HEIMATBLATT FÜR

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STADT UND LAND

FREITAG, 1. JUNI 1951

ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG

7. JAHRGANG / NR. 83

Appell der Westmächte an UdSSR Vierer-Konferenz Ende Juli?

Toter Punkt der Pariser Vorkonferenz soll überwunden werden

PARIS. Die drei Westmächte haben am Don­nerstag der Sowjetunion in einer Note vorge­schlagen, die Außenminister der vier Groß­mächte sollten Ende Juli in Washington Zu­sammenkommen, um den Versuch zu unter­nehmen, die herrschenden Spannungen in Eu­ropa zu verringern. Die Note, die von den Au- ßenministerstellvertretern der USA, Großbri­tanniens und Frankreichs unterzeichnet ist, soll den toten Punkt in den Beratungen der Außenministerstellvertreter über die Tages­ordnung der geplanten Außenministerkonfe­renz überwinden.

Eine Zweitschrift der Note, deren Text von den Außenministern der drei Westmächte ein­stimmig gebilligt wurde, ist dem sowjetischen Außenministerstellvertreter Gromyko auf der 84. Sitzung der Pariser Vorkonferenz am Don­nerstagnachmittag übergeben worden.

Nach vorliegenden Informationen haben die Westmächte ihre Hoffnung zum Ausdruck ge­bracht, daß es zu der Außenministerkonfe­renz kommen werde, und darauf verwiesen, daß die Tagesordnung für ein solches Treffen neutral sein müsse und keine Punkte enthal­ten dürfe, die offensichtlich aus propagandi­stischen Gründen aufgenommen werden soll­ten.

Das letzte Hindernis, das einer Einigung der Außenministerstellvertreter noch im Wege steht, ist die sowjetische Forderung, im Rah­men der Beratungen überdie Ursachen der internationalen Spannungen auch den Nord­atlantikpakt und das Vorhandensein ameri­kanischer Stützpunkte in Ubersee zu behan­deln. Die Westmächte lehnen diese Forderung mit der Begründung ab..daß die Sowjetunion

nicht dem Atlantikpakt angehöre und mit ihm nur zu tun haben werde, falls sie eines seiner Mitglieder angreife. Wenn sich die Westmächte entschließen sollten, der sowjetischen Forde­rung auf Beratung des Atltantikpakts stattzu­geben, bliebe noch die Reihenfolge der Punkte auf der Tagesordnung sowie Zeit und Ort der Konferenz festzulegen.

Persien lenkt ein

Angebot einer Verlustentschädigung

TEHERAN. Persien ist bereit, die anglo- iranische Erdölgesellschaft für Verluste zu entschädigen, die durch die Nationalisierung dieses Unternehmens entstehen könnten. Per­sien hat diese Bereitschaft in einer Denkschrift zum Ausdruck gebracht, die am Mittwoch in Teheran dem Delegierten der anglo-iranischen Erdölgesellschaft, Richard S e d d o n, von dem persischen Finanzminister Mohammed Ali Warastek überreicht wurde.

In der Denkschrift heißt es ausdrücklich, daß Persien in keiner Weise Rechte verletzen wolle, und daß die Nationalisierung des Erdöls den früheren Käufern und Verbrauchern keine Verluste bringen werde. Von der persischen Regierung solle ein Verwaltungsrat von drei Personen ernannt werden, der vorläufig die Verwaltung der Gesellschaft wahmimmt. So­lange keine besonderen Bestimmungen erlas­sen sind, sollen die Anordnungen der früheren anglo-iranischen Erdölgesellschaft in Kraft bleiben. Unmittelbar nach der Veröffentlichung des Schriftstückes erklärte Ministerpräsident Mossadeqin einem Interview, Persien habe nicht die Absicht, die Verstaatlichung mit Waf­fengewalt zu erzwingen.

Positives Echo der Bonner Saardebatte

Zurückhaltung in Frankreich / Schweiz: Achtungserfolg Dr. Adenauers

PARIS. Die Bundestagserklärung Dr. Ade­nauers über die Saar fand bisher noch keine amtliche französische Kommentierung. Der ge­mäßigte Ton der Erklärung wird jedoch aner­kannt. Man unterstreicht in Paris die Fest­stellung des Bundeskanzlers, nichts dürfe die Bemühungen hindern, gute Beziehungen zwi­schen Frankreich und Deutschland herzustel­len. Allerdings habe bis zum Friedensvertrag Frankreich die Aufrechterhaltung des gegen­wärtigen Zustandes im Saarland zn garantie­ren.

Der französische Außenminister Robert 8 c hum an erklärte, die Saarfrage sei keine inseitige Angelegenheit zwischen Frankreich und Deutschland. Der endgültige Status des Saargebiets werde im Friedensvertrag festge­legt werden, bei dem die Bevölkerung des Saargebiets und die anderen am Vertrage be­teiligten Mächteein Wort mitzusprechen ha­ben werden.

In der französischen Presse klingt die Auf­fassung an, daß sich Bonn jetzt stärker fühle, weil der kürzliche Besuch Morrisons den Ein­druck hinterlassen habe, England wolle jetzt wieder seine traditionelle Politik der wechseln­den Unterstützung der beiden Kontinental­mächte betreiben Gleichzeitig verlautet aber, daß Frankreich beschlossen habe, auf verschie-

Grubenunglttcb bei Hamm

11 Vermißte und 24 Verletzte

ESSEN. Eine schwere SchlagwetterexplO'

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Bundespi äsident Prof. H e u ß , Bundeskanzler Dr. Adenauei , der amerikanisch ..oh' < m-

missar McCIoy, der Rektor der Freien Universität Berlin, v. Kreß , und der Rektor der Bon­ner Universität, Friesenhahn, wurden in der Aula der Universität Bonn von dem Präsiden­ten der amerikanischen Universität Maryland mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet. V. I. n. r.: Prof. Heuß, McCloy, Dr. Adenauer und v. Kreß nach der Verleihung der Ehrendoktorwürde. A P

Bemerkungen zum Tage

dene im letzten Saarabkommen vom I. Januar vorgesehenen Maßnahmen zu verzichten, so auf die Ernennung des französischen Hohen Kommissars Grandval zum Botschafter, weiter auf die Errichtung saarländischer konsulari­scher Vertretungen im Ausland, sowie auf die Übertragung der Verantwortung für die Si­cherheit auf die saarländische Polizei.

Während die SchweizerBasler Nachrichten die Saardebatte, die für die Regierung zu einer ernsthaften Schwierigkeit zu werden drohte, als einen überraschenden Achtungserfolg Dr. Adenauers kennzeichnen, fordert der englische konservativeDaily Telegraph eine größere demokratische Bewegungsfreiheit für die Saarbevölkerung. Das Blatt empfiehlt Frank­reich, keinen weiteren Nachdruck auf die Los­trennung des Saarlandes von Deutschland zu legen. DieStimme Amerikas brachte zum Ausdruck, daß die freie Welt von allen Seiten und nicht nur von Deutschland die aufrichtige Mitarbeit an der europäischen Gemeinschaft erwarte. Über die Saardebatte im Bundestag, über die grundsätzliche große Rede des Bun­deskanzlers, sowie über die Saamote der Re­gierung berichten wir auf unserer Seite 2.

16. September Abstimmung

BONN. Bundesinnenminister Dr. Lehr hat den 16. September als Tag der Südweststaat- Abstimmung festgelegt. Dieser Termin wurde am Donnerstag im Bundesanzeiger bekannt­gegeben. Nach dem vom Bundestag verabscbie-

Bestürzung und Holtnung

hf. Die Saardebatte des Bundestages verlief nicht in einer Atmosphäre des Protestes, son­dern der Bestürzung. Zwischen den Zeilen der Regierungserklärung stand die Enttäuschung zu lesen, daß ein Brief gerade des französi­schen Außenministeriums die akute Krise ln einer Situation der politischen Entwicklung auslöste, in der durch den Schumanplan eine reale Grundlage für die deutsch-französische Verständigungr-geschaffen werden sollte.' Die Bundesregierung erbrachte mit der erneuten Betonung unserer Bereitschaft zur Konsolidie­rung der Spannungen eineVorleistung, die Paris hoch einschätzen sollte. Aber an dem von Schuman provozierten Tatbestand der Koppe­lung von Saarfrage und Schumanplan ändert auch die goldene Brücke nichts, die Adenauer für eine Korrektur des DPS-Verbots gebaut hat, um an der Saar zu einer Wiederherstel­lung der demokratischen Freiheit und der Aufhebung des DPS-Verbots zu kommen. So ist es zweifelhaft, ob sich im Bundestag eine Mehrheit für die Ratifizierung des Schum an- plans finden wird. Adenauer sprach das Beste­hen dieser Koppelung nicht aus, aber sie be­stimmte seine Erklärung. Sprecher der Regie­rungsfraktionen brachten es dann deutlicher zum Ausdruck, wobei auch ihre Worte auf das Unbehagen über die nun gegebene Lage die Bonn nicht gebilligt hat anspielen. Die so­zialdemokratische Opposition argumentiert vor allem gegen Paris. Sie hat damit das Miß­trauen, das Schuman in Bonn gegenüber den letzten Zielen der Saarpolitik heraufbeschwor, bereits zu einer politischen Stellungnahme ge­macht. Adenauer, der nicht nur aus taktischen Gründen der Saarbrücker Regierung die Schuld an der gegenwärtigen Spannung gab, hat diese Stellung nicht bezogen. Hoffen wir, daß er nie ln ein Mißtrauen gegenüber den französischen Nachbarn getrieben wird. Die Wirkungen auf die Politik der Integration Europas wären groß. Paris sollte diese Gefahr rechtzeitig er­kennen und das Bemühen der Bundesregierung um den Status quo unterstützen.

Voreiliger Optimismus

jk.Nur Umsatzsteuererhöhung wußten einige Blätter im Zusammenhang mit den in

Besatjungskosten an erster Stelle

Bundeshaushaltsplan 1950/51 weist Defizit von 115 Millionen DM auf

Ion ereignete sich am Donnerstagmorgen auf deten Gesetz über die Neugliederung im süd- Bonn geführten Steuergesprächen gestern zu der ZecheHeinrich Robert in Herringen bei westdeutschen Raum war die Terminfestset- melden. Das hat sich wieder einmal als vorei- Hamm in Westfalen. Bisher konnten 24 Ver- zung Aufgabe des Ministers. liger Optimismus erwiesen. Zwar soll die Um­

letzte geborgen werden, 11 Bergleute wer­den noch vermißt. Die Rettungsarbeiten auf der Steinkohlenzeche mußten wegen des noch wütenden Feuers eingestellt werden. Die Hoff­nung auf Rettung der noch eingeschlossenen Bergleute ist aufgegeben worden.

Die Explosion entstand bei der Bekämpfung «ines* Grubenbrandes, der schon in der Nacht »um Mittwoch ausgebrochen war

Weltaimee bis 1951 ?

Ohne Rücksicht auf die Sowjet-Vetos new YORK. Die erste wirkliche UN-Armee, die jeder künftigen Aggression sofort entge- fsnzutreten hätte, soll bis Ende 1951 stehen, verlautet aus gutunterrichteten Kreisen der Westmächte am New Yorker UN-Sitz. Mit der Bildung einer solchen Armee würden sich die Vereinten Nationen über die sowjetischen Ve­tos hinwegsetzen, die eine derartige Maß­nahme in den vergangenen fünf Jahren ver­hindert haben. Besonders den USA soll an der Aufstellung einer UN-Streitmacht viel gelegen $in, damit sie in Zukunft etwaigen neuen Ag­gressionen nicht allein entgegentreten müssen.

Lange und schwierige Verhandlungen, die be­sonders mit Großbritannien und Frankreich geführt wurden, stehen vor dem Abschluß.

BONN. Der Bund hat im Haushaltsjahr 1950/51, das mit dem 31. März abschloß, J1.872 Milliarden DM ausgegeben. Dem stehen Ein­nahmen von 11,757 Milliarden DM gegenüber, so daß sich ein Defizit von 115 Millionen DM ergibt.

Bei den Ausgaben stehen die Besatzungsko­sten mit 4,3 Milliarden an erster Stelle, die sozialen Kriegsfolgelasten erforderten 3,13 Mil­liarden und die sonstigen Soziallasten 1,78 Milliarden DM. Berlin erhielt vom Bund eine Finanzhilfe von über 512 Millionen DM. Für den Bedarf der Verwaltungen, für Gehälter und Löhne, wurden 318,5 Millionen DM (das entspricht 2,7 Prozent der gesamten Bundes­ausgaben) aufgewendet.

Die Investitionen des Bundes erreichten über 667 Millionen DM, davon 391 Millionen allein für den Wohnungsbau. Für Erhaltung und Ausbau der Verkehrswege wurden 174 Millionen aufgewendet Subventionen zur Ver­

billigung der Lebenshaltungskosten erforder­ten 463 Millionen DM.

Unter den Bundeseinnahmen sind die Um­satz- und Beförderungssteuem mit 5,16 Mil­liarden DM am höchsten. Zölle und Verbrauchs­steuern brachten 4,3 Milliarden, das Notopfer Berlin 379 Millionen und der Münzgewinn 3,6 Millionen DM. An Verwaltungseinnahmen kamen 315 Millionen em. Von den im Bun­deshaushaltsplan angekündigten Anleihen von 800 Millionen DM konnte bisher keine reali­siert werden.

Der Haushaltsausschuß des Bundestages hat dieser Tage beschlossen, in das Gesetz der Bundeswirtschaft für Lebensmitteleinfuhren auch die Vorratshaltung von Eiern und Zuk- ker aufzunehmen. Das Gesetz ermächtigt den Bundesfinanzminister, Bürgschaften bis zu 900 Millionen DM für Kredite zu überneh­men, die von einer deutschen Bankengruppe für die Finanzierung von Lebensmitteleinfuh­ren zur Vorratshaltung gegeben werden.

satzsteuer nicht über 4 Prozent erhöht wer­den (siehe auch unsere Meldung aus Bonn). Dafür aber erscheint die Sonderumsatzsteuer frisch und fröhlich wieder. Sie heißt nunLu­xussteuer, hat also ihren alten Namen wie- dertfekommen. Sämtliche Luxusgüter soll sie belasten; vomgehobenen Bedarf ist nicht mehr die Rede. Jetzt darf man gespannt sein, welche Warengruppen gesetzlich zum Luxus erklärt werden. Uber die Sätze verlautet vor­läufig noch nichts; fest steht nur, daß die Steuer jährlich 100 Mill. DM einbringen soll.

Der Gedanke einer Sonderbesteuerung be­stimmter Warengruppen ist offenbar nicht aus­zurotten, so bedenklich die Folgen sozial- und wirtschaftspolitisch auch sein mögen. Daß neuerdings der Kreis der belasteten Waren nicht mehr kraft Verordnung durch die Regie­rung festgelegt, sondern direkt im Gesetz ver­ankert werden soll, ist dabei nur ein schwa­cher Trost. Und der Verweis auf ähnliche Ein­richtungen in England und Frankreich kann keineswegs überzeugen, denn in England ist das Volkseinkommen wie wir im Wirt­schaftsteil dieser Ausgabe darstellen dop­pelt so hoch und in Frankreich 50 Prozent hö­her als in der Bundesrepublik, die Steuerkraft dort also wesentlich größer als im ausgepreß­ten Westdeutschland. Dieses Mißverhältnis wird nach Einführung der Sonderbesteuerung noch krasser werden, denn Arbeitslosigkeit in den betroffenen Industrien wird die unwei­gerliche Folge sein. Und nach der Einnahmen­erwartung wird es sich entweder um sehr zahlreiche Warengruppen handeln, oder die Steuersätze müssen so radikal sein, daß sie schlechthin prohibitiv wirken.

Populäre Wissenschalt

Ih. Wissenschaftliche Arbeit und Journalis­mus sind nur schwer unter einen Hut zu brin­gen. Die daraus entspringenden Probleme, wie die Exklusivität unserer Forschungsstätten, in­sonderheit der Hochschulen, aber auch die mangelhafte und oft unrichtige, weil nicht vom Wissenschaftler selbst verfaßte Darstellung der Ergebnisse dieser Arbeit, beschäftigen sowohl den Forscher als auch den Journalisten immer wieder aufs neue.

Viele Zeitungen haben den Wunsch, über Fragen aus dem Bereich wissenschaftlicher Forschung möglichst aus erster Hand orientiert zu werden. In diesem Wunsch liegt zugleich die Forderung nach populärer Darstellung. Hier ist nun der Punkt, an dem leider allzuoft Journalismus und Forschung nicht Zusammen­kommen können. Das liegt nicht allein an der Scheu mancher Wissenschaftler, über ihre Ar­beit vor einem nichtsachverständigen Publi­kum zu berichten, und das liegt auch nicht nur an der vielfach zu beobachtenden mangelnden Fähigkeit der Forscher, zu vereinfachen, weg­zulassen und ein ganzprimitives Deutsch zu schreiben (vielleicht) wegen der gegenüber dem Gegenstand gebotenen Pflicht zur Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit). Daran sind oft auch die Journalisten selbst schuld, die vergessen, daß es in allen Wissenschaftsgebieten Probleme gibt, die sich weder durch Worte, noch durch Bilder popularisieren lassen.

Gerade deshalb erscheint uns die Art, wie sich der neue Rektor der Universität Tübin­gen, Prof. Dr. Thielicke, bemüht, durch persönliche Gespräche zwischen Wissenschaft­lern und Journalisten beider Lebens- und Arbeitssphären zu erhellen und damit zu einer richtigen Abschätzung der Möglichkeiten zu kommen, Wissenschaftler als Autoren oder In­formatoren der Tagespresse heranzuziehen, als ein beachtenswerter Versuch, Universität und Forschung aus ihremGhetto zu befreien.