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Heimattoeilage
Nr. 3
Erdmann aufgenommenen und lithographierten Ansichten von Teinach und Hirsau auf Stein zu kopieren, in der Hoffnung, mir dabei vielleicht Geld verdienen zu können. Da diese meine ersten lithographischen Arbeiten auch im Druck nicht mißlangen, so sandte ich dem Vater eine Anzahl Abdrücke mit der Bitte, sie in Calw kolportieren zu lassen. Sämtliche Abdrücke wurden bald per Stück zu 36 Kreuzer untergebracht, wodurch nach Abzug der Druckkosten sich ein ziemlich erklecklicher Zuschuß zum Kostgeld ergab. Dieses günstige Ergebnis ermutigte mich nun, meine Vaterstadt Calw aufzunehmen und zu lithographieren, was mir zu großer Freude des Vaters auch leidlich gelang. Die Aufnahme machte ich im Frühjahr 1828 und wurde Ende August mit der Lithographie fertig. Das erforderliche Geld zum Druck und Papier mit 5 fl. 24 Kr. entlehnte der Vater bei einem Nachbar, Zinngießer Gfrörer. Der Verkauf der Abdrücke in Calw, die ich anfänglich selbst, die Mappe unter dem Arm, zum Verkauf an- bot, ging gut, und wieder war mit Gottes Hilfe ein nicht unbedeutender Beitrag zum Kostgeld hereingekommen.
Den Unterricht im Lith. Institut besuchte ich fleißig, bis im Oktober 1829 in Stuttgart die Kunstschule eröffnet wurde, in der ich zum Zeichnen im Antikensaal unter Wächter, Dietrich, Seybold, Steinkopf Zutritt erhielt. Ich verbrachte nun meine Zeit gewöhnlich zur Hälfte in der Kunstschule, zur andern Hälfte in der Lithographie, wo ich durch Kartengravieren so viel verdiente, daß ich damit notdürftig auskommen, ja mir sogar ein Klavier anschaffen konnte, da ich nunmehr in die
2. Klasse vorgerückt war und nun 2 /i statt nur Vs meines Verdienstguthabens erhielt. —
Soweit Feldwegs eigener Bericht. Verschiedene verfehlte Spekulationen des Vaters und
die eigene Einsicht Feldwegs, er werde es doch zu keinem großen Künstler bringen, veran- laßten ihn zu dem Entschluß, zu dem der Vater die Anregung gegeben hatte, sich dem Baufach zuzuwenden. In Calw war damals kein Zimmermann, und so hoffte der Vater für Heinrich dort ein günstiges Weiterkommen. So begann er im April 1838 mit der praktischen Lehre bei Zimmerwerkmeister Butzhuber in Blaubeuren gegen freie Kost und Wohnung.
Wenn Feldweg in seinen Lebenserinnerungen ausdrücklich betont, daß er sich in der Kalligraphie übte, so deswegen, weil in damaliger Zeit diese Schreibkunst noch wirklich als „Kunst“ aufgefaßt und betrieben wurde. Wie selbstverständlich auch erzählt er von den Reisen nach Stuttgart, die man natürlich zu Fuß machte. Auch von Uhland wissen wir, daß er, wenn er zu den Landtagssitzungen nach Stuttgart mußte, von Tübingen bis zur Landeshauptstadt zu Fuß ging. Feldweg spricht ferner davon, daß er und seine Studiengenossen am Lithographischen Institut in Stuttgart sich mit dem Gravieren von Landvermessungskarten befaßten und sich damit einen willkommenen Zuschuß zum immer knappen Kostgeld verdienten. Diese ihre Betätigung fällt in die Frühzeit der nach Schaffung des Königreichs Württemberg neu erfolgenden Landesaufnahme und -Vermessung zum Steuerkataster. Feldweg arbeitete also an den Anfängen jenes umfassenden Vermessungswerks mit, das heute noch seine Gültigkeit hat.
Feldwegs schöne Lithographie von Calw, die damals in zahlreichen Familien als Wandschmuck beliebt war und von der manches Stück hoffentlich noch vorhanden sein mag, zeigt einen ausgeprägten Künstler, dem die Liebe zur Heimat den Griffel führte.
Dae bucklige Männlein
Btoud) unb Glaubt um bit H e i b 1 1 b t e 11 tnte
Weit mehr noch als Preiselbeere (Vaccinium vitis idaea) und Himbeere (Rubus idaeus) zählt die Heidelbeere (Vaccinium myr- tillus) in unserer Heimat als echtes Kind des Waldes zu den Früchten, die die Natur uns im Sommer mit vollen Händen beschert. Wenn es „in die Heidelbeeren“ geht, das ist eine besondere Zeit. Um den reichen Segen einzuheimsen, gibt es sogar zuzeiten in der Schule „Heidelbeervakanz“. Da ziehen in aller Morgenfrühe die Kinder mit ihren Müttern in den Wald. Abends kommt man müde und mit wehem Rücken heim, aber doch hoch befriedigt vom reichen Ertrag und stolz einander die vollen Körbe und Häfele weisend. Was nicht im eigenen Haushalt als „G’sälz“, zum Heidelbeerkuchen oder auch als Heilmittel gebraucht wird, bringt beim Verkauf manchen zusätzlichen Groschen ein. Ja, das Ernten der Heidelbeeren ist in den Waldorten unserer Heimat zu einer beachtlichen Erwerbsquelle geworden.
Zweierlei „Beidelbeergeist“ gibt es. Der eine ist der mit getrockneten Beeren angesetzte Schnaps, der als altes Hausmittel gut ist für „Vieh und Leut“. Der andere aber — und von ihm soll hier die Rede sein — ist ein mythisches Wesen, das in der Vorstellung der Kinder lebt und dessen sagenhaftem Walten sie Rechnung tragen, wenn sie die ausgedehnten Wälder betreten. Die Vorstellung, daß ein Waldgeist respektvolle Rüdesicht von den Beerensammlem verlangt, ist überall, in Deutschland, Frankreich und anderen Ländern, da verbreitet, wo es eben Heidelbeeren gibt. Ist diese Beere doch eine der ursprünglichsten wildwachsenden Waldfrüchte, die schon in grauer Vorzeit dem Menschen als Nahrung dienten. Daraus erklärt es sich auch, daß noch heute beim Beerensammeln uralte Opferhandlungen geübt werden, die den Beeren- oder Waldgeist günstig stimmen
sollen. Diese alten Glaubensvorstellungen haben ihren Niederschlag gefunden einerseits im „Beerenopfer“ der Kinder, andererseits in jenen zahlreichen Beerenliedchen, die von einem „buckligen Männlein“ zu erzählen wissen. Das Beerenopfer besteht darin, daß die Kinder die ersten drei Beeren, die sie Anden, über den Kopf oder über die linke Schulter werfen, da diese „den armen Seelen“ gehören. Noch deutlicher wird dieser Brauch als Opferhandlung, wenn die Kinder die ersten gefundenen Beeren auf einem Stein niederlegen oder auf diesem zerdrücken.
Der Beerengeist selbst lebt in den Beerenliedchen meist als „buckliges Männle“, aber auch vom Beerlesmann, vom grauen Männle, vom nackten Männle, auch vom buckligen Weible, vom nackten Fräulein und vom „g’stumpeten“ Weible ist häufig die Rede. Die Heidelbeerlieder und -reime der Kinder sind in unserer Heimat, vielfach ähnlich den in anderen deutschen Waldgebieten, abgestimmt auf das Sammeln an sich, auf eine Verspottung der „Heidelbeerleute“ (fremde Sammler und Händler) und vor allem auf die Beschwörung des Beerengeistes. In unserem engeren Heimatgebiet sind diese verschiedenen Arten der Beerenlieder zahlreich überliefert.
Der Wunsch nach reichem Ertrag drückt sich in Reimen aus wie:
Häfele leer, Schüssele leer, wenn i no em Himmel wfir.
Häfele vool, Schüssele vool, wenn i no em Himmel wohn.
(Überberg)
Halbe vool und halbe leer, wenn i no bei mei’m Haus wär, daß mi neamer (niemand) seht
(Altensteig-Dorf)
Heidelbeer und Preiseibeer, die wa(ch)set in mei’m Garte, und wenn se no net zeitig sen, no muß mer no mehr warte.
(Ebershardt)
Verbreitet ist auch der während dem Sammeln gern gerufene oder gesungene Vierzeiler: Heidelbeer und Preiseibeer, die wachset unter’nander.
’s gibt kein schöners Mädel net als (Name) seile ander.
(Beuren, Ebershardt, Ettmanns* weiler, Spielberg)
Ist es Zeit zum Heimgehen oder droht Regenguß, so heißt es:
Hoam, hoam, hoam, wer do bleibt, isch alloa.
Wer net goht beim guete Wetter, der mueß hoam beim Regewetter. Hoam, hoam, hoam, wer do bleibt, isch alloa.
(Wenden)
Besonders auf die ortsfremden und darum im „eigenen“ Revier nicht gern gesehenen Sammler, aber auch auf die Händler gemünzt sind die Reime:
D’ Hoabeerleut send komme, d’Hoabeerleut send do, d’Hoabeer hent se gesse, hen leere Krätte broocht
(Ebershardt, Effringen, Wenden) Ihr Hoaberleut, ihr Hoaberleut, mit eure leere Krätte, ihr hent jo nex, ihr hent jo nex, ihr hent jo älles g’fresse.
(Bösingen, Ettmannsweiler, Überberg, Wart)
Mit all diesen Reimen verknüpft, meist aber selbständig in eigenen Liedchen, tritt das „Bucklige Männle“ auf, dem man die ersten Heidelbeeren opfert, damit es das Sammeln nicht stört:
’s ischt e buckligs Male komme, hot mer meine Hoabeer g’nonune.
El, so schlag der Kuckuck drei en des bucklig Male nei!
(Ebershardt, Ebhausen, Effringen, Sommenhardt, Überberg, Wenden)
Dieses bucklige Männle ist ein Neckgeist, der den Kindern immer wieder die mühsam gefüllten Häfele umwirft. Es ist in dieser Schabernack treibenden Art lebendig geschildert in einem aus Ebhausen und Überberg überlieferten Lied. Die Überberger Überlieferung bezieht sich auf das dem Beerensammeln gleichbedeutende Einsammeln der Haselnüsse und beginnt mit einer im Schwäbischen weitverbreiteten Verszeile, mit der sonst auch sogenannte Kettenreime eingeleitet werden; die Ebhauser Überlieferung beginnt mit der zweiten Überberger Strophe, sonst sind beide Lieder gleichlautend:
1. Gestern ben i z’ Pommere g’wea, z’ Pommere en de Nüsse.
’s kommt e Male hinter mir drei, stiehlt mir meine Nüsse.
2. Gang i en mei Ställe nei, will mei Kühle melke; kommt des Male au do rei, fangt a z’fange schelte.
3. Gang i en mei Küchele nuff, will mei Milchle seie; kommt des Male au do raff, fangt a z’fange schreie.
4. Gang i en mei Stüble nei, will mei Bettle mache; kommt des Male au do rei, fangt a z’fange lache.
5. Gang i en mei Wiesle na, will mei Wiesle maihe; kommt des Male au do ra, fangt a z’fange kraihe (krähen). Kikttiüd.!
Nr. Z
Heimatbeilage
Seite 91
Die Ebhauser Fassung bezeichnet dieses „Male“ näher und sagt bereits in der zweiten Strophe deutlich:
stoht a bucklichs Male danna, tuat anfange schelta.
Und sie schließt mit der bekannten Drohung: Ei, so schlag der Kuckuck drei in des buckelich Male nei!
Dieses Liedlein von dem neckenden „buckligen Männlein“ ist in die Kinderliederbücher gewandert und von diesen in Kindergärten und Schulen weit verbreitet worden.
. Besonders merkwürdig ist aber nun ein Reim, der, überliefert aus Ettmannsweiler und Überberg, einen „Habergeiß“ genannten Geist beschwört, • den Beerensammlem einen guten „Platz“ zu zeigen: ,
Habergeiß, Habergeiß,
zeig mer au, wo’s Hoabeer hot,
oder i reiß d’r dein linke Fueß raus!
Die „Habergeiß“ ist in anderen deutschen Landschaften im Volksglauben ein gespenstischer, zuweilen dreibeiniger Vogel mit Katzenoder Ziegenkopf. Der natürliche Hintergrund dieser Vorstellung sind die ja immer etwas gespenstisch anmutenden Nachtvögel, wie Eule, Uhu und Nachtschwalbe. Aber gelegentlich, und gerade bei uns, wird als „Habergeiß“ auch die langbeinige Komspinne, der sogenannte „Weberknecht“ bezeichnet. Dieser Weberknecht, der auch zahlreich durch das Heidel- beerkraut streicht, wird wohl in unserem Beschwörungsreim gemeint sein.
Daß sich solche mythischen Vorstellungen eines Wald- oder Beerengeistes und der Brauch des Beerenopfers gerade bei der Hei- delbeeremte so lebendig erhalten konnten, dürfte daran liegen, daß das Beerensammeln sich noch weitgehend im Bereich des gefühls- und gemütsbetonten Familien- und Gemeinschaftslebens des Dorfes abspielt. In ihm gelten noch viele der altüberlieferten Bindungen, sie sind noch nicht vom materialistischen
Brauchtum unö Lostagc im Juli
Der 10. Juli ist der Sieben Brüder-Tag; im Schwäbischen läßt man an ihm zuweilen die „Hundstage“ beginnen, die dann bis zum 11. oder 12. August dauern. Allgemein aber beginnen die Hundstage am 24. Juli und währen bis zum 23. August. Sie sind die heißesten Tage des Jahres und haben ihren Namen nach dem Frühaufgang des „Hundsterns“, des Sirius. — Am 25. Juli, dem Jakobstag, wurde in Teinach das Jakobifest gefeiert, ein richtiges Volksfest mit Hahnentanz und vielen anderen brauchtümlichen Belustigungen. Der Jakobstag ist auch der Festtag des Schäfer lauf s zu Wildberg, der nach altem Herkommen nun wieder in zweijährigem Wechsel mit Urach begangen wird.
GcDenhtage im Juli
2. 7. 1644: Hans Ulrich Megerle, der berühmte Kanzelredner Abraham a Santa Clara, in Kreenheinstetten geboren. — 2. 7. 1877: Hermann Hesse in Calw geboren. — 7. 7. 1945: Anna Schieber in Tübingen gestorben. — 8. 7. 1838: Ferdinand Graf von Zeppelin in Konstanz geboren. — 11. 7. 1877: Ottilie Wilder- muth in Tübingen gestorben.
Im Dienst der Heimatforschung Zu der Aufstellung in der letzten Nummer der Heimatbeilage seien noch ergänzend genannt das Staatl. Münzkabinett in Stuttgart, Altes Schloß, das für Münzfunde zuständig ist, und die Statistischen Landesämter in Stuttgart, Neckarstraße 18 b, und in Tübingen, Schloß. Deren landeskundliche Abteilungen führen das bekannte Werk der Oberamts- bxw. Kreisbeschreibungen weiter.
Händlergeist, dem ja aus einem gesunden Gegensatzempfinden heraus mancher Spott gewidmet ist, überlagert.
Wenn man nun so den ganzen lieben langen Tag über den Wald sammelnd durchstreift, wo man, fernab allen menschlichen Siedlungen, in der tiefen Waldeinsamkeit keine Kirchturmuhr die Stunden anschlagen hört, wie kann man die Tageszeit feststellen? Eine Uhr mitzunehmen ist nicht ratsam, denn sie kann beim Sammelgeschäft allzuleicht verloren gehen. Und welches von den Dorfkindern hat schon eine Uhr? Da wissen sich unsere Sammler mit einer ganz einfachen, eigenartigen Sonnenuhr zu helfen, die für die Zeit von 1 Uhr mittags bis 7 Uhr abends ihre erprobte Gültigkeit hat — sofern eben die Sonne scheint. Man sucht sich ein festes Hälmlein oder ein Reislein und bricht dieses auf die
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Länge des eigenen kleinen Fingers gemessen ab. Das Hölzchen steckt man genau senkrecht zur linken Handoberfläche zwischen kleinen Finger und Ringfinger. Dann hält man beide Hände, mit dem Handrücken nach oben, Zeigefinger bei Zeigefinger, dicht aneinander (die Daumen werden dabei unter der Hand gehalten). Man stellt sich nun so zur Sonne, daß der Schatten des Steckleins genau parallel den Handknöcheln läuft, die Hände müssen ganz waagrecht liegen. Von links nach rechts zählt nun ab dem linken Ringfinger jeder Finger eine Stunde von 1 bis 7 Uhr. Die Abbildung zeigt, wie es gemacht wird und daß es da gerade V*4 Uhr nachmittags ist Dr. Sch.
Unfete grünen Grenzen
Ein Streifzug üurct) ObertDölöer Marhungen
Die Entstehung unserer Markungen (— Grenzlinie um den dörflichen Besitz an Feld, Wald und Wiesen) fällt zusammen mit der nach der Landnahme erfolgten Besitzverteilung. Im allgemeinen setzt man dafür die Zeit um 200 n. Ohr., als die Alemannen den römischen Grenzwall überschritten; für den Schwarzwald müssen aber besondere Daten gelten, da er bei der ersten Landverteilung nicht in Betracht kam. Waldland wurde erst später urbar gemacht.
Gegen den nachbarlichen Besitz des nächsten Dorfes grenzten jeweils breite Streifen von Waldland und Sumpf, welche wohl für die Bewirtschaftung zunächst ausfallen mußten, jedoch als Jagdgebiet allen offen stan
den. Mit zunehmender Bevölkerung schrumpften diese Gürtel zusammen, mehr und mehr dehnte sich der Eigentumsbegriff der Angrenzer aufh auf dieses letzte Niemandsland aus, bald duldete der Nachbar den anderen nicht mehr als Jagenden auf „seinem“ Grenzstreifen. Die unausbleibliche Folge war, daß nun die Dörfer ihren Besitz gegeneinander abmarkten, d. h. ihn sichtbar bezeiehneten.
Der Gesamtverlauf solcher Markungen kann Hinweis auf das Alter der zugehörigen Siedlung werden: Abgerundete Markungen, meist auch durch Nestlage des Dorfes (Dorf im Mittelpunkt der Markung) gekennzeichnet, sind älter als verzipfelte, unregelmäßige Markungen. Letztere mußten mit dem übriggebliebenen oder ihnen durch ältere Siedlungen überlassenen Land vorliebnehmen. Allerdings müssen hierbei die verschiedenartigen Besiedlungsverhältnisse für Württemberg in Betracht gezogen werden: Gegenüber dem seither geschilderten Gang der Besiedlung im offenen Land (Gäu) gelten andere Voraussetzungen für die uns hier besonders interessierenden Waldgangsorte (= Waldhufendörfer) des Oberen Waldes: Sie sind von Anfang an (11. Jhdt.) planvoll angeordnet worden. Die einzelnen Waldflächen wurden vermessen, abgesteckt und den Siedlern zugeteilt, sodaß die Form ihrer Gemarkungen gleichförmig aussehen müßte, gäbe es nicht auch hier Abweichungen, welche hauptsächlich durch die natürlichen Gegebenheiten bedingt wurden. So finden wir neben der einseitigen die beiderseits eines Baches angelegte Waldhufenflur, welche selbstredend der Markung einen andersartigen Verlauf geben mußte (Neuweiler, Kollwangen, Aichhalden). Auch bei den Waldgangsorten finden wir einen Streifen Niemandsland als Grenzpuffer, obwohl dieser eine andere Geschichte als das obenbeschriebene hat. Hier gehören die Wälder ganz allgemein als herrenloses Gebiet dem König. Er kann von seinen Besitzrechten wenig Gebrauch machen und überläßt daher die Nutzung den Waldbauern. Diese von Geschlecht zu Geschlecht überkommenen Freiheiten wurden nach mittelalterlicher Anschauung später für ein wohlerworbenes Recht gehalten. Die Gemeinden ließen sich diese Rechte verbriefen und sind so zum Teil heute noch im Genuß derselben (Holzgerechtigkeit in Hofstett und Oberweiler). Es wird meist übersehen, daß diese Rechte Ausnahmen bildeten und der König in der Regel seinen Besitz durch die Immunität, d. h. das Verbot gegen Dritte, schützt. Selbst das Betreten der Wälder durch Unbefugte wurde durch eine hohe Strafe, den Königsbann, geahndet. Seit dem 8. Jhdt. findet sich übrigens für die mit dem Königsbann belegten Wälder (Beispiel: Königsberg, Markg. Neuweiler) der Ausdruck forestris, foreste, foresta; das Wort bedeutet wohl ursprünglich „draußen“ und ist unverkennbar die Wurzel unseres heutigen Begriffs Forst.
Auf Grund dieser Entwicklung dürften wir in dem Gebiet des Meßtischblattes Simmersfeld (Nr. 7317) also nicht nur Gemeindegrenzen, sondern auch Jagdgebietsgrenzen berühren, besonders dann, wenn Flurnamen wie Neubann (Mkg. Neuweiler) oder Bannwäld (Oberkollwangen) uns auf die alten Rechtsverhältnisse hinweisen. Es ist denkbar, daß sich auch noch Marksteine finden, welche altes Fischrecht (z. B. Kälbermühle, Rehmühle, Baiermühle usw.), Geleitsrecht, besonders auch Weidrecht bezeiehneten. Sie aufzusuchen wäre die Aufgabe der heimatkundlich Interessierten.
Fragen wir uns weiterhin, wie unsere Markungen bezeichnet wurden, so ergeben sich für das besprochene Gebiet einheitliche Methoden: Eine Grenze hat das an sich unsichtbare Besitzrecht jedermann anrhaniU' m
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