SAMSi AG, 9. JUNI 1951

AUS DEM HEIMATGEBIET

NUMMER 88

Wettkämpfe des Gaujugendturnfestes

Wie bereits mehrfach berichtet, findet am Sonntag, 17. Juni, in Engelsbrand das Gaujugendturnfest statt, für das die Anmel­dungen bereits bis 27. Mai abgegeben sein mußten. Es sieht folgende Wettkampfarten vor:

Zehnkampf Jugendturner Klasse A Jahr-

n [ 1933/34, Achtkampf Jugendtumer Klasse ahrgang 35/36, Gymnastik- und Hand­gerätevierkampf für Jugendturnerinnen, Sie­benkampf Jugendturnerinnen Klasse A Jahr­gang 33/34, Siebenkampf Jugendtumerinnen Klasse B Jahrg. 35/36.

Leichtathletische Wettkämpfe Jugend: Vier­kampf Jugend A Jahrgang 33/34, desgl. Ju­gend B Jahrg. 35/36, Dreikampf Jugendtume­rinnen Jahrg. 1933/36.

Jugend unter 14 Jahren: Siebenkampf Kna­ben Jahrg. 37/38, Sechskampf Knaben Jahrg. 89/41, Sechskampf Mädchen Jahrg. 37/38, Sechskampf Mädchen Jahrg. 39/41.

Leichtathletische Mehrkämpfe für Knaben u. Mädchen: Dreikampf Knaben Jahrg. 37/38, Dreikampf Knaben Jahrg. 39/41, Dreikampf Mädchen Jahrg. 37/38, Dreikampf Mädchen Jahrg. 39/41.

Außerdem werden folgende Staffelwett­kämpfe ausgetragen: 4X100 m Pendelstaffel Jugend über 14 Jahre, 4X75 m Pendelstaffel Jugendtumerinnen über 14 Jahre, 4X50 m Pendelstaffel Knaben unter 14 Jahren, 4X50 m Pendelstaffel Mädchen unter 14 Jahren.

Bis jetzt sind rund 800 Meldungen einge­gangen, so daß unter Einschluß der Kampf­richter und anderer an der Auswertung be­teiligten Turner mit einer Teilnehmerzahl von etwa 1200 Personen gerechnet werden kann.

... und des Gauturnfestes

Das Gautumfest, das am 14. und 15. Juli in Calmbach abgehalten wird, sieht nicht weniger als 32 Wettkampf arten vor. So mes­sen sich die Turner der Oberstufe in einem Zwölfkampf und einem Geräte-Zehnkampf, die Mittel- und Unterstufe jeweils ebenfalls in einem Zwölfkampf. Die Unterstufe tritt ferner zu einem Geräte-Zehnkampf an, die Altersklasse I (Jahrg. 191218) zu einem Zehnkampf, die Altersklasse II (Jahrg. 1902 bis 1911) zu einem Achtkampf und die Alters­klasse III (Jahrg. 1901 und älter) zu einem Siebenkampf.

Weiter sind vorgesehen: Versehrten-Geräte- Vlerkampf, Zehnkampf Jugendturner Klasse A Jahrg. 33/34, Achtkampf Jugendturner Klasse B Jahrg. 35/36, Siebenkampf Turne­rinnen, Siebenkampf Turnerinnen Jahrgang 1920 und älter, Gymnastik- und Handgeräte- Sechskampf der Turnerinnen, Gymnastik- u. Handgeräte-Vierkampf der Jugendtumerin­nen, Siebenkampf Jugendtumerinnen Jahrg. 83/34, desgl. Klasse B Jahrg. 35/36.

Die Turner stellen sich weiter zu folgenden Kämpfen: Fünfkampf Oberstufe, Vierkampf Unterstufe, Vierkampf Altersklasse I (wie oben), Dreikampf Altersklasse II und desgl. Altersklasse III. Die Jugendturner der Klasse A und B sowie die Turnerinnen der Ober­und Unterstufe und der Altersklasse 21 und älter messen sich in Vierkämpfen, die Ju­gendturnerinnen Jahrg. 83/36 in einem Drei­kampf. Schließlich kommen noch zum Aus­trag: Volkstümlicher Dreikampf (Versehrten- Dreikampf), 4X100 m Pendelstaffeln der Tur­ner und Jugendturner und eine Familien- (pendel)staffel.

Die Meldungen für das Gautumfest müs- »en auf den vorgesehenen Meldebogen bis apätestens 10. Juni an Gauobertum- wart Pantle, Calw, Marktstraße 5, eingesandt ein.

Für Lkw gesperrt

Calw. Wegen Kanalisationsarbeiten in der Gemeinde Aichelberg wird die Landstraße H. Ordnung Wildbad Aichelberg für den Durchgangsverkehr mit Lastkraftwagen bis 81. Juli gesperrt. Die Umleitung erfolgt über Enzklösterle oder Calmbach.

12897 Volksschüler gibt es in unserem Kreis

Drei Viertel in evangelischen Schulen 1644 Sdiüler kommen zur Entlassung

Die Unterrichtsverwaltung läßt alljährlich zu Beginn eines Schuljahres, letztmals im No­vember 1950, eine Verwaltungsstatistik durch­führen, der die nachstehenden Angaben über die öffentlichen Volksschulen im K r e i Calw entnommen sind. Ihnen gegenüber fal­len die privaten Volksschulen, jedenfalls der Schülerzahl nach, allgemein kaum ins Ge­wicht.

Danach gab es in unserem Kreis, der zu den fünf der 17 Kreise Württemberg-Hohenzol- lerns mit vorwiegend evangelischer Bevölke­rung gehört, insgesamt 12 897 Volksschüler, das sind nicht weniger als über 12',8% der esamten Wohnbevölkerung des Kreises nach em vorläufigen Ergebnis der Volkszählung vom 13. September 1950. Von ihnen besucht bei uns die weit überwiegende Masse, 9598, evangelische Normalschulen, mit stark 74% annähernd drei Viertel aller, weitere 3211 Ge­meinschaftsschulen, die restlichen 88 Schüler katholische Normalschulen. Staatliche Hilfs­schulen bestehen in unserem Kreis keine. Erstmals erfragt wurde diesmal die Zahl der­jenigen Schüler, die aus Nachbargemeinden zur Schule kommen, mit anderen Worten, die einer außerhalb der Wohnsitzgemeinde ge­legene Volksschule besuchen. Das sind im Kreis Calw doch 187.

In das Schuljahr 1950/51 trat im September 1950 ein voller Neulingsjahrgang mit 1476 Schülern in unserem Kreis ein. Er besteht aus dem Geburtsjahrgang 1944, vermindert

um die Rückstellung von solchen Kindern dieses Jahrgangs, welche die für den Schul­besuch erforderliche Entwicklung noch nicht erreicht hatten, vermehrt andererseits um die­jenigen Kinder des Geburtenjahrganges 1943, die 1949 um ein Jahr zurückgestellt worden waren. Im Herbst 1951 wird eine besonders schwache Gruppe von Neulingen eintreten, da der Geburten jahrgang 1945 an sich bereits der bei weitem kleinste Kinder jahrgang ist und zudem ein großer Teil dieser Kinder in­folge der Umstellung auf den Frühjahrsbeginn den Schulbesuch erst im Frühjahr 1952 be­ginnen.

Entlaßschüler waren es im Sommer 1950 im Kreis Calw 1726 gewesen. In diesem Sommer werden es bei uns nach den von den Schulen gemeldeten Angaben voraussichtlich ziemlich weniger, nur 1644, sein. Als Entlaßschüler sind diejenigen auf geführt, die ihre Schul­pflicht in der Volksschule erfüllt haben. Zu­sammen mit solchen Schülern der Mittel­und der höheren Schulen, die nach der Er­füllung der Schulpflicht oder doch vor Er­reichung der sogenannten mittleren Reife ab­gehen, bilden sie die Gesamtgruppe der mit volksschulartiger Allgemeinbildung im Alter von 14 bis 15 Jahren in das Erwerbsleben eintretenden Jugendlichen.

Den Uebergang an Mittel- und Ober­schulen haben in unserem Kreis im Sommer 1950 294 Volksschüler vollzogen.

Berufsberatung durdi die Zeitung

Im teehnisdien Zeitalter: Metallberufe

Mit der Maschine ist auch eine Reihe neuer Berufe in Erscheinung getreten; das Zeit­alter der Technik, das zwar manches alte Handwerk zum Erliegen brachte, hat gleich­zeitig eine Vielzahl neuer Berufsmöglich­keiten geschaffen. Wir verkennen nicht, daß die Technisierung und Mechanisierung der Arbeit einen großen Teil der Handwerks­arbeit und Handarbeit überflüssig gemacht hat, aber dafür sind, wie gesagt, am Stamm­baum des Handwerks viele neue Zweige ge­wachsen: man denke nur an Auto, Flugzeug, Elektrotechnik usw. Ist es ein Wunder, wenn gerade diese neuen Berufe einen besonderen Reiz auf die aus der Schule kommende Ju­gend ausüben und vielfach zuModeberufen wurden? Der Motor mit seinen Geheimnissen wird seine Anziehungskraft noch lange be­halten.

Allgemeine Voraussetzungen

Die Metallindustrie ist heute die große Be­rufsschleuse: bei ihrer . ständigen Weiterent­wicklung ist sie immer erneut aufnahmefähig und gibt Jahr für Jahr tausenden, ja hundert- tausenden junger Menschen Arbeit, Brot und Beruf. Dazu kommt, daß sie in ihrer Gliede­rung ungeheuer vielseitig ist und deshalb für jeden tüchtigen Jugendlichen eine Möglich­keit zur Ausbildung als Facharbeiter oder Spezialarbeiter bietet. Daneben behauptet das Handwerk als vorzügliche Ausbildungsstätte unbestritten ebenso seinen wichtigen Platz. Selbstverständlich sollten sich für einen Me­tallberuf nur solche Jugendliche entscheiden, die auch die notwendige Eignung besitzen. Gute Veranlagung im Rechnen und Zeichnen, ein mindestens durchschnittliches technisches Verständnis und gutes Handgeschick gehören dazu. Bei der großen Zahl der Bewerber ist es verständlich, daß die Betriebe immer mehr eine genaue Auswahl, meist nach vorange­gangener Eignungsuntersuchung, vornehmen.

Die Ansbildung

Die Lehrzeit dauert je nach Berufsart 8 oder 3% Jahre und schließt mit der Gesellen­prüfung ab. Nach der Gesellenprüfung besteht die Möglichkeit, Facharbeiter zu bleiben und betriebsgebunden zu arbeiten. Wer die Mei­

sterprüfung ablegen will, muß sich in Mei­sterschulen und -kursen darauf vorbereiten. Der Meister kann selbständig arbeiten oder in einem Betrieb eine Meisterstelle einneh­men. Weitere Aufstiegsmöglichkeiten sind die Techniker und Ingenieure. Beide Berufsziele erreicht man über eine entsprechende Fach­schule; eine besondere Schulbildung ist nicht Voraussetzung. Auch der Volksschüler kann diese Berufe bei besonderer Tüchtigkeit er­reichen. Für ältere Berufsanwärter gibt es eine verkürzte Ausbildung, die aber nicht von vornherein festgelegt ist. Ob die Lehre ver­kürzt wird und auf welche Zeit, hängt immer von drei Voraussetzungen ab: vom Lehrling (ob tüchtig oder nicht), vom Betrieb, der die Leistungen beurteilt, und von der Kammer, welche die endgültige Entscheidung trifft.

Die einzelnen Berufe

Die einzelnen Metallberufe sind, in Grup­pen aufgezählt: Die Schmiede, wie Eisen- und Stahlschmied, Kupferschmied, Messerschmied; Schlosser, Bauschlosser, Maschinenschlosser; Flaschner, Installateur, Rohrinstallateur; Elektriker wie Elektroinstallateur, Elektro­monteur, Elektromechaniker, Rundfunk­mechaniker, Elektromaschinenbauer, Tele­grafenhandwerker; Mechanikeif Automecha­niker, Landmaschinenmechaniker, sonstige Grobmechaniker; Feinmechaniker wie Chirur­giemechaniker, Orthopädiemechaniker, Au­genoptiker, Uhrmacher, Werkzeugmacher, Zahntechniker, Gold-, Silber- und Edelmetall­schmied und alle übrigen Metallfeinbauer; Graveure, Ziseleure, Emaillieren

Selbstverständlich ist damit die große Zahl der Metallberufe noch lange nicht erschöpft. Wir haben lediglich die wichtigsten aufge­zählt, die auch in unserem Bezirk Vorkom­men. Lehrstellen sind z. B. noch im Schmiede­beruf frei, zum Teil mit Kost und Wohnung. Dieser Beruf ist zur Zeit von allen Metall­berufen der einzige, der von den Jugend­lichen nicht besonders begehrt wird. Auch in den anderen Berufen sind, wie wir uns er­kundigt haben, noch spärliche Lehrstellen frei. Den größten Zulauf haben die Groß­betriebe der Industrie, weil die Jugendlichen nicht zu Unrecht vermuten, daß in diesen

Morgen Gau « Leichtathletik-Meisterschafte

Nagold. Für die morgen in Nagold statt­findenden Gau-Leichtathletikmeisterschaften ist eine erfreulich große Anzahl Meldungeft aus dem gesamten Kreisgebiet eingegangen. Die Wettkämpfe werden gemeinsam vom Unteren Schwarzwald-Nagold-Turngau und Kreissportverband Calw durchgeführt. Ver­anstaltender Verein ist der VfL. Nagold, des­sen Sportanlagen mit ihrer Aschenbahn die Gewähr für einen reibungslosen Verlauf bie­ten. Die Mehrkämpfe finden vormittags statt und beginnen um 10 Uhr, nachmittags ab 14 Uhr werden Einzelkämpfe ausgetragen. Außerdem werden nachmittags verschiedene Staffelläufe durchgeführt.

Ein Rathaus hat ausgedient

Schwann. Nun ist es so weit. In der Nacht vom Sonnabend zu Sonntag wurde aüf das alte Rathaus ein vertrockneter Tannen­baum, behängt mit schwarzen Lappen, ge­setzt. Es ist nämlich ein alter Brauch, auf ein zum Abbruch kommendes Gebäude einen alten Strauch zu setzen. Nim kann man be­reits sehen, wie Teil um Teil an der Fassade des Gebäudes verschwindet. Die Büroräume des Bürgermeisteramtes sind ins Schulhaus gewandert Post- und Energieversorgung waren bereits eingespannt um die notwendig gewordenen Abbau- und Verlegungsarbeiteft auszuführen. Da gab es auch Tage, an denen es viele Einwohner der Umgebung zu merken bekamen, denn der Strom war für vielö Stunden an zwei Tagen abgeschaltet. Eip Gang durch das ausgeräumte. Gebäude zeigte deutlich, daß an diesem nichts mehr zu ver­bessern war. Es ist fast lebensgefährlich, wenn man sich in das obere Geschoß begibt, denn bei der leisesten Berührung fallen Teile von der Decke und den Wänden.

Vor mehr als 200 Jahren wurde das Ge­bäude erstellt. Es diente als Verkaufshaus und Wirtschaft. Alte Bürger können noch darüber berichten, daß in der Wirtschaft sogar ein­mal eine Person ermordet wurde. Am 20. April 1864 wurde das Gebäude von dem Kaufmann Astfalk für 5000 Gulden erstanden und zum Rathaus eingerichtet. Davor befand sich das Rathaus dort, wo heute die Schrei­nerei Otto Wankmüller ist. Nun hat dieses Haus 87 Jahre lang viel erlebt. Viele Bürger­meister haben in den Räumen gesessen und für das Wohl der Gemeinde gesorgt.

Betrieben nach Abschluß der Lehre größere Entwicklungsmöglichkeiten gegeben sind.

Fachschulen

An Fachschulen in Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollem führen wir aufl Staatliche Ingenieurschule in Eßlingen, Staat­liche Ingenieurschule in Mannheim, Staats­technikum Karlsruhe, Meisterschule für das Schmiedehandwerk in Göppingen, Meister­schule für Elektrotechnik und Installateure in Karlsruhe, Staatl. Meisterschule für, das Edelstein- und Schmuckgewerbe in Pforz­heim, Meisterschule für Schlosser, Flaschner, Elektriker, Mechaniker und Rundfunkmecha­niker in Stuttgart, Meisterschule für Schlos­ser, Elektroinstallateure, Mechaniker, Rund­funkmechaniker in Ulm, Meisterschule für Elektriker in Reutlingen. Ferner noch die Staatliche Hufbeschlagschule in Heilbronn und Karlsruhe, die Fachschule für das Kraft­fahrzeughandwerk in Pforzheim, die StaatL Höhere Fachschule für die Edelmetallindustrie in Pforzheim und die Feintechnikerschule mit Meisterkurs in Schwenningen.

In die Metallberufe zieht jedes Jahr ein breiter Strom junger Menschen hinein. Von diesem Strom versickert und verdunstet unterwegs vieles. Nur der Tüchtige wird beim Wettlauf bis ans Ziel gelangen und auch" nachher sein gutes Fortkommen haben. Es gibt nur ein Mittel, Jugendliche vor Ent­täuschungen im Berufsleben zu bewahren: man muß die Berufswünsche rechtzeitig in die richtige Bahn leiten, damit ihre Hoffnun­gen sich auf reale Unterlagen und nicht auf romantische Vorstellungen gründen.

Pforzheims Zimmertheater will auf Reisen gehen

Gastspiele des Ensembles in Wildbad, Herrenalb, Bad Liebenzell und Hirsau geplant

Mehrere Mitglieder des Stadttheaters Pforz­heim und nicht die schlechtesten unter ihnen haben sich zu einem Zimmertheater tusammengetan. Sie wollen die Zeit der Som­mermonate, in der sie ohne Anstellung und damit ohne Verdienst sind, überbrücken, in­dem sie die neuerdings stärker aufkommende Form desZimmertheaters pflegen. Vor kur­zem trat diese Gruppe von Schauspielern mit zwei humorvollen Einaktern von Kurt Goetz zum erstenmal an die Oeffentlichkeit, und gleich am ersten Abend spielte sie vor aus­verkauftem Haus. Freilich ist das WortHaus hier nicht so recht am Platze, denn es han­delt sich ja eben um einZimmertheater.

Was Ist ein Zimmertheater?

In einer deutschen Großstadt nach der andern wurden in den letzten Jahren solche Zimmertheater gebildet, besonders aber in Amerika wird es stark gepflegt. Zimmer­theater spielen heißt auf die Trennung zwi­schen Bühne und Zuschauerraum verzichten, ln einem kleineren oder größeren Saal sitzen die Zuschauer ringsum, in ihrer Mitte einen Raum freilassend. Und hier agieren die Schauspieler ihre Auftritte und Abgänge er­folgen nicht aus Kulissen heraus, sondern durch die Saaltüren, oft durch die Sitzreihen der Zuschauer hindurch.

Verzicht auf Illusion

Es ist klar, daß die Regie unter solchen Uniständen auf viele Hilfsmittel und Kunst­griffe verzichten muß. Kulissen verbieten sich von selbst, die Requisiten sind auf das Aller­geringste beschränkt. Auch mit Beleuch- tongseffekten ist Zurückhaltung zu üben, da

die Zuschauer ja von verschiedenen Blick­richtungen auf die Schauspieler sehen und somit helle Beleuchtung auf der einen Seite als starker Schatten von der anderen wahr­genommen würde. Selbstverständlich ist, daß sich auch nicht jedes Stück seinem Aufbau gemäß für die Aufführung auf einer Zimmer­bühne eignet.

Ungeschminkt

An die Kunst des Schauspielers selbst stellt diese Art des Theaters ungleich größere An­forderungen als dieGuckkastenbühne". Ist er dort durch eine große räumliche Distanz vom Publikum getrennt, kann er dort durch alle Hilfsmittel moderner Bühnentechnik unterstützt werden, so steht er hier mitten drin unter seinen Bewunderern und seinen Nörglern, seinem erwartungsvollen und sei­nem skeptischen Publikum. Alles Uebertrie- bene in Verkleidung, Schminken, Gesten und Mimik, das bei der Guckkastenbühne auf weite Distanz noch zu ertragen wäre, würde hier unnatürlich und abstoßend wirken. Unter Beschränkung auf die feineren, dezenteren Mittel wird sich daher im Zimmertheater immer nur der wirkliche Könner, niemals der Blender durchsetzen können.

Intime Atmosphäre

Andererseits aber ist es gerade wieder die Eigenheit des Zimmertheaters, die den guten Darsteller befriedigt, auch wenn sie ihm größ­tes Können abverlangt Die Zuschauer sind nicht nur in der Zahl gering, sie sind auch durch ihre Sitzweise unmittelbar in das sze­nische Spiel mit einbezogen, und dies bringt eine intime Atmosphäre, einen engen Kontakt

zustande, Bühne und Publikum gehen ge­wissermaßen ohne genau gezogene Grenze ineinander über. Im großen Theater hat der Darsteller, durch grelle Scheinwerfer geblen­det, im Parkett und auf den Rängen eine gleichförmige Masse vor sich, deren Zustim­mung oder Mißfallen ihm meist erst nach Schluß des Auftritts, des Aktes oder gar des ganzen Stückes durch die Stärke des Beifalls kund wird. Ganz anders beim Zimmertheater: Unmittelbar unter seinem Publikum stehend erfährt der Schauspieler schon während der Szene, wie diese oder jene Pointegesessen hat, wie die eine oder die andere Geste auf­genommen wird. Er kann in den Augen sei­ner Zuschauer, in ihrem Gesichtsausdruck, aus dem feinsten Tuscheln und Räuspern ab­lesen, wie weit sie gepackt und ergriffen, er­heitert und belustigt sind, kurz, wie weit er sie in seinen Bann zu ziehen vermag. Und er wird daraus nicht nur für das augenblicklich gespielte Stück, sondern ganz allgemein für die Entwicklung seiner Begabung und Gestal­tungskraft gewinnen können.

Der Mürder undDas Märchen

Seinen Start hat das Pforzheimer Zimmer­theater, wie schon gesagt, mit zwei Eiinaktern von Kurt Götz genommen, nämlich mitDer Mörder eine ärgerliche Begebenheit, und Das Märchen eine kitschige Begebenheit. Beides sind kurze Stücke man könnte fast von ausgebauten Sketchs sprechen, die sich in ihrem Aufbau, im beschränkten Bedarf an Mitwirkenden und Bühnenmitteln für die Aufführung in einem Rund-um-Theater be­sonders eignen BeideBegebenheiten geist­reich karikierend, liebenswürdig spöttelnd, ohne tiefere Probleme aufzuwerfen. Hier wie in seinem alten FilmNapoleon ist an allem schuld und seinem neuenFrauenarzt Dr. Prätorius entwickelt Götz die Kunst, in der

amüsanten, scheinbar ziel- und zwecklosen Unterhaltung vieles zu sagen, was von tiefer Bedeutung ist. Götz hat erkannt, daß den Krankheiten seiner Zeitgenossen nur mit ho­möopathischen Dosen beizukommen ist, und daß sie auch diese Pillen nur schlucken, wenn sie mit Witz und Charme verzuckert sind.

Reisepläne für den Sommer

Der Anfang war erfolgversprechend, und der Saal des Kunst- und Kunstgewerbever­eins im Industriehaus in Pforzheim bildet einen vorzüglichen Rahmen. Doch die Goldr stadt allein kann den Saal auf die Dauer nicht füllen, und so hat das aus begabten Kräften zusammengesetzte Ensemble unter der Leitung von Kurt Wolfgang Schoenewolf den Plan gefaßt, auch die Umgebung Pforz­heims zu bespielen. Besonders ist dabei dar­an gedacht, während der Kursaison in den Kurorten zu gastieren, etwa in Wildbad, Her­renalb, Hirsau und Bad Liebenzell.

Es leuchtet ein, daß besonders solche leichte Kost, wie z. B. die Stücke von Kurt Goetz sie darstellen, für den erholungsuchenden Kur­gast ganz besonders bekömmlich ist. Auf Gastreisen zu gehen bedeutet ja gerade auch für Zimmertheater keine allzu großen Um­stände, ein geeigneter Saal in der erforder­lichen Größe ist überall vorhanden, und der Bedarf an Requisiten und Kostümen so ge­ring, daß man kein besonderes Fahrzeug hier­für benötigt. .

Wenn man dem neugeschaffenen Zimmer­theater von Herzen Erfolg wünschen möchte bei seinen weiteren Vorhaben, so nicht nur, weil damit etwas für das um seine Existenz ringende deutsche Theater erreicht wäre, sondern zugleich auch im Interesse unserer Kurorte und der in ihnen Entspannung, Er~ holung und Gesundheit suchenden Menschen.