HEIMATBLATT FÜR

STADT UND LAND

MITTWOCH, 11. JULI 1951

ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG

7. JAHRGANG / NR. 10«

Ausgedehnte Bundestagsdebatte über Landwirtschaftsgesetje

Bonn berät die neuen Hoch- und Landesverratsbestimmungen

BONN. Zu scharfen Auseinandersetzungen «am es am Dienstag im Bundestag bei den «weiten und dritten Lesungen der Gesetze über die Getreidepreise, die Frühdrusch­prämien und das Kündigungsschutzgesetz, das «chließlieh gegen die Stimmen der FDP, Deutschen Partei und Bayernpartei von der Hehrheit aus SPD und CDU angenommen vurde. Zuvor hatte das Parlament Gesetzes­entwürfe über die Änderung des § 410 der Reichsabgabenvrdnung, über Hilfsmaßnahmen für Heimhehrer, über, die Neuregelung des Tarifvertragswesens zur Vorbereitung der zweiten Lesung an die Ausschüsse über­wiesen.

Das Gesetz über die Errichtung eines Kraft­fahrbundesamtes wurde in dritter Lesung mit großer Mehrheit verabschiedet In der Frage der Festsetzung dervon ... bis ... -Höchst­preise für Getreide stellte die SPD dem Ge­setz ein glattes Nein gegenüber. Jedermann wisse, so argumentierte der Abgeordnete Kriedemann (SPD), daß diese Preise nur auf dem Papier stünden, und daß ohne eine Vermehrung der Planung und Lenkung daran lichte zu ändern sei. Horlacher (CDU), der leben Ernährungsminister Niklas das Ge­setz verteidigte, gab zu, daß die vorgesehenen Höchstpreise praktisch bestenfallsFestpreise sein würden. Als der Abg. Faßbender von ler FDP die Zustimmung seiner Fraktion von der Annahme eines Abänderungsantrags ab­hängig machte, wurde die Beratung des Ge­setzentwurfs unterbrochen, um den Fraktio­nen Gelegenheit zur Überprüfung ihrer end­gültigen Haltung zu geben.

Den Mittelpunkt der Montagsitzung bildete die erste Beratung eines Strafrechtsänderungs­gesetzes, durch das neue Bestimmungen über Hoch- und Landesverrat in das Strafgesetz­buch aufgenommen werden. Als Staatsgefähr­dung werden künftig alle Handlungen verfolgt werden, die auf eine Beeinträchtigung des Be­standes der Bundesrepublik abzielen, die einen Teil oder das ganze Bundesgebiet unter

fremden Einfluß zu bringen geeignet sind oder die die Selbständigkeit von Bundesländern be­einträchtigen oder einen Gebietsteil losreißen wollen. Auf Sabotage in öffentlichen Betrie­ben, auf Gründung oder Weiterführung ver­botener Organisationen, auf Nachrichtensamm­lung für ausländische Regierungen oder Par­teien, auf Verächtlichmachung der Bundesrepu­blik, ihrer Organe und ihrer Symbole, stehen Gefängnis- oder Zuchthausstrafen.

Die SPD kündigte die Ablehnung des Geset­zes an, falls der von ihr verneinte § 97, der nach Ansicht der SPD dem Staat einen Ein­griff in den politischen Meinungskampf ermög­licht, beibehalten werde. Die umstrittene For­mulierung von Justizminister Dehler, die als Kernstück der Verfassungsschutzbestim­mungen bezeichnet wurde, hat folgenden Wortlaut:Den Verfassungsgrundsätzen im Sinne dieses Abschnitts stehen gleich:

1. der Schutz der Grundrechte gegen eine Beeinträchtigung durch Gewalt, durch Er­regung von Schrecken oder durch Einschüch­terung mit ungesetzlichen Maßnahmen.

2. der Ausschluß jeder Gewalt- und Willkür­herrschaft.

Die Entscheidung über das Gesetz wird in der für Mittwoch vorgesehenen zweiten und dritten Lesung fallen.

Bei der ersten Lesung eines Gesetzes zur Regelung der finanziellen Beziehungen zwi­schen der Bundesrepublik und Berlin kün­digte Finanzminister Schäffer einen Re­gierungsentwurf an, nach dem die finanzielle Gleichstellung Berlins mit den elf Ländern der Bundesrepublik erfolgen wird. Der Ge­setzentwurf über die Investitionshilfe der ge­werblichen Wirtschaft wurde an fünf Fach­ausschüsse überwiesen und soll ebenfalls schon am Mittwoch endgültig verabschiedet werden; wie überhaupt die letzte Woche vor den Parlamentsferien im Zeichen eines enor­men Arbeitstempos des Bundestags steht, der sich am Donnerstag schon mit der ersten Le­sung des Schuman-Plan-Gesetzes befassen wird.

Beendigung des Kriegszustandes

Großbritannien geht USA und Frankreich voran / Insgesamt etwa 50 Länder

BONN. Vertreter der drei Hohen Kommis­sare unterrichteten am Montagnachmittag die Bundesregierung über die Schritte ihrer Re­gierungen zur Beendigung des Kriegszustandes. Die britische Regierung hat durch Proklama­tion den Kriegszustand am Montagnachmittag um 16 Uhr offiziell aufgehoben.

Die entsprechende Note wurde durch den stellvertretenden britischen Hohen Kommis­sar, Ward, Staatssekretär Prof. Hallstein überreicht. Der britische Außenminister Mor­rison gab diesen Beschluß am gleichen Tage im Unterhaus bekannt. Neben Großbritannien er­klärten auch Australien, Neuseeland und die Südafrikanische Union den Kriegszustand mit Deutschland für beendet.

Präsident T r u m a n hat den amerikani­schen Kongreß ersucht, den Kriegszustand mit Deutschland zu beenden. In seinem Schreiben kam zum Ausdruck, die Aufhebung des Kriegs­zustandes werde keine Auswirkung auf die amerikanische Besatzungspolitik in Deutsch­land, sondern in erster Linie einen psychologi­schen Effekt haben. Der Vorsitzende des Au­ßenpolitischen Ausschusses des amerikanischen Senats, C o n a 11 y , erklärte am Montagabend, die Annahme der Empfehlungen Trumans durch den amerikanischen Senat in etwa vier Wochen zu erwarten.

Die französische Regierung hat, nach einer Erklärung des Außenministeriums, am Mon­tag einem Erlaß zur Beendigung des Kriegs­zustandes mit Deutschland zugestimmt. Die Proklamation wird nunmehr den einzelnen Kabinettsmitgliedern zur Unterschrift zuge­leitet werden. Im Augenblick ist noch nicht er­sichtlich, ob der Erlaß noch vor dem Rücktritt der französischen Regierung in Kraft treten kann.

Die Aufhebung des Kriegszustandes bringt ln erster Linie einige Erleichterungen für den

Luftbrückendenkmal

BERLIN. In Anwesenheit von 75 000 Ber­linern und hoher in- und ausländischer Gäste wurde am Dienstagmittag das Luftbrücken­denkmal auf demPlatz der Luftbrücke zwei Jahre nach der Blockade Westberlins von Oberbürgermeister Prof. Reuter ent­hüllt. Am Fuß des etwa 20 Meter hohen Be­tonpfeilers, dessen drei Spitzen die drei Luft­korridore versinnbildlichen, durch die Berlin während der Blockade mit dem Westen ver­bunden war, befindet sich eine Bronzeplatte mit len Namen der 53 alliierten Flieger, die in dem elf Monate dauernden Einsatz ihr Leben lie­ßen.

Der stellvertretende britische Hohe Kommissar I. G. Ward (links) überreichte am Montag dem Staatssekretär im Auswärtigen Amt, Prof. H allst e in , die Note, in der die Beendigung des Kriegszustandes zwischen Großbritannien und der Bundesrepublik mitgeteilt wurde Bild: ap

Wann kommt die Hochschulreform?

Wirtschaftsverkehr. Der britische Außenmini­ster Morrison erklärte, er erwäge die Heraus­gabe einesWeißbuches", das zur Aufklärung der Öffentlichkeit einen genauen Überblick über die rechtlichen Fragen derBeendigung des Kriegszustandes im Vergleich zu dem Abschluß eines Friedensvertrages geben soll. Die Besatzungspolitik werde auf jeden Fall nicht betroffen. Eine entsprechende Erklärung war auch von den Vertretern der Hohen Kommissare der Bundesregierung gegenüber abgegeben worden.

Bundeskanzler Adenauer begrüßte die von verschiedenen Ländern ausgesprochene Beendigung des Kriegszustandes als einen großen Fortschritt". Damit werde ein Schluß­strich unter diskriminierende Bestimmungen im zwischenstaatlichen Verkehr gesetzt.

H. G. v. St. Es ist jetzt über drei Jahre her, daß der damalige Militärgouverneur der bri­tischen Besatzungszone, General Robertson, eine Anzahl von Gelehrten berief, umden Anteil der deutschen Hochschulen am demo­kratischen Aufbau der Nation zu ermitteln und geeignete Vorschläge zu machen, wie die­ser Beitrag gesteigert werden könne. Zu den deutschen Mitgliedern dieser Kommission gehörten Professoren sowie Vertreter der Kirchen, der Gewerkschaften, der Kultusbe­hörden und der Wirtschaft. Die beiden ein­zigen Ausländer waren der Rektor des Bal- liol College in Oxford, Lord Lindsay of Bir- ker und der Schweizer Professor Jean R. v. Salis von der Technischen Hochschule in Zürich.

Die Kommission besuchte damals 18 west­deutsche Hochschulen. Ihre Empfehlungen befürworteten die Einführung einesStudium generale, innerhalb dessen Studenten aller Fakultäten mit den Grundfragen der Philoso­phie,Soziologie, Geschichte, Volkswirtschaft und Psychologie bekannt gemacht werden sollten, ferner die Berufung vonStudienprofesso­ren nach englischem Vorbild (Tutors), die Schaffung von Hochschulräten und Beiräten, sowie die Stärkung der Hochschulautonomie.

Die Fehler des deutschen Universitätssystems sind in Deutschland selbst nicht immer mit der notwendigen Klarheit erkannt worden. Ein deutscher Gelehrter wie der Archäologe Ludwig Curtius fand wenig Gegenliebe, wenn er, wie in seinen Lebensinnerungen (Deutsche und Antike Welt) erklärte:Das Ziel unserer Vorlesungen müßte weniger ein fachgelehrtes, kritisches sein, sondern die allgemeine geistig moralische Erziehung des Studenten. Wenn Curtius weiter feststellt:Das englische Sy­stem leistete als rein wissenschaftliches viel­

Waffenruhe-Verhandlungen im Gange

Keinerlei politische Gespräche / Ridgway:Stadium der reinen Vermutung

KÄSONG. Die erste offizielle Waffenruhe- Konferenz zwischen Vertretern der UN und kommunistischen Unterhändlern in Käsong am Dienstagmorgen war nach genau 91 Minuten beendet.

Das zweite Treffen der Delegationen dauerte zweieinhalb Stunden. Anschließend kehrte die alliierte Delegation zu ihrem Standort Mun- san etwa 25 Kilometer von Käsong entfernt zurück. Die Delegation lehnte jede Äuße­rung ab.

Generalmajor C r a i g i e erklärte nach seiner Rückkehr aus Käsong, die Verhandlungen des ersten Tages seiensehr erfolgreich" verlaufen.

Der Hauptunterhändler der Alliierten, der amerikanische Vizeadmiral J o y erklärte den Kommunisten, seine Delegation sei einzig und allein an einer garantierten Beendigung der Feindseligkeiten interessiert und werdekei­nerlei politische Gespräche führen. In der Er­öffnungserklärung der alliierten Delegation wurde festgestellt, daß die Unterhändler im Namen des Oberkommandos der UN sprechen. Sie seien sich der großen Bedeutung bewußt, die die begonnenen Verhandlungen für die Völ­ker der ganzen Welt darstellen.

Der Abordnung der UN gehören drei Gene­rale und zwei Admirale, der kommunistischen Delegation fünf Generale an. Die UN-Dele- gation wurde mit fünf Hubschraubern an den Verhandlungsort gebracht.

Der UN-Oberbefehlshaber, General Ridg­way. begab sich am Montag nach Seoul, um

für die Beratungen der Unterhändler zur Ver­fügung zu stehen. Vor Pressevertretern wies Ridgway darauf hin, daß die Waffenruhever­handlungen sich noch in einem kritischen Sta­dium befänden und die Frage des Erfolgs oder Mißerfolgsimmer noch völlig offen sei.Wir sind noch immer nicht sicher, was der Gegner im Sinn hat. Im Augenblick befinden wir uns in einem Stadium der reinen Vermutung. Nach Meldungen aus Washington rechnet man dort damit, daß die Waffenstillstandsver­handlungen sich noch mehrere Wochen hin­ziehen werden. Aus Kreisen des amerikani­schen Verteidigungsministeriums verlautete, eine längere Verhandlungsdauer werde von den USA nicht als unbillig angesehen, da man sich der großen Schwierigkeiten der chinesi­schen Unterhändler bewußt sei, die allein rein nachrichtenmäßig einem Meinungsaustausch zwischen Käsong und Peking im Wege stün­den. Grundsätzlich ist man davon überzeugt, daß die Kommunisten wirklich einen Waffen­stillstand anstreben. Folgende Bedingungen werden aufgeführt: Die Frontlinien sollen dort festgelegt werden, wo sie am Tage des Waffen­stillstands verlaufen; Errichtung neutraler Zo­nen; Untersagung aller Verstärkungen; Aus­tausch der Kriegsgefangenen auf der Grund­lage: 1:1; Überwachung des Front- und des rück­wärtigen Gebiets auf beiden Seiten zur Über­prüfung der Einhaltung der Waffenstillstands­bedingungen, vorzunehmen durch Mitglied­staaten der UN, die an den Kämpfen der UN nicht beteiligt sind.

leicht weniger als das deutsche, aber für die geistige Gesamterziehung der Nation leistete es ungleich mehr, so sagt er damit eine in Deutschland leider zu wenig bekannte Wahr­heit. Und erst recht wird man Curtius bei­pflichten müssen, wenn er im Hinblick auf die 1933 einsetzende Entwicklung das politi­sche Versagen der deutschen Hochschulen er­klärt:Die Universitäten waren zu schwach im doppelten Sinne. Sie waren zu schwach in sich als geistige Körperschaften und sie waren zu schwach in ihrer Wirkung auf die Nation. Überdenkt man ihre Lage, so findet man die bizarr-tragische Situation, daß das­selbe deutsche Volk, das sie als sein kost­barstes Gut hegte und pflegte und stolz auf sie war, sich selbst um all den geistigen Ein­fluß brachte, den es hätte von ihnen empfan­gen können.

Wie alle geistigen Institutionen unterliegen die Hochschulen dem Wandel der Zeit. Man kann Humboldt kein größeres Unrecht tun, als wenn man unter Berufung auf die von ihm begründete Tradition der Lern- und Lehr­freiheit, der Freiheit von Forschung und Lehre, den Sinn der deutschen Hochschule ausschließ­lich in der Vermittlung des Wissens und der Heranbildung von Wissenschaftlern suchen will, wie dies bei einem großen, wenn nicht dem überwiegenden Teil der deutschen Profes­sorenschaft noch immer der Fall ist.

Für die geistige Erstarrung der Lehrkörper war nichts bezeichnender, als daß die Initia­tive zu einer Hochschulreform von den Be­satzungsmächten und nicht aus der Mitte der Hochschulen kam, und daß die Vorschläge der von ihnen berufenen Kommission in aka­demischen Kreisen in der Regel auf Schweigen stießen. Wohl haben einzelne Hochschulen einzelne Anregungen aufgegriffen. So wurden in Freiburg und Hamburg Hochschulbeiräte gegründet, während in Karlsruhe einem erwei­terten Senat diese Funktion zufallen soll. In Tübingen ist mit der Gründung eines Collegium Leibnizianum ein Versuch zur Einführung desStudium generale* gemacht worden und Göttingen und Berlin haben ihre Studienordnungen in diesem Sinne revidiert. Aber davon zu sprechen, daß die Hochschulen den Gedanken der Hochschulreform begeistert aufgriffen, daß sie Vorschläge wie die erwähn­ten mit Gegenvorschlägen bereicherten und den Kultusbehörden der Länder keine Ruhe ließen, Durchführungsverordnungen zu erlas­sen, ist leider nicht möglich.

Und so überläßt man es denn den Hoch­kommissaren, wie kürzlich McCloy in Frank­furt, Francois-Poncet in Mainz, der akade­mischen Jugend jene Probleme ans Herz zu legen, die den tieferen Sinn der Hochschul­reform ausmachen: die Erziehung zum Inter­esse am Gemeinwesen. Der amerikanische Professor Perry Miller, Harvard University, der in Europa als Gastprofessor tätig war, schrieb kürzlich:Nach einer höheren Schule, die außer Drill und Auswendiglernen kaum etwas anderes bot, betritt der 18jährige Student gefaßt und ernst die Universität und wird einer bestimmten Fakultät zugewiesen, über die er geistig nie hinauswächst. Dort wird er genötigt, sich auf Lebzeiten der Theologie, Jura oder Medizin zu verschreiben. Der Druck der Gesellschaft gestattet es ihm nicht, seine Karriere aufs Spiel zu setzen, indem er seine Geisteskräfte für irgendeine andere als seine Berufsausbildung verwendet. Dieses Urteil ist keineswegs auf die deutschen Hochschulen gemünzt Aber wir wären weiter, wenn wir zugeben würden, daß es auch uns angeht.