SAMSTAG, 7. JULI 1951

WIRTSCHAFT

NUMMER 104

Erhebliche Preiserhöhung für Treibstoffe

Fortfall der Zollvergünstigungen für Rohöl schädigt Verkehrs Wirtschaft und Raffinerien /Fraglicher fiskalischer Erfolg

HAMBURG. Mit sofortiger Wirkung werden die Preise für Benzin um 5 Pfennig pro Liter und für Dieselkraftstoff um 6 Pfennig pro kg heraufgesetzt, erklärt die Hamburger Mineral- Olwirtschaft. Die Zuschläge treten zu den Zonen­preisen hinzu. Für Petroleum beträgt die Erhö­hung 9 Pfennig pro Liter. Die Erhöhung der Preise ist auf den Fortfall der bisherigen Vor­zugszölle für Importrohöl zurückzuführen. Durch den Beschluß der Bundesregierung, an die Stelle der bisher gleitenden Zollsätze für Mineralöl­produkte feste Zollsätze treten zu lassen, müssen für Importiertes Rohöl bis zu 130 DM Zoll ge­zahlt werden, während der bisherige Satz durch­schnittlich 69 DM betrug.

Neben Italien hödiste Preise

Die erhebliche Preiserhöhung für Benzin und Dieselkraftstoff, durch die die Treibstoffpreise im Bundesgebiet neben Italien den höchsten Stand in Europa erreichen, ließ sich nach Angaben der Mineralölindustrie nicht vermeiden, nachdem der Gleitzoll als erhebliche Zollbegünstigung fort­gefallen ist, und nunmehr feste Rohölzoiisätze ohne Verarbeitungsvergünstigungen an seine Stelle getreten sind. Durch diese Maßnahmen können die Verarbeitungskosten der Mineralöl­raffinerien bei den bisherigen Verkaufspreisen nicht mehr gedeckt werden. Da in Zukunft der Rohölimport nahezu mit dem gleichen Zoll belegt wird, wie die Einfuhr von Mineralölfertigproduk­ten. wird der Importeur von Fertigprodukten mit erheblichen Gewinnen arbeiten. Da die Ko­sten für die Verarbeiter von deutschem Rohöl gleich bleiben, werden auch diese von den erhöh­ten Treibstoffpreisen erheblich profitieren. Das Finanzministerium beabsichtigt, die Gewinne der Verarbeiter von im Inland gefördertem Rohöl durch eine Erhöhung der Mineralölsteuer abzu­schöpfen, welche Maßnahme jedoch erst vom Bundestag genehmigt werden müßte.

Nur Übergangsregelung?

Nach einer Erklärung des Bundesfinanzmini­steriums handelt es sich bei dem inkraftgetrete­nen Zollsystem für Rohöl um eine Übergangs- lösung, die allerdings nach Ansicht der Mineral­ölwirtschaft mindestens ein halbes Jahr lang gül­tig sein wird. Die Mineralölwirtschaft rechnet als Folge der Treibstoffverteuerung mit einem er­heblichen Rückgang des Verbrauchs. Damit dürfte das Steueraufkommen hinter dem Voranschlag Zurückbleiben, so daß die Zollmaßnahme eine

dem beabsichtigten Zweck entgegengesetzte Wir­kung auslösen würde. Schon in den vergangenen drei Monaten lag der Verbrauch an Vergaser­kraftstoff um 20 Prozent unter den Erwartungen, wobei für das Jahr 1951 ein Bedarf von 1,8 Mil­lionen Tonnen veranschlagt worden war. Schon bei den bisherigen Benzinpreisen entfiel die Hälfte auf fiskalische Belastungen.

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ik. Das bisher schon zu hohe Preisniveau für Treibstoffe hat also offenbar zu einem Minder­verbrauch geführt. Soll man sich darüber freuen? Einesteils ja, nämlich soweit der Posten Mine­ralöleinfuhr in unserer Devisenbilanz eine Rolle spielt. Auf der anderen Seite aber nein, denn diese Rechnung bezahlt unsere Verkehrswirt­schaft. Weit schlimmer aber ist, daß die neuen

Belastungen sich zwangsläufig als erhebliche Stö­rungsfaktoren für den in vollem Gang befind­lichen Ausbau unserer Raffinerien erweisen wer­den. Wie bekannt, bringt richtiger muß man sagen: brachte die Einfuhr von Rohöl an Stelle von Rohölfertigprodukten einen jährlichen De­visengewinn in der Größenordnung von 100 Mil­lionen DM. Jetzt fehlt nur noch, daß die Kraft­stoffverbraucher richtig reagieren und tatsächlich die fiskalischen Einnahmen an Steuern und son­stigen Abgaben so entscheidend zurückgehen, daß die vernunftwidrige Erhöhung der Belastung mindestens kompensiert wird. Damit hätte sich dann wieder einmal mehr erwiesen, daß der Fis­kus in seiner Ausweglosigkeit die Hennen zu schlachten im Begriff ist, die die goldenen Eier legen.

Wirlscha] tssptegel Aufschub des Aufwandsteuer-Gesetees

BONN. Der Finanz- und Steuerausschuß des Bundestages lehnte es ab, das vom Bundeskabi­nett verabschiedete Aufwandsteuergesetz zu be­handeln. Die Mehrheit der Ansschußmitglieder begründete ihre Einstellung damit, daß sie nicht genügend Gelegenheit gehabt hätten, die Vor­lage zu prüfen, und die erforderlichen Unter­lagen, insbesondere hinsichtlich des Warenkata­logs, nicht ausreichend und zu ungenau vorge­legt worden seien, um das Gesetz verantwortlich behandeln und verabschieden zu können.

Damit dürfte keine Möglichkeit mehr bestehen, das Aufwandsteuergesetz vor den Parlaments­ferien durch das Plenum zu verabschieden und es ab 1. August in Kraft treten zu lassen. Wie verlautet, soll das Bundesfinanzministerium die Vorlage während der Parlamentsferien erneut überarbeiten und die neue Fassung nach dem 1. September dem Ausschuß mit fundiertem Mate­rial wieder zustellen.

BONN. Rückgang der Arbeitslosigkeit. Die Zahl der Arbeitslosen im Bundesgebiet nahm im Juni um 61 070 auf 1 325 847 weiter ab. Der Rück­gang wird vom Bundesarbeitsministerium als jahreszeitlich bedingt bezeichnet, sei jedoch durch die schwierige Rohstoffversorgungslage, durch Absatzstockungen und Kapitalknappheit gehemmt. Im Lande Württemberg-Hohenzollern ist die Arbeitslosigkeit trotz der laufenden Zugänge an Arbeitskräften durch die Umsiedlung von Hei­matvertriebenen unter den Tiefststand von 1950

gesunken. Gegenüber 7399 Arbeitslosen am 1. Juni wurden am 1. Juli nur noch 6553 gezählt.

BONN. Kohlenprciserhöhung beschlossen. Das Bundeskabinett hat einer vom Bundeswirt­schaftsministerium vorgelegten Verordnung über die Veränderung der Kohlenpreise zugestimmt, nach der die Kohle um 35 DM je t verteuert wird. Die Verordnung nimmt die Brennstoffliefe­rungen an Hausbrand- und Kleinverbrau­cher, Eisenbahnen. Schiffahrt, Fischerei, öffent­liche Versorgungsbetriebe und die für die Er­nährung wichtigen Unternehmen von den Preis­erhöhungen aus. Die verteuerte Kohle soll nur an solche Verbrauchergrupen geliefert werden, die bestimmte Kohlenmengen zu erhöhten Prei­sen ohne eine Verteuerung ihrer Erzeugnisse verarbeiten können.

KÖLN. Gewerkschaften gegen Fortfall der Zollbegünstigungen. Einenneuen Anschlag auf den Geldbeutel der Verbraucher nennt das DGB- BundesorganWelt der Arbeit den weitgehen­den Fortfall der Einfuhrvergünstigungen. Es sei unbegreiflich, daß die Bundesregierung zu die­ser einschneidenden Maßnahme gerade in dem Augenblick ihre Zuflucht nehme, in dem sie von beiden Sozialpartnern eine stabile Lohn- und Preispolitik erwarte.

BIELEFELD. Erhöhung der Möbelpreise. Entgegen den Ankündigungen des Bundeswirt­schaftsministers hinsichtlich eines Rückganges der Preise (wir erinnern uns nicht, daß Erhard von

DM-Wechselkurse

Die zu jedem Wochenende erscheinende Tabelle weist das Umrechnungsverhältnis von 100 DM zu

Schweizer Franken USA-Dollar . .

Engl. Pfund .

Franz. Franken Belg. Franken Holl. Gulden .

Span. Peseten .

Port. Eskudos Schwed. Kronen Argent. Pesos .

Bras. Milreis . österr. Schilling Ital. Lire . .

Tschech. Kronen

Umrechnungskurs D-Mark

Freihandel.

5. 7.

4. 7.

94.50

96.

21.02

22.17

- 8.45

8.58

8008.

8135.

1162.

1177.

86.10

87.47

1050.

1078.

627.90

637.87

134.52

137.10

572.72

573.13

60&54

017.36

13894.

14117.

9450.

9600.

>stmark am

5. 7. 51:

einem Rückgang der Möbelpreise gesprochen hat! Die Red.) ist nach Mitteilung der Fachverbände der holzverarbeitenden Industrie mit einer Er­höhung der Möbelpreise in Westdeutschland zu rechnen. Das Holz auf dem Weltmarkt sei nach wie vor knapp, an ein Fallen der Holzpreise sei nicht zu denken.

ESSEN. Tagesförderung zurückgegangen. Die arbeitstägliche Förderleistung hat sich nach Mitteilung der deutschen Kohlenbergbauleitung auf 386 1001 im Juni gegenüber 390 5001 im Mai verringert. Die Gesamtförderung stieg jedoch we­gen der höheren Zahl der Arbeitstage im Juni auf 10,04 Millionen t (Mai 9,37 Millionen t) an.

TÜBINGEN. Maschinen-Vorkriegsproduktlon verdoppelt. Der Produktionsindex der Industrie für Maschinenbau erhöhte sich im Mai 1951 von 194 auf 212, vor allem durch eine 22prozentige Steigerung der Landmaschinen-, Zahnräder- und Getriebe-Erzeugung. Der Maschinenbau un­seres Landes hat damit seine Erzeugung gegen­über der Vorkriegszeit mehr als verdoppelt und liegt zugleich weit über dem allgemeinen Pro­duktionsindex der Industrie, der im Mai einen neuen Höchststand von 132,9 erreichte.

REUTLINGEN. Schlechte Versorgung der Eisenhandlungen. Die Handwerkskammer Reut­lingen hat dem Bundeswirtschaftsministerium und dem Landeswirtschaftsministerium über die Kohlen- und Eisenversorgung des Handwerks berichtet. Ganz besonders wird über die Eisen­versorgungslage Klage geführt. Da das Hand­werk fast ausschließlich beim Eisenhandel kaufe und die Vorräte beim Eisenhandel erschöpft seien, drohe für das Handwerk eine katastro­phale Lage zu entstehen, wenn nicht der Eisen- handel gebührend berücksichtigt werde.

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Die Kohlenkrise in Oesterreich ~ und die Kohlenpreise

Empfindliche Zuteilungskürzungen / Preiserhöhungen der Ostblockländer bis über 80 Prozent, der Bundesrepublik unter 20 Prozent

Von unserem B. B.- Österreich-Korrespondenten

DAG droht mit Verfassungsgerichtshof

BONN. In einer Stellungnahme an die Bundes­regierung, den Bundestag und den Bundesrat hat die Deutsche Angestelltengewerkschaft den von der Bundesregierung im Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Besoldungsrechts vorgeschla­genen Erhöhungssatz von 20 */. auf die Grund­gehälter der Bundesbeamten als nicht genügend zur Verbesserung der wirtschaftlichen Verhält­nisse der Beamten abgelehnt. Grundsätzlich pro­testiert die DAG dagegen, daß versucht wird, Tarifprobleme der Bundesangestellten, die ein­deutig zur Tarifhoheit der Tarifvertragspartner gehören, im Gesetzgebungswege zu behandeln. Die DAG erklärt, daß sie den Bundesverfassungs­gerichtshof anrufen würde, falls der Gesetzent­wurf in der vorliegenden Form verabschiedet werde. Sie fordert an Stelle der vorgeschlagenen Erhöhung von 20/ eine allgemeine Erhöhung von 25/ auf die Bruttogehälter und für die mitt­leren und unteren Beamtengruppen ausreichende Sonderzuschläge, die gewährleisten, daß die Bun­desbeamten auf den gleichen Stand gebracht wer­den wie die Bundes- und Länderangestellten.

94 deutsche Aussteller in Dornbirn

DORNBIRN. Von 187 ausländischen Ausstellern der dritten Export- und Mustermesse Dornbirn 1951 vom 27. Juli bis 5. August sind 94 Firmen aus der Bundesrepublik. Die deutsche Industrie offeriert Textilmaschinen, wie Webstühle, Rur^- strick- und Ringzwimmaschinen, Kettenstühle, Kleinspinnanlagen, Kreuzspulmaschinen und an­dere Maschinen der Textilindustrie sowie Hilfs­stoffe, wie Textilfarben usw.; ferner aber auch Metallbearbeitungsmaschinen, Sägen, Landma­schinen, Milchwirtschaftsgeräte, Berieselungsan­lagen, Motorräder, Dieselmotoren, Kompressoren, Büromaschinen, Uhren usw. Die österreichische Nationalbank hat 130 000 Dollar für den Verkauf des deutschen Ausstellungsgutes zur Verfügung gestellt.

Die steigenden Kohlenpreise und die Kürzun­gen der vertragsmäßigen Lieferungen aus dem Ausland haben öslerreich auf dem Kohlen­sektor in eine schwierige Lage gebracht. Die Preise für Ruhrkohle sind seit 1. Juli 1950 bis 19. März 1951 um 9,20 bis 18,88 Prozent gestiegen, jene für polnische Kohle vom 1. Oktober bis 1. April um 62,24 bis 76,02 Prozent und jene für tschechische Kohle und Koks vom 1. August 1950 bis 20. März 1951 um 16,29 bis 82,38 Prozent.

Ausweg: amerikanische Kohle

Die inländischen Kohienpreise blieben bis zum 30. Juni 1951 in der bisherigen Höhe be­stehen. Die Preiserhöhungen bei ausländischer Kohle sind vor allem seit 1. Januar 1951 sprung­haft eingetreten. An diesem Tag wurde der Preis für Ruhrkohle und tschechische Kohle um 41,50 Schilling pro Tonne erhöht, jener für tschechische und polnische Kohle am 16. März neuerdings um 216 Schilling pro Tonne. Wäh­rend insgesamt der Preis der Ruhrkohle seit 1. August 1950 von 206 auf 408 Schilling gestiegen ist, wurde jener für tschechische und polnische Kohl von 206 auf 648 Schilling pro Tonne ge­steigert. Dies hatte den paradoxen Zustand zur Folge, daß amerikanische Kohle franko öster- reiche Grenze trotz des langen Transportes bil­liger ist als polnische. Da zu den Preiserhöhun­gen außerdem noch wachsende Lieferschwierig­keiten kamen, mußte Österreich dazu übergehen, einen Teil seiner Marshallplan-Mittel für den Ankauf amerikanischer Kohle zu verwenden. Ein Hindernis bedeutet dabei allerdings der knappe Frachtraum.

Kürzung der Ruhrkohlenlieferungen

Abgesehen von den steigenden Preisen war in den letzten Monaten ein ständiger Rückgang der Kohlenlieferungen aus dem Ruhrgebiet, der Tschechoslowakei und Polen zu verzeichnen, die gegenüber den vertraglich fesfgelegten Quoten stark im Rückstand sind. Besonders nachteilig wirkt sich hier die Kürzung der Ruhrkohlen- Lieferungen aus, da für das dritte Quartal 1951 die für Österreich bestimmte, bereits gekürzte Quote von 625 000 Tonnen neuerdings auf 500 000 Tonnen reduziert werden soll, es dürfte sich hier um eine Maßnahme der Ruhrbehörde han­deln, da die Bundesrepublik bekanntlich auf ih­rer unverändert hohen Quote von 6,2 Millionen t festliegt. Im Juni wurden außerdem aus der Tschechoslowakei nur 30 000 Tonnen statt der vertraglich festgelegten 80 000 Tonnen und aus Polen 50 000 statt 70 000 Tonnen geliefert. Zur Schließung der Kohlenlücke wurde die Freigabe von ERP-Mitteln für den Ankauf von 250 000 t amerikanischer Steinkohle beantragt. Von den für Juli vorgesehenen 60 000 bis 70 000 Tonnen werden aber tatsächlich wegen Mangel an Trans­portschiffen nur 14 000 t in Österreich eintreffen.

Ministerrat sucht Abhilfe

Die Kohlenlage ist dadurch so kritisch geworden, daß der Ministerrat sich in seiner letzten Sit­zung sehr intensiv mit der Kohlenfrage be­schäftigte. Um eine Einschränkung der Erzeu­gung der Gaswerke zu vermeiden, mußten die Bundesbahnen an diese größere Steinkohlen­mengen aushilfsweise abgeben und selbst

in stärkerem Maße inländische Braunkohle ver­wenden. Um die inländische Produktion, die schon stark über dem Vorkriegsstand Hegt, wei­ter zu erhöhen, werden derzeit Versuchsboh­rungen nach Kohle im Grazer-Köflacher Becken sowie in Salzburg durchgeführt, ln Wien finden außerdem Besprechungen mit der Tschechoslo­wakei statt mit dem Ziel, die Kohlenlieferungen im alten Ausmaß zu erreichen. Bei den Handels­vertragsverhandlungen mit Polen Anfang Juli wird Österreich eine Jahreslieferung von einer Million Tonnen verlangen.

Preisauftriebstendenzen durch Kohle

Die Kohlenpreiserhöhungen haben schon im April eine Erhöhung der Eisenpreise um 25 Pro­zent nach sich gezogen. Im Zuge der gegenwär­tigen Preis- und Lohn-Verhandlungen spielen bekanntlich die starken Tariferhöhungen eine erhebliche Rolle. Man hat errechnet, daß sich al­lein durch die Kohlenverteuerung in diesem Jahre für die Bundesbahnen eine Erhöhung des Defizits um 115 Millionen Schilling ergeben wür­de. Dazu kommen 170 Millionen infolge Gehalts­erhöhungen und Pensionsangleichung sowie jetzt weitere Millionen durch die Gleichstellung der Beamten der Bundesbahn mit jenen des Staates, die gerade im Nachziehverfahren eine rund 30- prozentige Lohnerhöhung für den Monat JunJ zugestanden erhielten, die Lohnerhöhungen nach dem bevorstehenden Lohn-Preis-Abkom- men noch gar nicht eingerechnet. Allein diese Zahlen zeigen schon, in welch schwierige Si­tuation Österreich durch die Kohlenfrage ge­raten ist.

Vom Geist des Christentums

4. Torheit der Klugheit-

Das berühmte Gleichnis vom ungetreuen Ver­walter! Besser: das berüchtigte Gleichnis. Die Schrifterklärer haben alle Mühe damit. Etwas Anrüchiges liegt doch auf diesem Handel. Da verschafft sich ein Verwalter vor der drohenden Absetzung Freunde, die Ihm das kommende Le­ben sichern sollen. Er benutzt den Augenblick, ehe es zu spät ist.

Immerhin, man muß es anerkennen: Klug ist aolch ein Verhalten sicher. Und die Welt braucht sich nicht besonders darüber aufzuregen. So et­was ist doch gang und gäbe. Daß man seine Irdische Existenz sichert! In diesen schwierigen Zeiten! Man hat eine Familie! Im Grunde findet man sich mit solcher Klugheit sehr leicht und sehr schnell ab.

Auch wir Christen. Wir, dieKinder des Lich­tes nicht weniger als dieKinder der Welt. Aber wir haben dabei doch ein schlechtes Ge­wissen. Denn der Herr verlangt etwas anderes von uns. Zwar auch eine Klugheit, die um die Existenzsicherung besorgt ist, aber um die Si­ckerung unserer Existenz vor Gott.

Und da sind wir schon mitten im Fragen ob dieser christlichen Klugheit. Gibt es für den Menschen vor dem, was Gott und sein Heil be­deutet, Möglichkeiten, vorzusorgen? Ist es nicht Berechnung in geistlichen Dingen? Und diese Klugheit damit nur eine große Torheit?

Daß es in den Augen der Welt so ist, kann nicht wundernehmen. Tausendmal sucht sie es dem Christen plausibel zu machen: Das, was du tust, ist Torheit. Noch öfters aber versucht sie es gar nicht mehr, sondern überläßt ihn seiner Torheit". Es ist das alte, immer neue Ärger­nis, das die Welt am Christen nimmt. Ich sage, das kann nicht wundernehmen. Aber für uns selbst: Ist unsere Klugheit nicht eben nur eine Torheit?

Immer wird die wahre christliche Klugheit diesen Charakter der Torheit haben. Torheit der Klugheit! Diese Torheit mit ihrem doppelten Ge­wicht:. die ein Ärgernis für die Welt ist und den Christen selber besorgt fragen läßt.

Aber der Christ kommt ohne diese Torheit der Klugheit nicht aus. Aus ihr heraus wagt er sein

Leben auf Verheißung hin. Aus ihr heraus wagt der Christ auch sein Wirken auf Verheißung hin. Es ist kein hoffnungsloses Wagen. Denn es ist Wagnis auf das Wort des Herrn hin. Torheit und doch wahre Klugheit!

Das eine ist sicher: Solche Klugheit, nein, sol­che Torheit der Klugheit nicht haben, hieße, den Geist des Christentums nicht haben. Burkhart

Der Weg aus der Angst

Der bekannte deutsche, 1933 nach Amerika emi­grierte Theologe Paul Tlllich, der sich zurzeit auf einer Deutschlandreise befindet, hielt über das ThemaDer Mut zum Sein" im Auditorium maximum der Universität Tübingen einen Vor­trag. über den wir im folgenden berichten. Pro­fessor Tillich, dem kürzlich der theologische Eh­rendoktor der Universität London verliehen wurde, war früher Privatdozent in Breslau und Berlin, 1924 bis 1933 Professor in Marburg Dresden und Frankfurt. Seit 1934 lehrt er an dem bedeutenden Union Theological Seminary in New York. Als sein erstes Nachkriegswerk, das einen Querschnitt durch zwei Jahrhunderte seiner theologischen und philosophischen Forschungen gibt, erschien kürz­lich im Steingrüberverlag in StuttgartDer Pro­testantismus Prinzip und Wirklichkeit.

Den Anlaß zu dem ThemaDer Mut zum Sein gab die Begegnung mit dem Nicht-Sein, wie sie in der modernen Philosophie, Literatur und Kunst, im Existentialismus offenbar geworden ist. Die Frage nach dem Mut zum Sein stellen, bedeutet dann, Ja zum Sein zu sagen, nachdem die Bedrohung und Gefährdung des Seins durch das Nicht-Sein erkannt worden ist. Dabei geht es um eine Antwort aus den letzten Tiefen der Existenz, um Katastrophen, wie den Totalitaris­mus in Europa oder dencynisme, die Hal­tung universaler Skepsis und Indifferenz aus Enttäuschung, wie sie in Amerika verbreitet ist, zu vermeiden.

Vom Mut zum Sein kann nicht ohne die Er­kenntnis derAngst gesprochen werden. Angst ist das Gewahrwerden des Nicht-Seins, das ohne die Möglichkeit, dagegen Widerstand zu leisten, das Sein bedroht. Es gibt zwei Grundformen der Angst, die Schicksalsangst und die Schuld­angst. Sie beziehen sich beide auf die verschie­denen Möglichkeiten, das Sein zu verlieren, ein­mal durch den Tod und andererseits durch die Angst des Verdammtseins durch sich selbst. Die

Schicksalsangst wurde in der Antike, die Schuld­angst am Ende des Mittelalters in der Geschichte mächtig. Beide Formen der Angst schließen sich ein, wenn auch die eine oder die andere jeweils mehr hervortreten kann.

Nebenformen der Angst, wie sie heute zutage liegen, sind die Sinn-Angst und die neurotische Angst. Die Sinn-Angst wird erlebt als die Dro­hung des Nicht-Seins gegen die versuchte Sinn­verwirklichung, ln der die Verbindung mit dem Sinn-Grund verlorengeht. Das ist in unserer Zeit geschehen. Die neurotische Angst, die be­sonders in Amerika verbreitet ist, ist verdrängte Sinn-Angst. Angesichts dieser Bedrohung unse­res gesamten Daseins, ist die Frage nach der Ontologie des Mutes zu stellen. Mut und Angst gehören in ihrer Wesenheit zusammen. Wenn Angst die Angst vor dem Nichts ist, entspricht ihr der Mut als die Selbstbejahung des Seien­den in der Form desTrotzdem. Der Mut ge­hört zum Sein, weil Sein nur Sein sein kann, wenn es sich bejaht. Das Sein hat den Mut zu sich selbst in sich.

Darum kann ethisch nicht postuliert werden: Du sollst mutig sein! DiesesDu sollst ist ohnmächtig, wenn es nicht begründet wird in der Teilhabe an der Macht des Seins, dem Nicht- Sein zu trotzen Die Stoa fand den Mut, dem Schicksal gegenüberzutreten, das Christentum den, die Angst der Schuld auf sich zu nehmen. Der zukünftige Mut, den wir brauchen, muß fähig sein, die Sinn-Angst zu überwinden. Die­ser Mut drängt zur Individualisation und ist zu­gleich nur möglich in einer universalen Teil­nahme. Darin liegt seine Polarität: Mut, als Teil zu sein, und Mut, als Selbst zu sein. Hier sind zwei Fehlleitungen zu vermeiden: Die eine, daß der Mensch nur als Teil eines Kollektivs lebt, indem er sich dem Nicht-Sein gegenüber durch­aus geborgen fühlen kann, wobei aber durch den Verlust der Selbstbejahung die eine Seite und so auch schließlich die andere der Polarität verlorengeht und es zur Entmenschlichung und Mechanisierung des Menschen kommt. Und die andere im Existentialismus, in dem der Mensch ein Mensch ohne Gegenüber ist, und in seiner Einsamkeit sich der Sinn-Angst ergbit. So wird der Mensch ein Teil eines Prozesses, der über ihn hinweggeht

Professor Tillich stellte hier die Frage, ob es einen Mut gäbe, der der Polarität der ontologi­schen Struktur des Muts zum Sein gerecht wird.

Er wagte denSprung in die Theologie. Der Grund für diesen Mut sei gegeben in dem Satz, daßGott Liebe ist. Die Grundelemente dieser Liebe sind Trennung und Wiedervereinigung, } Wer die Einheit von Einheit und Trennung im göttlichen Seinsgrund bejahen kann, nimmt teil j am göttlichen Ja zu sich selbst. DiesesJa ist die Grundlage des echten Mutes zum Sein. Dann j gibt es auch eine echte Selbstliebe aus der un- ' endUchen Bejahung unseres Selbst durch Gott, I der die Liebe ist, und die unendliche Bejahung j des anderen, der ebenso wie ich von Gott be­jaht wird. Der tiefste Satz der Ontologie des j Mutes ist dann das Wort 1. Joh. 4, Vers 18: Furcht ist nicht in der Liebe, sondern die völ- j lige Liebe treibt die Furcht aus. ~ter.

CHAM. In Gegenwart zahlreicher Gäste aus Kirche und Staat wurde im Ausländerlager Win- dischbergerdorf die vom Landbauamt Amberg erstellte neue Kirche eingeweiht. Sie entstand : mit Hilfe des Lutherischen Weltbundes und ist das erste, nun in Gebrauch genommene oekume- nische Gotteshaus. Die Einweihungsfeier erfolgte nach lutherischem und orthodoxem Ritus. Ein ungarischer Geistlicher des Lagers sprach für die dem Lager angehörenden Calvinisten und Re­formierten. Es sei nicht entscheidend, wo Gott angebetet werde, sondern daß es im Geist und in der Wahrheit geschehe, betonte Pfarrer Soos vom Weltrat der Kirchen.

TOLEDO.Der moderne Totalitarismus gibt der Staatsautorität unbeschränkte Macht, ohne daß die natürlichen Rechte der menschlichen Per- son respektiert werden, heißt es in einer Re- f solution, welche die Konferenz der spanischen ; Erzbischöfe auf ihrer letzten Sitzung gefaßt hat. Die Erzbischöfe fordern darin die strikte Wah- : rung der Gerechtigkeit und rufen zur Zusam­menarbeit aller auf. Die totalitären kommuni- ; stischen Staaten verträten ein Prinzip, das mit ; der wahren Zivilisation unvereinbar sei. Selbst j ein gemäßigter Totalitarismus schmälere die | Rechte des Individuums zugunsten des Staates und verkenne zumindest teilweise die Pflicht . der Regierenden, Gerechtigkeit zu üben.