ist mehr sicher, kein Steg mehr fest, kein Dach mehr dicht. Die Stahlfaust des modernen Krieges, hat das Land von Süden nach Norden her aufgerissen und zerfetzt.
5400 Städte und Dörfer wurden in einem Jahr des Kampfes zerstört, 700 000 Flüchtlinge — ein Drittel der gesamten südkoreanischen Bevölkerung — ziehen über die trichtergefüllten Straßen, 200 000 liegen tot, geschändet, mißhandelt, verhungert, erfroren, verdurstet und gefoltert unter der Heimaterde, die keinen. Schutz gewährte. 125 000 Krüppel dämmern im Elend dahin, 215 000 Zivilisten werden vermißt. Die Verluste der republikanischen Armee sind nicht genau bekannt, gehen jedoch in die Hunderttausende. Zusammen mit den nordkoreanischen Verlusten, die noch größer sind, geht die Zahl der Opfer in die Millionen. Man kann ruhig annehmen, daß jeder zehnte Nordkoreaner dem Schrecken des Krieges zum Opfer fiel...
Korea ist durch den Krieg an den Bettelstab gebracht worden. Die Industrien des Landes sind vernichtet, die Zivilisation, die die Japaner ins Land gebracht hatten, ist von
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JUNI 1950
JUNI 1951
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VOR EINEM JAHR. UND HEUTE
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Unsere Karte veranschaulicht, in welchem Umfang eine Verstärkung der einzelnen amerikanischen Wehrmachtsteile seit Beginn des Koreakriegs eingetreten ist. Diese Veränderung ist kennzeichnend für das gesamte militärische Potential der USA und damit für einen großen Teil
der westlichen Welt.
Panzern zermalmt, vom Bomben zerfetzt worden. Der Schaden in dem technisch höher stehenden Norden des Landes ist naturgemäß größer, da hier die alliierte Luftwaffe ihre volle Schlagkraft entfaltet. 8400 Großhomber- Einsätze, 13 000 Einsätze mittlerer Bomber und unzählige Einsätze von Jagdbombern und Düsenjägern richten sich gegen das Hinterland der Kommunisten. 2000 Brücken wurden von den alliierten Fliegern zerstört — die Zahl der von den Kommunisten zerstörten ist nicht hierin einbegriffen —, 130 000 Gebäude dem Erdboden gleichgemacht. 1400 kommunistische Lokomotiven und 17 600 Eisenbahnwagen wurden vernichtet.
Dies alles sind nur Fragmente, kleine Sternchen des grausigen Mosaiks, das der Krieg in Korea schuf. 450 000 Wohnhäuser wurden allein in Südkorea zerstört Die Bewohner flüchteten oder kamen um. Der Sachschaden in Südkorea beträgt 4,5 Milliarden Dollar. Im Norden ist er entsprechend höher. Insgesamt dürfte er weit über 10 Milliarden Dollar ausmachen.
10 Milliarden Dollar... Korea hat keinen Pfennig mehr. Arm, zerstört, zerschlagen, Schindluder eines politischen Wirbelsturmes, der über Asien fegt, steht das Land am Abgrund.
Friedensfanfaren haben in aller Welt die Bereitwilligkeit der Kommunisten und der Alliierten zu Waffenstillstandsverhandlungen verkündet. Für Korea läuten keine Friedens- glbcken mehr, denn es gibt keinen Glocken- turm. in dem man sie aufhängen könnte. Das Stöhnen der Sterbenden läutet in Korea den Frieden ein. Den Frieden?
McCloy: ,,Aufschließen der Schütze Zwo — aufschließen —!! Nehmen Sie sich ein Beispiel an Ihrem Gewehrführer —!“
(Aus dem „Münchner Merkur“)
sen Bestimmungen gehabt, und nur deshalb ist es zu derart unmöglichen und das Vertrauen zum Rechtsstaat schwer erschütternden Auftritten gekommen.
Es ist eine Tat im Sinne rechtsstaatlichen Denkens, daß durch den neuen § 136 a StPO zugunsten jedes vernommenen Bürgers die Anwendung irgendwelcher Druckmittel zur Erpressung von Geständnissen strikt verboten worden ist. und sogar unter Strafe gestellt wurde. Diese Vorschrift sollte jeder Bürger ebensogut keimen, wie jeder Kraftfahrer die Generalklausel des § 1 der StVO. Es heißt in jener Bestimmung, daß die Freiheit der Willensentschließung und Betätigung eines Beschuldigten weder durch Mißhandlungen noch durch Ermüdung, durch körperlichen Eingriff, durch Verabreichung von Mitteln, durch Quälereien, Täuschung oder durch Hypnose beeinträchtigt werden darf. Hierunter fallen auch die sogenannten „Plauderdrogen“, über die in letzter Zeit viel diskutiert worden ist, und die überdies, auch medizinisch gesehen, von sehr zweifelhafter Wirkung sind.
Besonders interessant ist die Vorschrift, daß alle Aussagen, welche unter Verletzung dieser Verbote sozusagen erpreßt worden sind, unter keinen Umständen gegen einen Beschuldigten verwertet werden dürfen, selbst wenn dieser zustimmen sollte. Diese Übervorsicht im rechtsstaatlichen. Sinne hat ihre Gründe in vielen traurigen Erfahrungen der Vergangenheit.
Eine Ausnahme in gewisser Hinsicht macht die Finanzbehörde, indem sre nach § 204. ff. der Reichsabgabenordnung das Recht hat, den steuerpflichtigen Bürger zur Ermittlung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse persönlich vorzuladen. Kommt der Steuerpflichtige einer solchen Aufforderung des Finanzamtes nicht nach, so kann er zwar nicht durch Brachialgewalt gezwungen werden, zu erscheinen, zumal er auch hier richterliche Vernehmung fordern kann, doch läuft er dann Gefahr, daß seine Weigerung ihm an den Geldbeutel geht und er erhebliche finanzielle Nachteile dadurch erleidet. Das Finanzamt kann nämlich in einem solchen Fall nach § 217 RAO die Einnahmen des nicht erscheinenden Steuerpflichtigen nach freiem Ermessen schätzen und das wird in der Regel nicht unbedingt zugunsten des Steuerpflichtigen ausfallen. R. N
AutbaupSäne für Helgo and
PINNEBERG. Der Wiederaufbau Helgolands hat jetzt zum ersten Male feste Formen angenommen, nachdem der Elfer-Ausschuß der Helgoländer nach einem Besuch auf der Insel den Aufbauplan der Bausachverständigen gebilligt hat. Der größte Teil des zerbombten Unterlandes der Insel soll danach eingeebnet, die Trümmer zu Splitt verarbeitet und auf dem Nord- ostgelände zu Baustoffen geformt werden. Das Nordostgelände der Insel, das vorläufig nicht bebaut werden soll, wird zunächst nur Arbeiterbaracken aufnehmen und durch eine moderne Straße mit dem ehemaligen Marinegelände verbunden werden. Später soll diese Straße den ersten Kurgästen als Strandpromenade dienen. Auch auf dem Oberland sieht der Bauplan die Anlage einiger Straßen vor, sobald die Schuttkegel eingeebnet und der ehemals berühme Fahrstuhl und der Schrägaufzug wiederhergestellt worden sind.
Spanischer Bilderbogen
Mit der Nase durch Madrid
Was für die Menschen zutrifft, gilt «icht weniger für Länder und Städte: Um sie gerne zu haben, muß man sie gut riechen können. Mäda- riaga schreibt in seinem Spaufenbuch, seit alters- her würden Seeleute die Nähe Spaniens eher erriechen als ersehen; ein Kräuterduft mit blumigem Einschlag wehe wie Sirenengesang vom Festland her. Städte gibt es, die uns angenehm in die Nase steigen, wie Sevilla, dessen Luft immerzu von Blumen und Blütenpollen geschwängert ist, und andere, die unsere Nase beleidigen und die wir — schwäbisch gesagt — „nicht schmecken“ können.
Madrid riecht nach gar nichts. Seine Luft ist nüchtern, Gebirgswinde gehen darin um. Die Berückung der Parfüme geht ihm ah Die Spürnasen müssen; um auf ihre Kosten zu kommen, streunen. Sie dürfen schließlich zufrieden sein, denn S j e stoßen vorwiegend auf nahrhafte und schwergewichtige Gerüche. Wenn man abseits der Baseos durch die Gassen des alten Madrid bummelt, setzt sidi mit besonderer Kraft der Duft nach geräuchertem Schinken durch: Nach der ka- stiiischen Hausmarke „Serrano“, die gut abge- Äängt;. kemig,. würzig, dursterregend, energiespendend, trocken und doch saftig ist. In den Kolonialwarengeschäften, die überall auf deT Welt Füllhörner zauberhaft gemixter Gerüche sind, spielt der „Serrano" den Generalbaß. Die *charf gepfefferten, harten, rötlich schimmernden, aber unansehnlichen Chorizos, eine Art Knackwürste, geben die Begleitmusik. Ein leichte Untermalung durch Knoblauch gehört dazu. (Don Quichotte hat in seinen Ratschlägen für Sancho als Gouverneur nur das Übermaß des Knoblauchessens gerügt.) In Konkurrenz damit treten die beizenden Dämpfe des naturreinen, nicht raffinierten Öles. Sie fehlen nirgends. Vor ein paar Tagen kam ich an der Real Acadencria Espafiola vorbei und was mich da aus einem Fenster heraus in die Nase stach, zwang mich, statt an Cervantes, Lope und Calderon an Huevos fritos, an ln öl gebackene Eier zu denken, die ein Erstgeburtsrecht wert sein können. Heißes öl in der Bratpfanne, Spritzgebackenes im siedenden Ölkessel: Wahre Rauchopfer entsteigen ihnen
In den Tascas, wo das Glas Wein mit Tapa — einem, Appetithäppchen. — fünf Pfennig kostet, riecht es weniger nach verschüttetem Wein als nach dem tückischen, schwersüßen spanischen Anis, den manche erst mit Wasser, dann ohne Wasser, schließlieh wie Wasser trinken. Während eines langen Sonntagmorgenbummels durch die Gassen, in denen die Dichter des Siglo de Oro „gelebt, geliebt, geschrieben“ haben, wurde ich nur ein einzigesmal von den Schwaden frisch geschwungener Weihrauchfässer eingehüllt. Auch das ist für Madrid charakteristisch.
Die spanischen Hüte sind flott. Sie sind zudem meist neu; die Liebe zu alten, zerbeulten, nicht mehr aufbügelbaren Chapeaus ist hierzulande fremd. Der Spanier setzt sich den Sombrero gerne vor dem Spiegel auf und trägt Ihn keck, auf Wirkung bedacht, auf ein Ohr gerückt, und in die Stirne gedrückt. Niemand mag ihn dem Hinterkopf zuschieben; das können die Amerikaner machen. Ein Spanier würde fürchten, mit einem derartig „schwimmenden“ Hut sich seine® Würde zu begeben. Sinn für Würde hat den Cordobeser, den steifen, breitrandigen, halbhohen Bruder des Zylinders, erfinden lassen. Der Cordobeser hat Linie und Schmiß und ist das glückliche Gegenstück zur unglücklichen Angströhxe. Aber er herrscht nur in Andalusien, in Cordoba, Sevilla, Malaga; wenn der Andalusier auf Reise geht, läßt er seinen Cordobeser zu Hause.
Die meisten Hüte werden im heutigen Spanien nicht van den Einheimischen, sondern von den Fremden gekauft. Für ihre starken Devisen sind sie billig. Der Spanier aber hat den „Sinsom- brerismo“ proklamiert: Hutlos ist die Mode. Wer von den Jungen sich alt fühlt, geht mit Hut aus;, wer von den Alten sich jung glaubt, ist „sinsom- brerista“. Beim letzten Stierkampf sah ich es deutlich: Mehr als siebzig Prozent der Männer saßen barhäuptig da. Dabei sind gerade die Arenabesucher in ihrem Gehaben konservativ, und manch einer, der sonst barhäuptig herumläuft, holt sich vor der Corrida einen Hut hervor.
„Sevilla in Flammen“ hat der Stierkampfkritiker einer Madrider Abendzeitung seinen Bericht über eine der acht Corridas überschrieben, die während der letzten „Feria de Sevilla” veranstaltet worden sind. In drei Spalten ver
brauchte er alle denkbaren Lobsprüche, die dem Leser das Bild einer churrigüresken Barockfassade mit ihrem wuchernden Formengeschlinge heraufbeschworen.
Litri, der neue Stern am Stierkämpferhimmel war mit dem Entschluß in die Arena gekommen, „entweder triumphieren oder zu sterben". Br triumphierte. Er wurde auf den Schultern durch die Straßen getragen. Die Sevillaner delirierten. Einen Tag später hat das gleiche Publikum denselben Torero ausgepfiffen, niedergeschrien, beleidigt, mit Unrat beworfen und so bedroht, daß die Polizei ihn, der eben erst ein tausendfältiges „Hosianna!" genossen hatte und jetzt das „Ans Kreuz mit ihm!“ zu hören bekam, schützen mußte. Denen es am Vortag gefallen hatte, einen Abgott aus dem. Staub zu heben, machte es heute Spaß, ihr Idol wieder zu zerschlagen. Morgen werden sie es vielleicht erneut errichten. „Kochende Volksseele“ nennt sich das.
Dr. A. Dieterich, Madrid
Für den Bücherfreund
Zeitlose Novellen
Arnold Zweig: Novellen um Claudia. Gebr.
Weiß, Berlin, 1951. 319 S.
Werner Mahrholz nennt Arnold Zweig in seiner „Deutschen Literatur der Gegenwart (1931)“ einen „Kammerspieler des Gefühls“. Zu dieser Wertung haben die in Neuauflage erschienenen „Novellen um Claudia“ — immerhin hält man beim 230. Tausend — entscheidend beigetragen. Arnold Zweig fand nach dem ersten Weltkrieg große Beachtung insbesondere mit „Der Streit um den Sergeanten Griseha“ und „Junge Frau von 1914“, zwei Romanen, die dem Krieg und seinen Begleiterscheinungen wohltuend schonungslos entgegentreten. Audi diese Romane liegen wieder vor. Die Claudia-Novellen, gleichfalls ein zusammenhängender Roman, sind zeitloser. Ein sensibler Dichter geht den Problemen komplizierter Menschen nach, ihren Hemmungen und Trieben, Spannungen und Erlösungen und formt Schicksale aus dem Alltag seiner Gestalten, rückhaltlos offen und empfindsam zugleich. Sprachlich außerordentlich sicher und sauber bleibt Arnold Zweigs Werk auch in unserer Gegenwart bestehen. cz.
Im Lande des Negus
Hakim Zahn, Adami Tullu, Verlag Deutsche Volksbücher, Stuttgart. 195!- 16» S. 8.4» DM.
Hakim Zahn, der kurz vor dem ersten Weltkrieg nach Abessinien kam und' dort bis zum Ende letzten Krieges als Apotheker, Pionier und „Zauberer“ gelebt hat, gibt eine eindrucksvolle und farbige Schilderung von Land und Leuten des Königs der Könige. Es sind persönliche Erlebnisse, gemischt mit historischen' Begebenheiten und geographischen Beobachtungen. .Jeden», da® sich über das heutige Abessinien in unterhaltender Form unterrichtenden will, kann dieses Buch empfohlen werden. Je.
Kmltareffp Nachrichten
Der französische Hohe Kommissar F r a n — Cois-Poncet hat dem Seminar fü® vergleichende Naturwissenschaften an der Johannes- Guten berg-Uni versität in Mainz, Direktor Prof. Dr. Friedrich Hirth, 500 000 fr zum Ankauf von Büchern zur Verfügung gestellt.
Die nach 1947 unter verschiedenen Bezeichnungen in Frankfurt a. M. r Stuttgart und Stade gegründeten Gesellschaften für Weltraumforschung haben sich in diesen Tagen nach einem in Haimover gefaßten Beschluß ihrer Vorstände zu einer für das Bundesgebiet einheitlichen „Gesellschaft für Weltraumforschung" zusammengeschlossen. Sitz der neuen Gesellschaft ist Frankfurt a. M.
In Trier wird noch in diesm Monat ein M u - seumfür a 11 c h r i s 11 i c he Archä-olo- g i e eröffnet werden. In den nach modernsten museumstechnischen Gesichtspunkten hergerichteten Räumen' werden alle Funde ausgestellt, die in den letzten Jahren in der Umgebung des Trierer Doms und der Trierer Liebfrauenkirche gemacht worden sind. Die schon jetzt weitbekannten Monumentalmalereien mit Bildnissen der hL Helena und anderer Angehöriger des konstanti- nischen Kaiserhauses, die frühchristlichen Gebetsinschriften aus der Liebfrauenkirche und die zahllosen anderen Funde werden dem Museum für die Fachkreise eine überragende Bedeutung geben.