Die soziale Struktur der Bundesrepublik

Die vollen Schaufenster gaben ein falsches Bild

Von unserer Bonner Redaktion

ht In den Auseinandersetzungen um die Innerdeutsche Wirtschafts- und Sozialpolitik spielt die soziale Struktur der Bundesrepu­blik eine grundlegende Rolle. In dieser Struktur liegen zahlreiche Aufgaben, die sich jeder deutschen Regierung ln der Gegenwart stellen, aber gleichzeitig kennzeichnet unser soziales Gefüge auch Grenzwerte unserer Lei­stungsfähigkeit, ob diese nun im Rahmen einer Selbsthilfe oder eines Beitrages für die europäische Sicherheit zur Diskussion steht. Unveränderliche Faktoren, wie die Lage unse­res Landes, seine Bodenschätze oder die Zu­sammensetzung der agrarischen Nutzungsflä­chen, bestimmen dieses Gefüge zusammen mit den Auswirkungen der vergangenen Kriege, der vergangenen Wirtschaftspolitik oder der Erziehung und Ausbildung der Menschen. Die soziale Schichtung von 1951 ist nicht das Er­gebnis einer organischen Entwicklung, aber sie ist eine Realität, die weitgehend das der Politik Mögliche und Notwendige bestimmt.

47,8 Millionen Menschen, davon knapp 23 Millionen Männer, leben in der Bundesrepu­blik. Europa hat ohne die UdSSR 394 Millio­nen Einwohner. Von den 47,8 MillionenWest­deutschen leben allein 12,8 Millionen in den 46 Großstädten der Bundesrepublik. Die Zahl der Neubürger (7,8 Millionen Vertriebene aus dem Osten und 1.6 MillionenZugewanderte) liegt bei 9,4 Millionen, eine Zahl, die das Problem der Eingliederung der Flüchtlinge nachdrücklich unterstreicht. Die Nöte, die Meinungen und die Wählerstimmen dieser 9,4 Millionen Menschen beeinflussen unsere Po­litik in allen Sektoren, von der Steuer- und Sozialgesetzgebung bis zu den grundsätzlichen Problemen des Förderalismus. Ihre Einglie­derung über den wirtschaftlichen Arbeitspro­zeß hinaus, in die Lebensgemeinschaft der neuen Republik, bleibt die Aufgabe Nr. 1.

Eine für das Werden dieser Gemeinschaft sehr positive Tatsache ist die Bedeutung des familiären Zusammenlebens, das in den bishe­rigen Auswertungen der letzten Volkszählung hervortritt. Vier Fünftel der Bevölkerung der Bundesrepublik leben in Haushaltungen mit drei und mehr Personen. 15,6 Millionen, also fast ein Drittel, leben in Familien mit fünf und mehr Personen. Nur ein Fünftel lebt danach nicht in den 15,2 Millionen Haushal­ten der Bundesrepublik. Die steigende Kurve der Eheschließungen und Geburten läßt eine weitere Verringerung der allein lebenden Menschen wahrscheinlich sein. Hoffentlich sinkt auch die Zahl von 330 000 Familienvä­tern, die der Beruf von ihren Familien fort­geführt hat. Die Zusammenführung der ge­trennten Familien ist jedoch leider immer noch so sehr eine Frage des Wohnraums, daß kein übertriebener Optimismus am Platz ist. Man lese nur die Stellenangebote in den Zei­tungen, um zu sehen, wie gegenteilig die Be­vorzugung der Alleinstehenden wirkt.

Das durchschnittliche Einkommen der 47,8 Millionen Menschen in der Bundesrepublik

Deutsches Gretchen erwache! DÜSSELDORF. Mit dem KampfrufDeut­sches Gretchen erwache! will die kürzlich in Düsseldorf gegründeteDeutsche Frauenpar­tei jetzt eine Werbeaktion im ganzen Bun­desgebiet veranstalten, teilte die erste Par­teivorsitzende Hulda P a n k o k auf einer Pressekonferenz, in Düsseldorf mit. Frau Pan- kok erklärte:Sparsame Hausfrauen müssen dem Finanzminister zur Seite stehen. Die Deutsche Frauenpartei wolle die Politikdurch fraulichen Einfluß vermenschlichen. Nach Ansicht der Partei ist es nicht tragbar, daß der Bundestag bei 379 männlichen nur 31 weibliche Mitglieder zählt, obwohl minde­stens die Hälfte aller Wahlberechtigten Frauen sind.

beträgt 1123 DM je Kopf der Bevölkerung. 1852 DM in Frankreich, 2380 DM in England, 6258 DM in den USA und 930 DM in Italien sind Vergleichszahlen, die deutlich machen, wie wenig die Schaufenster in den Groß­stadtstraßen unsere Verhältnisse widerspie­geln. Werden von dem Jahreseinkommen noch die Steuern abgezogen, so beträgt das durch­schnittliche Verfügungseinkommen je Kopf der Bevölkerung in der Bundesrepublik nur noch 784 DM.

Nur 1,7 Millionen der Einkommensbezieher in Westdeutschland verdienen monatlich mehr als 550 DM, 14,4 Müllionen verdienen weniger als 250 DM und 7,8 Millionen zwischen 250 und 550 DM. Diese Zahlen werden sich auch durch die laufenden Lohn- und Gehaltser­höhungen nicht wesentlich verändern. Hinzu kommt, daß sie einer steigenden steuerlichen Belastung und einer Erhöhung der Lebens­haltungskosten auf 163 Prozent (von 1938) gegenüberstehen. Der häufig und meist von ausländischen Beobachtern registrierteAuf­wand in der Bundesrepublik wird bestimmt nichtvon einem Volk betrieben, das seine Armut nicht wahr haben will, sondern von einer nach Tausenden zählenden Gruppe, die nicht zuletzt durch ein für die hohen Einkom­men günstiges Steuer- und Steuervergünsti­gungssystem in der Bundesrepublik eine Fas­sade des Reichtums errichten können.

Von wieviel Menschen und in welchen Be­rufsgruppen wird nun das Einkommen er­worben? 21,1 Millionen Menschen werden von den Familienvätern (oder denFamilienmüt­tern) ernährt. Die Zahl der Menschen, die Oon Alters-, Sozial-, oder Schwerbeschädig- ten-Unterstützungen oder von dem ersparten Vermögen leben, liegt bei 5 Millionen. So bleiben 21,7 Millionen Erwerbspersonen, 7,5 Millionen von ihnen sind Frauen. 1,4 Millio­nen sind gegenwärtig arbeitslos. Eine Unter­suchung der Verteilung der Erwerbstätigen auf die einzelnen Berufsgruppen zeigt nur in der Landwirtschaft gegenüber den vergange­nen Jahren sinkende Zahlen. Auch die nach der Währungsreform einsetzende allgemeine Vermehrung der Zahl der Erwerbstätigen hat daran nichts geändert. Verbesserungen der Arbeits- und Lebensbedingungen in der Land­wirtschaft sollen jetzt zumindest eine Ver­stärkung der Landflucht verhindern. 4,8 Mil­lionen Erwerbstätige stehen gegenwärtig in der Landwirtschaft, davon können eine Mil­lion als Landarbeiter gewertet werden.

Der größte Teil der Erwerbspersonen 9,4 Millionen sind in den Berufsgruppen Berg-

stungsproduktion in der sowjetischen Besat­zungszone stellt das Ministerium für gesamt­deutsche Fragen fest, daß seit 1949 in zahl­reichen Betrieben der Sowjetzone mit der Produktion von Kriegsgerät begonnen worden sei. Der Bericht hebt hervor, die Sowjetunion sei im Laufe der Zeit dazu übergegangen, das frühere Rüstungspotential ihrer Zone, das nach den Potsdamer Beschlüssen vernichtet werden sollte, nicht nur wiederherzustellen, sondern zu erweitern und auszubauen. In er­heblichem Umfange werden nach dem Bericht Panzer- und Geschützteile, Munition, U-Boot- und Flugzeugteile, Flugplatzbedarf, Nachrich­tengeräte und Ausrüstungsgegenstände herge­stellt.

Aus einer umfassenden Aufstellung geht hervor, daß allein 30 Betriebe in der Sowjet­zone Platten, Getriebe, Kettenglieder, Lauf­ketten, Kuppeln und Aufbauten mit optischem Gerät für Panzer hersteilen, in der Haupt­sache für den sowjetischen T 34. In der Wag­

bau, Industrie, Bauwirtschaft und Handwerk tätig. In diesen Berufen liegt die Zahl der Beschäftigten nicht nur um 2,4 Millionen über der des Jahres 1946, sondern hat auch den Vorkriegsstand überschritten. Im Handel und ln der Verkehrswirtschaft sind 3,3 Millionen Menschen tätig, wobei vor allem im Sektor des Handels eine weiterhin steigende Ten­denz registriert werden kann. 2,3 Millionen sind im öffentlichen Dienst, mit Dienstlei­stungen im öffentlichen Interesse oder bei den Besatzungsmächten beschäftigt. Die anderen Erwerbstätigen verteilen sich auf eine Viel­zahl kleiner Berufsgruppen.

Die Zahl der gegenwärtig als Arbeiter be­schäftigten Erwerbspersonen gibt das Sta­tistische Bundesamt mit 11,2 Millionen an, denen 4,3 Millionen Angestellte und Beamte, 3,3 Millionen selbständige Berufe und 2,8 Millionen mithelfende Familienangehörige (vor allem in der Landwirtschaft) gegenüber­stehen. Hinter diesen Zahlen stehen die noch ungelösten Fragen der Rücklenkung der Ar­beitskräfte auf die erlernten Berufe; denn viele der Erwerbstätigen, besonders die Flüchtlinge, stehen nicht mehr oder noch nicht wieder in ihren alten Berufen. Dann muß die Zahl der Arbeitslosen verringert werden und eine vernünftige das heißt den Möglichkeiten angepaßte Berufswahl der Jugendlichen muß stärker als bisher geför­dert werden, um ein Überangebot (z. B. bei den sogenannten akademischen Berufen) auf der einen Seite zu verhindern und auf der ande­ren Seite der Nachfrage nach Arbeitskräften (z. B. in den technischen Berufen) entsprechen zu können.

So ausgeglichen unser soziales Gefüge be­reits auch wieder scheint, soweit es die Vertei­lung der Arbeitskräfte auf die Berufe, das zahlenmäßige Verhältnis Erwerbspersonen Unbeschäftigte angeht; die Fragen des Lebens­standards, der Löhne, Preise und Wohnungs­raumlage. die anderen Auswirkungen des ver­lorenen Krieges und der damit verbundenen gewaltsamen Änderung der deutschen Wirt­schaftsstruktur, die Stärke der politischen und existenziellen Unsicherheit, die ungeheuren Verluste an Besitz und die dadurch unver­meidlichen Verschiebungen innerhalb des so­zialen Gefüges, das sind einige Faktoren, die hinter der hier versuchten Kennzeichnung stehen. Dazu gehört das vielfach verloren ge­gangene Gefühl für den Erwerb von Besitz, für die gegenseitigen Pflichten und Rechte von Bürgern und Staat. Auf seiten der Büro­kratie ein Mangel an Respekt vor demEin­zelmenschen und bei den Bürgern ein Mangel an Staatsbewußtsein, das Fehlen eines ge­sunden Gemeinschaftssinns, bedeuten nicht die geringsten Schwierigkeiten auf dem Wege zum sozialen Ausgleich durch die Erhöhung des Sozialproduktes.

gonfabrik Dessau seien bisher 2500 schwere Unterwagen für Eisenbahngeschütze herge­stellt worden. Als wichtiger Zweig der Rü­stungsproduktion wird die Urangewinnung bezeichnet. Von 300 000 Menschen werde in rund 250 Schächten Uran geschürft.

Der Bericht enthält eine umfangreiche Sta­tistik der Produktionsziffern für die Rüstungs­industrie, wobei die Mengenangaben teilweise fehlen oder unvollständig sind, so daß viel­fach mit einer höheren Produktion gerechnet werden kann. U. a. werden nach dem Bericht viele Tonnen Chemikalien für die Munitions­herstellung, darunter 1409 t Nitroglyzerin, 1101 Schießbaumwolle sowie 2000 t Düsentreibstoff, verbraucht. Außerdem zählt der Bericht zahl­reiche militärische Ausrüstungsgegenstände auf, an denen mehrere Uniformfabriken aus­schließlich für die Rote Armee arbeiten sol­len. Monatlich sollen 25 000 Paar Militärstiefel geliefert werden. Ein Lederbetrieb habe im Vorjahr 80 000 Patronentaschen, eine Uniform­fabrik 1949 150 000 Uniformen hergestellt.

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Der SRP-Führer und Exgeneral Otto Ernst Remer (stehend) mit seinem Verteidiger bei der Verhandlung in Verden, wo er, wie bereits ge­meldet , zu vier Monaten Gefängnis wegen übler Nachrede gegen die Bundesregierung verurteilt worden ist. Foto: Jopp

Spiegel-Ausschuß kritisiert

Wahl Bonns keine Schiebung

BONN. Die Behauptung, daß an etwa 100 Abgeordnete des Bundestages im Zusammen­hang mit der Wahl Bonns zur vorläufigen Bundeshauptstadt Bestechungsgelder in Höhe von zwei Millionen DM gezahlt worden seien, sei falsch, stellt derSpiegel-Ausschuß des Bundestages in seinem am Mittwoch dem Ple­num vorgelegten Bericht fest.

Der Ausschuß hat in monatelangen Unter­suchungen die Behauptungen geprüft, die die ZeitschriftDer Spiegel am 27. September 1950 veröffentlicht hatte. Der Ausschuß kriti­siert in dem Memorandum mit ungewöhnlich scharfen Worten einige Bundestagsabgeord­nete, die durch ihrunverantwortliches, nicht zu entschuldigendes Verhalten zu Gerüchten mit den schwersten Folgen für das Ansehen des Bundestages Anlaß gegeben hätten. Im Zusammenhang mit den Bemühungen der Bay­ern-Partei, Geld für ihre Zwecke zu erhal­ten, hätten die Abgeordneten Anton Don- h a u s e r und Hermann A u m e rauf Emp­fehlung des Bundesfinanzministers S c h ä f - fer gewisse Summen aus Wahlfonds erhal­ten, davon Donhauser mindestens 5000 DM. Ein Zusammenhang mit der Hauptstadtwahl konnte nicht festgestellt werden. Aumer habe ferner zu einer Zeit, da er bei der Behand­lung von Erdölfragen im Bundestag persön­lich hervortrat, von der ErdölgesellschaftEl- werath Spenden für die Bayern-Partei er­beten und insgesamt 22 093 DM erhalten.

Mit Jagdflugzeug über den Nordpol

NEW YORK. Dem amerikanischen Piloten Hauptmann Charles Blair glückte in der Nacht zum Mittwoch als erstem Flieger der Welt der Flug von Europa nach Amerika über den Nordpol mit einer einmotorigen Maschine. Blair legte ohne Begleitung die 5300 km lange* Strecke vom nordnorwegischen Flugplatz Bar- dufoß nach Fairbanks in Alaska in einer umgebauten Mustang-Jagdmaschine in 10 Stunden und 29 Minuten zurück. Blair hatte als Luftfracht 3000 Briefe mitgenommen, die in den USA zugunsten eines Fonds zur Be­kämpfung der Krebskrankheit versteigert werden sollen. Bei seiner Landung in New York wurde er von einer jubelnden Men­schenmenge begrüßt.

Blair ist Pilot bei der Pan-American-Air- ways-Corporation. Er beendete sein Unterneh­men genau am letzten Tage seines vierwö­chigen Urlaubs. "

Ostzone produziert Röstungsmaterial

Militärstiefel und Panzerketten für die Rote Armee BONN. In' einemBericht über die-

Tausend Stundenkilometer

1050 Kilometer Geschwindigkeit in der Stunde hatte ich am Abend noch gelesen erreichen die neuesten Flugzeuge. Das ist un­gefähr die Geschwindigkeit, mit der in unse­ren Breitegraden die Sonne täglich um die Erde geht oder vielmehr, mit der die Erde »ich der Sonne entgegendreht.

Und nachts hatte ich einen seltsamen Traum: ich flog in einem bequem eingerichteten Flugzeug genau mit der Geschwindigkeit der Sonne gegen Westen rund um die Erde. Als wir in Echterdingen aufstiegen, ging eben im Osten die Sonne auf, ein roter feuriger Ball, noch ohne Strahlenkranz, ja ein Stück der Kugel war noch unter dem Horizont. Leichter Dunst lag über der Erde, als die Stewardeß das erste Frühstück reichte Im Flug schwand die Erde unter uns weg; doch 1 stets blieb im Osten hinter uns der eben über den Horizont aufsteigende Feuerball der Sonne. Bald stieg er aus den zurückliegenden Vogesen auf, bald schon aus dem weiten Atlantischen Ozean; höher herauf kam er nicht. In der Ferne stieg die "Küste von Neu­fundland auf. als die Stewardeß das zweite erste Frühstück auftrug Wir frühstückten bis über die Seen des Lorenzstromes. Weit­hin zu übersehen schwamm der kanadische Kontinent unter uns weg, im Osten stieg immer der rote Ball gerade herauf. Der Stille Ozean flog uns entgegen, die Sonne tanzte auf den Wellen des Meeres am Horizont Über der Insel Sachalin stand zum drittenmal vor uns daserste Frühstück.

Sibirien bedeckte natürlich ein dichter Mor­gennebel vor unsren neugierigen Blicken, bleich schaute die aufgehende Sonne durch Langsam kam Europa unter uns heran; es mag über Kiew gewesen sein, immer noch unter dem Nebelvorhang, wo wir abermals einen Morgenkaffee nahmen. In diesem Flug­zeug gibt es kein Mittagessen, sagte das be­dienende Fräulein, als wir über Ulm noch

eine letzte Rationerstes Frühstück dankend ablehnten. Wir landeten in Echterdingen, höh­nisch stand im Osten derselbe strahlenlose feurige Ball am Horizont-. Doch sieh, als wir nun zum Ausgang gingen und nach einem Wagen sahen, der noch keine 1000 Kilometer machte, da drangen sieghaft die Strahlen der Morgensonne durch, und man kann es nicht schöner sagen als mit Mörike: wie ein Gott, der Tag, beginnt im Flug die königlichen Flüge!

Der Traum war aber noch nicht aus. Da saß ich plötzlich im' Prüfungssaal, meine Maturi­tät zu beweisen Ist das nun immer noch fragte der Professor mit durchdringendem Bück derselbe Sonnenaufgang vom 19. Mai, mit dem sie aufgestiegen sind, oder ist, es der vom 20 Mai? Ist es derselbe geblieben; haben Sie einfach einen Tag kalenderlos dazwischen gelegt? Und wje, wenn Sie nun in dem Flug­zeug mit Sonnengeschwindigkeit einmal in der entgegengesetzten Richtung, ostwärts, flögen? Kehren Sie da nicht zurück in die Nacht, aus der die Sonne kommt, in die Vergangenheit? Hätten Sie nicht nach einem Rundflug umge­kehrt herum einen Tag rückwärts gelebt und höbe die Zeit sich selber auf?

Schweißtriefend erwachte ich. Schon strahlte die Morgensonne und es war wirklich die heutige, nicht die gestrige und nicht die mor­gige mir ins Bett herein und über das Haus donnerte der Motorenlärm eines frühen Flug­zeuges. G. B

Geretteter Weifenschatz

Kostbarkeiten der Berliner Museen in Wiesbaden

Das Wiesbadener Landesmuseum, das seit Jah­ren in dankenswerter Weise der Öffentlichkeit die Schätze der ehemaligen staatlichen Berliner Museen, die im Frühjahr 1945 von den Amerika­nern in thüringischen Salzbergwerken aufgefun­den und nach Wiesbaden übergeführt wurden, wie­der zugänglich macht, zeigte während derIn­ternationalen Maifestspiele neben einer Ausstel­lungDeutsche Landschaftsmalerei vom 15.19. Jahrhundert eine SammlungEuropäische Klein­

kunst. Es handelt sich hier vor allem um deut­sche, französische und italienische Goldschmiede­arbeiten, ferner Krönungsinsignien der früheren preußischen Könige und um andere Kunstwerke, die ihrer sakralen Bedeutung nach und durch ihre Beziehung zu historischen Persönlichkeiten hohen Wert besitzen. Im Mittelpunkt dieser Kol­lektion steht ohne Zweifel der berühmte Weifen­schatz, eine Sammlung kirchlicher Geräte aus Edelmetall, Email und Elfenbein von der vorro­manischen bis spätgotischen Zeit. Zu diesem Schatz, der zum Teil auf Heinrich den Löwen zu­rückgeht und sich bis zum Jahre 1930 im Besitz des Herzoglichen Hauses Braunschweig-Lüne- burg befand und später vom preußischen Staat erworben wurde, gehören das goldene Weifen­kreuz (Italien, Mitte des 11. Jahrhunderts), ein großes Kuppelreliquiar aus vergoldetem Kupfer mit farbigen Emails, Figuren und Reliefs aus Walroßzahn, ferner der berühmte Tragaltar des Eilbertus, eine Hildeshgimer Arbeit aus dem Jahre 1150, das Kopfreliquiar des Heiligen Bla­sius und zahlreiche andere Kostbarkeiten. Sie geben ein eindrucksvolles Bild von der Klein­kunst der hochromanischen Zeit und sind zu­gleich die letzten Bestandteile eines nichtkirch­lichen Schatzes, deren es heute so gut wie keine mehr gibt. Die Ausstellung wird bereichert durch Einzelslücke barocker Goldschmiedekunst Pari­ser. Frankfurter, Augsburger, Nürnberger und Danzlser Meister und durch Bildteppiche aus dem 12. bis 17. Jahrhundert, von denen beson­ders die des Großen Kurfürsten zu erwähnen sind. wn.

Für den Bücherfreund

Literaturgeschichte aus katholischer Sicht

Wilhelm Kahle, Geschichte der deutschen Dichtung. Regensburgsche Verlagsbuchhand­lung Münster, 564 S.

Wilhelm Kahle stellt sich mit offenem Visier, sagt ab jeder rein formalen Betrachtungsweise und bekennt offen, woran er Lob und Tadel messe, nämlich an derWürde und Wahrheit des Gottes-, Welt- und Menschenbildes, das in dichterischen Werken lebt. Seine Geschichte der deutschen Dichtung, eine sowohl wissenschaft­lich gründliche Arbeit, wie flüssig lebendige, ja außerordentlich fesselnde Darstellung, ist kein trockenes Lehr- oder Handbuch, sondern, aus

katholischer Sicht, eine neue Schau und neue Wertung, eine Antwort vor allem auf die Frage nach demVerhältnis des dichterischen Werkes zu den großen Ordnungsmächten von Welt und Menschheit, Volk und Vaterland, zu der überlie­ferten Satzung des Christentums und zur abend­ländischen Gesittung. -dt

Menschen im Rüstungslaboratorium

Nlgel Balcbln, Abteilung nc. Wolfgang- Krüger-Verlag GmbH., Hamburg 1951, 319 S.

Fesselnd wie ein Kriminalroman schildert der Engländer Nigel Balchin das nüchterne, phanta­sielose Geschehen in einem englischen Rüstungs­laboratorium des zweiten Weltkriegs. Balchin ist schon in seinem psychoanalytischen RomanDir kannst du nicht entfliehen als ein gründlicher Kenner der menschlichen Seele aufgefallen, und er wendet in Abteilung IIc sein Wissen mit viel Geschick auf die als poesielos bekannten Cha­raktere der Techniker und Wissenschaftler an. Ehrgeiz, Dünkelhaftigkeit und Mißgunst führen zu einem unablässigen Streit der Kompetenzen, der die gesamte Rüstung zu lähmen droht und den wenigen Männern, die glauben, einer guten Sache zu dienen, das Leben zur Hölle macht. Die Sprache Balchins ist alltäglich und stellt wenig Ansprüche, zeichnet sich dafür aber durch ihre große Ehrlichkeit aus. hjs.

Eine Bodenseegeschichte

P. Häßl»r-Rinck.Vorfrühling. Stein­kopf-Verlag, Stuttgart 1951. P4 Seiten. DM 3..

Vorfrühling, so heißt diese beschwingte Ge­schichte, die sich vor fast anderthalb Jahrhun­derten in einem Städtchen am Bodensee zutrug und sicher jedem Leser eine Freude bereiten wird. m.

Die kürzlich eröffnete Sonderausstel­lung im Marbacher Schiller-Nationalmuseum umfaßt Lebenswerk und Lebenskreis der in den letzten zehn Jahren verstorbenen schwäbischen Dichterinnen und Dichter: Isolde Kurz, Anna Schieber, Dr. Owlglaß (H. E. Bleich), Karl Stir- ner, Max Reuschle, Bruno Frank und Karl Voll­möller. Die unlängst verstorbene Schriftstellerin Auguste Supper ist in der Ausstellung noch nicht vertreten.