MITTWOCH, 8 0. MAI 1951

WIRTSCHAFT

NBXNII II

Grenzen der westdeutschen Produktionsumstellung

ECA kritisiert westdeutsche Kreditpolitik / Amerikanisches Tempo ln der Bundesrepublik nicht anwendbar

Aufstand der Selbsthilfe

Die durch die Korea-Krise ausgelösten Preis­steigerungen ebben langsam ab. Die Weltmarkt­preise zeigen Stabilisierungstendenz, sind teil­weise sogar schon rückläufig; bei den westdeut­schen Inlandspreisen machen sich die Kreditver­knappungsmaßnahmen der Zentralbank in glei­cher Richtung bemerkbar. Es scheint also durch­aus, als sei es der westlichen Welt im Zuge ihrer Aufrüstungswelle gelungen, der schweren Wahl Butter oder Kanonen" erfolgreich auszuweichen und beides miteinander zu vereinbaren.

Das hindert allerdings nicht, daß gerade unsere westdeutsche Wirtschaft, trotz ihrer Armut mit zusätzlichen Rohstoffexportauflagen und bislang auch Produktionsbeschrankungen belastet, insbe­sondere bei Kohle und Stahl unter ernsthaften Engpässen zu leiden hat, die den Leiter der ECA-Mission in Deutschland, Jean C a 11 i e r, zu recht deutlichen kreditpolitischen Empfehlungen an den Zentralbankrat veranlaßten. Für Cattier handelte es sich bei den bisherigen Kreditver­knappungsmaßnahmen des Zentralbanksystems nicht nur um eine verspätete, sondern auch um eine unzureichende Maßnahme, so daß er eine nochschärfere und straffere Kreditkürzung einerseits, andererseits zum Ausgleich dieser Ver­knappung eine großzügige Kreditgewährung der Notenbank an alle für die westliche Verteidigung wichtigen Industrien vorschlug.

Das Motiv der ECA, die im übrigen den west­deutschen Marshallplanwünschen bisher stets verständnisvoll entgegengekommen ist, besteht sehr eindeutig in dem Bestreben, den westdeut­schen wirtschaftlichen Verteidigungsbeitrag so schnell und so groß wie möglich in die Tat um­zusetzen. Aber hierzu muß doch ganz entschieden folgendes festgestellt werden:

1. Die Einmischung der ECA erfolgte Mitte April, also zu einem Zeitpunkt, als von deutscher Seite in Form einer Gemeinschaftshilfe der deut­schen Wirtschaft bereits konkrete Schritte unter­nommen wurden, um die erforderlichen Investi­tionen der notleidenden Grundstoffindustrien zu sichern und damit die bestehenden Engpässe zu überwinden. Die ECA empfahl also in dieser Richtung noch eine zusätzliche Kreditgewährung, nicht etwa lediglich eine bloße Vorfinanzierung, die auch äußerst unpraktisch gewesen wäre und das Zentralbanksystem mit einem Packen schwer .absetzbarer Wertpapiere belastet hätte.

2. Es erscheint durchaus fehl am Platze, der­artige Empfehlungen an den Zentralbankrat zu richten, da die Währungspolitik nicht die Wirt­schaftspolitik, sondern eher diese die Währungs­politik bestimmt, und für die Wirtschaftspolitik wiederum das sogenannte Wirtschaftskabinett der Bundesregierung verantwortlich zeichnet. Ent­sprechend hat auch der Präsident des Zentral­bankrates, Bernard, jetzt sehr zurückhaltend zu dem Schreiben der ECA Stellung genommen.

3. Die amerikanische Wirtschaftspolitik in Deutschland war bisher leider weniger an den verwickelten westdeutschen Verhältnissen aus­gerichtet als an der großräumigen Struktur der heimischen USA-Wirtschaft. Der energische Pro­duktionsumbau, der heute in den USA stattfln- det und dessen Methoden demnächst an anderer .Stelle erörtert werden sollen, kann unmöglich in

einem Lande nachgeahmt werden, dessen indu- Verteidigungsbeitrages kann nun einmal nicht, strielle Produktion so eng ineinander verflochten wie sich die ECA anscheinend vorstellt, beliebig ist und dessen Arbeitskräfte, insbesondere auf Grund der schwierigen Wohnverhältnisse jo schwer beweglich sind, wie es in Westdeutsch­land der Fall ist.

4. Die den Geschäftsbanken von dem Zentral­bankrat befohlene Rückführung des Kreditvolu­mens um 1 Mrd, DM hat sich in den letzten Wo­chen sehr verlangsamt und hat entweder bei eini­gen Unternehmern zur Kredithortung, oder aber ?u einem Rückgang der Beschäftigung, z. B. in dem ausgeprägten Industriegebiet Nordrhein- Westfalens, geführt. Die von Cattier vorgeschla­gene zusätzliche Geldverknappung würde also Zweifellos in den betroffenen Wirtschaftszweigen Liquiditätskrisen und Arbeitslosigkeit verur­sachen. Wäre das nicht der Fall, so müßten ande­rerseits die von der ECA gleichzeitigzum Aus­gleich vorgesehlagenep Investitions- und Be­triebskredite an die Grundstoff- und sonstigen verteidigungswichtigen Industrien unweigerlich die gerade erst gehemmten inflationistischen

dt Hilfe des Kreditventils gesteuert werden. Vielmehr müssen sich die Kreditspannen, wenn es nicht zu ernsthaften Störungen kommen soll, nach den produktionstechnischen Voraussetzun­gen des erforderlichen Betriebskapitals richten. Der Ansatzpunkt für eine den europäischen Ver­teidigungsinteressen entsprechende westdeutsche Kreditpolitik liegt keineswegs in der schroffen Verweigerung auf der einen, und großzügiger Ge­währung betriebsnotwendiger Kredite auf der anderen Seite, und damit in der Begünstigung einerdeflationistischen Inflation, sondern nur in der endlichen Wiedereinschaltung eines ver­bindlichen Preisregulators, wie ihn die Freigabe des langfristigen Zinssatzes ermöglichen würde. Hier wäre allerdings eine Empfehlung der ECA wesentlich wichtiger gewesen, wenn sie sich auch nicht an den Zentralbankrat, sondern an das Fi­nanzministerium hätte richten müssen. Aber ge­rade an einer solchen Zinserhöhung und damit einer Verteuerung der Produktionskosten, ins-

Rrelsstelgerungen aufs neue auslösen und damit besondere auch der begehrten westdeutschen auch neue Lohnerhöhungen unabwendbar machen. Exportgüter, hätte wohl auch die ECA nicht das Das Tempo und die Größe des westdeutschen geringste Interesse. Dr. A. H.

Wirtechaftßsyleg^l

Preiserhöhungen spätestens ab 1. Juli

FREIBURG. Auf dem 78, dischen GenoMÖnscHiftsva litzsch, der Über dqs Wo äußerte sich der badisi W o h 1 e b in sehr markanter schaftspolitischen fragen. Sr samtdeutschen Charakter des mutig dgn durch die Besäte - wls

fenen Graben zwischen öbelfland land übersprungen habe. Ah die der gewerblichen Genossenschaften merkte Wohieb, daß die ftegierung eine Verbrei­terung und Vertiefung des Genoss danken? in Baden erevarte, die auch samte Bundesrepublik zum Vorblid unc gen der Demokratie wünschenswert Zum zweiten erwarte man von de; schäften denAufstand der Selbsthi den Ailesverscminger, auch wenn es sei. Trotz freier Wirtschaft sei® w: auf dem Wege zu einer Plan ~ Zwangswirtschaft, denn die steuere-

verbunden sei. Dies sei eine geftfSrliche Entwick­lung, welche die in anderem Geist erlogenen Genossenschaften verhindern helfen müßten.

jk. Die Betonung des BatS&heh

rakteps des BaOisiheh qjSiög« Sdiultze-Delitzsd) (die Schultz® senschaftsverbände sind ja eine al sehe Einrichtung und nicht auf das beschränkt) sollte map nicht allzu

[esamtbadischen Cha- isien

BONN. Wie die Bundesregierung dem Bun­desrat mitgeteilt hat, sollen Brot, Zucker, Milch, Butter und Margarine spätestens ab 1. Juli teu­rer werden.

Konsumbrot soll von zurzeit 49 Pfennig auf 64 Pfennig je kg steigen, Zucker von 1.14 DM auf 1.40 DM je kg, Margarine von 2.34 auf 2.80 DM je kg. Nach den bereits beschlossenen Preiserhöhungen für Milch und Butter wird das Kilogramm Butter künftig 6.26 DM anstatt wie bisher 5.84 DM kosten, der Liter Milch steigt im Preis um 3 Pfennig an.

Die Gesamtverteuerung für eine Arbeiterfami­lie mit zwei Kindern wird von der Bundesre­gierung mit knapp 12 DM im Monat angegeben, doch wird darauf hingewiesen, daß hierin nur die Verteuerung berücksichtigt ist, die sich aus den Preiserhöhungen für Brot, Zucker. Milch, Butter und Margarine ergibt.

TÜBINGEN. Neuer Tarif für Metallindu­strie. Das Arbeitsministerium von Württemberg- Hohenzollem registrierte am Montag das neue Lohnabkommen für die Metallindustrie. Danach wird ab der ersten Lohnwoche im Juni der Eck­lohn, der zurzeit 1.30 DM beträgt, auf 1.35 DM erhöht.

BONN. Entscheidung über neue EZU-Quo- ten nicht vor August. Mit einer Entscheidung über die künftige Höhe der deutschen Kredit­linie bei der Europäischen Zahlungsunion ist nach Informationen aus Kreisen der Bundesre­gierung nicht vor August dieses Jahres zu rech­nen. Die Verwaltung der EZU habe bei der Bun­desregierung Unterlagen über die westdeutsche Handels- und Zahlungsbilanz sowie über die

Kühle Aufnahme

Europäische Staaten wollen nichts von Währungsmanipulationen wissen

GENF. Der Vorschlag der UN-Wirtschaftskom- mission Europa (ECE), die europäischen Wäh­rungen wiederaufzuwerten (vergleiche unsere Meldung in Nr. 81 vom 28. Mai, Seite 2), indem die Notierung des USA-Dollars um 30 Prozent gesenkt werde, hat nach den bisher vorliegen­den in- und ausländischen Stimmen eine kühle Aufnahme gefunden. Die Kalkulation der ECE, nach der auf diese Weise die Einfuhrpreise in Europa im ganzen um etwa 20 Prozent und in einzelnen europäischen Ländern um mindestens 15 Prozent fallen würden, erscheint den euro­päischen Ländern offenbar nicht reizvoll genug, ein solches Experiment zu wagen.

Aus Kreisen der Londoner City verlautet, daß sich der Standpunkt der britischen Regierung zu einer Aufwertung des Pfund Sterling nicht

geändert habe und den verschiedenen Dementis nur noch ein neues hinzugefügt werden könne: Eine Aufwertung sei nicht beabsichtigt. In deutschen Regierungskreisen wird der Empfeh­lung der ECE keine praktische Bedeutung zuge­messen; man weist darauf hin. daß gerade in der Bundesrepublik Währungsmanipulationen kein geeignetes Instrument seien, die wirtschaft­liche Entwicklung zu beeinflussen. In Paris hat der Vorschlag der ECE ebenfalls eine kühle Aufnahme gefunden. Nur Dänemark erklärte durch seinen Finanzminister Kristensen, daß die Unausgeglichenheit der dänischen Zah­lungsbilanz durch eine gemeinsame Währungs­aufwertung zum Teil korrigiert werden könne und daß man demgemäß eine Aufwertung der europäischen Währungen begrüßen würde.

Ex- und Importlage der Bundesrepublik und' die sich nach Ansicht der Bundesregierung aus der gegenwärtigen wirtschaftspolitischen Konstella­tion in Zukunft ergebende Entwicklung ange­fordert.

KÖLN. Besatzungsangehürige sollen beim Einzelhandel kaufen. Das Bundeswirtschaftsmi­nisterium hat das Bundesministerium für aus­wärtige Angelegenheiten gebeten, sich bei der alliierten Hohen Kommission für die Beseitigung der besonderen Einrichtungen zur Warenver­sorgung der Besatzungsangehörigen einzuset­zen.

BONN. 9000 Devisenstrafverfahren In einem Jahr. Wie das Bundesfinanzministerium mittem, haben die Devisenüberwachungsstellen der Fi­nanzverwaltung in den letzten 12 Monaten 8966 Devisenstrafverfahren eingeleitet. Davon wur­den allein in der Zeit vom 1. Februar bis 30. April 1951 4600 Verfahren anhängig gemacht.

BONN. Ersatzverfahren für Dollar-Bonus gefordert. Die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft sprachen sich In einer Sitzung im Bundeswirtschaftsministerium dafür aus, daß der Ende Juni ablaufende Dolarbonus von einem entsprechenden Ersatzverfahren abgelöst werde.

FRANKFURT. BdL fordert Normalisierung der Einfuhrausschreibungen. Die Ausschreibun­gen für die Einfuhren aus dem EZU-Raum müßten wieder in einen normalen Rhythmus ge­bracht und dem inzwischen etwas erweiterten Devisenspielraum angepaßt werden, fordert die Bank deutscher Länder. Rasches Handeln sei er­forderlich, damit sich nicht aus weiteren Ein- fuhrstockungen ungünstige Rückwirkungen auf die Exportproduktion ergeben.

BONN. Verschiebung der Einfuhren. Der Gesamtwert der Einfuhr des Bundesgebiets ging nach endgültigen Angaben des Statistischen Bundesamtes von 1258 Millionen DM im März auf 1079 Millionen DM im April zurück, was einer Abnahme um 14,2 Prozent entspricht. Die Einfuhr aus den am Marshaliplan teilnehmenden Ländern verminderte sich infolge der Einfuhr­beschränkungen und den Liberalisierungsstop dabei um 31,4 Prozent, während die Einfuhr von Erzeugnissen aus dem nicht gm Marshallplan teilnehmenden Ländern um 10 Prozent stieg.

WIEN. Verdoppelung des Stromverbrauchs in Österreich. Die gesamte österreichische Ener­gieerzeugung 1950 betrug 6351 Millionen kWh, 3500 Millionen mehr als 1937. Für die Öffentliche Elektrizitätsversorgung standen davon 3717 Mil­lionen kWh zur Verfügung, 12,3 Prozent mehr als 1949. Durch die Fertigstellung neuer Wasser­kraftwerke konnte die Energieleistung um 393,7 Millionen kWh erhöht werden. Die fortschrei-

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Devisenbewirtschaftung begünstigt Inflation

WASHINGTON. Viele Länder seien trotz aller Hindernisse in der Lage, ihre Beschränkungen des Devisenverkehrs zu lockern oder sogar auf­zuheben und auf diese Weise dem Ziel der Kon­vertierbarkeit der Währungen näherzukommen, erklärt der Internationale Währungsfonds in einem zweiten Jahresbericht. In ihm wird die Ansicht geäußert, daß Devisenbeschränkungen grundsätzlich die inflationistischen Tendenzen innerhalb jeeles Landes fördern, weil sie unwirt­schaftliche Produktionen unterstützen und den freien Zugang zum ausländischen Warenangebot hemmen.

tende Elektrifizierung zeigt sich in dem Ener­gieverbrauch von 9Ö7 kWh pro Kopf der Be­völkerung im Jahre 1950 gegenüber 428 kWh 1937. Allein die Industrie verbrauchte 1950 25 Prozent mehr Strom als im Vorjahr.

KÖLN. Industrie fordert deutsche Kohle­hoheit. Der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Industrie, Fritz Berg, hat Bundes­kanzler Adenauer in einem Telegramm ge­beten, unverzüglich Schritte zu unternehmen, um die deutschen Hoheitsrechte in der Kohle­verteilung wiederherzustellen und den Kohien- export auf die Interessen der deutschen Wirt­schaft abzustimmen.

TÜBINGEN. Betriebsstillegungen Betriebs­neugründungen. Nach Unterlagen des Ländessr- beitsamtes Tübingen wurden in Württemberg- Hohenzollern im vergangenen Monat 3 Betriebe neu gegründet, und zwar das Werk Talheim, Kreis Tübingen, der Trikotwarenfaljrik Walter Bitzer, Tailfingen; die Knopffabrik Paul Poppe, Reutlingen, und die Trikotwarenfabrik Edmund

Imhof, Sigmaringen. Endgültig stillgelegt wur­den gleichzeitig ein Betrieb für Wäschefabrikation in Ebingen und eine Färberei in Klßlegg.

TÜBINGEN. Steuerliche Behandlung von Reisekosten. Die Oberfinanzdirektioh Tübingen hat in einem zweiten Runderlaß neue Anord­nungen über die Pauschalierung der Reisekosten von Arbeitnehmern bei der Lohnsteuer getrof­fen, die ab 1. Janygir 1951 gelten ynd ipi Wort­laut im Staatsanzeiger vom 30. Mai veröffent­licht werden.

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