NUMMER 101

SÜDWESTDEUTSCHE CHRONIK

MONTAG, 2. JULI 1951

Der Tag des Küferhandwerks in Reutlingen

Klagen über die Steuerlast und die hohen Preise für Holz und Eisen

Reutlingen (Eig. Bericht). Die dritte Verbands­tagung der beiden Landesverbände des Küfer­handwerks von Württemberg-Hohenzollern und Württemberg-Baden wurde am Sonntagvormittag in der Reutlinger Friedrich-List-Halle von dem Vorsitzenden des Fachinnungsverbandes Würt- temberg-Hohenzolern, Julius Vohrer, eröff­net. Zwei Fachvorträge von dem Leiter der Weinbaufachschule in Weinsberg, Direktor Ernst K 1 e n k. und dem Leiter der Gewerbeschule Reutlingen Oberstudiendirektor Kocher, standen im Mittelpunkt der Tagung, die hauptsächlich dem Erfahrungsaustausch und der Erweiterung des Fachwissens der Küfermeister dienen sollte. Vorher wurden von Persönlichkei­ten des Handwerks, der Wirtschaft und des öf­fentlichen Lebens mehrere kurze Ansprachen ge­halten.

Der Reutlinger Oberbürgermeister Kalb­fell ging auf die besondere Aufgabe des Hand­werkerstandes ein, für einen gesunden wirt­schaftlichen und sozialen Ausgleich in der Be­völkerung zu sorgen. Württemberg dürfe sich

G lücklich schätzen, eine gesunde Mischung von ndustrie, Handwerk, Landwirtschaft Handel und Gewerbe aufzuweisen, die die Grundlage für geordnete soziale Verhältnisse darstelle.

Der Vorsitzende des Landesverbandes von Württemberg-Baden, G. Göhrin g, berichtete über die Geschäftslage im Küferhandwerk. Er­wähnenswert ist vor allem, daß die Mitglieder­protest gegen Milchpreissteigerungen Tuttlingen. Der Deutsche Gewerk­schaftsbund, Bezirksstelle Württemberg- Hohenzollern. wendet sich gegen die Steigerung des Milchpreises, die bei einer Qualitätsminde­rung von 3,4 auf 3 Prozent Fettgehalt in Wirk­lichkeit nicht 2, sondern 5 Pfennig betrage. Schon bei einer Aussprache am 8. Juni mit den zustän­digen staatlichen Stellen habe die Gewerkschaft gegen jede Milchpreiserhöhung grundsätzlich Einspruch erhoben. Der Gewerkschaftsbund legt entschieden dagegen Verwahrung ein, daß die Stadt Reutlingen, statt, wie ursprünglich vorgesehen, zur Preisgruppe II gerechnet zu wer­den, neuerdings in einer besonderen Gruppe mit einem Verbraucherpreis von 40 Pfennig für pa­steurisierte Trinkmilch erscheint. Die Verbrau­cherschaft unseres Landes, besonders von Stadt und Kreis Reutlingen werde sich, so kündigt der Gewerkschaftsbund an, mit dieser Art der Preis­regelung noch näher befassen.

zahl der beiden Verbände auch im vergangenen Jahr erheblich zurückgegangen ist. Der Verband Württemberg-Hohenzollern zählt heute 409 Mei­ster, 134 Gesellen und 167 Lehrlinge, der von Württemberg-Baden 1005 Meister, 358 Gesellen und 322 Lehrlinge. Den Geschäftsgang für das Küferhandwerk im Jahre 1950 bezeichnete Göh- ring als recht zufriedenstellend. Die größten Sorgen seien für die Küfer und Kübler heute neben der allgemein zu hohen Steuerbela­stung die hohen Preise für die Rohstoffe Holz und Eisen und vor allem die äußerst schlechte Versorgung mit Bandeisen.

Regierungsrat R i e g e r, Tübingen, und Re­gierungsdirektor T h u m a, Stuttgart, übermittel­ten die Grüße der Regierungen in Tübingen und Stuttgart. Der Präsident der Handwerkskam­

mer Reutlingen, Alfred Geisel, hob in seinen kurzen Begrüßungsworten vor allem die muster­gültige Kollegialität und Zusammenarbeit der Handwerker hervor. Zuletzt berichtete noch ein dänischer Küfermeister (auch eine dänische De­legation mit dem Vorsitzenden des dänischen Küferverbandes befand sich unter den Ehrengä­sten) über die Organisation des Küferhandwerks in seinem Land. Von der Leistung des deutschen Küferhandwerks zeigte er sich sehr beeindruckt.

Am Samstagvormittag war die Fachaus­stellung des Küfer- und Küblerhandwerks und seiner Lieferindustrien eröffnet worden. Mi­nisterialrat Dr. Stahlecker vom Tübinger Wirtschaftsministerium überbrachte dabei die Grüße des Staatspräsidenten und der Staatsre­gierung. Am Samstagmittag tagten die Obermei­ster der beiden Verbände.

Am Freitagnachmittag hatte bereits das zweite Bundestreffen des Faß- und Weinküferhandwerks stattgefunden, zu dem Delegierte aus dem gan­zen Bundesgebiet erschienen waren.

Aus Südwürttemberg

Unterricht in deutscher Schrift

Tübingen. Wie das Kultministerium mitteilt, wurde für das dritte und vierte Schuljahr die Unterweisung in der deutschen Schrift angeord­net, da die deutsche Schrift neben der lateini­schen im Schriftverkehr und die Fraktur im Buchdruck noch weitgehend verwendet wird.

4 Jahre Zuchthaus für Mordversuch Kottweil. Das Schwurgericht Rottweil verur­teilte einen 29jährigen Landwirt aus Wald- mössingen, Kreis Rottweil, wegen Mord­versuchs an seiner Schwiegermutter zu 4 Jah­ren Zuchthaus. Er hatte versucht, die Frau durch eine raffinierte, auf dem Abort angebrachte Steinfalle ums Leben zu bringen. Ein 30 Pfund schwerer Stein war dort auf sie niedergesaust, dessen Wucht durch den Haarknoten und das wollene Kopftuch allerdings gemildert wurde, so daß die Frau nur eine Platzwunde am Hin­terkopf abbekam. Der Verurteilte hatte seine Frau in der Absicht geheiratet, bald alleiniger Besitzer des Bauernhofs zu werden. Die noch rüstige Schwiegermutter hatte sich jedoch ge­weigert, den Hof zu übergeben.

Richtfest für 34 Siedlerstellen Biberach/Riß. Am Samstag wurde hier das Richtfest für 34 Siedlerstellen (68 Wohnungen) der Gemeinnützigen Siedlungsgesellschaft des

Kurze Umschau im Lande

Ein paar tausend DM Lohngelder wurden einem Bauingenieur auf dem Burgholzhof in Stuttgart geraubt, als er sich gerade auf dem Wege zu seinen Arbeitern befand, um die Löhne auszu­zahlen. Der eine der beiden Täter konnte festge­nommen werden.

Mit der Starkstromleitung in Berührung kam ein 22 Jahre alter Malerlehrling bei Anstreich­arbeiten in Stuttgart-Sillenbuch. An seinen schwe­ren Verbrennungen starb er kurze Zeit später im Krankenhaus.

Ein Druckkessel von 15 atü explodierte in einer Autoreparaturwerkstatt in Ludwigsburg. Die Ex­plosion richtete in der Werkstatt großen Schaden an und drückte die Fensterscheiben der Wohn­häuser in der Umgebung ein. Personen wurden nicht verletzt.

Der Eiltriebwagen StuttgartWürzburg führ bei Heilbronn in der Nacht zum Freitag mit vol­ler Geschwindigkeit auf den Anhänger eines Lkw auf. Der Triebwagenführer wurde lebensgefähr­lich, zwei Reisende leicht^ verletzt. Die Schran­ken des Bahnübergangs waren nicht geschlossen.

Reißenden Absatz hatte in Schwäbisch Gmünd Brennholz gefunden, das von drei deutschen Wachtposten eines IRO-Lagers zu 10 bis 30 DM die Fuhre verkauft wurde. Das Holz war gestoh­len. Die Verkäufer bekamen Gefängnis, die Käu­fer Geldstrafen.

850mal die Teck bestiegen hat der jetzt 70jäh- rige Schneidermeister Müller aus Kirchheim/Teck. Er hat jeden Besuch auf der Burgruine seit sei­ner frühesten Jugend in einem besonderen Tage­buch eingetragen.

Gegen die Wiedereinführung von Tschakos, Schulterriemen und Schulterstücken wandte sich die Polizei in Göppingen. Die Polizisten erklär­ten, sie hätten ihren Dienst in den vergangenen

Hilfswerks der evangelischen Kirchen in Deutsch­land begangen. Aus der Initiative einer Vertrie­benengruppe von Jugoslawiendeutschen und dem Mitwirken der Bezirksstelle des evangelischen Hilfswerks entstanden die Anfänge zu dieser Siedlung vor den Toren der alten Reichsstadt Biberach. Im Bau sind zehn Einzelhäuser mit einer Wohnung für den Siedler und einer Ein­liegerwohnung, acht Doppelhäuser mit zwei Sied­ler- und zwei Einliegerwohnungen, ferner vier Doppelhäuser für Gewerbetreibende. Die Stadt stellte das Gelände zur Verfügung und verpflich­tete sich zu seiner kostenlosen Erschließung.

Schloßkirche Friedrichshafen eingeweiht Friedrichshafen. Hier wurde am Sonntag die wiederhergestellte Schloßkirche eingeweiht. Die evangelische Kirche war durch Landesbischof Haue, die Regierung Südwürttembergs durch Kultminister Sauer vertreten. Die evangelische Gemeinde von Friedrichshafen konnte seit sie­ben Jahren erstmals wieder in einer Kirche Gottesdienst halten.

Sorgen unserer Fischer

Horb. Am Freitag hielt hier der Landesfische­reiverband von Württemberg-Hohenzollern seine Jahresversammlung ab. Im Mittelpunkt stand die Sorge um die durch Flußregulierungen und son­stige Einflüsse entstehenden landschaftlichen Schäden. Der Verbands Vorsitzende, Landrat Geißler, Calw, kritisierte die schrankenlose Ausübung der Fischerei durch die Besatzungs­macht noch 6 Jahre nach Kriegsende. Er forderte eine Entschädigung für cen von der Besatzung in den Gewässern angerichteten Schaden und vor allem auch einen Staatsbeitrag für den Fischerei­verband Südwürttemberg. Ein Staats beitrag wurde den Fischern von Oberforstmeister W i e c h von der Forstdirektion in Tübingen in Aussicht ge­stellt. Über eine Entschädigung sei mit der Be­satzungsmacht bereits mit Erfolg verhandelt worden.

Aus dem Geschäftsbericht des stellvertretenden Vorsitzenden Dr. G ö z, ging hervor, daß letztes Jahr in keinem unserer fließenden Gewässer ein akutes Fischsterben beobachtet wurde, was wohl auf die höheren Wasserverhältnisse zurückzu­führen ist. Zur Regelung der Abwasserverhält­nisse, über die von allen Seiten Klagen einge­laufen sejen, forderte Dr. Göz unter anderem eine Zusammenarbeit des Fischereiverbandes mit dem Chemischen Landesuntersuchungsamt, wo eine besondere Abteilung für Abwasser einge­richtet werden solle, ferner die Errichtung einer Forschungsabteilung am Bodenseeinstitut Langen­argen.

Einen breiten Raum nahm die Aussprache über die Flußkorrektionen und die Verunreinigung unserer Flüsse durch Industrieabwässer ein. Dr. Keller vom Innenministerium, der zu diesen Fragen Stellung nahm, wies auf den Ausbau der Kanalisation in den Gemeinden und den Bau von Sammelkläranlagen hin.

Wie wird das Wetter?

Aussichten bis Mittwochabend: Beständiges Hochdruckwetter, vorwiegend heiter und trocken. In Tälern vereinzelt Frühnebel. Zunehmend wär­mer, mit Tagestemperaturen über 25 Grad. Schwache, östliche Winde.

Aus Nord Württemberg

Jahren auch ohne diese Dinge zufriedenstellend versehen.

Ein Sommerfest auf dem Hohenzollern veran­stalten am 7. Juli die Ortsgruppen Balingen, Bi­singen, Ebingen, Hechingen, Reutlingen und Tü­bingen der Deutschen Angestelltengewerkschaft.

Beim Kirschenpflücken von der Leiter gestürzt ist ein Bauer in Oberkirch (Südbaden). Er erlitt schwere Kopfverletzungen und starb wenige Stunden später. An der Leiter war ein Sprosse gebrochen.

Von einem 4 m hohen Gerüst in der katholischen Kirche von Eberbach bei Heidelberg stürzte ein Maler tödlich ab.

Mit dem Motorrad auf die Zugspitze gefahren ist ein Stuttgarter Journalist am Samstag. Es ist dies das erste Mal. daß ein Kraftfahrzeug die 2300 m Höhe bis zum Schneefernerhaus bewäl­tigte.

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In der mittelbadischen Kreisstadt Bühl mußte die Feuerwehr ausrücken, um einen Storch aus einer mißlichen Lage zu befreien. Freund Adebar saß auf der Bühler Stadtkirche schon zwei Tage lang auf dem gleichen Fleck, weil ihm zwischen Ziegeln und Dachrinne ein Bein eingeklemmt war. Mit ihrer über 20 Meter langen Leiter konnte die Feuerwehr den Verunglückten schließlich be­freien.

*

Einen der seltensten Tiefseefische, eine 75 cm lange Seeratte, wurde von Fischern aus dem Ge­biet um Island nach Cuxhaven gebracht. Das silbergraue Tier mit großem Kopf und spitz auslaufendem Rattenschwanz hat keine Flossen und trägt auf jeder Schuppe einen Stadhel.

Im Hallenschwimmbad ertrunken Stuttgart. Im Heslacher Hallenschwimmbad in Stuttgart ertrank am Samstagnachmittag ein 17- jähriger junger Mann. Er war in den für Nicht­schwimmer bestimmten Teil des Beckens gegan­gen und wurde kurze Zeit später vom Bade­meister auf dem Grund des Schwimmerbeckens entdeckt. Die Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos. Der Unglücksfall erinnert an den Tod eines 11jährigen Schülers im gleichen Schwimm­bad im Februar letzten Jahres. Der damalige Unglücksfall hatte besonderes Aufsehen erregt, weil der Leichnam des Schülers 18 Stunden un­bemerkt auf dem Grund des Beckens gelegen hatte.

Konkursverfahren rechtskräftig Stuttgart. Das auf Antrag der Stuttgarter Giro­kasse gegen Willy Bürkle eröffnete Konkurs­verfahren ist rechtskräftig geworden. Dessen Be­

schwerde gegen die Konkurseröffnung wurde als unbegründet zurückgewiesen.

Bürkle wurde am Freitag wieder aus der Haft entlassen, da weder Flucht noch Verdunkelungs­gefahr bestehe. Letzte Woche war er bereits entlassen und wieder verhaftet worden.

Doch Dienststrafverfahren gegen Dr. Allgaier

Geislingen. Das Dienststrafverfahren gegen den ehemaligen Oberbürgermeister Dr. All­gaier wird nun doch durchgeführt, da das Stuttgarter Innenministerium die Vereinbarun­gen zwischen Allgaier und dem Geislinger Ge­meinderat, wonach Allgaier gegen eine Abfin­dung von 12 000 DM, sein Amt zur Verfügung stellt, nicht genehmigte. Allgaier habe, wie das Ministerium erklärt, diese Vereinbarung durch unsachliche Ausführungen in der Öffentlichkeit vorsätzlich gebrochen. Er ziele darauf ab, ln Geislingen Unfrieden und Hader zu stiften.

Aus Baden

Im Objekt vergriffen

Baden-Baden. Einer alten Sitte folgend, pflegen die französischen Abiturienten nach bestandenem Examen vor irgendeinprominentes Denkmal zu ziehen und es mit ihren Tintenfässern zu bom­bardieren. Dasselbe ereignete sich am Freitag in Baden-Baden, wo zahlreiche Abiturienten aus dem französischen Besatzungsgebiet zu einer Ab­schlußfeier zusammengekommen waren. Einige von ihnen vergriffen sich dabei jedoch zum Teil unter dem Einfluß von Alkohol erheblich im Objekt und suchten als Ziel für ihre Tinten­fässer das Bismarckdenkmal vor dem Ba­den-Badener Rathaus aus. Auch die lebhaften Mißfallensäußerungen deutscher Passanten konn­ten die jungen Leute nicht von ihrer Bombar­dierung abhalten.

Von französischer Seite wird darauf hingewie­sen, daß die bedauerliche Denkmalsschändung rifir auf den in Frankreich üblichen Brauch, nicht aber auf Ressentiments gegen Deutschland oder die politische Persönlichkeit Bismarcks zurückzu­

führen sei. Die Verantwortlichen wurden sofort ermittelt.

Neue Radiogeräte

Pforzheim. Auf einer Pressebesprechung führte die Firma Schaub, Pforzheim, ihre sechs neuen Rundfunkgeräte vor. Das seit 26 Jahren be­stehende Werk, das unter den 45 Radiofabriken der Bundesrepublik zu den größten und lei­stungsfähigsten Unternehmen zählt, zeigte Neu­heiten, die im In- und Ausland dem gleichen In­teresse begegnen werden. Der Export der Firma Schaub beträgt 15 Prozent der gesamtdeutschen Auslandslieferungen in Rundfunkapparaten und belief sich im Jahre 1950 auf 10 Millionen DM.

Interessant sind die Zahlen, die Generaldirek­tor Hertenstein über die Leistungsfähigkeit der westdeutschen Rundfunkgeräte - Industrie nannte. Ihre Erzeugung belief sich 1948 auf 300 000 Geräte im Gesamtwert von 75 Millionen DM, 1949 auf 1,4 Millionen Geräte (164 Millionen DM) und 1950 auf 2,3 Millionen Geräte (364 Mil­lionen DM).

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