FREU AU, 6. JULI 1951
WIRTSCHAFT
NUMMER 10S
Labile Wirtschaftslage - aber keine Krisenzefdien
Unsicherheit nur darüber, wann neue Aufwärtsbewegung beginnt
Dr. Ho. Die Produktionsentwicklung ist durch Abschwächungstendenzen in der Verbrauchsgüterindustrie und durch Auftrieb in der Produk- Üensgütersphäre gekennzeichnet. Insgesamt steigt die Erzeugung jedoch, wenn auch nur schwach, noch an. Freilich hat die schlechte Absatzlage in einzelnen Fachsparten der Textil- und Bekleidungsindustrie die angespannte betriebliche Lage bei einem Teil der Unternehmungen verschärft. Auch bei der Beschäftigung trat Insofern eine Verschlechterung auf, als verschiedentlich zur Kurzarbeit übergegangen werden wußte. Daß das Preisniveau unter den gegenüber dem 2. Halbjahr 1950 grundlegend veränderten Absatzverhältnissen gefallen ist, beruht überdies auf einer zwangsläufigen Entwicklung, die den Betrieben mancherlei finanzielle Belastungen auflädt, anderseits aber auch die Rationalisierung fördert. Endlich wären noch die Schwierigkeiten durch eine nicht ausreichende Kohlenversorgung zu nennen. Hier sind die Klagen mit Eintritt des Sommers noch nicht verstummt. Der Kohlenmangel ist auf Dauer offenbar weit ernster zu nehmen als die allgemeine Rohstoffknappheit. Totzdem — so stellt auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung fest — enthält diese Situation bei der durch stetigen Anstieg der Investitionen gekennzeichneten unvermindert nach oben gerichteten Grundtendenz der Konjunktur keine Elemente einer „Krise“. Zwar sei die internationale wie auch die westdeutsche Wirt- schaftssituation sehr labil, aber nur in dem Sinne, daß Unsicherheit darüber herrsche, wann und mit welcher Stärke die neue Aufwärtsbewegung beginne.
Unterschiedliche Absatzverhältnisse
In den Baumwollspinnereien wird immer noch voll gearbeitet, nachdem die Rohstoffzufuhr einigermaßen befriedigt. Mit einigen Ausnahmen sind die meisten Betriebe bis zur neuen Ernte mit Rohstoffen versorgt. Der Auftragsbestand ist im allgemeinen noch gut, wenn auch neue Aufträge schleppend eingehen. Bei den Baumwollwebereien scheint der Auftragseingang allerdings ungünstiger zu liegen; trotzdem konnte die Produktion im bisherigen Umfang aufrechterhalten werden. In den beiden Grundstufen der Textilindustrie — Spinnerei und Weberei — scheint der Zahlungseingang günstiger zu sein als in den nachfolgenden Stufen. Der Rückgang des Produktionsvolumens in der Textilindustrie allgemein wird wohl in erster Linie durch die Verhältnisse in der Trikotagelndustrle verursacht. Hier wird in den meisten Fällen nur noch 30 bis 35 Stunden gearbeitet.
Absatzmangel filr Leder und Schuhe
In der Lederindustrie mußten größere Betriebe infolge Absatzmangels Kurzarbeit einführen.
Landesproduktenbörse Stuttgart
vom 3. Juli
Das Getreidegeschäft ln alter Ernte scheint abgeschlossen zu sein, da Angebote zu den amtlichen Preisen nicht vorliegen.
Mehl ist lustlos bei kleinem Bedarfsgeschäft. Die Notierungen sind unverändert.
—BeL .festen Preisen sind Mühlennachprodukte gefragt. Das Angebot ist unbedeutend.
Raps neuer Ernte ist noch nicht angeboten. Die Preise haben sich infolge der billigen Auslandsnotierungen für öl bis jetzt nicht bilden können.
Heu neuer Ernte ist stark angeboten. Preise haben sich noch nicht entwickelt. Man hört von Verladerseite Preise ab württ. Verladestation bei Wiesenheu mit 6.40 bis 6.50 DM, bei Luzerneheu mit 7.— bis 7.20 DM je 100 kg, ohne daß Geschäfte zustande kamen.
Stroh alter Ernte, bindfadengepreßt, wurde ab Verladestation zu 3.30 bis 3.40 DM je 100 kg in geringem Maße umgesetzt. Gersten- und Haferstroh ist dagegen unverkäuflich.
Frühkartoffeln württemberglscher und pfälzischer Herkunft sind genügend angeboten. Die Preise betragen augenblicklich 19:— bis 20.— DM je 100 kg einschl. Sack, Großhandelsabgabepreise waggonfrei Stuttgart.
Die Rohstoffversorgung genügt für die gegenwärtig verminderte Produktion. Bei einer Geschäftsbelebung würden sich jedoch Schwierigkeiten ergeben, zumal die Möglichkeiten für Häuteeinfuhren gering sind. Die Schuhindustrie hält sich teilweise nur durch öffentliche Aufträge einigermaßen über Wasser. Im großen und ganzen wird in den Fabriken nur 2 bis 3 Tage wöchentlich gearbeitet.
Papier auf ein Jahr ausverkauft
In der Papierindustrie herrscht immer das gleiche Bild: prekäre Lage in der Rohstoffversorgung, Kohlenmangel. Auftragsbestände bis 1952. In der Preisentwicklung ist ein Stillstand eingetreten. Bei der Knappheit an Papier ist es erklärlich, daß die Zahlungen pünktlich erfolgen. Die papierverarbeitende Industrie berichtet über günstigen Export.
Preisdrude auf Exportware
Im Maschinenbau ist die Lage unterschiedlich. Textilmaschinen verzeichnen einen schlechteren Auftragseingang als Werkzeugmaschinen. Die Metalltuch Industrie ist weiterhin voll be
schäftigt. Der Rückgang im Auftragseingang aus dem Inland wird durch Zunahme bei Exportumsätzen ausgeglichen. Ebenso günstig liegen die Verhältnisse für den Uhrenverkauf. Dagegen ist die Produktion von Waagen infolge geringer Umsätze in Westdeutschland um ein Drittel zurückgegangen. Die Ausfuhrpreise, die gegenüber den anderen europäischen Ländern wesentlich niedriger liegen, können jedoch zurzeit kaum korrigiert werden, ohne dabei an Konkurrenzfähigkeit einzubüßen.
Im Einzelhandel besser als im Großhandel In größeren Städten Württemberg-Hohenzol- lems hat das Geschäft im Einzelhandel gegenüber Mai eine Belebung erfahren. Befriedigend waren die Umsätze im Textileinzelhandel, nicht aber bei Haushaltswäsche und Meterware. Auch im Schuhwarenhandel zeigte sich eine leichte Belebung. In den übrigen Branchen war zwar ein ruhiger, aber nicht unbefriedigender Geschäftsgang festzustellen. Der Textilgroßhandel dagegen besitzt große Läger vor allem an Tuchen. Die Sommerware bleibt infolge der ungünstigen Witterung liegen.
Wi rtsdiaftsspleget
Reifenpreise gehen zurück
HANAU. Die deutsche D u n I o p - Gummi- Companie ln Hanau hat die Preise für Fahrradreifen gestern um 5,6 Prozent herabgesetzt. Am 9. Juli werden die Preise für Traktorenreifen um etwa 6 Prozent und für sämtliche andere Kraftfahrzeugreifen um 8 Prozent gesenkt.
Auch die Harburger Gummiwarenfabrik Phönix AG. Hamburg-Harburg setzte ihre Preise für Fahrradreifen ab 5. Juli um 5 bis 6 Prozent und die Preise für Kraftfahrzeugreifen am 9. Juli um 8 Prozent und für Traktorenrelfen um 5,5 Prozent herab.
Damit ist nach den Verkaufspreiserhöhungen seit Ausbruch des Koreakrieges zum erstenmal wieder eine Preissenkung auf dem Reifenmarkt eingetreten
HAMBURG. — Margarine um 40 Pfg. teurer. Der Bundesflnanzminlster hat mit Wirkung vom 1. Mai die Subventionierung des Margarinepreises eingestellt, was eine Heraufsetzung der Verbraucherpreise um 40 Pfg. zur Folge hat. Das Bundeskabinett hatte eine solche Erhöhung der Preise bereits Ende Juni beschlossen.
WIESBADEN. — Preisindex für Wohnungsbau gestiegen. Die Preisindexziffer für den westdeutschen Wohnungsbau (1936 = 100) ist im April auf 211 gestiegen und liegt damit um 13,6 Proz. über der Indexzahl für April 1950. teilt das Statistische Bundesamt mit.
BAD EMS. — Preisrückgänge überwiegen Preiserhöhungen. 235 Einzelhandelspreise wichtiger Waren des täglichen Bedarfs wurden duren das Statistische Landesamt von Rheinland-Pfalz beobachtet. Dabei ergab sich, daß 86 Preise gestiegen sind, 43 Preise unverändert blieben und 106 Preise eine rückläufige Tendenz aufweisen. — Nach den Berechnungen des Statistischen Bundesamtes ist der Index der Grundstoffpreise vom 7. Mai bis zum 7. Juni um 0,9 Prozent auf 244 gesunken und zwar ausschließlich bei Industriestoffen, die um 2,1 Prozent zurückgingen, während die Nahrungsmittelpreise um den gleichen Satz stiegen.
FRANKFURT. — Vorwürfe gegen den Bundesfinanzminister. „ Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der deutschen feinmechanischen und optischen Industrie, Dr. O n c k e n, richtete auf einer Pressekonferenz schwere Vorwürfe gegen den Bundesfinanzminister. Er vertrete anscheinend auch jetzt noch die Auffassung, daß die deutsche Ausfuhr keiner Förderung mehr bedürfe und habe das Gesetz über steuerliche Maßnahmen zur Förderung des Exports zwei Jahre lang verzögert. Den für die Rückvergütung der Umsatzsteuer vorgesehenen Satz von
4 Prozent bei Fertigwaren habe er auf 2,5 Prozent herabgesetzt, und die innerhalb der freiwilligen Investitionshilfe vorgesehene Ausnahmeklausel für den Exportumsatz habe er ebenfalls „stillschweigend unter den Tisch fallen lassen“.
BONN. — Tabaksteueränderungsgesetz in Kraft. Das Gesetz zur Änderung des Tabaksteuergesetzes ist am 1. Juli in Kraft getreten. Nach ihm wird die Tabaksteuer um 2 Prozent gesenkt, um die Erhöhung der Umsatzsteuer auf Tabakwaren auszugleichen.
BONN. — „Radikale Lösung des Bewirtungsspesenproblems“. Uber die Bewirtungsspesen- Rechtsverordnung wird gegenwärtig zwischen dem Bundesfinanzministerium und den Länderregierungen verhandelt. Man rechnet in den nächsten Tagen mit einer endgültigen Formulierung. Wie verlautet, strebt die Mehrzahl'der Länderregierungen nach einer relativ radikalen Lösung des Bewirtungsspesenproblems, während der Bundesfinanzminister anscheinend für eine mittlere Linie eintritt.
MÜNCHEN. — Widerstände gegen Münchener Eiektromesse. Die bereits 1950 spürbar gewesenen Widerstände gegen die in der Zeit vom 4. bis 5. August stattfindende Münchener Eiektromesse (MEM) haben sich versteift. Der Zentral-
Mehr als 40° 0 »schwarze“ Kohle
FREIBURG. In einem Bericht des badischen Ministeriums der Wirtschaft und Arbeit wird festgestellt, daß sich die südbadischen Industriebetriebe zur Aufrechterhaltung ihres Produktionsvolumens und ihres Beschäftigungsstandes mehr als 40 */• der von ihr benötigten Kohle „schwarz" besorgen mußten. Diese Bemerkung soll sich auf eine Untersuchung der Staatsanwaltschaft gegen eine größere Freiburger Firma und einen Vermittler von „schwarzer“ Kohle beziehen; der Vermittler sei im Ruhrgebiet festgenommen worden. In Wirtschaftskreisen sehe man solchen gerichtlichen Verfahren wegen Schwarzbezugs von Kohle mit Gleichmut entgegen, da, wie mit Nachdruck betont wird, die wirtschaftliche, soziale und moralische Berechtigung der zusätzlichen Kohleversorgung gegenüber der Gefahr einer Schließung von Betrieben außer Frage stehe. Im übrigen sei der „Schwarzhandel“ mit Kohl« durchaus kein Geheimnis und werde in keiner Weise zu vertuschen versucht. Wenn eine Firma den Bezug von „Schwarzkohle“ verkraften könne, sei dies auch keine andere Praxis, als wenn Westdeutschland aus den USA offiziell Kohle zu Preisen beziehe, die nur wenig unter den zurzeit geforderten Schwarzhandelspreisen lägen.
«
jk. Die Industrie hat zwar recht, wenn sie der Meinung ist, der Aufrechterhaltung von Produktions- und Beschäftigungsstand sei in diesem Falle gegenüber moralischen Erwägungen das Schwergewicht zu geben. Ihre Argumentation versagt aber da, wo sie den Bezug amerikanischer Importkohle demjenigen von Schwarzhandelskohle gegenüberstellt. In den USA kostet die Kohle nun einmal so viel; man kann sich allenfalls über den Unsinn einer internationalen Regelung aufregen, die die Bundesrepublik zwingt, ihre billige Kohle zu exportieren und teure Kohle aus den USA einzuführen. Die Einfuhr an sich jedoch ist legal, der Schwarzhandel mit Kohle ist nicht legal. Er wird auch nicht legal durch die gewiß berechtigte Forderung, daß Produktion und Beschäftigungsstand unter allen Umständen aufrechterhalten werden müßten. Uns interessiert in diesem Zusammenhang vielmehr, wo diese „schwarze“ Kohle eigentlich herkommt. Im übrigen zeigt sich hier einmal mehr, daß alle Be- wirtschaftungs- und Preisblndungsmaßnahmen versagen, sobald Engpässe entstehen.
verband der elektrotechnischen Industrie in Frankfurt und mit ihm u. a. die Firmen Siemens, AEG, Brown-Boveri, Telefunken und Philips haben sich von der MEM distanziert, ebenso der Bundesinnungsverband des Elektrohandwerks.
DÜSSELDORF. — Roheisen- und Stahlproduktion steigt. Im Juni wurden insgesamt 945 124 Tonnen Roheisen (180 0001 aus Importkohle) und 1 186 462 t Rohstahl (160 0001 aus Importkohle) hergestellt. Die Vormonatsziffem: Roheisen 919 988 t, Rohstahl 1121 695 t.
Landwirtschaft
Befriedigende Getreideernte erwartet
BONN. Die landwirtschaftlichen Berichterstatter rechnen nach Mitteilung des Bundesernährungsministeriums in diesem Jahr im allgemeinen mit befriedigenden Getreideerträgen. Nach dem Stand von Ende Mai sind Im Durchschnitt des Bundesgebietes Hektar-Erträge zu erwarten, die nicht sehr wesentlich von denen des Vorjahres abweichen.
Etwas ungünstiger als im Vorjahr werden die Ertragsaussichten bei Roggen beurteilt. Insgesamt wird die Brotgetreideernte, wie man annimmt, den Vorjahresertrag von 5,8 Millionen t erbringen; den Futtergetreideertrag schätzt man auf mindestens 4,4 Milionen t — wie im Vorjahr.
BONN. — Noch 650 000 t Brotgetreide in der Landwirtschaft. Fast 650 000 t Brotgetreide waren Ende Mai in der Landwirtschaft vorhanden, teilt das Bundesernährungsministerium mit. Diese Menge entspricht annähernd dem vorjährigen Getreidevorrat. Mit wesentlichen Ablieferungen
des
aus der vorjährigen Ernte ist nach Ansicht Ministeriums nicht mehr zu rechnen.
BONN. — Mißverhältnis der Preise. Nach den Feststellungen des Deutschen Bauernverbandes lagen die Preise für Obst und Gemüse im Jahre 1950 im Durschnitt etwa 40 Prozent unter den Vorkriegspreisen, und im ersten Halbjahr 1951 vielfach sogar noch niedriger. Obwohl die Erdbeer- und Spargelpreise in diesem Frühjahr infolge geringen Angebotes verhältnismäßig hoch gelegen hätten, habe diese Tatsache das Gesamtbild nicht ändern können. Dagegen seien die sonstigen Preise und Löhne mindestens um 80 Prozent gegenüber der Vorkriegszeit gestiegen.
BONN. — Milchproduktion fast 10 Proz. höher. Der Tagesdurchschnitt der im Bundesgebiet erzeugten Milchmenge betrug im Mai 1951 etwa 48 000 t gegenüber nur etwa 44 000 t im Mai 1950. Der bisherige Spitzenertrag im Juni 1950, der 46 000 t betrug, wurde damit um 2000 t tiber- troffen.
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