MONTAG, 2. JULI 1951

NUMMER 1*1

Bauern nicht zufriedengestellt

Protest gegen Erklärung von Landwirtschaftsminister Niklas Von unserer Bonner Redaktion

BONN.Die Bundesregierung sieht die Rhön- dorfer Forderung der Landwirtschaft als erfüllt sn", hat Bundesemährungsminister Niklas m 29. Juni vor der Presse erklärt. Die Reak- ton der Landwirtschaft ließ nicht lange auf ich warten und liegt jetzt in der Gestalt eines Protestes gegen die Worte des Bundesministers vor. Der Deutsche Bauernverband, der sich ein­mal mehr zum Sprecher der westdeutschen Landwirte macht, erklärt folgendes:Die von Dr. Adenauer versprochene Aufklärung des Volkes über die Lage der Landwirtschaft ist nicht erfolgt. Es wurde kein rentables Agrar­preisniveau mit Hilfe eines Paritätspreis­systems geschaffen. Statt Mindestpreise für Milch und Butter sind Höchstpreise festgesetzt worden und statt der Hertellung eines ange­messenen Verhältnisses des Brotgetreides zum Futtermittelgetreidepreis ist der Getreidepreis zu einem Zeitpunkt erhöht worden, wo die bäuerliche Wirtschaft kaum noch über Brot­getreide verfügt.

Was den Schutz der standortgerechten Er­zeugung, insbesondere bei Gemüse und Obst betrifft, habe die Regierung das Gegenteil der Maßnahmen getan, die Dr. Adenauer in Rhön­dorf versprach. Schließlich sei nichts geschehen, um die steuerliche Belastung der Landwirt­schaft aufdas gebotene Maß zu beschränken. In Kreisen des Bonner Parlaments hat diese scharfe Stellungnahme des Bauernverbandes um so mehr Aufsehen erregt, als Minister Niklas immer wieder darauf hingewiesen hat, daß 1 er sich bei seiner Politik in Übereinstim­mung mit den Organisationen der Landwirt­schaft befindet.

Die Bundesregierung sehe ihr in Rhöndorf gegebenes Versprechen an die Landwirtschaft als erfüllt an, erklärte Minister Niklas am ver­gangenen Wochenende auf einer Pressekonfe­renz. Es habe sich um eine Korrektur der Preis­verzerrung in der Landwirtschaft gegenüber der Industrie gehandelt, die weitgehend aus­geglichen worden sei. Die Erhöhung der Ge­treide- und der Milchpreise sowie die Hinauf­setzung der Zuckerrübenemte in der neuen

Erntesaison hätten der Landwirtschaft teil­weise eine Lohnerhöhung um 15 bis 20 Pro­zent ermöglicht.

Der Schweinebestand sei im vergangenen Jahr um 2,5 Prozent gestiegen, so daß Deutsch­land nunmehr noch 10 Prozent seines Bedarfs einzuführen brauche. Gegenwärtig würden ge­naue Erhebungen über Zuckerhortungen ange­stellt. Man hoffe im Juli und August je 140 0001 freigeben zu können.

Niklas versicherte, daß der Anschluß an die nächste Getreideernte gewährleistet sei. Zum Kabinettsbeschluß, den Konsumbrotpreis auf 48 Pfennig pro Kilo zu halten, führte Niklas aus, daß etwa 179 Millionen DM, die bisher für Margerinesubventionen hätten ausgegeben wer­den müssen, nun zur Subventionierung des Konsumbrots zur Verfügung stünden. Die Mehl­versorgung des Bundesgebiets für Konsumbrot sei außerordentlich gut. Trotzdem müsse unter allen Umständen dafür gesorgt werden, daß das Inlandgetreide den Weg zur Mühle finde, da die versprochenen ERP-Lieferungen für das kommende Jahr nicht vor Januar verfügbar seien. Die Frühdruschprämie sei keineLiebes­gabe an die Landwirtschaft, sondern solle vor allem die Verfütterung von Roggen aufhalten. Der Konsumbrotverbrauch betrage etwa 40 Pro­zent des Gesamtverbrauchs, ursprünglich seien 20 Prozent Weizen und 80 Prozent Roggen ver­backen worden, jetzt sei die Zusammensetzung 50:50. Vorgesehen sei eine Änderung des Ge­treidegesetzes, das die Möglichkeit bietet, die

Bäcker zum Backen von Konsumbrot zu zwin­gen.

Am Sonntag prophezeite der Bundesernäh­rungsminister auf dem deutschen Fleischer­verbandstag 1951, daß ein weiterer Anstieg der Fleischpreise vorerst nicht zu befürchten sei. Auch die Preise für Schweinefleisch, die ihm vor einigen Monaten davongelaufen seien, würden auf der jetzt erreichtengesun­den Basis von 111 bis 113 DM je 50 kg im Großhandel bleiben. Niklas forderte äußerste Preisdisziplin.

Der Rindfleischbedarf könne heute bereits ausschließlich aus eigenen Beständen gedeckt werden. Seinegrößte Sorge sei die Futter­mittelbeschaffung. Den Vorschlag, zur Einspa­rung von Devisen für Futtermittel rund 1,5 Millionen Ferkel abschlachten und konservie­ren zu lassen, lehne er ab, davolle Ställe die beste Reserve in der Fleischversorgung seien.

Starke Kiirzun« der ERP-Mittel

Im vorigen Jahr 400 Millionen, jetzt nur 175 Millionen Dollar

WASHINGTON. Die Marshallplangelder für 'die Bundesrepublik werden im kommenden Finanzjahr um mehr als die Hälfe gekürzt werden. Die amerikanische Marshallplan- Verwaltung teilte der deutschen Mission bei der ECA in Washington mit, daß die Bun­desrepublik im kommenden Finanzjahr nur mit einer Zuteilung von 175 Millionen Dol­lar rechnen könne; das sind 225 Millionen Dollar weniger als im laufenden Finanzjahr, indem die Bundesrepublik zusammen mit 15 Millionen Dollar GRIOA-Mitteln 400 Mil­lionen Dollar erhalten hatte.

AusstellungSchaffendes Schwaben eröffnet

Zeugnis für die Verbundenheit von Industrie und Handwerk

Nodb 350000 in Lagern

Unveränderte Flüchtlingsnot

hf. BONN. Unter Vorsitz von Flüchtlingsmini­ster Lukaschek fand in Bonn eine Kon­ferenz der Arbeitsgemeinschaft von Mitglie­dern der Heimatvertriebenen auf dem Lande statt. Unter anderem nahmen Kardinal Frings, Ernährungsminister Niklas, Prof. Ober­länder vom BHE und Dr. Hermes vom Deutschen Bauernverband an der Sitzung teil. Minister Lukaschek erklärte im Verlaufe der Konferenz, daß durch das Siedlungsgesetz 15 000 der 292 000 einst selbständigen Heimat­vertriebenen wieder seßhaft gemacht werden konnten. Prof. Oberländer bezeichnete diesen Stand als ungenügend. In einer Entschließung teilten die Konferenzteilnehmer unter ande­rem fest:Der überwiegende Teil des heimat­vertriebenen Landvolkes lebt nach wie vor in unbefriedigenden Verhältnisserf. Viele waren schon gezwungen, vom Land abzuwandern, wie überhaupt die zunehmende Landflucht eine un­serer größten Sorgen ist. Wir appellieren daher erneut an die Hilfsbereitschaft und Ansicht aller Verantwortlichen.

Vermutlich wird sich nicht nur die Bundes­regierung, sondern auch das Bonner Parlament mit dieser Frage in absehbarer Zeit erneut be­fassen, nachdem bekannt geworden ist, daß höchstens 50 000 von den gesetzlich bestimmten 150 000 Umsiedlern in diesem Jahr Schleswig- Holstein verlassen können, da die Aufnahme­länder zuerst Wohnraum erstellen wollen, be­vor sie bereit sind, Flüchtlinge aufzunehmen. Wie groß das Problem ist, macht eine Verlaut­barung des Statistischen Bundesamts deutlich, das festgestellt hat, daß noch 351 422 Heimat- vertriebene in Lagern leben müssen.

Tailfingen (Eig. Bericht). Die große Ausstel­lungSchaffendes Schwaben, deren Kernstück die SonderschauVom Faden zum Fertigstück darstellt, wurde am Samstag um 14 Uhr unter Anwesenheit führender Persönlichkeiten des po­litischen und wirtschaftlichen Lebens eröffnet. Unter den Ehrengästen sah man u. a. den Schirmherrn der Ausstellung, Staatspräsident Dr. Gebhard Müller, Bundesminister Wilder- m u t h, zwei Herren von der französischen Lan­desdelegation, verschiedene Konsuln ausländischer Staaten, Landtagsabgeordnete, Herren von Tü­binger Ministerien und des Gemeindetages, Prä­sident Geisel und Syndikus Eberhardt von der Handwerkskammer Reutlingen.

ln seiner Begrüßungsansprache betonte der Bürgermeister der Stadt Tailfingen die freudige Aufgeschlossenheit der Bevölkerung dieser ersten Tailfinger Ausstellung gegenüber, ebenso den großen Widerhall, den diese Veranstaltung im ganzen Bundesgebiet hervorgerufen hat. Der Umfang gehe weit über den Rahmen einer Klein­stadt hinaus und lege Zeugnis ab von der großen wirtschaftlichen Bedeutung Tailfingens. Nicht die Ausstellung an sich sei das Primäre, sondern der Wille, zu zeigen, was Tatkraft und Schaffens­freude zu leisten imstande sei.

Bundesminister Wildermuth überbrachte die Grüße und Wünsche des Bundeskanzlers und Bundeskabinetts. Auch er sah in dieser Ausstel­lung den Beweis dafür, was deutsche und schwä­bische Schaffenskraft im besonderen in wenigen Jahren aufgebaut haben. Im Vergleich zu den Jahren 1945 bis 1948 sei ein steiler, wenn auch harter Weg zurückgelegt worden. Es sei uns nichts geschenkt worden. Angesichts der gegen­wärtigen wirtschaftlichen Lage wisse man, daß jeder, der Verantwortung trage, ein großes Maß an Sorgen habe. Aber das Vertrauen auf die eigene Leistung werde mit allen Schwierigkeiten fertig. Der Bundesminister hob die für den wirtschaft­lichen Wiederaufbau so wertvolle amerikanische Hilfe dankbar hervor, ebenso die französische Ini­tiative, aus den Trümmern des alten Europa eine neue Gemeinschaft zu formen. Das lohnende Ziel unserer Anstrengungen aber sei ein geeintes, freies Deutschland als Glied eines neuen, ge­einten Europa. Diese Ausstellung werde ihren Teil dazu beitragen.

Präsident Geisel von der Handwerkskam­mer Reutlingen gab der Ausstellung die Grüße des Handwerks von Württemberg-Hohenzollem mit und hob in seiner Ansprache die Notwen-

G I verboten

WASHINGTON. Die amerikanische Armee hat durch Runderlaß an alle Heeresdieststel- len in den USA und in Übersee den Gebrauch der BezeichnungG I für den amerikani­schen Soldaten verboten. Der aus der Solda­tensprache des zweiten Weltkrieges stam-c mende Ausdruck war als Ersatzwort fürSol­dat in die englische Sprache übergegangen. G I ist eine Abkürzung fürGovernment Issue, eine Bezeichnung für alle regierungs­eigenen und heereseigenen Gegenstände. Durch das Verbot desGis soll nach dem Runderlaß dem AusdruckSoldat wieder zu seineralten Ehre verholfen werden. Der Erlaß ist vom 15. Juni datiert und tritt sofort in Kraft. Weder im Sprach- noch im Schrift­gebrauch soll in Zukunft derG I erschei­nen.

digkeit einer Zusammenarbeit zwischen Industrie und Handwerk hervor. Gerade in der Tailfinger Industrie sei noch ein wertvoller Bestandteil alten handwerklichen Geistes vorhanden, nämlich persönliche Verbundenheit und Verständnis für die Leistungen der Mitarbeiter.

Die Grußworte des Kreises Balingen wurden von Landrat Dr. R o e m e r ausgesprochen, wo­bei er der Initiative der Stadt Tailfingen volle Anerkennung zollte

Nach diesen Ansprachen eröffnete Staatspräsi­dent Dr. Müller die Ausstellung. Unser Land, so sagte er u. a., kann mit berechtigtem Stolz diese Visitenkarte vorzeigen. Sie sei ein wei­terer Schritt ins Freie, von der Nacht zum Licht! Bürgermeister Schöller gab der Festver­sammlung noch Kenntnis von Glückwunschschrei­ben. die Bundespräsident H e u ß und Gouver­neur Wldmer zum Eröffnungstage gesandt hatten.

Ein Gang durch die Ausstellung

Unter Führung des Bürgermeisters unternah­men die Ehrengäste im Anschluß an den fest­lichen Auftakt einen Rundgang durch die um­fangreiche Ausstellung. Sie bietet einen umfas­senden Einblick in die einheimische Textilindu­strie und die vielseitigen Zubringerindustrien. Gleichzeitig gibt sie einen überzeugenden Ein­druck der Leistungsfähigkeit von Handwerk und Gewerbe der Stadt Tailfingen. Maßgebende Fir­men haben ihre Erzeugnisse in geschmackvollen Ständen ausgestellt. Die wichtigsten Rohstoff­lieferanten, Spinnereien und Webereien, die che­mische Industrie und Maschinenfabriken sind vertreten und geben Aufschluß über den Stand der Entwicklung mit den neuesten Errungenschaf­ten der Technik. /

So ist ein einzigartiges, wertvolles Bild von der Bedeutung der Textilwirtschaft entstanden, wie es in unserem Raum noch nie gezeigt wurde. Daß sich das Handwerk nicht zu verstecken braucht, ist ebenfalls sehr deutlich zu sehen. Die ganze Vielfalt handwerklichen Schaffens einer Stadt bietet sich dar. Die Elektro- und Möbelindustrie weiß sich gleichermaßen zu behaupten, wie auch an landwirtschaftlichen Maschinen das Wesent­lichste vorhanden ist. Schon ein flüchtiger Rund­gang durch die vielen Hallen und Säle des 30 000 Quadratmeter umfassenden Ausstellungsgeländes läßt erkennen, daß hier etwas Einmaliges ent­standen ist.

Kaiser Hir Saarabstimmung

Unrecht wird nie zu Recht

LANDAU. Bundesminister Kaiser for­derte am Samstag anläßlich der Eröffnung der AusstellungDeutsche Heimat im Osten er­neut eine Volksabstimmung im Saargebiet, wo­bei er ausführte, es wäreder größte Fehler, wenn die freie Welt das Selbstbestimmungs­recht verletzt oder verletzen läßt zur gleichen Zeit, da sie für eben dieses Selbstbestimmungs­recht kämpfte. Erst eine freie Willensäußerung der Saarbevölkerung werde beweisen, ob die Rückgliederung der Saar an Deutschland wirk­lich einpsychologischer Fehler" sei, wie der französische Hohe Kommissar im Saarland, Gilbert Grandval, erklärt habe. Wenn man sage, daß zwischen der Abtrennung der ost­deutschen Gebiete und der gegenwärtigen Si­tuation im Saargebiet einbeträchtlicher Un­terschied bestehe, so müsse er feststellen, daß UnterschiedeUnrecht nicht in Recht" ver­wandeln.

Kaiser legte außerdem ein Bekenntnis zum deutschen Osten ab, der immer deutsch bleiben werde, weshalb die Oder-Neiße-Linie niemals anerkannt werden könne.

Haus des Friedens

Rundfunkansprache Papst Pius XII.

ROM. In einem feierlichen Akt, an dem über 1800 junge Katholiken aus ganz Italien teil- nahmen, wurde in Rom dasHaus des Frie­dens eröffnet, das als Zentrum der katho­lischen Jugend in aller Welt errichtet wurde.

Papst Pius XII. erklärte in einer Rund­funkansprache anläßlich der Eröffnung des Ju­gendzentrums, es sei Aufgabe der katholischen Jugend, nachdemunsichtbaren und mystischen Haus des Friedens zu streben. DasDomus Pacis werde den Jugendlichen Gelegenheit geben,Gott im Schweigen der Seele zu suchen. Das neue Zentrum sei ein Symbol der geistigen Einheit der Jungkatholiken in aller Welt. Es soll eine Zufluchtsstätte der katho­lischen Jugend sein. Jugendkongresse, Studien­kurse und Exerzitien sollen imDomus Pacis" stattfinden.

Friedrich ist ermutigt

Kohlen- und Rohstoffversorgung

WASHINGTON. Der seit vergangenen Mon­tag in den USA weilende Rohstoffberater des Bundeswirtschaftsministeriums, Friedrich, hat mit den verschiedenen zuständigen Behörden in Washington die Möglichkeit eines deut­schen Beitrags zur wirtschaftlichen Verteidi­gung des Westens besprochen und dabei auf die für die Bundesrepublik besonders schwie­rigen Probleme der Kohlen- und Rohstoffver­sorgung hingewiesen. Auch die damit zusam­menhängenden Finanzprobleme wurden er­örtert. Die Unterhaltungen hätten ihn ermu­tigt, erklärte Friedrich, auf dem in der Bun­desregierung beschrittenen Wege fortzuschrei­ten,auf dem Deutschland den rechten Platz im Gesamteuropa finden und dadurch zur ge­meinsamen Verteidigung der Freiheit Euro­pas und der gesamten Welt beitragen kann."

Der Himmel im Juli

Die Julinächte sind noch immer für Stern­beobachtungen ungünstig. Denn dieeigentliche" Nacht währt nur 2 Stunden, weil die sogenannte .bürgerliche Dämmerung kein astronomischer, sondern ein Begriff aus der Praxis ist. Imbür­gerlichen Sinn dämmert es bis die Sonne 6 V 2 Grad unter dem Horizont ist. Da cde Lufthülle der Erde die Sonnenstrahlen bricht und zerstreut, o bleibt das Himmelsrund weniger aufgehellt. Dieastronomische Dämmerung ist dagegen erst zu Ende, wenn die Sonne 18 Grad unter den Horizont gesunken ist. In der Zeit zwischen dem 22. Mai und dem 22. JuM Ist das jedoch nicht der Fall, und so herrscht in diesen Nächten also dauerndDämmerung. Je weiter wir aus unse­ren Breiten nach Norden kommen, um so heller werden die Sommernächte ein Phänomen, das mit der Schrägstellung der Erdachse zusammen­hängt, und nördlich des Polarkreises geht die Sonne für einige Wochen überhaupt nicht mehr unter. Der nächtliche Sonnenschein ist für uns, die wir an den rhythmischen Wechsel von Tag und Nacht wie an eine Art Naturgesetz gewöhnt sind, ein erregendes Erlebnis, für manche sogar ein unerträgliches.

Unter den Planeten, von denen zurzeit nur drei sichtbar sind, fällt am Abendhimmel die Ve­nus noch immer am meisten in die Augen. Ihre Leuchtkraft nimmt im Juli noch weiter zu (bis 4,m s ), doch verringert sich ihre Sichtbarkeits­dauer nun leider schnell. Am Monatsende geht sie schon 1 Stunde nach der Sonne unter. Wegen ihrer außerordentlichen Helligkeit können wir sie sogar am Taghimmel beobachten. Im Fern­rohr läßt sich erkennen, daß der zurzeit in Erd­nähe befindliche Planet sich in seinerSichel bis Halbvenusphase befindet. Befände sich die Vollvenus nicht in Erdferne, so wäre ihre Hel­ligkeit noch viel beträchtlicher. Saturn unterhalb der Jungfrau geht schon gegen 22 Uhr unter. Dafür kommt der Planetenriese J u p i - t e r schon gegen 23 Uhr in den Fischen herauf, so daß derErhabene" unumschränkter Herrscher der Julinächte ist.

Wer in den kurzen Julinächten den Sternhim­mel beobachtet, findet hoch im Zenit das rauten­förmige Bild der Leier mit dem leuchtenden Hauptstern Wega, der am hellsten von allen

Sternen nördlich des Himmelsäquators ist. Er ist wie Sirius einweißer Riese mit einer mittleren Dichte und einer Oberflächentemperatur bis zu 15 000 Grad und mehr (unsere Sonne hat etwa 6000 Grad und gehört zu den gelben Sternen). Man findet Wega im Frühling hoch im NO, im Sommer nah dem Scheitelpunkt (Ende Juli Kul­mination), im Herbst hoch im NW, und im Win­ter verschwindet sie für unsere Breiten in den atmosphärischen Dünsten des Horizonts. Jedoch schon im südlichen Nordeuropa, z. B. in Oslo und Stockholm, gehört Wega zu den nie untergehen­denZirkumpolarstemen, also zu den Sternen, die um den Polarstern Kreisbögen beschreiben, ohne jemals dabei unter den Horizont zu kom­men. Der Himmelsnordpol bildet bekanntlich die Fortsetzung unserer Erdachse, so daß man also über unserem Nordpol den des Sterngewölbes findet. Seit Hipparch (160125 v. Chr.), dem Begründer der wissenschaftlichen Astronomie, weiß man jedoch, daß sich Erd- und Himmels­nordpol in Wirklichkeit nicht genau entsprechen, was mit einer kreiselförmigen Bewegung der Erdachse zusammenhängt (diePräzession"). Bin­nen 26 000 Jahren, dem sog.platonischen Wel­tenjahr, beschreibt die Erdachse einen Kegel­mantel und daher wandert der Nordpol des Himmels in einem großen Kreis durch die Sterne, bis er nach 26 000 Jahren wieder amAusgangs­platz ist. Zurzeit beträgt die Abweichung von Erdachse und Nordstern etwa U /2 Grad. Der Un­terschied wird in den nächsten Jahren kleiner werden, so daß der Polarstern dem Himmels- nordpol sich bis auf 28 Bogenminuten (1 Grad hat 60 Bogenminuten) nähert, was im Jahr 2100 der Fall sein wird. Dann rückt er langsam immer weiter von ihm ab. Andere Sterne werden in der Zwischenzeit denPolarstem spielen, z. B. 4100 ein Stern im Kepheus, dann Deneb im Schwan, und im Jahr 14 000 Wega. Nach weiteren 12 000 Jahren werden schließlich die Erdenbewoh­ner wieder unseren heutigen Polarstern als nächt­lichen Orientierungspunkt benützen können. Der Name Wega ist verunstaltet aus arabischel- wäki = der sich niederlassende Adler. Im Gegen­satz dazu heißt Atair (Altair), der als Hauptstern des Sternbildes Adler mit Wega und Deneb im Schwan dasSommerdreieck bildet, in der deut­schen Übersetzung derfliegende Adler".

DieLeier, durch ihre Kulmination im Juli

das Sternbild des Monats, war unter diesem Namen schon bei den Griechen bekannt. Man muß sich einmal klarmachen, welches bis zur religiösen Ekstase gesteigerte Entzücken bei den Hellenen die Erfindung der Leier auslöste. Die ganze kosmische Harmonienlehre, in enger Ver­bindung mit der von den sieben Planeten abge­leiteten Heiligkeit der Zahl Sieben, war in den sieben Saiten und dem sinnlichen Zauber ihrer Töne eingefangen. Der Gott Hermes schenkte dem Sänger Orpheus seine siebensaitige Leier und erhöhte die Saitenzahl auf neun, wodurch das Instrument derart vollkommen wurde, daß Orpheus die Macht des Todes überwinden und mit seinem Leierspiel Eurydike aus der Unter­welt holen konnte. Als er dann später von den rasenden Bacchantinnen zerrissen wurde, ver­setzten die Götter seine Leier, durch die selbst die wilden Tiere, die Pflanzen und die starren Felsen in Entzücken geraten waren, zum ewigen Gedächtnis an den Himmel.

Als weitere Julisternbilder sind die beiden Sommervögel Schwan und Adler schon früher erwähnt worden. Der Kopf des Schwan, der über die steil sich wölbende Milchstraße nach Süden fliegt, läßt im Feldstecher deutlich ein rotes und ein blauesAuge erkennen. Unter dem Adler liegt das entzückende Bild des Del­phin, das Ähnlichkeit mit einem liegenden Kinderdrachen hat. Im Süden finden wir ober­halb von Skorpion, der im Juni kulminierte, die ineinander verschlungenen Bilder Schlangen­träger und Schlange. Dr. S K.

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Wege zu besserem Stil

Franz Thierfelder. Wege zu besserem Stil Ein Beitrag zur sprachlichen Selbst­erziehung. Matthias-Grünewald-Verlag. Mainz 1950. 216 S. Hlwd. 7.50 DM.

Ein Sprachlehrbuch, wie es selten geschrieben wird. Flüssig, warm, gemeinverständlich, in sei­ner schlichten, dem Gegenstand angemessenen Darstellung selbst ein Beispiel guten Stils. Der Verfasser geht davon aus, daß Sprache ein le­bendiges Gemeingut ist, etwas, was allen gehört, was sich aber jeder auf seine Art aneignen muß. Der persönliche Stil ist abhängig vom Charak­ter:Stilmängel sind in erster Linie Charakter­

mängel." Andererseitsläutert edlerer Stil not­wendig auch den Charakter". Von selbst stellt sich aber guter Stil bei guter charakterlicher Veranlagung nicht ein, und gerade beim heutigen Sprachversdhleiß, bei dem so häufigen Mißbrauch des edelsten Werkzeugs unserer Gedanken kann man eine gewisse Schule nicht entbehren. Thier­felder zeigt im ersten Teil seines Buches den richtigen Gebrauch der Satzpartikel, des Sub­stantivs, Verbs usw., im zweiten Teil die Sprache in ihren charakteristischen Anwendungsformen als persönliche Mitteilung, Nachricht, Bericht, Vortrag, Erzählung, Gedicht oder auch als All- tagsgespräch. Auch was auf einer Postkarte ste­hen mag im Gegensatz zu einem Brief, oder wie eine Familienanzeige aussehen soll, erfährt man in diesem besonders die praktischen Bedürfnisse berücksichtigenden Teil. ah.

Profil der Zeit"

Heinz von Arndt, Dwight D. Eisenhower,

Ein amerikanisches Soldatenleben, E. S. Mitt­ler und Sohn. Berlin-Darmstadt-Bonn 43 Stn.

In einer SchriftenreiheProfile der Zeit will der Verlag Mittler und Sohn, einer Tradition fol­gend, Persönlichkeiten darstellen,die für un­sere Zeit bestimmend und richtungsweisend sind". Ohne Zweifel gehört General Eisenhower zu diesen Persönlichkeiten. Der Verfasser ist be­müht, in gedrängter Form und ohne jedes Resen- timent ein Bild des Mannes zu zeichnen, der ent­scheidende Verdienste für sein Land und Volk im Kampf gegen unser Land errungen hat und nun als Oberbefehlshaber jder atlantischen Streit­kräfte in eine neue, auch unter politischem Ge­sichtspunkt große Aufgabe gestellt ist. Er geht dabei davon ausT flaß Eisenhower als Oberbe­fehlshaber der Streitkräfte einer werdenden westeuropäischen-atlantischen Gemeinschaft ein Ziel verkörpert, das auch Deutschland, unter Voraussetzung seiner Gleichberechtigung, ver­pflichtet. K. W.

Der Schriftsteller und Essayist Otto Heu- s c h e 1 e in Waiblingen, Mitglied der deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, ist zum korrespondierenden Mitglied der Academia Goetheana in Sao Paulo (Brasilien) gewählt worden.