NUMMER 108
Sd)wäbtf<t)z Kunde
FREITAG, 6. JULI 1951
Uf)land und f^ebel im Brieffd)altet
Ein schwäbisches Märdien Jür Briefmarkensammler
Es war einmal ein schöner hoher Berg, der war vor Jahrtausenden aus der Tiefe der Erde hervorgequollen, vulkanisch war sein Gestein; wenn man ihn berührte, gab er einen feinen klingenden Ton von sich, man nannte ihn daher auch Klingenstein. Allmählich kühlte er sich ab, er wurde älter und kälter. Auf seinem Buckel mußte er eine große starke Burg tragen, weithin drang der Ruhm seiner Kriegsherren über die Lande. Auch mancher kühne Geist, der sich dem Willen seines Landesherren nicht beugen wollte, mußte seinen Trotz dort oben büßen. Ein schlimmer Tag war es für die Burg, als sie eines Tages kampf- und rühmlos zerstört wurde.
Aber auch heute noch ist es die größte und schönste Burgruine weit und breit. Kein Wunder, daß jahraus jahrein ungezählte Menschen den klingenden Berg besuchen, um von den Zinnen der Ruine die Gestade des Bodensees zu bewun-
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„t^an mer’s glei benft, f»ei Ho g’flätl ^ätteft net fo lang bra brel>t!"
ADOLF SCHAICH
dem. In Andacht versunken sieht man die Schweizer Berge in ihrer Pracht vor sich ausgebreitet, die Berge, von denen man sagt, daß auf ihnen die Freiheit wohnt. Wieviele haben wohl nach dieser Freiheit ausgeschaut, aber sie war nicht erreichbar, denn das Auge des Zöllners wacht. Trotzig, eigenwillig steht er da in einer Landschaft von märchenhafter Schönheit, wie man sie seinesgleichen nicht findet. Er hat sich seine Eigenwilligkeit bewahrt bis auf den heutigen Tag. Drohend erhebt er sein Haupt über dem badischen Städtchen Singen, über dem Tag und Nacht der würzige Duft der Maggisuppenwürzen liegt. Aber er ist ein Fremdling in dieser schönen Landschaft, er gehört zu Württemberg und ist der Kreisstadt Tuttlingen untertan.
Wenn die Kamine auf dem Hohentwiel verrußt sind, kommt der Kaminfeger der Kreisstadt angefahren und beseitigt den württembergischen Ruß. Der Berg, der unter den schwersten Geburtswehen sich sein Dasein erkämpfte, hat sich sein Eigenleben bis auf den heutigen Tag bewahrt. Am Fuße des vulkanischen Berges steht ein Wirtshaus, bekannt und berühmt in aller Welt. Am Eingang befindet sich ein Briefkasten, er unterscheidet sich in nichts von irgendeinem anderen Briefkasten. Aber eines Tages kam eine Zeit, wo“ der trotzige Berg die Menschen seine Macht fühlen ließ und sie
sich seinem Willen beugen mußten und daran war der Briefkasten am Fuße des Berges schuldig.
Es kam einmal eine schwere Zeit, das Reich zerfiel, das Land wurde besetzt, es bildeten sich kleine selbständige Landschaftsgebilde. Neue Briefmarken kamen,, in jedem Staatengebilde selbstverständlich andere. Sie galten nur in dem jeweiligen Staat und wehe dem Untertanen, der seine Nase über sein Ländchen hinausstreckte und glaubte, er könne die Briefmarken seines Landes verwenden. Er bzw. der Empfänger seiner postalischen Ergüsse mußte harte Strafe erleiden. Es war eine Lust zu leben! Die Post Verwaltungen hatten gute Einnahmen. Wie es sich in einem Märchen gehört, hatten die drei Länder der französisch besetzten Gebiete die allerschönsten Briefmarken von all den vielen, die wie Pilze aus der Druckerpresse herausschossen. Aber unser guter alter Briefkasten am schönen Wirtshaus am Fuße des Hohentwiels schlug allen Instanzen ein Schnippchen. Der Briefkasten war unbestritten württembergisch, doch hatte man vergessen, nebenan ein Postamt zu bauen, um Briefmarken verkaufen zu können, denn bis zum nächstgelegenen württ. Postamt- war es eine Tagesreise. Es ist nicht bekannt, wer der Salomo war, der diesen gordischen Knoten löste. Hut ab vor ihm! Man durfte die Marken aller drei Zonen verwenden. Sie wurden im badischen Singen abgestempelt und der Empfänger durfte keine Strafe bezahlen. Der alte Recke aber, der sonst ein so grimmiges Gesicht machte, schmunzelte über sein ganzes Gesicht, er hatte wiederum einmal den Menschlein gezeigt, daß er mit ihren Torheiten fertig wird.
Damit wäre eigentlich unser Märchen zu Ende. Aber alle Märchen haben ein besonders schönes Ende und so wollen wir unserem Märchen ebenfalls ein besonders schönes Ende bereiten. Eines Tages kam ein rüstiger Wandersmann des Wegs daher, der Hohentwiel hatte es ihm angetan, er bewunderte die schöne Aussicht auf den Bodensee und die hohen Schweizerberge mit ihrer Gletscherpracht, wie gerne wäre er auf ihren Höhen der Freiheit entgegengezogen. Auf dem Rückweg kehrte er im Gasthaus zum Hohentwiel ein und stillte seinen Hunger, denn es war kurz nach der schrecklichen markenreichen, aber kalorienarmen Zeit. Er trank von dem guten Wein, der auf der vulkanischen Erde des Hohentwiels so prächtig gedieh. Der Wirt erzählte ihm die Mär von dem Briefkasten, in welchem die Briefmarken der drei Zonen wohlgeborgen im Schutze des uralten Recken friedlich miteinander vereinigt waren. Der einzige Briefkasten der drei Zonen, wo der streitbare württembergische Uhland, der friedfertige badische Hebel und der radikale Pfälzer Marx sich ein Stelldichein geben durften.
Die Erzählung des Wirtes fiel auf fruchtbaren Boden, denn der Gast war ein Liebhaber der Briefmarken. Wie nun alles geschah, darüber kann man nur Vermutungen hegen. War
Das Z ollemschloß in Balingen Zeichnung: Landesverkehrövcrband
die Erzählung des Wirtes schuldig oder beseitigte das vulkanische Feuer des Hohentwieler Weins, der von dem Gast in reichlicher Menge getrunken wurde, die letzten Hemmungen, eine Blutprobe zur Feststellung des Alkoholgehalts wurde nicht gemacht, da es sich ja um kein Vergehen gegen den Straßenverkehr, sondern lediglich gegen den Postverkehr handelte, kurz und gut, der brave Bürger zog aus seiner Briefmappe je eine Marke der drei Zonen heraus, er hatte nämlich vorsorglicherweise Marken aus allen drei Zonen mitgebracht, um nicht mit dem Gesetz in Konflikt zu kommen, klebte sie auf einen Brief, zahlte und verließ leicht schwankenden Schrittes das Wirtshaus. Scheu um sich blickend, warf er den Brief in den Schalter und rannte eilig den Berg hinab.
Der Riese vom Berg lächelte mildseldg, es war die Geburtsstunde der Mischfrankatur der Dreizonenmarken im französisch besetzten Gebiet. Die Zeiten gingen rasch dahin, die Zonenmarken verschwanden, aber noch immer träumt der Briefkasten am Wirtshaus zum Hohentwiel von den schönen Zeiten, wo ein Schiller, ein Uhland, ein Hölderlin, ein Hebel, ein Marx, Beethoven, Freiherr von Ketteier und sogar Karl der Große, bei ihm zu, Gast waren! a. Keil
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Von F ian e Geor g Brust gi
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Die Schlotterbeckchristine, die es neben ihrem sein Lebtag kurz angebundenen, aber sonst recht leidlichen Alten mehr als fünfzig Jahre lang in ehelicher Eintracht ausgehalten, hatte sich kurz vor ihrem Siebenundsiebzigsten gelegt < und wartete nun still und ergeben auf den Tod. Eine Stunde eh’ sie starb, schlug sie noch einmal die Augen auf, hob mit einer bittenden Gebärde die Hand und tat ihrem David ihren letzten Wunsch kund: „David ... gang zom Mariele nüber ... ond laß mr... no e Goglöpfle bache mit viel Zibebe dren.“ — »Ach was!“ fuhr der David aus dem ans Bett gerückten Ohrenstuhl auf und steckte mit einem energischen Zugriff der Christine ihre Hand unter die Bettdecke. „Werd’ mr no
ln der „poft" in Hagold
Von Paul Erich Feiger
Inmitten des heiteren Schwarzwaldstädtchens Nagold steht «in patrizierstolzes Haus, dessen erlesenes Fachwerk bis zum Satteldach hinaufreicht. Sein massivsteinemes Untergeschoß läßt unschwer erkennen, daß es noch aus der Zeit der Gotik «tammt; der so kunstvoll gearbeitete Fachwerkaufbau jedoch wurde Anno 1607 errichtet. Schwere eichene Schwellen und Pfosten haben die Zimmerleute und Schnitzer hierzu ge-
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schnitten und bearbeitet. Die geputzten Flächen der Riegelfelder hat der Maler dekorativ belebt, und den Türen gab der Schmied durch seine Beschläge und eisernen Ornamente das künstlerisch einmalige Gepräge.
Über der Eingangstür ist ein kleines Dach gebaut, wie wir es aus den Schnitzwerken des Mittelalters kennen. Den dominierenden Schmuck dieser so reich geschmückten Hausfassade jedoch bildet ein einzigartiges Wirtshausschild: eine reich verzierte, barocke Schmiedearbeit von seltener Schönheit; zwischen den ausladenden Schnörkeln und Ornamenten fährt auf diesem Schild die gelbe Postkutsche spazieren, und das Wahrzeichen des Hauses, eine pausbackige Sonne, baumelt zufrieden und selbstgefällig von der Höhe herab. Schon den Urahnen der heutigen Reisegeneration mag dieser Schild als ein Schmuck edelster Prägung erschienen sein, denn schon die Herrschaften der Goethezeit machten diesem Gasthof ihre Reverenz. Herzog Karl Eugen, der schwäbische
Landesvater, Schöpfer und Organisator der Hohen Karlsschule, machte hier in der damaligen „Sonne“ während einer Visitation der Landkreise Station, just als der unglückselige Schubart von Hohenasperg aus die Verse der „Fürstengruft“ wie Blitze auf ihn herabschleuderte. 1773 bekommt die „Sonne“ einen Poststall, und Anno 1807 wird der Wirt durch ein Bestallungsdekret des allmächtigen Herrn von Thum und Taxis, des Erblandpostmeisters des Herzogtums Württemberg, zum Posthalter von Nagold bestellt, und der wohlbeleibte und wohlbeliebte Ahnherr der. Nagolder Gastwirtsdynastie, der übrigens mit einem guten Schuß schwäbischen Humors gesegnet war, schafft sich auf diese hohe Ehre hin Schnallenschuhe an und eine Uniform mit Goldtressen, denn es gilt, die erlauchten Durchreisenden mit Respekt und mit gutem Betragen zu empfangen und zu bewirten.
Man diniert und soupiert in dem zur „Post“ umgewandelten Gasthof nach allen Regeln der schwäbischen Kochkunst und darüber hinaus mit allen Raffinessen der internationalen Gastronomie. Das beweist unter anderem auch noch die im Original vorliegende Rechnung, die auf Seine Majestät König Friedrich von Württemberg ausgestellt ist und die die erkleckliche Summe von 244 Gulden ausmacht, wohlgemerkt für einen einzigen Zechabend im vertrauten Kreise, an dem der Weißwein, der Burgunder und der Champagner ebenso reichlich geflossen sein mußten wie das Wasser aus den Rohren des munteren Brünnleins vor der „Post“. Auch Napoleon, der „Empereur“, hat in der „Post“ eine Gastrolle gegeben. Der Fisch aus der Nagold, das Wildbret aus den Wäldern der Umgebung und der eingelagerte schwere Burgunder mußten dem Gourmet Bonaparte recht gemundet haben.
In einem Reiseführer aus dem Jahre 1841 wird über die in der Vorstadt an der Poststraße nach Freudenstadt liegende „Post“ folgendes Lob ausgesprochen: „Wirtschaftszimmer und Salons sowie die 12 Fremdenlogis sind allen Fremden zu preisen. Keller und Küche sind als fürtrefflich anzusehen, Stallungen und Remisen sind im Überfluß vorhanden.“
Nun, der Fremde, der heute nach Nagold kommt und in der „Post“ Station macht, wird das Urteil der Alten gewiß anerkennen. Er wird entzückt sein über die köstliche Intimität, über die Behaglichkeit in den Gasträumen. Die vergilbten Stiche, Urkunden, Reisepässe, die prachtvollen Schnitzereien an der Decke und auf den Schränken, die Malereien, das Ticken der alten Uhr, und all die zahlreichen Requisiten aus der guten alten Zeit werden ihn in die Geborgenheit und den Frieden jener Tage zurückversetzen.
et au noh glüstig! Etzt wird nemme zibebelet, etzt wird gstorbe!“ *
Als es mit dem Leibßlejakob zum Sterben kam, hieß er den Notar holen, damit der seinen letzten Willen nach Brauch und Gesetz zu Papier bringe. „Ich will testamentiere!“ sagt der Jakob, und er spricht so laut und klar, als er es mit seinen schwachen Kräften vermag; und der Notar bemüht sich, des Sterbenden Willen in der üblichen kurzen und bündigen Sprache seines Berufs zu formulieren. Doch was für Verfügungen auch der Jakob über Äcker, Wiesen, Vieh und Haus treffen mag: sein Weib fährt ihm bei jedem Satz dazwischen, will das und jenes nach ihrem Kopf geändert haben und beim dritten das gerade Gegenteil. Da geht endlich dem Bauern die Geduld aus, der Zorn facht seinen schon verflackernden Willen noch einmal an, es reißt ihn im Bett hoch, wütend haut er mit der Faust auf die blaukarierte Zudecke und fährt sein Weib an: „Ja, wia hä’ mr’s denn überhaupt?! Do soll doch e Donnderwetter neischlage! Stirbst jetzt du oder i?“
Sd)t pobaf piegel
Das selisame Kleidungsstück
Es sind etwa 40 Jahre her, da hatte sich im Gasthof eines Albdorfes ein vornehmer Herr aus Norddeutschland für einige Wochen einquartiert, der die ländliche Stille höher schätzte als Kurkapellen und Hotelkomfort und an der schwäbischen Landschaft sein besonderes Gefallen hatte. Nach etlicher Zeit wollte er seine Wäsche waschen lassen und brachte sie auf Empfehlung des Wirts zu einem alten Weiblein, das solche Dienste tat.
Nun war unter ihnen auch ein sehr moderner Schlafanzug, wie er damals, zumal in einer abgelegenen Albge- meinde, noch unbekannt war. Auch die gute Waschfrau konnte ihn in ihrem Weltbild nicht recht unterbringen. Doch sie machte sich wohl ihre Gedanken und wußte sich zu helfen: in ihrer Rechnung führte sie neben Hemden, Unterhosen, Strümpfen und Manschetten auf: „Gewaschen und geplättet ein Nachtsportanzug!“ wü.
Ein Schlaumeier
Kam da ein älterer Albbauer zum Doktor in die Sprechstunde. Zog schon unter der Tür den Kittel aus und rief: „I möeht’ amol reacht grendlich ontersuacht werda!“ Der Arzt fragte lächelnd: „Na, wo fehlt’s denn?!“ Da schmunzelte der Patient verschmitzt und meinte: „Jo, des tät Uich so passa — ich sag nix, des sollat Ihr rauskriega — send Ihr Doktor oder i?!“ wü.
„ ... so heißt das Demogradi"
Prüft da der Lehrer die der Schule Müden und ins Leben Tretenden, ob sie auch für wert befunden werden, das Wesen unserer heutigen und für gut gehaltenen Staatsform mit ihrem I4jährigen Verstand begriffen zu haben, der in dem neuen Fach der „Staatsbürgerkunde“ herangebildet ■ werden soll. „Was verstehst du unter .Demokratie*?“ will der Lehrer in seiner Schlußfrage wissen. Und die Antwort eines angehenden Staatsbürgers auf dem Prüfungsblatt: „wenn der Adenauer etwas machen möchte und die Bevölkerung darf dazu „Nein“ sagen, so heißt das Demogradi“ ...