Die Schiene hat eine neue Zukunft durch die Düsenlokomotive

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Die ersten Maschinen laufen in der Schweiz, England und Amerika X-50 auf den Probestrecken

/ Sb war ein ereignisreicher Tag im Septem- [fcer des Jahres 1941, als die erste gasturbinen- fjelektrische Maschine der Welt, die nach zwei­jährigen Versuchen in den Werkstätten der iffirma Brown, Boveri und Cie. in Baden bei Zürich hergestellt worden war, ihre Probe- jÄahrt antrat. Es war die berühmte Spanisch- -hrö tlib ahn-S trecke, wo genau vor hundert Wahren die erste schweizerische Eisenbahn Ebenfalls mit geladenen Gästen ihren Start löegann. Nachdem man, die ersten Erfahrun­gen mit der neuen Lokomotive, die sich in Ihrer äußeren schomsteinlosen Form kaum Von den großen Diesellokomotiven unterschei- '/det, gesammelt hatte, ging man an den weite- ,ren Ausbau und die Konstruktion neuer und 'Btärkerer Maschinen, die zur Zeit in England 'lund Amerika ihre Bewährungsprobe bestehen. JDie gasturbinen-elektrische Maschine ist zu 'einer Kraftquelle auf den Schienen geworden,

Seit Monaten donnert mit dem cha­rakteristischen Heulen der Düsen-Mo- toren eine riesige Lokomotive über die Strecken der Union Pacific, eine der größten Eisenbahngesellschaften Ameri­kas, es ist die X-50, eine neue gastur­binen-elektrische Maschine, deren Mo­toren nach dem Prinzip des Düsenan­triebs arbeiten. Sie zieht Güterzüge von mehr als einem Kilometer Länge und begeisterte die Techniker des Eisen­bahnwesens, die in dem Düsenantrieb auf Schienen eine neue glänzende Zu­kunft für die Eisenbahnen in aller Welt sehen. Die Versuchslokomotive hat be­reits Tausende von Kilometern zurück­gelegt und arbeitet zur Zufriedenheit ihrer Auftraggeber.

trisch betriebenen Lokomotiven kommen in folgenden Zahlen zum Ausdruck. Die Diesel­lokomotiven erreichen ein PS auf je 78 kg Lokomotivgewicht. Die X-50 dagegen ent­wickelt ein PS bereits auf je 45 kg Loko­motivgewicht. Ihr Betriebsstoff, das soge­nannteBunker C-Öl, ein Abfallprodukt, das beim Raffinieren übrigbleibt, ist um ein Drittel billiger als der Treibstoff für Diesel­motoren. Mit diesem Abfallstoff, für das die Fachleute bisher keine rechte -Verwendung fanden, wird die X-50 zu einem ebenso wirt­schaftlichen wie leistungsfähigen Verkehrs­mittel, dessen Zukunftsmöglichkeiten heute noch nicht abzusehen sind.

Doch wie bei allen technischen Erfindungen und Konstruktionen von den Ausmaßen der X-50, die 227 Tonnen schwer ist, sind die In­genieure noch auf der Suche nach neuen Wegen, die im Verlaufe der Probefahrten auf­getretenen technischen Mängel zu beseitigen. Zwar sind sie im Prinzip nicht von ausschlag­gebender Bedeutung, aber um die X-50 so wirtschaftlich wie möglich im Betrieb zu machen, müssen sie überwunden werden. So wird die Luft, in die man den Treibstoff zer­stäubt einspritzt, von einem mächtigen Kom­pressor verdichtet. Für diesen Kompressor allein werden zwei Drittel der von den Tur- - binen erzeugten Kraft verbraucht. Es bleibt nur ein Drittel als Zugkraft übrig. Die Lo­komotive vom Typ X-50 verliert an Gewicht in dem Maße, in dem sie die 23 Tonnen öl

verbraucht, die sie für eine Fahrt von rund 1000 Kilometer mitführen muß. Wie die Ma­schine leichter wird, wind ihre Zugkraft be­einträchtigt und es stellt sich eine Neigung der Räder zum Gleiten ein.

Ein anderes Kapitel ist der ungeheure Lärm, der von den Düsenaggregaten beim Anlassen der Maschine hervorgerufen wird. Es ist ein ohrenbetäubendes Heulen, das eine Verstän­digung im Umkreis von 15 Metern unmöglich macht. Für Personenbahnhöfe, wo mehrere solcher Maschinen ein- oder ausführen, ein unmöglicher Zustand, den man aber bisher noch nicht beseitigen konnte. Auch beim An­fahren und im Leerlauf sind noch betriebs­wirtschaftliche Probleme zu lösen, denn die Turbine der X-50 verbraucht im Leerlauf be­reits ein Drittel des Treibstoffes, den sie be­nötigt, wenn sie mit 4500 PS zieht. Auch die Gasturbine kann nicht von seihst anlaufen und braucht einen 250 PS Hilfsdieselmotor als Anlasser, der gleichzeitig zum Rangieren auf den Güterbahnhöfen dient, um nicht auf die­sen kurzen Strecken die riesigen Kräfte der Maschine unnütz zu verbrauchen.

Trotz all dieser noch nicht gelösten tech­nischen Probleme läuft dieses neueste Wun­derwerk der Eisenbahntechnik heute schon Zehntausende von Kilometern über die sil­bernen Bänder der Schienen in eine neue Zukunft und befördert spielend die Güter die­ser Erde in den kilometerlangen Schlangen der Güterwagen.

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Man demontiert nicht mehr die Schienen

Soldaten haben das Wort

die zur Zeit ihresgleichen in der Welt nicht hat. Durch brennende Gase werden in dem riesigen, langgestreckten Leib der Zugmaschine Turbinen in schnellste Umdrehungen versetzt und ireiben ihrerseits Dynamos an. Der nach dem Düsenprinzip erzeugte und gewonnene elektrische Strom dient wiederum zum An­trieb der Motoren an den acht Achsen der

X-50.

Beugt man sich aus dem Fenster des schall­dichten Führerstandes, hört man das typische Keulen des Düsenantriebes. Die erzeugten jGase werden durch ein Auspuffrohr auf dem * Dach der Maschine abgeblasen. In der Minute h eind es 4250 Kubikmeter, die Temperaturen

bis zu 430 Grad erreichen.

71 :e X-50' und ihre Konstruktion, die wäh­rend des Krieges von den Spezialisten für 1 Düsenantrieb verbessert wurde, ist eine epochemachende Neuerung auf dem Gebiet des , takomotivbaues. Als einziges Exemplar ihrer H Art ist sie heute im regelmäßigen Güterver­kehr auf einer der schwierigsten Wüsten- pnd Gebirgsstredten Amerikas eingesetzt. Die [Vorteile gegenüber den neuesten dieselelek-

Wer von den Reisenden, die noch vor einem Jahr mit den verwahrlosten Zügen durch die Ostzone fuhr, schüttelte nicht den Kopf über das, was er nur im flüchtigen Vorbeigleiten sehen mußte: herausgerissene Schienen und tote Gleise, zertrümmerte Bahnhöfe, ausge­brannte Wagenkolonnen und museumsreife Lokomotiven. War man auf die Bahn ange­wiesen, so hieß es warten und nochmals war­ten, denn man fuhr ja eingleisig und nur noch die Hälfte aller Schienenwege der Vor­kriegszeit waren vorhanden. Alles andere hatte man bis zum Schotter demontiert und weiter nach Osten verfrachten müssen.

Heute haben sich auch in der Ostzone die Zeiten und Dinge gewandelt. Sie ist im Rah­men des Fünfjahresplanes der Staaten hinter dem Eisernen Vorhang eines der wichtigsten Glieder in der Kette der Länder geworden, die sich von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer erstrecken. Im Zuge der Wiederaufbau- Arbeiten war es vor allem das Verkehrsnetz, das auf Befehl der russischen Besatzung wei­ter ausgebaut wurde. Die Eisenbahnen der Ostzone sind heute ein fester Bestandteil in den strategischen und taktischen Planungen der Offiziere und Generalstäbler aus Moskau,

Das Schicksal der Indos

Niederländisch-Malaiische Mischlinge Entwurzelte zwischen zwei Welten

Unter den aus dem ehemaligen Niederlän- Bisch-Indien zuffückflutenden weißen Hollän­dern befinden sich auch viele farbige, soge­nannte Indos. Es sind Holländer, die aus ge- mischitolütigen Ehen in Indonesien hervor­gegangen sind, sich drüben nicht mehr sicher fühlen und mm ins europäische Mutterland flüchten, um hier, bei dem herrschenden Ar- heits- und Wohnungsmangel, einer höchst un­gewissen Zukunft entgegenzugehen. Im Haag, ln Amsterdam sieht man sie jetzt vielfach an den Rändern der Gehsteige stehen, gekleidet fei ihre Tropenanzüge, Frau und Kinder neben Bich, und etwas ratlos in den ihnen fremdarti­gen Verkehr der Wagen und Fußgänger star­ten, denn viele von ihnen kommen ja aus dem Urwald der großen indonesischen Inseln, wo sie entweder als selbständige Pflanzer bder als angestellte Plantagenaufseher gelebt haben.

Der Indo oder Indischman, wie man in Hol­land diese Volksgenossen nennt, bildete ehe­dem in Niederländisch-Indien eine ebenso umfangreiche wie gewichtige Volksgruppe. Die Holländer schlossen sich ja von den Ein­geborenen nicht biutsmäßig ab. wie dies die Engländer in ihren Kolonialgebieten tun, son­dern haben vielmehr seit der ersten Inbesitz­nahme Indonesiens vor dreihundertfünfzig Jahren immer mit einheimischen Frauen ge­heiratet, so daß der malayische Blutstropfen, wenn auch verdünnt, durch viele Familien des europäischen Mutterlandes strömt. In Indonesien selber lebten die Indos ein Dasein «wischen den Rassen. Der Nationalität und der Kennkarte nach waren sie Holländer; der Bodenverbundenhelt nach nannten sie Indo­nesien Ihre Heimat. Sie waren organisiert im »Verband der Indoeunopäer, der Ihre Rechte einerseits bei den holländischen Kolonial- nehörden, andererseits bei den einheimischen

.Großes Auge reicht für 100 Jahre

Der Leiter des größten Observatoriums jSer Welt auf dem Mount Palomar berichtete kürzlich vor einer Vereinigung von Wissen­schaftlern, daß das Riesenteleskop, genannt ,Blg Eye (Großes Auge), für die Aufgaben er astronomischen Forschung noch für die an hundert Jahre ausreicht. Grö- re und schärfere Linsen werden auch in an nächsten Jahrzehnten nicht hergestellt erden können. DasGroße Auge kann das |<icht von Sternen und Milchstraßensystemen, ie mehr als 100 Milliarden Lichtjahre ent- rnt sind, auffangen. Ein Lichtjahr ist die _ ntfemung, die das Licht in einem Jahr zu- fücklegt. In Zählen ausgedrückt: 10 Billionen Kfiorn

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Instanzen vertrat. Ihre Anzahl war auf ein paar hunderttausend Seelen zu veranschlagen.

Unter den beiden in Indonesien lebenden Gruppen von Holländern, den sogenannten Trekkern (die nur zeitweilig in die Kolonie kamen, um dann wieder ins europäische Vaterland fortzuzdehen), und denBlijvern (die ihre Zelte für immer in Indonesien auf­schlugen), waren die Indos die Bleiber. Ver­schwägert mit den einheimischen Familien, bildeten sie den Übergang und die Brücke zwischen den kolonialen Oberherrschiern und den kolonial Beherrschten, ein Umstand, der nicht wenig zum guten Funktionieren des holländischen Verwaltungsapparates beitrug. Die Indos wairen sozusagen blutsmäßig die geborenen Kenner der Eingeborenen-Psyche, die sie ja zum Teile in sich selber trugen, und konnten derart ihre, aus Holland kommenden weißen Landsleute durch Generationen hin­durch über alle Vorgänge in denKampongs (Dorfgemeinschaften) zuverlässig unterrichten. Umgekehrt vermochten sie ihrer eingeborenen Schwägerschaft die Mentalität des Weißen in einem Grade verständlich zu machen, daß hieraus jenes gute Einvernehmen entstand, das in Indonesien, wie in keiner anderen, von Weißen verwalteten Kolonie, zwischen den Eingeborenen und den Europäern herrschte.

Bei dem nationalen Umsturz, der zur Los- redßung Indonesiens vom europäischen Mut­terland führte, sind nun aber sie, die einge­borenen Mittelsleute, hoffnungslos zwischen die Räder geraten. Dem staatsbürgerlichen Verhältnis nach Holländer, der Blutmischung nach halbe Indonesier, wurde ihnen jetzt von beiden Seiten Mißtrauen entgegengebracht. Aus der Lage einer eigenen und vielköpfigen Volksgruppe gerieten sie in die einer Minder­heit, der das europäische Mutterland keinen Schutz mehr zu bieten vermochte, und die von den neuen indonesischen Staatswesen vor ein schicksalhaftes Entweder Oder gestellt wurde. Das Entweder Oder besteht darin, daß sich die Indos jetzt entscheiden müssen, ob sie weiterhin holländische Staatsbürger bleiben oder ihre holländische Nationalität mit der indonesischen vertauschen wollen. Bleiben sie Holländer, so rücken sie in die wenig beneidenswerte Stellung von eben nur geduldeten Ausländem; werden sieWarga Negara, Kinder des Landes, also Indonesier, so vollziehen sie für sich und ihre Kinder einen endgültigen Bruch mit dem europäi­schen Herkunftslande, ohne jedoch in ihrer neuen Heimat als wirkliche Vollbürger an­gesehen zu werden.

So gesellen sie sich zu jener Herde von Ent­wurzelten und Heimatlosen, die auch sonst auf der Welt heute zwischen den Festansäs- sigen um ihr gefährdetes Dasein kämpfen.

die mit Hilfe der deutschen Techniker und ehemaligen Spezialisten der Reichsbahn in das riesige Verkehrsnetz des Ostens Europas eingespannt werden.

Vereinheitlichung und Verbesserung der Verkehrsverbindungen ist die Parole in allen Dienststellen der Verkehrsverwaltung der Ostzone. Die Reorganisation begann zu An­fang des Jahres bei dem großen Konkurren­ten der ostzonalen Bahn: den verschiedenen Omnibusunternehmen. Sie wurden unter ein­heitliche Verwaltung gestellt und endgültig verstaatlicht.

Das bis zum vergangenen Jahre vernach­lässigte Eisenbahnnetz der Ostzone wird zur Zeit mit allen Mitteln als das Rückgrat des Verkehrsnetzes der Gebiete jenseits der Elbe ausgebaut.

Dör Fünfjahresplan sieht bis 1965 eine sechzigprozentige Steigerung vor. In der Praxis sieht das so aus, daß die Umlaufzeit eines Güterwagens auf zwölf Stunden herab­gesetzt wird, was eine erhebliche Verbesse­rung im Güterverkehr bedeutet. Zur Zeit braucht ein Güterwagen noch vier Tage, um in seinen Heimatbahnhof zurückzukehren.

Wenn auch noch nicht alle doppelgleisigen Bahnanlagen wieder in Betrieb sind, so hilft man sich damit, durch modernste Stellwerks­und Signalanlagen den Zugverkehr so schnell wie möglich abzuwickeln. Die internationalen Schienenverbindungen wurden durch neu ein­gerichtete Strecken verbessert. Heute ver­kehrt bereits ein direktes Zugpaar zwischen Prag und Hamburg. Der Fährdienst nach

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Dank eines deutschen POWs

Ein ehemaliger deutscher Kriegsgefangene^, der in einem italienischen Lazarett in öiö Hände der Engländer fiel und heute in Heidel­berg studiert, las kürzlich von der allgemeinen Lebensmittelknappheit in seinem einstigen Gewahrsamstaat. Er machte die Adresse des damaligen englischen Kommandanten aus­findig, der heute in einer kleinen englischen Stadt lebt. Kürzlich sandte er ihm ein größe­res Paket mit Speck, Fett und Eiern, das mit herzlichem Dank bestätigt wurde.

Im Lande der Konservenbüchsen

Anläßlich der Tagung einer der größten kaufmännischen Organisationen Amerikas, in der die Kolonialwarenhändler zusammenge­schlossen sind, sprach der Präsident des Ver­bandes über die ausschlaggebende Bedeutung der Konservenbüchse für die Wirtschaft der USA. Er stellte dabei fest, daß fünfzig Pro­zent der verbrauchten Nahrungsgüter den Konservendosen entnommen werden, die zum eisernen Bestand eines jeden Haushalts gehören. Jahr für Jahr gehen durch die Hände der amerikanischen Hausfrauen 30 Millionen der berühmt-berüchtigtentin eans.

Konkurrenz für die Autobahnen

Das belgische Parlament beschäftigt sich zur Zeit mit Plänen für ein neues, großan­gelegtes Straßennetz, das die wichtigsten europäischen Länder verbinden soll. Die mit doppelten Fahrbahnen projektierten Straßen werden nach strategischen und wirtschaft­lichen Gesichtspunkten angelegt werden. Die transkontinentale Autobahn seil von Brüssel aus über Paris, Holland und die deutschen Vterkehrszentren bis nach Istanbul weiter­geführt weiden. Man denkt auch an einen Nebenzweig nach London oder bis an den Kanal. Die Kosten werden mit 20 Milliarden belgischer Franken (400 Millionen Dollar) veranschlagt. Die ersten 50 Kilometer von Brüssel nach Ostende sind bereits vollendet, weitere 30 im Bau.

Dänemark wurde auf den Vorkriegsstand ge­bracht.

Das Verkehrsnetz der Ostzone ist heute noch naturgemäß völlig auf den zentralen Knotenpunkt Berlin abgesteilt. Dorthin mün­den alle Linien und von dort strahlen sie bis nach Moskau hin aus. Die russischen Techniker wollen sich nun jedoch endgültig von Berlin als Zentrale freimachen. So baut man einen sogenanntenäußeren Ring um die alte Reiichshauptstadt,- auf dem man völlig unab­hängig von alten Verkehrsverbindungen ope­rieren kann. DieseRingbahn" im übertra­genen Sinne soll bis zum kommenden Herbst bereist fertiggestellt sein. Neue Strecken ent­stehen auf der Linie ErfurtGörlitz und von Guben über Lübben nach Jüterbog, einem der wichtigsten Eisenbahnknotenpunkte östlich der Elbe. Vorerst dienen alle diese Linien den wirtschaftlichen Belangen der Ostzone. Ihre strategische Bedeutung ist offensichtlich, wenn einmal der Osten Aufmarschgebiet werden sollte.

Unser guter Freund der Qolfsirom

Ohne ihn müßte Westeuropa hungern und frieren

Vor kurzem beendeten fünfzig Wissen­schaftler an Bord von sechs Expeditions-Schif­fen eine Forschungsreise, die sie auf einem 15 000 Seemeilen langen Wege auf dem ge­heimnisvollen Golfstrom zurücklegten. Seit Generationen hat der Golfstrom, der ganz Westeuropa bis hinauf zu den skandinavi­schen Ländern mit Wärme versorgt, immer wieder die Wissenschaft angeregt, seine Wir­kungen gegenüber dem Festland zu unter­suchen.

Wieder einmal hat man festgestellt, daß diese Meeres­strömung ent­scheidenden Einfluß auf den Fischfang in den Gewässern an den Küsten

Nordwest- Europas hat.

Die Wissen­schaftler hoffen in Zukunft, die Richtung und die Masse der mikroskopisch

kleinen Lebewesen, des sogenannten Plank­tons, die vom Golfstrom mitgeführt werden, bestimmen und Voraussagen zu können. Die­ses Plankton, winzige tierische Lebewesen, ist die Hauptnahrung der riesigen Fisch- Schwärme, die alljährlich in den nordwest­lichen Gewässern Europas gefangen werden und den wesentlichen Bestandteil der Nah­rung für Millionen von Menschen ausmachen. Man hat nämlich herausgefunden, daß, wenn der Golfstrom nur in geringem Umfang Plankton mit sich führt, auch die Fangerträge der Fischerflotten zurückgehen. Eine Erkennt­nis, die sich erst in den letzten Jahren in­tensiver Erkundung des Golfstromes heraus­stellte.

Der Golfstrom wird von den Wissenschaft­lern und Forschern als ein riesiger Kessel warmen Wassers bezeichnet, der auf seiner 12 000 Meilen langen Reise durch die Ozeane von der Sonne geheizt wird und das Lebens­element für die Küsten der Kontinente ist. Man hat ferner ausgerechnet, daß ein Absin­ken der Wassertemperatur um nur 15 Grad genügte, um England, Skandinavien, das nörd­

liche Frankreich und Deutschland in Zonen mit arktischem Klima zu verwandeln. Wir würden in diesem Falle alle auf den Lebens­standard der Eskimos heraibgedrückt. An der Riviera würden statt der Luxus-Jachten der Millionäre Eisschollen dahiintrisiben.

Der Golfstrom stellt im Großen gesehen einen gigantischen Wasserwirbel dar, der seinen Ursprung im Golf von Mexiko hat und mit einer Geschwindigkeit von fünf bis sechs Seemeilen in der Stunde dahircfließt. Die war­men Wassermassen haben eine Durchschnitts-

tiefe von rund 800 Metern. Sein Einfluß reicht bis ans nördliche Spitz­bergen, wo man zeitweilig noch deutlich die Strömung schon an der Farbe erkennen kann.

Der Golf­strom ist wahr­lich im laufe seines jahrtau­sendealten Daseins unser guter Freund ge­worden. Er bringt uns nicht nur die Wörme und Nahrung, sondern sorgt auch, wie zum Beispiel an den Küßten der Orkney- und Shet­land-Inseln, für das nötige Brennholz der dortigen Einwohner, wo er seit Jahrhunderten Treibholz anschwemmt, das er aus der neuen Welt mit sich führt.

Einmal auf seiner langen Reise durch die Weltmeereruht er sich aus. Das geschieht in der Saragossa-See, dieser mehrere Qua­dratkilometer großen Ansammlung von See- algen, deren Entstehung bis heute noch nicht geklärt Ißt. Die schleimigen Gewächse bilden hier eine dicke Schicht mitten auf dem Ozean, auf der man sogar kurze Strecken zu Fuß laufen kann. Hier ist die Strömung am ge" ringsten und fördert das Entstehen der ge­heimnisvollen Pflanzeninsel.

Auf Grund der neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse glaubt man, so weit gekommen zu sein, langfristige Wettervoraussagen durch die ständige Beobachtung des Golfßtromes machen zu können.

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