HEIMATBLATT FÜR

STADT UND LAND

MITTWOCH, 33. MAI 19.H1

ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG

7. JAHRGANG / NR. 79

Morrison nach Wien abgereist Volle Uebereinstimmung

Deutschlandbesuch verbessert das britisch-deutsche Verhältnis

BONN. Der britische Außenminister Her­bert Morrison flog nach viertägigem Auf­enthalt in der Bundesrepublik am Dienstag­vormittag nach Wien ab, wo er sich zwei Tage aufhalten wird, um anschließend nach Lon­don zurückzukehren. Zu seiner Verabschie­dung hatten sich auf dem Flugplatz Wahn bei Köln der britische Hohe Kommissar, Vize­kanzler Blücher und Staatssekretär Prof. Hallstein eingefunden.

Am Montagabend hatten der Bundeskanzler und der britische Außenminister nochmals eine mehrstündige Unterredung. In einer 3Vä- stündigen Aussprache legte der Vorsitzende der SPD, Dr Schumacher, den Standpunkt der SPD zur politischen Lage der Bundes­republik dar und erläuterte insbesondere die Haltung der SPD zum Schumanplan. Auch die Entwicklung des Rechtsradikalismus wurde besprochen.

In einer Pressekonferenz bezeichnete Bun­deskanzler Dr. Adenauer den Besuch Mor­risons als einen großen Fortschritt für die Bundesrepublik auf der internationalen Ebene. Er habe mit dem britischen. Außen­minister in den meisten,wahrscheinlich so­gar in allen Punkten volle Übereinstimmung erzielt.

Der britische Außenminister erklärte, nach dem erfolgreichen Verlauf seiner Unterhal­tungen mit den führenden Persönlichkeiten der Bundesrepublik sei es von großer Be­deutung, daß die hergestellte persönliche Füh­lungnahme auf höchster Ebene fortgesetzt werde. Deshalb habe er auch den Bundes­kanzler zu einem Besuch nach England ein- geladen. Seine Reg ierung hoffe,in sehr naher 2uk.tmrr den Kriegszustand mit Deutschland zu beenden. Es sei seit langem ein Ziel der britischen Politik, die Hindernisse aus dem Wege zu räumen, die einem freundschaftlichen Verhältnis zwischen den beiden Völkern ent­gegenstünden.

Als sehr wichtig bezeichnete es Morrison, daß 4ie deutsche Demokratie auf der lokalen und

der parlamentarischen Ebenelebhaft und frei sei und die Bürokratie nicht allzu stark werde. In einer erfolgreichen Demokratie müsse es auchdie Freiheit geben, die Regie­rung anzugreifen, aber eine gewisse Disziplin ist dabei in jedem L&nde erforderlich. So­wohl die Vertreter der Regierung als auch die der Opposition sollten sich ihrer aufbauenden Aufgabe bewußt sein und beide Gruppen müßten sich in jedem Lande der Welt ihr, Ver­antwortungsgefühl bewahren. Zu den ihner- politischen Vorgängen, inbesondere den Wah­len in Niedersachsen, sagte Morrison, jede Demokratie habe sich gegen den Extremismus zu verteidigen.

Die britischen Behörden würden alles tun, um Härten auszugleichen, die bei der Ver­legung von Truppenverstärkungen nach Deutschland für die deutsche Bevölkerung aufträten. Alle Maßnahmen würden in voller Zusammenarbeit mit deutschen Behörden er­folgen. Schließlich seien die britischen Behör­den bemüht, die Lasten der Besafzungskosten zu verringern.

SAARBRÜCKEN. Die Regierung des Säar- landes hat am Montag die Demokratische Par­tei des Saarlandes verboten und das Vermögen der Partei beschlagnahmt. Bei dem Vorsitzen­den der DPS, Richard Becker, und dem Vorstandsmitglied Rechtsanwalt Dr. Schnei­der wurden Haussuchungen abgehalten. Das vom Innenminister Hector Unterzeichnete Ver­bot bezieht sich auf das Vereinsgesetz und den Artikel 10 der saarländischen Verfassung. Die Regierung begründete ihr Vorgehen damit, daß die DPS durch ihre Tätigkeit gegen gesetzliche Bestimmungen verstoße und den verfassungs­mäßigen Zustand wie den Bestand des saar­ländischen Staats gefährde.

In einem Werbedruck derDemokratischen Zeitung an der Saar habe die DPS als vor­läufige Regelung der Saarfrage bis zum Ab­schluß eines Friedensvertrags vorgesehlagen, die staatsrechtliche Form von Regierung und Parlament grundsätzlich zu ändern, die poli­tische Unabhängigkeit des Saarlandes und den Wirtschaftlichen Anschluß an Frankreich, die in der Verfassung festgelegt sind, abzuschaffen und statt dessen lediglich eine verwaltungs- techniscfa. notwendige Regierungskommission einzusetzen. Diese Vorschläge seien als Ver­fassungsänderung unzulässig und stellten eine Gefährdung des Staates dar.

Das Verbot soll vor allem durch einen Brief des französischen Außenministers Schuman veranlaßt worden sein, in dem betont wurde, die Ziele der DPS seien geeignet, das Verhält­nis zwischen Frankreich und dem Saarland zu stören, insbesondere den wirtschaftlichen An­schluß wie auch die französisch-deutschen Be­ziehungen zu gefährden.

Nodi keine Wahlbündnisse

PARIS. Die von den Regierungsparteien an das neue Wahlgesetz geknüpften Hoffnungen, daß es zu einem mehr oder minder engen Wahlbündnis der Mittelparteien gegen den Kommunismus und die Gaullisten führen würde, haben sfch bisher nicht erfüllt. Insge­samt 15 Parteien oder Parteiengruppen haben sich zu den Wahlen auf Landesebene eintragen lassen. Obwohl für die Bekanntgabe von Listenverbindungen nur noch drei Tage zur Verfügung stehen, sind die Parteien in den meisten Departements noch zu keiner Einigung gekommen.

Nach dem neuen französischen Wahlgesetz fallen alle Sitze des Wahlbezirks an die Par­tei oder Koalition, die die absolute Mehrheit erhält.

Nur noch ein strittiger Punkt

PARIS. Auf der Pariser Vorkonferenz haben die Außenministerstellvertreter der vier Groß­mächte am Montag die Zahl der noch nicht ge­klärten Fragen auf eine vermindert: die von der Sowjetunion geforderte Beratung der Außenminister über den Atlantikpakt.

Ein Fortschritt wurde insofern erzielt, als sieh die westlichen Vertreter mit dem sowje­tischen Vorschlag einverstanden erklärten, die Frage der Entmilitarisierung Deutschlands zweimal auf der Tagesordnung erscheinen zu lassen. Eine weitere Debatte über die Reihen­folge der einzelnen Punkte lehnte der sowje­tische Delegierte G r o m y k o mit der Begrün­dung ab, daß zuerst auch eine Beratung über den Atlantikpakt in der Tagesordnung vorge­sehen sein müsse.

Links: Bundespräsident Prof. Heuß empfing am Montagvarmillag den britischen Außenminister Morrison zu einem halbstündigen Höflichkeitsbesuch. Rechts: Eine längere Unterredung hatte der britische Außenminister mit führenden Persönlichkeiten der SPD am Montagnadimittag. Von links nach rechts: Außenminister Morrison, Prof. Karl Schmid, Dr. Schumacher

und Olle nh au e r.

Bundesrat und Parteien

Von unserer Bonner Redaktion

Demokratische Partei der Saar verboten

Bundeskanzler Adenauer: Zeichen der Schwächung des Regimes an der Saar

Die Demokratische Partei des Saarlandes will auf dem Wege des Verwaltungsstreikver­fahrens gegen das von der Saarregierung aus­gesprochene Verbot ihrer Organisation Ein­spruch erheben.

Bundeskanzler Adenauer bezeichnet das Verbot der DPS als einZeichen für die starke Schwächung des jetzigen Regimes an der Saar. Er hoffe, daß das Verbot dazu beitrage, daß die Saarbevölkerung sich mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln gegen die un­demokratischen Maßnahmen einer undemo­kratischen Regierung empöre.

Bundesminister Jakob Kaiser erklärte: Die Regierung Hoffmann irrt, wenn sie glaubt, die Probleme des Saargebiets mit polizeistaat­lichen Mitteln lösen zu können. Der Vorsit­zende der SPD, Kurt Schumacher, be­zeichnet es als Aufgabe der deutschen Dele­gation in Straßburg, diese Angelegenheit vor dem Europarat aufzurollen.

hf. Die einzige Institution in Bonn, auf die sich die Ergebnisse der Landtagswahlen un­mittelbar auswirken, ist der Bundesrat. Seine Fraktionen" werden von den Länderregierun­gen ernannt, die auf Grund der Landtagswah­len. zustande kamen. Davon, welche Partei in den Länderregierungen die Mehrheit hat, kann abhängen, in welcher parteipolitischen Rich­tung die Vertreter im ßundesrat stimmen. Nicht immer wird es von der Partei abhängen, wie die eirfheitlich abzugebenden drei bis fünf Stimmen der einzelnen Länder gebraucht wer­den, doch es wird dann der Fall sein, wenn es nicht um eine innen- oder wirtschaftspoli­tische Frage geht, die das Länderinteresse be­rührt, sondern um ein grundsätzliches oder außenpolitisches Problem, bei dem die Stand­punkte der Parteien vor denen der einzelnen Länder rangieren.

Die Ländervertreter im Bundesrat sind si­cher primär das, was ihr Name sagt, aber sie sind gleichzeitig Mitglieder der CDU, Sozial­demokratie oder Angehörige einer anderen Partei. Entsprechend regieren sie in ihrem Land und entsprechend legen die Kabinette die Stimmenabgabe im Bundesrat fest. Die Mehrheitsverhältnisse in den Länderregierun­gen haben also für Bonn sehr erhebliche Be­deutung. Adenauer. Schumacher und die an­deren Exponenten der Parteivorstände ha­ben darum allen Grund, sich aktiv in die je­weiligen Koalitions- oder Fusionsverhandlun­gen einzuschalten, die auf der Länderebene geführt werden. Stets steht, als einer der den Ausgang dieser Gespräche mitbestimmenden Faktoren, das Kräfteverhältnis im Bundesrat im Hintergrund.

Das Ausmaß der Mitwirkung des Bundes­rates bei der Gesetzgebung durch Initia­tive, Mitbestimmung, Zustimmunug und Ein­spruch ist so- erheblich, daß es für Regie­rung und Opposition von großer Bedeutung sein muß, aus welchen Parteien sich die Län­dervertretungen zusammensetzen. Während die Bundesregierung von vorneherein darum be­müht sein wird, die Zusammensetzung des

Olympisches Komitee West anerkannt

Ostzone erhält Richtlinien / Gemeinsame Olympia-Mannschaft

LAUSANNE. Das westdeutsche Nationale Olympische Komitee (NOK) ist gestern vom Exekutivausschuß des Internationalen Olym­pischen Komitees (CIO) als die vorläufig einzig deutsche olympische Organisation anerkannt worden. In einer offiziellen Verlautbarung heißt es, daß Deutschland auf den olympischen Spielen 1952 in Helsinki nur durch eine Ex­pedition vertreten wird. Das NOK der Bun­desrepublik hat die Verantwortung für die deutsche Expedition zu übernehmen und die Richtlinien festzulegen, die für die Athleten der Sowjetzone maßgebend sind.

Die vorhergehenden Verhandlungen, noch in letzter Minute eine Einigung zwischen den beiden deutschen Komitees zu erzielen, sind, wie erwartet, gescheitert. Wie der Kanzler des IOKs. Mayer, mitteilte, waren die Re­präsentanten der Sowjetzone bereit,alle von dem westdeutschen Komitee gestellten Bedin­gungen anzunehmen, um eine Fusion der beiden Verbände zu erreichen. Geeinigt haben sich die deutschen Komitees darüber, eine ge­meinsame Olympiamannschaft aufzustellen.

hb. Dieser Beschluß des Exekutivkomitees kommt insofern überraschend, als die kürzlich in Wien gefundene Zulassungsformel, eine An­erkennung des westdeutschen NOKs von einer

vorherigen Fusion mit dem NOK-Ost abhängig zu machen, durchbrochen wurde. Wenn Kanz­ler Mayer richtig unterrichtet wurde, kann man nur hoffen, daß dennoch ein gemeinsames deutsches Komitee gebildet wird. Der Weg ist geebnet 1 und mit der Einigung über eine deutsche Olympia-Mannschaft ist auch der erste hoffnungsvolle Schritt getan.

Geländegewinn der UN-Truppen

Rückzug der Kommunisten

TOKIO. Auf 40 km breiter Front gingen die alliierten Truppen am Dienstag im Westab­schnitt in Korea zum Angriff über und erziel­ten in überraschenden Vorstößen beträchtliche Geländegewinne. Der Druck der kommunisti­schen Truppen im West- und Mittelabschnitt ließ weiter nach und wurde teilweise von einem allgemeinen Rüdezug abgelöst. Die einzige stärkere kommunistische Tätigkeit wurde von der Ostflanke des Mittelabschnitts gemeldet.

In den ersten fünf Tagen der gegenwärtigen kommunistischen Offensive haben die Streit­kräfte der UN bis einschließlich Sonntag 1680 Mann an Toten und Verwundeten verloren. Die Ausfälle der kommunistischen Truppen werden auf etwa 60 000 Mann beziffert.

Bundesrates mit den Mehrheitsverhältnissen in der Volksvertretunggleichzuschalten, um die eigene Politik auch von der Ländervertre­tung weitgehend gestützt zu wissen, wird die Opposition sich stets bemühen, ihren Einfluß, auf oder gegen die Regierung, üher den Bun­desrat zu vermehren. Darin liegt z. B. einer der Gründe dafür, daß Adenauer in Mainz keine große Koalition, Schumacher jedoch gerade diese Koalition haben möchte.

Die Zusammensetzung des Bundesrates hat sich nach den Landtagswahlen, die seit 1949 stattfanden, so weit geändert, daß bei solchen Abstimmungen, bei denen die Parteiinteres­sen bestimmen, der Ausgang völlig offen ist. 1949 wurden zwei Ländervertretungen aus­schließlich von der CDU/CSU gestellt, in Ver­tretungen von vier Ländern dominierte die gleiche Partei, in zwei Ländern war sie mit- und in den drei re stlich en Vertretungen gar nicht beteiligt. Die SPD bestimmte eine Ver­tretung allein, bei vier Vertretungen stand sie an der Spitze, in vier weiteren war sie betei­ligt und in zwei Länder Vertretungen waren keine Sozialdemokraten.

In der Annahme einer Koalition CDU'SPD (mit Mehrheit der CDU) in Rheinland-Pfalz und einer von der SPD bestimmten Regierung in Niedersachsen hat der neue Bundesrat fol­gende Zusammensetzung: von der CDU/CSU allein wird die Vertretung Südbadens ge­stellt, in den Vertretungen von Schleswig- Holstern, Nordrhein -Westfalen, Bayern, Württemberg-Hohenzollern und Rheinland- Pfalz ist die CDU'CSU der die Stimmenab­gabe bestimmende Partner, während sie an den Vertretungen von Hamburg, Bremen, Niedersachsen, Hesse*) und Württemberg-Ba­den nicht beteiligt ist. Die SPD bestimmt al­lein die Vertretungen von Hamburg und Hes­sen und als stärkster Partner die Vertretun­gen von Niedersachsen, Bremen und Würt­temberg-Baden, während sie in den Vertre­tungen von Bayern, Württemberg-Hohenzol­lern und Rheinland-Pfalz der Partner mit dem geringeren Gewicht ist. In den Delega­tionen der Kabinette von Schleswig-Holstein, Südbaden und Nordrhein-Westfalen sind da­gegen keine Sozialdemokraten. Berücksichtigt man die Tatsache, daß die Vertretungen von Koalitionsregierungen auch die Meinung des schwächeren Partners zur Wirkung bringen, so wird deutlich, wie ausgeglichen das partei­politische Kräfteverhältnis im Bundesrat jetzt ist.

Diese Lage wird die Haltung des Bundes­rates durchaus beeinflussen, wenn auch nicht bestimmen. Die bisherige Arbeit des Bundee- rates hat gezeigt, daß den Vertretern der Län­der meist das regionale Interesse wichtiger ist als das Parteiinteresse. Es ist häufig diese Tatsache gewesen, die den Bundesrat für Bun­desregierung und Volksvertretung zu einem keineswegs .bequemen Partner werden ließ. Die neue Zusammensetzung des Bundesrates wird also nicht eine wachsende Selbständig­keit zur Folge haben, sondern sie wird diese bereits bestehende Selbständigkeit gegenüber der Bundesregierung festigen. Wenn das Par­teiinteresse eine größere Rolle auch im Bun­desrat zu spielen beginnt, so dürfte das vor allem in den bevorstehenden außenpolitischen Problemen seinen Grund haben, bei denen das Kräftespiel zwischen einem in der prak­tischen Verwaltung zur Zentralisierung wir­kenden Bund und den auf der Dezentralisie­rung beharrenden Ländern fortfällt. Der Schumanplan kann als Beispiel für solche Probleme durchaus angeführt werden. Bei ihrer Erörterung im Bundesrat wird die par­teipolitische Zusammensetzung den Ausschlag geben.