FREITAG, 6. JULI 1951

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Genossenschaften sind keine Kapitalgesellschaften

Der Raiffeisentag in Stuttgart / Forderungen der deutschen Landwirtschaft

ah. STUTTGART. Der Deutsche Raiffeisen­verband, der am Dienstag und Mittwoch in Stuttgart seine Jahrestagung abhielt, ist die Spitzenorganisation des landwirtschaftlichen Genossenschaftswesens in der Bundesrepublik. Er umfaßt heute in 12 Landesverbänden über 11 000 Kreditgenossenschaften, mehr als 10 000 Warengenossenschaften, 2340 Betriebsgenossen­schaften (Elektrizitäts-, Dreschgenossenschaf­ten usw.). In Gesamtwürttemberg (mit Ho- henzollern) gibt es derzeit u. a. 1518 Spar- und Darlehenskassen, 67 Bezugs- und Absatzgenos- senschaften, 1649 Molkerei- und Milchverwer­tungsgenossenschaften.

Welche Bedeutung den ländlichen Genossen­schaften in unserer Agrarwirtschaft zukommt, mögen ein paar Zahlen zeigen. Auf die länd­lichen Genossenschaften entfielen 1950 80 Pro­zent der an die Molkereien gelieferten Milch, 40 Prozent des verkauften Getreides, 25 Pro­zent der Weinernte und .60 Prozent des Kunst­düngerbezugs. Die Einlagen bei den Kreditge­nossenschaften betrugen Ende 1950 1,2 Milliar­den DM, die Kredite 700 Millionen DM. Aller­dings ist die Einlagenentwicklung gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen, worin sich die Einkommensschwäche der'ländlichen Bevölke­rung äußert, wie auf der Mitgliederversamm­lung am Dienstag festgestellt wurde.

Delegationen aus vielen Ländern

Die große Kundgebung am Mittwoch­vormittag auf dem Killesberg gab einen Ein­blick in die Sorgen unserer heutigen deutschen Landwirtschaft. Welches Gewicht der Raiff­eisengenossenschaft als Spitzenorganisation des landwirtschaftlichen Genossenschaftswesens zu­kommt und welche Bedeutung den von ihr ver­tretenen Forderungen beigemessen wird, war aus der großen Zahl von Besuchern (etwa 5000) und der Anwesenheit prominenter Ehrengäste aus dem In- und Ausland zu erkennen.

Es waren u. a. gekommen: Bundesminister Dr. Niklas und sein Staatssekretär Dr. Son­ne m a n n, der österreichische Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft Kraus mit einer zahlreichen österreichischen Delegation, Prof. Laur, der 80jährige Schweizer Bau- emführer, Delegationen aus Frankreich, Ita­lien, Schweden, Finnland, Dänemark und den Beneluxstaaten, die alle selbst das Wort er­griffen, um die Grüße ihrer Länder zu über­

bringen und die Verbundenheit ihrer heimi­schen landwirtschaftlichen Organisationen mit den deutschen zu betonen. Von deutscher Seite waren u. a. noch gekommen: Staatspräsident Dr. Gebhard Müller mit Landwirtschafts­minister Dr. Weiß. Ministerpräsident Dr. Maier, Landtagspräsident Keil und Land­wirtschaftsminister Herrmann, Stuttgart, ferner der Landwirtschaftsminister von Rhein­land-Pfalz, Stübinger.

Landwirtschaftsminister Dr. Weiß über­brachte die Grüße des Landes Württemberg- Hohenzollern und wies auf die Bedeutung der 80 Betriebsgemeinschaften hin, die hier heute bestehen und einen wichtigen Teil der bäuer­lichen Selbsthilfe darstellen. Der Präsident des württembergischen Landesverbandes landwirt­schaftlicher Genossenschaften, Grimmin- ger, setzte sich in seiner Begrüßungsanspra­che für den kürzesten Weg vom Erzeuger zum Verbraucher ein, wobei die landwirtschaftlichen Genossenschaften mit den Organisationen des Einzelhandels und den Einzelhändlern aufs engste Zusammenarbeiten wollten.

Der Präsident des deutschen Raiffeisenver­bandes, Reichsminister a. D. Dr. Hermes, stellte in seiner Begrüßungsansprache gleich die zwei großen Sorgen heraus, die die land­wirtschaftlichen Genossenschaften heute be­drücken. Das eine ist die vom Bundeskabinett beschlossene Verordnung, die die letzten steuer­lichen Sondervorschriften der Genossenschaf­ten beseitigen will, obwohl die Genossenschaf­ten sich als Personengemeinschaften von den Kapitalgesellschaften grundlegend unterschei­den. Die Gleichstellung der Genossenschaften

mit den Kapitalgesellschaften bedeute prak­tisch eine Doppelbesteuerung der ge­nossenschaftlichen Mitgliederbetriebe, da die von den Genossenschaften geübte Warenrück­vergütung keine Gewinnausschüttung oder Ka­pitaldividende darstelle. Es sei bereits bei al­len zuständigen Stellen gegen die Verordnung Einspruch erhoben worden.

Gegen eine Investitionshilfe

Die andere große Sorge ist der Gesetzent­wurf der Deutschen Gewerblichen Wirtschaft, nach dem die Genossenschaften zu Investi­tionshilfen für den Kohlenbergbau, die eisenschaffende Industrie und die Energie­wirtschaft herangezogen werden sollen. Eine solche zusätzliche Belastung wühle gerade die wirtschaftlich schwachen Betriebe gefährden, die sich in den Genossenschaften zusammenfin­den. Auch in dieser Frage seien die Einwendun­gen der Genossenschaften bereits den zustän­digen Ministerien zugeleitet worden. Auf die bedrohliche Lage des deutschen Obst- und Ge­müsebaus infolge der fehlenden Abstimmung zwischen Einfuhr und Bedarf wies Präsident Dr. Hermes besonders hin.

Der Präsident des Landesbauernverbandes für Württemberg-Hohenzollern und stellver­tretende Präsident des württembergischen Landesverbandes landwirtschaftlicher Genos­senschaften, Bernhard Bauknecht, betonte in seinem Referat über dieStellung und Auf­gaben der ländlichen Genossenschaften im landwirtschaftlichen Organisationswesen, daß die Arbeitserleichterungen der Maschinen dem einzelnen Bauern nur im genossenschaftlichen Verband zugute kommen. Alle bäuerlichen Ver­

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D*e Linie des Waffenstillstands

Wahre Absichten müssen sich bei dieser Frage zeigen Von unserem Londoner Mitarbeiter Dr. Schütz

LONDON. Die Angelsachsen wollen den Waffenstillstand in Korea entlang der jetzigen Front schließen, so daß die ursprüngliche Grenze zwischen Nord- und Südkorea künftig nicht mehr genau am 38. Breitengrad, son­dern schräg darüber hinweg verlaufen würde. Der Grund hierfür ist militärisch. Nördlich von Seoul schneidet eine Bucht tief in das Land ein, so daß die koreanische Halbinsel enger

Verschlechterung für die Betroffenen

Zur Entscheidung des Staatsgerichtshofes

TÜBINGEN. Das Gesetz über die Regelung der Rechtsverhältnisse der aus politischen Gründen vom Amt entfernten Beamten vom 22. Dezember 1948 ist vom Staatsgerichtshof Württemberg-Hohenzollerns am 2. Juli als verfassungswidrig erkärt und damit aufge­hoben worden.

Hierzu gibt die Staatliche Nachrichtenstelle von Württemberg - Hohenzollern folgenden amtlichen Kommentar:

Durch dieses Gesetz wurden die Rechts­verhältnisse der aus politischen Gründen im Zuge der Säuberung vom Amt entfernten Be­amten, also nicht die Rechtsverhältnisse der im Amt befindlichen Beamten geregelt. Erst nach Erlaß dieses Gesetzes konnten den vom Amt entfernten Beamten, die nicht als Haupt­schuldige oder Belastete von vornherein alle Ansprüche aus ihrem früheren Dienstverhält­nis verloren hatten, Ansprüche gewährt wer­den, sei es durch Wiederverwendung, Verset­zung in den Wartestand, Zurruhesetzung, selbst bei Entlassung durch Gewährung eines Unter­haltsbeitrags.

Das vom Staatsgerichtshof aufgehobene Ge­setz ist inzwischen weitgehend durch das vom Bund erlassene Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des

Grundgesetzes fallenden Personen vom 11. 5. 1951 überholt, das neben den Rechtsverhält­nissen der Flüchtlingsbeamten auch den aus politischen Gründen vom Amt entfernten Lan­desbeamten gewisse Mindestansprüche ge­währt, jedoch die vom Land erlassenen gün­stigeren Entscheidungen aufrechterhielt. Die Entscheidung des Staatsgerichtshofs hat nun zur Folge, daß die auf Grund des Gesetzes vom 22. 12. 1948 gewährten günstigeren An­sprüche auf die in dem genannten Bundesge­setz festgesetzte Mindestregelung zurückge­führt werden müssen. Dies ist auch in dem der Entscheidung des Staatsgerichtshofs zu­grunde liegenden Verfahren des Universitäts­professors Dr. Sittig der Fall. Die Anfechtung des Gesetzes hat also in zahlreichen Fällen zu einer Verschlechterung für die Betroffenen geführt.

Zur Aufklärung wird noch darauf hinge­wiesen, daß Beihilfen und Versorgungsbezüge, die den betroffenen Beamten bisher gewährt wurden, diesen verbleiben, obwohl das Bun­desgesetz zu Art. 131 des Grundgesetzes erst ab 1. 4 d. J. Ansprüche gewährt. Auch die auf Grund des Gesetzes vom 22. 12. 1948 er­folgten Wiedereinstellungen werden durch die Aufhebung dieses Gesetzes nicht berührt.

ist als an irgendeiner Stelle in der Nähe des 38. Breitengrades. Man spricht geradezu von einer Art Isthmuslinie, die dort gebildet wurde.

General Ridgway hat außerdem iml dortigen Hügelgelände so starke Befestigungen anlegen lassen, daß man von einer günstigen Verteidi­gungsstellung sprechen kann, welche die beste Gewähr gegen einen neuen Angriff bietet. Diese Befestigungen verlaufen im Westen der Halbinsel südlich des 38- Breitengrades, über­queren ihn in der Mitte, und enden nördlich des Breitengrades an der Ostküste. Diese Li­nie stellt den Ausgangspunkt der Waffenstill­standsverhandlungen der 8. Armee dar und soll unbedingt gehalten werden. Ja, bei den Westmächten herrscht die Auffassung, daß sich die wahren Absichten ihres Gegners in diesem Zusammenhang enthüllen würden.

Falls bei den Verhandlungen über einen Waffenstillstand die Forderung auftauchen sollte, General Ridgway müsse diese Linie räumen, dann würden diejenigen, die in dem Waffenstillstandsangebot Maliks lediglich eine Finte sahen, Oberwasser gewinnen. Es gibt natürlich genug Leute, die sagen, den Kom­munisten sei es lediglich darum zu tun, die 8. Armee mit diplomatischen Mitteln aus ihrer starken Stellung zu verdrängen, um dann zum nächsten Schlag auszuholen. Die Regierungen teilen diese Meinung nicht, sondern sind der Ansicht, das Angebot Chinas sei ernst ge­meint. Malik selbst hat das dem englischen Delegierten in Lake Success bestätigt. Die Ent­scheidung über die jetzige Isthmuslinie wird nicht nur militärisch, sondern politisch aus­schlaggebend sein.

TOKIO. Ministerpräsident Joshida hat Kaiser- Hirohito am Mittwoch sein umgebildetes Kabi­nett vorgestellt, das fünf Neubesetzungen auf­weist. Er selbst behält den Posten des Minister­präsidenten und des Außenministers bei.

Die Scharte ist nicht auszuwetzen. Zeichnung Mussil (Frankfurter Rundschau)

bände müßten Zusammenwirken und sich vor allem auch auf den unteren Ebenen, im Kreis und Dorf, gegenseitig ergänzen. Wenn die Landwirtschaft auf Staatshilfe poche, müsse sie sich zuerst selbst anstrengen, was aber nicht bedeute, daß Selbsthilfe allein genüge. Eine grundlegende Verbesserung der bäuerlichen Verhältnisse liege nur in einer höheren Bewer­tung der Landarbeit. Bauknecht schlug eine zusätzliche Ausbildung des Lehrers vor, in der die Gemeinschaftsaspekte der bäuerlichen Selbsthilfe Platz finden müßten. Als beispielhaft nannte Bauknecht die genossenschaftliche Er­zeugungsverwertung in Württemberg, wo 98 Prozent der Milch und nahezu der gesamte Wein in genossenschaftlichen Anlagen verwer­tet und veredelt werden.

Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Dr. Karl Müller, stellte in seinem Referat über denBeitrag der ländlichen Genossenschaf­ten zur Neugestaltung der Agrarpolitik" drei Aufgaben heraus: die Hebung der landwirt­schaftlichen Erzeugung, stabile Markt- und Preisverhältnisse und die Anpassung der Ein­fuhr an den echten Bedarf. Der genossenschaft­lichen Geld- und Kreditpolitik falle hier eine führende Rolle zu. Er wies mit Nachdruck dar­auf hin, daß auch die Kreditgenossenschaften bei der Anlage öffentlicher Gelder berücksich­tigt werden müßten.

Für den Raiffeisentag 1952 ist Hannover vor­gesehen.

Eisenhower appelliert

An die westlichen Völker

LONDON. General Eisenhower hat von London aus einen dringlichen Appell an die westeuropäischen Staaten und Völker ge­richtet, sich politisch und wirtschaftlich zu­sammenzuschließen, um der aus dem Osten heranbrandenden kommunistischen Gefahr zu widerstehen.Freie Menschen mit dem Ge­spenst politischer Knechtschaft vor Augen machen sich selbst zu Krüppeln durch die künstlichen Fesseln, die sie sich geschmiedet haben und die nur sie allein lösen können. Geschichte, Lebensgewohnheiten, Sprachen­trennung und Vorurteile erschwerten Europa das Zusammenfinden. Ein Systemwirtschaft­licher Monstrositäten stelle sich in geradezu tragischer Weise jedem Fortschritt in den Weg. Europa könne seine gewaltige materielle Macht, niemals verwirklichen, solange es durch ein Flick werk von Grenzzäunen zerteilt werde.

General Eisenhower sprach auf einem Es­sen derEnglischsprechenden Union am Vor­abend des amerikanischen Unabhängigkeits­tages.

Die Lupe

Ein Blick durch geschliffene Gläser

Aus Spielerei betrachtete ich eine einzelne Tan­nennadel unter der Lupe, die immer auf meinem Tisch bereit liegt. Ich sah cen Schmelz des tiefen Grüns fünffach vergrößert, makellos im Glanz. Eine zarte Längsfurche lief bis zur Spitze wie zwischen den beiden Flügeldecken eines Sand­laufkäfers. Doch eigentlich gab es überhaupt keine Spitze, sondern zwei abgerundete Vorsprünge und in der Mitte eine Delle. Stechen kann man mit einer solchen Nadel kaum. Nicht die Abwehr gegen rupfende Zungen hat sie geformt, sondern Wind und Regen, Kälte und Schnee.

Sehe ich den Rücken meiner Hand unter der Lupe an, so staune ich über die tausend Gebirgs- kämme und Täler und die vielseitig zerklüfteten Linien. Und wenn ich die Härchen zähle, die ich gewöhnlich gar nicht beachte, so sind es mehr als hundert Reiße ich ein einziges aus, so spüre ich für einen Augenblick einen winzigen Schmerz und werde so belehrt, daß jedes Haar, von dem ich nichts weiß, doch richtig an seinem Platze ist.

Auch Schriftzüge, deren Charakter mir nicht «inleuchtet, halte ich, wenn ich wissen will, mit wem ich zu tun habe, unter die Lupe. Da ergibt ich, ob der Strom des Gefühls rein fließt, oder ob ihm Plump-Absichtliches, Hinterhältiges, Ge­spreiztes, Wirres beigemischt ist. Brutalität ent­hüllt sich als Ausdruck verlegener Unaufrichtig­keit, Verschnörkelung als Einfalt, und im Grunde ist es das gleiche wie mit den Gebirgstälern der Fingerkuppen. Es Ist alles da, man muß nur etwas genauer hlnschauen.

Das Geäder auf dem Flügel einer Biene und die schillernden Schuppen des Schmetterlings können den Betrachter immer ergötzen. Welch wunderbar durchgestaltete Struktur noch im Kleinsten! Die tausendfache Vergrößerung der Mikroskope bringt freilich noch viel feiner Aus­geformtes ans Licht. Damit verglichen ist die Lupe ein altmodisches und unzulängliches Hand­werkszeug. Doch genügt es, um den Bau der Insektenkörper, Blüten Vogelfedern und Karp­fenschuppen zu erkennen und so ein wenig von dem Sinnvollen aller Schöpfung ahnen zu kön­nen. Dies findet sich im kleinsten wie im größ­ten, in der Natur unc in dem, was Menschen hervorbringen.

Wer sich das Vergnügen macht, zuweilen durch geschliffene Gläser zu gucken, nimmt hinter der unendlichen Mannigfaltigkeit schließlich doch oft ein und dasselbe wahr, dankbar für den Sonnenblick, der dem kurzlebigen Bewußtsein eines Erdensohnes hie und da vergönnt ist. R. G.

Internationale Musiktage in Konstanz

Mit einem sehr guten Programm warten die diesjährigenInternationalen Musiktage von Kon­stanz auf. Zwischen dem 8. und 24. Juli werden zum Teil im Schloßhof der Blumeninsel Mainau, zum Teil im historischen Konstanzer Konzil und im großen Festsaal des berühmten Inselhotels in- und ausländische Orchester und Solisten die Be­sucher mit ihrer Kunst erfreuen. Acht Veranstal­tungen sind geplant, von eenen die Hälfte durch Schweizer, österreichische und französische Künst­ler bestritten werden. In der Eröffnungs-Matinee am 8. Juli wird der im Ausland bekannteste Schweizer Komponist Othmar Schoeck mit seiner Frau Hilde (Sopranistin) im Weißen Saal des Schlosses Mainau eigene Liedkompositionen zum Vortrag bringen. Am 10. Juli wird das Pariser Streichtrio Pasquier Kammermusik im Inselhotel zu Gehör bringen, während am 11. Juli das Winterthurer Streichquartett auf der Mainau eine Schloßserenade mit Stücken von Hugo Wolf, Willi Burkhardt (Erstaufführung) und Mozart vortra­gen wird. Am 13. Juli spielt das Stuttgarter Kam­merorchester unter Karl Miinchinger zwei Erst­aufführungen von Jean Francaix und Paul Hinde- mith. Den darauffolgenden Sonntag (15. 7.) singt der Züricher Kammerchor mit Domkapellmeister Joh. Fuchs aus St. Gallen und bringt u. a. als Uraufführung eine Motette von Paul Huber so­wie zwei Erstaufführungen des Schweizer Musi­kers Albert Jenni (drei Sätze aus der Einsiedler- Messe) und Paul Müller (Toccata). Den Höhe­punkt bildet das Konzert der Wiener Sympho­niker, in welchem u. a. ein Werk des Öster­reichers Theo Berger zut Aufführung gelangt. Ein Serenadenabend endlich am 20. 7. mit Stücken des Westschweizers Frank Martin, der zurzeit an der Kölner Musikhochschule lehrt (Erstaufführung), und Hans Vogt aus Neckargemünd (Urauffüh­rung), Mozart und Max Reger leitet zum Ab­schlußkonzert am 24. Juli mit Beethovens Neunter über. Beide Abende werden vom Städtischen Or­chester Konstanz bestritten werden.

Für den Bücherfreund

Rowohlt-Taschenbücher

Hans Thomas. Perey auf Abwegen. Ro­wohlt-Verlag, Hamburg. 237 S. 1.80 DM.

Honore de Balzac. Die Frau von 30 Jahren. Rowohlt-Verlag, Hamburg. 162 S, 1.80 DM. James M. C a i n, Der Defraudant. Rowohlt- Verlag Hamburg. 237 S. 1.80 DM.

Perey auf Abwegen ist die außer­gewöhnliche Geschichte eines Mannes, der, ob­wohl er es im Leben zu etwas gebracht hat, wirklich und nicht nurim Grunde genommen ein großer Junge blieb. Perey, englischer Öl­magnat, setzt in die Tat um, was wir anderen nur zu träumen wagen und schlüpft wie der Falter aus cer Larve eines Tages aus der stei­fen Konvention seiner englischen Umgebung, um auf dem Kontinent incognito zu bummeln. Das Leben scheint ihn darob lieb zu haben, denn es spielt ihm in bunter Folge überall die schön­sten Bälle zu. Inzwischen zittert in London nicht nur die Börse, sondern auch eine bildhübsche Tochter und ein in Percys Tochter verliebter Journalist. Es beginnt die Großfahndung, die dem gemäßigt erregten Leser am Schluß ein et­was süßes Hapy enc beschert. Das Verdienst, den Typ derunverstandenen Frau in der Gräfin Aiglemont kreiert und verewigt zu haben, gebührt Balzac. SeineFrau von 30 Jahren wurde von all den unzähligen Figu­ren derSzenen aus dem Privatleben die be­kannteste. Es lohnt sich noch immer, eich auch literarisch mit Ihr abzugeben. James M. Cain hat einen der besten Reißer geschrie­ben, den es unsere® Erachtens überhaupt gibt: The Postman always rings twiee (deutsch bei Rowohlt:Die Rechnung ohne den Wirt). Cain schreibt einen äußerst gedrängten Stil. Er hält das Tempo seiner Handlung bis zur letzten Seite durch. Nicht etwa, indem er besonders tolle Stoffe wählt, sondern durch die Schilderung von Ge­schehnissen, wie sie dieSeiten ohne Politik aller Tageszeitungen füllen.' Aber wie er diese Dinge schildert. Er holt Linie für Linie mit der Unbestechlichkeit einer fotografischen Linse her­an und kurbelt so eine Art veristischen Kri­minalfilm herunter, faszinierender noch als Greene, weil direkter im Angehen des Problems, und gleich unvergeßlich wie Hemingways beste

Erzählungen, weil stofflich nicht so abseitig. Der Defraudant scheint uns eine Idee schwä­cher zu sein alsThe Postman ..aber er ist gut genug, um den Amerikaner Cain wieder recht warm zu empfehlen. rr.

Boten der Liebe

Gerhard Plahler,Die Früchte". Calwer Verlag, Stuttgart. 97 S.

Die Früchte aus dem von Granaten und Bom­ben umgewühlten Orangenhain eines italieni­schen Bergklosters, das sind dieBoten der Lie­be, das versöhnende Symbol in dem grauen­vollen Morden des letzten Krieges. Der Tübinger Gerhard Pfahler stellt ln seiner Novelle, die einige aparte sprachliche Eigenheiten aufweist, die Frage nach der Schuld des zwischen Pflicht und Menschlichkeit schwankenden Soldaten. Seine Lösung, die er sich bewußt nicht leicht gemacht hat, stellt zugleich eine schmerzliche Anklage ge­gen den Krieg dar. his.

Eine Neuauflage

Emanuel Stickelberger,Der graue Bischof, J. F. Steinkopf-Verlag, Stuttgart. 253 Seiten.

Der Vergleich mit C. F. MeyersJürg Je- natsch, der auf der Umschlagseite gebraucht wird, ist zweifellos etwas gewagt. Man wird zu­geben, daß die Titelfigur, der Erzbischof und Kurfürst von Mainz, deren Weg vom verschüch­tertenHexenkind zum dämonischen Menschen­verächter, der mit Papst, Kaiser und Fürsten sein ehrgeiziges Spiel treibt, so dramatisch ef­fektvoll beschrieben wird, manche allzu konstru­ierten und in ihrer ttbermenschlichkeit schon et­was unmenschlichen Züge aufweist. Dennoch bie­tet die Neuauflage von Stickelbergers bekanntem historischen Roman eine interessante Lektüre.

Kulturelle Nachrichten

Ein Forschungsinstitut für Pigmente und Lacke unter der Leitung von Prof. Dr. H. Brinzinger ist in Stuttgart eröffnet worden. Es ist das einzige Institut seiner Art im Bundes­gebiet und wurde auf Initiative der Farben- und Lackindustrie mit Unterstützung de« Bundes­wirtschaftsministeriums und der Wirtschafts­ministerien von Württemberg-Baden und Hessen gegründet.