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HEIMATBLATT STADT UND LAND
FREITAG, 18. MAI 1951
ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG
7. JAHRGANG / NR. 75
FDJ randaliert im Landtag
Staatspräsident Müller begründet Verbot der sogenannten Volksbefragung über die Remilitarisierung
BEBENHAUSEN. (Eig. Bericht). Als in der 105. Landstagsitzung am Donnerstagmittag Abg. Gog (CDU) im Namen der CDU, SPD und FDP den Antrag stellte, über den Initia- tivgesetzentwnrf der KPD, eine Volksbefragung über die Remilitarisierung durcbzufüh- ren, zur Tagesordnung überzugehen, kommentierten dies einige Jugendliche auf den Zuhörerbänken mit heftigen Pfui-Rufen. Es kam zu tumultartigen Szenen zwischen FDJ-Demonstranten, unterstützt durch Abg. Acker (KPD), und den anderen Landtagsabgeordneten, wobei Präsident G e n g 1 e r und einige Abgeordnete übel beschimpft wurden. Staatspräsident Dr. Müller, der vermittelnd in diese unwürdige Szene eingreifen wollte, wurde entgegengehalten: „Das haben Sie noch zu büßen, Herr Müller“. Um die Ruhe und Ordnung wieder herzustellen, mußte Landtagspräsident Gengier die Sitzung für 20 Minuten unterbrechen, bis die Randalierenden den Saal nach mehrmaliger Aufforderung verlassen hatten. Die sofort alarmierte Polizei traf dreiviertel Stunden nach Beginn des Tumults ein.
Bereits die große Anfrage der KPD, die sich mit dem Verbot einer Volksbefragung über die Remilitarisierung in Schwenningen befaßte, hatte eine grundsätzliche Diskussion über das Thema Remilitarisierung ausgelöst. Abg. Acker (KPD) bestritt die Rechtmäßigkeit dieses Verbots und verlangte die Durchführung, da es sich hier um ein verfassungsmäßiges Recht handle. Auch anderweitig seien schon ähnliche Befragungen ohne Beanstandungen durchgeführt worden.
Die große Anfrage wurde von Ministerialrat Prof. Dr. Eschenburg und von Staatspräsident Dr. Müller beantwortet. Zunächst begründete Dr. Eschenburg die rechtliche Seite des Verbots. Befragungen, wie sie zum Beispiel der „Spiegel“ oder Institute für die öffentliche Meinungserforschung durchgeführt hätten, seien öffentliche Meinungsäußerungen und verfassungsrechtlich erlaubt. Dagegen versuchten die Vereinigungen, wie im Falle Schwenningen, ihre Plebiszite als ordnungsgemäße Geheimwahl zu deklarieren und damit •in Recht zu beanspruchen, das allein dem Staat zustehe, in der Verfassung aber nur für terriotoriale Veränderungen (Grundgesetz-Artikel 118) vorgesehen sei. Zudem sei die Geheimhaltung nicht gewährleistet und die Möglichke it zu groß, daß die Wähler beim Abholen Ihrer Stimmzettel beeinflußt würden.
Eine „verderbliche Spekulation auf die natürliche Sehnsucht der Bevölkerung nach Frie
den“ nannte Staatspräsident Dr. Müller die sogenannte Volksbefragung über die Remilitarisierung. Diese ganze Frage habe nicht nur eine rechtliche, sondern auch eine politische Seite. Die KPD versuche mit der Parole des Friedens ihren Niedergang aufzuhalten und täusche damit nichtvorhandene Anhängerschaft vor. Einer Partei, die gegen die Demokratie ist, dürfe jedoch keine Gelegenheit gegeben werden, mit demokratischen Mitteln die Demokratie zu vernichten. Außerdem sei die Fragestellung falsch. Beispielsweise könne er sich drei sinnvolle Fragen für eine Volksbefragung vorstellen:
1. Sind Sie damit einverstanden, daß Deutschland einem nicht provozierten Angriff schutzlos ausgeliefert wird?
2. Sind Sie damit einverstanden, daß Deutschland bei einer Ost-West-Auseinandersetzung neutral bleibt?
3. Sind Sie auch für eine Neutralität, wenn in einer solchen Auseinandersetzung Deutschland keine Möglichkeit hat, sich zu schützen?
Die Ursache der ganzen westlichen Aufrüstung liege darin, daß Rußland als einzige Siegermacht nach 1945 nicht abgerüstet habe und eine Kriegspolitik treibe, deren drastisches Beispiel Korea sei. Auch der Abschluß eines Friedensvertrags scheitere am östlichen Part- nei-, denn, das dürfe man nie übersehen, Rußland wolle ja als Grundlage eines solchen Vertrags das Potsdamer Abkommen, daß heißt die
Stabilität der DM wird verteidigt
Geheimrat Vocke lehnt Geldausweitung wegen Inflationsgefahr ab
FRANKFURT. Bei der kreditpolitischen Tagung der „Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen“, die in Frankfurt stattfindet, erklärte der Präsident des Direktoriums der Bank deutscher Länder, Geheimrat Dr. Wilhelm Vocke, die ganze Welt führe gegenwärtig einen bewußten Kampf gegen die Inflationsgefahren. Die Bundesrepublik befände sich bereits in einer Inflation, wenn sie als stark «infuhrabhängiges Land die Tendenz der steigenden Preise noch durch eine Geldausweitung (durch Senkung der Diskontsätze oder erleichterte Kreditgewährung, d. Red.) unterstützen würde.
Die Notenbank werde sich auch weiterhin bemühen, die Inlandspreise unter dem Preisniveau des Auslandes zu halten und auf
Allgemeiner Rückzug
Kommunisten im Angriff
diese Weise der DM und der Ausfuhr deutscher Industrieprodukte eine Chance zu geben. Aus diesem Grunde seien die Kreditrestriktionen der Bank deutscher Länder weiterhin erforderlich. Die BdL werde sich weiterhin ihrer Hauptaufgabe, die Kaufkraft der DM stabil zu halten, widmen. Alle Sonderwünsche und Sonderinteressen müßten sich diesem Gesichtspunkt unterordnen.
Mit Nachdruck erklärte Geheimrat Vocke: „Man kommt zu mir und sagt, helfen Sie uns doch, Preiseinbrüche zu vermeiden; wenn wir Gelder bekommen, halten wir die Preise einigermaßen. Dafür habe ich jedoch taube Ohren!" Die große Kaufwelle, die nach Ausbruch des Koreakonfliktes einsetzte, sei jetzt verebbt. In der Bundesrepublik beobachte man schon wieder fallende Preise. Man habe eingesehen, daß die Weltmarktpreise nicht nur steigen, sondern auch fallen können, und daß viele Waren im Preis überhöht waren.
Aufgabe aller mühsam erreichten politischen und wirtschaftlichen Freiheiten der letzten fünf Jahre und die Aufgabe des deutschen Ostens.
Abg. Laich verläßt KPD
Zu Beginn der Sitzung gab Abg. E. Laich seinen Austritt aus der KPD in einer Erklärung bekannt, wobei er betonte, daß er sein Landtagsmandat auch nach seinem Ausscheiden aus der KPD-Fraktion weiterhin ausüben werde, ohne sich einer anderen Fraktion anzuschließen.
Laich erklärte, sein Ausscheiden aus der KPD sei durch seinen Austritt erfolgt und nicht, wie verschiedentlich gemeldet wurde, dadurch, daß er ausgeschlossen worden sei. Mit Entschiedenheit müsse er die verleumderische Behauptung, er wäre ein Agent und Titoist, zurückweisen. „Dieser Schritt nach Fortsetzunn auf Seite t
Morrison in der Bundesrepublik
Besprechungen mit Heuß und Adenauer
BONN. Auf dem Flugplatz Wahner Heide trifft heute der britische Außenminister Herbert Morrison zu seinem dreitägigen Besuch in der Bundesrepublik ein. Dies ist der erste Besuch des britischen Außenministers seit seinem Amtsantritt in einemausländischen Staat außerhalb internationaler Konferenzen. Morrison wird von Unterstaatssekretär Lord Henderso n und dem Chef der Deutschlandabteilung im britischen Außenministerium, Sir Donald G a i n e r, begleitet.
Am Samstagvormittag wird Morrison mit Bundeskanzler Adenauer im Palais Schaumburg Zusammentreffen. Am Nachmittag wird er dann mit führenden deutschen Gewerkschaftsvertretern Besprechungen führen. Bundespräsident Prof. Heuß will den britischen Außenminister am Montagvormittag empfangen. Am gleichen Tag hält Morrison eine Pressekonferenz ab und trifft mit dem SPD- Vorsitzenden Kurt Schumacher, den SPD- Abgeordneten Ollenhauer und Prof. Schmid zusammen.
Bemerkungen zum Tage
An der Wirklichkeit vorbei
1h. In England werden dem Oppositionsführer seine Attacken gegen die Regierung von der Regierung gut bezahlt. Bei uns ist dieser die Fruchtbarkeit der Kritik unterstreichende Zustand noch nicht verwirklicht, dafür legt sich hier der Oppositionsführer Dr. Schumacher mit um so größerem Eifer ins Zeug, um der Regierung mit drastischen Worten nachzuweisen, wie unfähig sie sei. Dr. Schumachers Argumente hatten einmal im Naeh- kriegsdeutschland großes Gewicht, und es wird gewiß nur wenige geben, die diesem von den Qualen der Hitlerdiktatur gezeichneten Mann ihr£ Achtung leichtfertig versagen wollten.
In letzter Zeit will es freilich scheinen, als trage Dr. Schumacher seine Verbitterung gegenüber dem Leben auch in die politische Arena. Damit verläßt er zwangsläufig den Boden der Wirklichkeit, und aus dem eifriger Kritiker wird ein eifernder Unverstandener, der nicht mehr sieht, was hinter uns liegt und was dem deutschen Volk und jeder Regierung, welche Zusammensetzung Sie auch haben mag, wie ein Bleigewicht anhängt und uns vieles Notwendige noch nicht hat erreichen lassen. Es ist müßig, zu wiederholen, daß wir noch keine volle Handlungsfreiheit haben, daß wir aber in dieser Richtung und auch wirtschaftlich schon mehr an Erfolgspunkten verbuchen können, als man noch vor wenigen Jahren erwarten durfte. Dr. Schumacher verneint das alles. Er macht allein die Regierung für die Erfolge der Renner und Konsorten verantwortlich. Der nationalistische Wind weht indessen nicht nur aus Bonn, sondern gerade Schumachers heftige Worte blähen die Segel der neuen Marschierer, die wie er den Schumanplan aus nationalen Ressentiments verfluchen. Vom Prestige kann Deutschland jedoch nicht leben. Arbeit und Zusammenarbeit mit den Nachbarn sind unsere Existenzgrundlagen. Das hat der Deutsche Gewerkschaftsbund viel klarer als Dr. Schumacher erkannt, und das ist der Grund, weshalb man dort seinen Angriffen auf den Schumanplan nicht mehr das offene
Ohr leiht. In der „Welt der Arbeit“, dem Zentralorgan des DGB, wird der Schumanplan als der Beginn der wirtschaftlichen Koordinierung Europas charakterisiert, die bei Einzelabmachungen ihren Anfang nehmen müsse. Das ist ein Wort, das weit besser in die Wirklichkeit unserer Tage paßt als die dauernden Bösartigkeiten Dr. Schumachers.
Explosives Oel
hjs. „Großbritannien kann uns mit ein paar Fallschirmjägern nicht erschüttern. Sie werden nur ein kleiner Happen für unsere Grenzstämme sein. Großbritannien irrt sich, wenn es glaubt, Persien in ein neues Korea verwandeln zu können.“ Mit Pathos verkündete dies der Abgeordnete Haiy Zaden vor dem persischen Parlament. Als Geräuschkulisse rührt die persische Presse die nationale Trommel. Emphatisch bezeichnet sie die Ölverstaatlichung als ,heiliges Ziel“, das ihr auch durch einen dritten Weltkrieg nicht zu teuer erkauft scheint. Dabei konnte sich das persische Parlament trotz mehrtägiger geheimer Besprechungen nicht darüber klar werden, wie das Verstaatlichungsgesetz in die Praxis umzusetzen sei. In Wahrheit dürfte es sehr zweifelhaft sein, ob Persien überhaupt die Möglichkeiten und Mittel besitzt, seine Ölquellen rationell zu nutzen. Und es hat den Anschein, als machten sich die extremen Nationalisten weniger um die Nutzbarmachung der Quellen Sorgen, als sie sich durch die energische Haltung der britischen Regierung in ihrem Nationalstolz gekränkt sehen. Sie übersehen dabei, daß noch ein Dritter, der bisher allerdings noch nicht in Erscheinung getreten ist, sehr interessiert dem Streit zwischen Teheran und London zusieht: der Kreml. Die USA, die Großbritannien zwar vor einer militärischen Intervention warnen, werden dieser Tatsache weit mehr Augenmerk schenken und sich am Ende doch mit England solidarisch erklären. Denn schließlich geht es darum, ob das persische öl nach Westen oder Osten fließt.
Der Staat will mitsplelen
Persischer Oelstreit auf dem Höhepunkt
Kriegshysterie in Teheran / Entschlossene Haltung Englands
TOKIO. Kommunistische Streitkräfte durchbrachen in der Nacht zum Donnerstag die Linien der UN-Truppen im Ostteil der koreanischen Mittelfront an drei Stellen und zwangen die UN-Truppen, sich auf neue Verteidigungsstellungen zurückzuziehen. Obwohl die Kommunisten bisher noch keine Panzer und keine Artillerie eingesetzt haben sollen, vermuten militärische Beobachter, daß die zweite Phase der kommunistischen Frühjahrsoffensive jetzt begonnen hat. Im Laufe des Donnerstag konnten die Kommunisten teilweise bedeutende Geländegewinne erzielen. Die in Stärke von etwa 75 000 Mann angreifenden Rotchinesen zwangen die alliierten Truppen in einzelnen Frontabschnitten zu einem allgemeinen Rückzug.
Heuß antwortet Pieck
Bevölkerung begrüßt Verbot
BONN. Bundespräsident Prof. Heuß erklärte zu dem Appell des Sowjetzonenpräsidenten Wilhelm Pieck, das Verbot der kommunistischen Volksbefragung über die Remilitarisierung im Bundesgebiet aufzuheben, dieses Verbot habe die Zustimmung des Großteils der Bevölkerung gefunden, und er hätte sich dieser Haltung angeschlossen. Denselben Standpunkt nehme die überwältigende Mehrheit des Bundestages ein
Heuß fuhr fort: „Die Zweckmäßigkeit einer politischen Entscheidung, die der Sicherung der staatlichen Ordnung und der sozialen Ruhe diene, werde nicht der Beurteilung dessen unterstellt, der diese bedrohe — gleichviel, welcher Techniken er sich dabei bedient —, sondern den Geboten einer friedlichen Lebensnotwendigkeit.“
TEHERAN. Die britisch-persischen Spannungen über die Ölverstaatlichungsfrage sind jetzt auf einem gewissen Höhepunkt _ ange- langt. In unterrichteten Kreisen befürchtet man, daß sie weltweite Auswirkungen im Gefolge haben können. Das Attentatsversuch auf den persischen Ministerpräsidenten Mossa- deq, das in letzter Minute vereitelt werden konnte, hat die Krise nicht ungefährlich verschärft. In großer Aufmachung brachten die persischen Blätter die Berichte über die Alarmierung britischer Fallschirmtruppen. Der nationalistischen Presse bemächtigte sich eine wachsende Kriegshysterie Sie droht sogar mit einem „Heiligen Krieg“ gegen Großbritannien.
Es bestehen in Teheran keine Zweifel mehr daran, daß Regierung und Parlament entschlossen sind, die Verstaatlichung trotz der ernsten britischen Vorstellungen durchzuführen. Der Verstaatlichungsausschuß des persischen Parlamentes trat am Mittwoch erneut zu einer mehrstündigen Geheimsitzung zusammen.
In London ist jetzt eine energische Note der britischen Regierung fertiggestellt worden, die nach Ansicht unterrichteter Kreise entscheidend für die weitere Entwicklung sein kann. Großbritannien soll darin u. a. die Entsendung einer Regierungskommission nach Persien zu Besprechungen über die Verstaatlichung vorschlagen. Wie aus diplomatischen Kreisen in London verlautet, haben die Vereinigten Staaten den Regierungen Großbritanniens und Persiens dringend empfohlen sich auf dem
Verhandlungswege um eine Lösung der Krise zu bemühen und dabei bis zum äußersten zu gehen. Die USA sollen Großbritannien zu verstehen gegeben haben, daß man in London kaum auf amerikanische militärische Hilfe rechnen dürfe, falls britische Truppen in Persien einrückten.
Irakische Truppen in Syrien
Israel ist ungehalten
TEL AVIV. Die irakische Regierung hat einem Ersuchen Syriens um Waffenhilfe gegen Israel entsprochen und Land- und Luftstreitkräfte nach Syrien entsandt. Die Truppen bezogen bereits Stellungen an der syrisch-israelischen Grenze. Ein israelischer Regierungssprecher meinte zu der Truppenentsendung, Syrien wolle es offenbar auf einen Krieg mit Israel ankommen lassen.
Auf der Konferenz des Rates der Arabischen Liga dementierte der irakische Außenminister, daß der Irak die Bildung einer gemeinsamen arabischen Armee zum Schutze aller arabischisraelischen Grenzen vorgeschlagen habe.
Die USA, Großbritannien, Frankreich und die Türkei haben am Mittwoch den Weltsicherheitsrat aufgefordert, die sofortige Einstellung der Entwässerung der Huleh-Sümpfe durch Israel anzuordnen, da es im Verlaufe der Trok- kenlegung der Sümpfe, die in der entmilitarisierten Zone an der israelisch-syrischen Grenze liegen, zu Grenzzwischenfällen gekommen war.
jk. Die öffentlichen Anleihen, die seit der Geldreform aufgelegt wurden, sind — wir verraten damit kein Geheimnis — nicht gerade von überragendem Erfolg gekrönt gewesen. Auch die ernstesten Beschwörungen vermochten nicht, den Sparer aus seiner Reserve hervorzulocken. Das Geld ist knapp und der Zins ist — für Einlagen — niedrig. Und es stimmt so manches andere nicht. Die Spannungen in der großen Politik, die Entwicklung der Preise lassen kein Sicherheitsgefühl aufkommen. Und das bisher nicht eingelöste Versprechen, die Altsparer zu entschädigen, hat mehr Schaden angerichtet, als die Verantwortlichen wahrhaben wollen.
Da es mit dem Zins also nicht geht, versucht man es einmal anders herum. Was der Fußballtoto fertigbringt, gelingt vielleicht auch dem Finanzminister, denkt man. Die Spielleidenschaft, der Wunsch, leicht zu Geld zu kommen, hat sich ja als eine der stärksten motorischen Kräfte im Bewußtsein der Massen erwiesen. An diese wendet sich denn auch die Bundesregierung (siehe Meldung im Wirtschaftsteil) mit einer Anleihe von 50 Millionen DM in Kleinststücken zu je 10 DM — sogenannten „Baby-Bonds“ Zins wird nicht gezahlt; dafür werden jährlich 1080 Gewinne verlost, und es gibt insgesamt 20 Höchstprämien zu je 50 000 DM.
Das Neue an der Sache ist die Ausnutzung der Spielleidenschaft für die Zwecke des Staates. Wir haben kein Recht, diese überraschend weitgehende Anpassung an die Psychologie der Bevölkerung zu kritisieren. Ob es aber so geht, ist eine andere Frage. Totospieler gehören anderen Kreisen an als Sparer aus Überzeugung. Denen gebe man ihre Sicherheit, wieder.